Titel: | Die Verarbeitung des Lindenbastes zu Matten. |
Fundstelle: | Band 209, Jahrgang 1873, Nr. XXVII., S. 172 |
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XXVII.
Die Verarbeitung des Lindenbastes zu
Matten.
Ueber die Verarbeitung des Lindenbastes zu Matten.
Diese bildet in Rußland den Gegenstand eines bedeutenden Handels. (Rev. d. deux. Mond. 1867 t.
LXX p. 696.) Es ist nicht selten, daß in den Häfen von
Archangel, Riga und Petersburg nach England und Deutschland bestimmte Schiffe ihre
ganze Ladung daraus bestehen lassen. Der inländische Verbrauch ist gleichfalls sehr
groß. Man macht daraus Kornsäcke, Umhüllungen für Kisten zum Verpacken aller Art
Waaren, Decken für Wagen, Teppiche für Fußböden, Siebe für Korn, Netze worin die
Fuhrleute ihren Heuvorrath aufbewahren. Auf den russischen Fluß- und
Canalschiffen sind die Taue, Stricke und sogar die Segel aus Lindenbast verfertigt.
In einem großen Theile des Landes macht man daraus Schuhe, deckt Häuser damit und
früher ward er sogar zum Schreiben und Malen angewendet. In den Gouvernements von
Wiotka, Kostroma, Kasan und Nischnei-Nowgorod befaßt sich die Bevölkerung
zumal mit dieser Industrie. In den Monaten Mai und Juni, wo der aufsteigende Saft
das Abschälen der Rinde erleichtert, begeben sich die Bauern zu diesem Zwecke mit
Weib und Kind in die Wälder. Der untere Theil der Rinde wird gewöhnlich zum
Dachdecken gebraucht, man erwärmt denselben und preßt ihn, damit er sich nicht
aufrollt. Man erhält so Platten 1,60 Meter lang, 1 Meter breit, wovon das Stück 40
Cent. kostet. Die Rinde des oberen Stammes und der Zweige bindet man in Bündel und
legt sie in's Wasser, wo man sie bis zum September rotten läßt. Dann trocknet man
sie in der Wärme, zertheilt sie in dünne zarte Bänder, welche auf einem Webstuhl zu
Matten verwebt werden, deren Stärke nach dem Gebrauche, zu welchem sie bestimmt
sind, verschieden ist. Sie wiegen von 1 bis 3 Kilogrm. Die schwersten und
dauerhaftesten werden auf der Messe von Nischnei-Nowgorod zu 120 Franken das
Hundert verkauft. Man schätzt die Anzahl der jährlich verfertigten Matten auf 14
Millionen, was einen Werth von 8 Millionen Franken ausmacht. Rechnet man dazu noch
die anderen aus Lindenbast fabricirten Artikel, so kommt man auf eine Summe von etwa
12 Millionen. Dazu werden jährlich nicht weniger als eine Million Lindenbäume
niedergehauen, ein Verbrauch, der allerdings den russischen Waldungen gefährlich zu
werden droht. (Hannoversches Wochenblatt für Handel und Gewerbe, 1873 S. 104.)