Titel: | Neumann's Verfahren, die Gewebe dichter und fester, sowie wasserdicht zu machen. |
Fundstelle: | Band 193, Jahrgang 1869, Nr. CXXI., S. 510 |
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CXXI.
Neumann's Verfahren,
die Gewebe dichter und fester, sowie wasserdicht zu machen.
Aus Armengaud's
Génie industriel, August 1869, S. 73.
Neumann's Verfahren die Gewebe zu verstärken und wasserdicht zu
machen.
Die meisten der bisher zum Wasserdichtmachen der Gewebe vorgeschlagenen
Verfahrungsarten gründen sich bekanntlich auf die Anwendung entweder von
Salzlösungen, oder von Firnissen und anderen Ueberzügen; es wird also überhaupt eine
fremde Substanz auf der Oberfläche des Gewebes angebracht, welche man den Fasern
desselben mehr oder weniger gut einzuverleiben sucht.
Das neue (in Frankreich patentirte) Verfahren beruht auf einem ganz verschiedenen
Princip, indem es den Fasern selbst die zusammenklebende und schützende Substanz
entlehnt, dadurch daß es in dem Gewebe eine Art molecularer Umwandlung bewirkt, in deren Folge
die Stoffe beträchtlich verstärkt und zugleich wasserdicht gemacht werden.
Zu diesem doppelten Zweck benutzt Neumann die Eigenschaft
welche die Schwefelsäure besitzt, die Gespinnst- und Gewebefasern
anzugreifen; nur ist er besorgt, die Stoffe mit der Säure bloß so lange Zeit in
Berührung zu lassen, als zu einer theilweisen Auflösung des Faserstoffes an der
Oberfläche des Gewebes gerade nothwendig ist, ohne daß das Gespinnst zerstört oder
das Gewebe verändert wird. Die so behandelten Stoffe sind gleichsam mit einem
natürlichen Klebmittel überzogen und imprägnirt, welches sie pergamentartig macht,
so daß sie nach dem Waschen, Spülen und Trocknen für die Dauer wasserdicht geworden
und beträchtlich verstärkt sind.
Man verfährt in folgender Weise: Nachdem man ein Schwefelsäurebad von 40 bis zu
66° Baumé hergestellt hat (für Leinwand vorzugsweise von 57°
Baumé), haspelt man die Stoffe in dasselbe, indem man sie in der Kufe
mittelst einer hölzernen Walze zurückhält, so daß sie zehn Secunden bis zu zwei
Minuten der Einwirkung der Säure ausgesetzt bleiben, je nach der Dicke, Stärke und
Natur des Gewebes; dann haspelt man sich heraus und zwar unmittelbar in einen
Bottich mit frischem, beständig sich erneuerndem Wasser, um eine weitere
desorganisirende Einwirkung der Schwefelsäure rasch aufzuheben. Hierauf werden die
Gewebe gut gespült und hinreichend gewaschen, um ihnen die letzten Spuren von Säure
zu benehmen, wornach man sie an der Luft und endlich auf mit Dampf geheizten
Cylindern trocknet.
Der Faserstoff des Gewebes, welcher sich zum Theil im Säurebad aufzulösen begann, hat
eine Art zusammenklebender Pasta gebildet, welche, indem sie die zwischen der Kette
und dem Einschuß vorhandenen Leerräume verstopfte, die Fäden fest aneinander
geschlossen und so das Gewebe pergamentartig gemacht hat. – Man kann die
Gewebe, sobald sie aus dem Bade herauskommen, zwischen comprimirenden Walzen
passiren lassen, um die gebildete Klebsubstanz gleichmäßig zu vertheilen und dem
Gewebe gründlich einzuverleiben.
Ein Vortheil dieser Behandlung ist auch der, daß bei der Einwirkung der Säure auf die
Gewebe, die in denselben vorhandenen gährungsfähigen Unreinigkeiten (Staub etc.)
vollständig zerstört werden, daher die Stoffe nicht mehr den Wirkungen der Fäulniß
unterworfen sind.
Andere Verfahrungsweise. – Man kann im Voraus eine
Appreturmasse bereiten, welche in einer concentrirten Auflösung von Holz-
oder Baumwollfaser in Schwefelsäure von 57° Baumé besteht, und dieselbe mittelst
Compressionswalzen oder mit der Bürste etc. auf gewöhnlichen Geweben ausbreiten, um
die Maschen derselben gut auszufüllen.Beim nachherigen Waschen der Gewebe wird der in der Appreturmasse enthaltene
(durch die Einwirkung der verdünnten Schwefelsäure aus die Pflanzenfaser
entstandene) Stoff aus seiner Verbindung mit der Säure unmittelbar auf die
Gewebefasern gefällt und bleibt nach dem Trocknen untrennbar mit denselben
verbunden.J. Ferwer gibt im polytechn. Journal Bd. CLIX S.
218 für die Darstellung des durch Einwirkung verdünnter Schwefelsäure auf
Pflanzenfaser entstehenden Stoffes (des Amyloids) folgende Vorschrift: Man
bringt in einem Porzellanmörser zu 30 Gewichtstheilen verdünnter
Schwefelsäure (auf 4 Gewichtstheile concentrirter Säure 1 Gewichtstheil
Wasser) 1 Gewichtstheil aufgelockerte Baumwolle; letztere löst sich in der
Schwefelsäure rasch auf und nach ungefähr einer halben Minute hat sie sich
mit der Säure zu einer klaren, steif gallertartigen Mischung vereinigt,
welche allmählich dünnflüssiger wird und nach ungefähr 15 Minuten die
Consistenz eines Zuckersyrups angenommen hat. Wird diese Mischung mit Wasser
vermischt, so scheidet sich eine weiße, flockig gelatinöse Masse aus, in
welcher von der Structur der Baumwolle nichts mehr zu erkennen ist; diese
Masse ist das sogen. Amyloid, eine Mittelsubstanz zwischen Stärkmehl und
Cellulose. Läßt man aber die saure Mischung ruhig stehen, so verwandelt sich
die gelöste Cellulose allmählich in Dextrin und Zucker, so daß sich nach 7
bis 8 Stunden auf Zusatz von Wasser kaum einige weiße Flocken
ausscheiden.A. d. Red.