Titel: | Chemische Untersuchung von Bouillontafelmasse aus Rußland; von E. Reichardt in Jena. |
Autor: | Eduard Reichardt [GND] |
Fundstelle: | Band 193, Jahrgang 1869, Nr. LXXXIV., S. 311 |
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LXXXIV.
Chemische Untersuchung von Bouillontafelmasse aus
Rußland; von E. Reichardt in Jena.
Reichardt, Untersuchung einer russischen
Bouillontafelmasse.
Durch freundliche Vermittelung wurde mit vor kurzer Zeit eine feste, Leim oder Käse
ähnliche Masse von dunkelbrauner Farbe übergeben, welche in großen abgerundeten
Stücken in den Handel kommt und mit heißem Wasser nebst etwas Gewürz eine Bouillon
gibt, deren Geschmack vortrefflich ist und demnach als Ersatz dafür sehr geeignet
erscheint. Diese Bouillontafelmasse soll übrigens nicht allzuhäufig im reinsten
Zustande zu erhalten seyn, wird in Warschau mit circa 1
Thlr. pro Pfund bezahlt und soll absichtlich vielfach
mit Leim verfälscht werden. Zur Bereitung soll sowohl Fleisch der gewöhnlichen
Schlachtthiere benutzt werden, als auch namentlich Wild, welches in weniger
bevölkerten Orten nach Belieben zur Verfügung steht.
Die Masse war vollständig geruchlos, sehr fest und haltbar, und verrieth äußerlich
nicht im mindesten den brauchbaren Zustand als Nahrungsmittel.
Gegenüber dem ungeheuren Verbrauche des Fleischextractes nach Liebig war es von Interesse, die Mischung etwas näher zu kennen, obgleich
es sich wohl denken läßt, daß bei der Bereitung keineswegs die Sorgfalt aufgewendet
wird, wie in den großen, für diesen Zweck allein eingerichteten Fabriken für
Fleischextract. Im Geschmack verglichen, übertraf, zu Bouillon bereitet, das
russische Fabricat das amerikanische Fleischextract sehr wesentlich; der angenehme,
beliebte Geschmack der Bouillon trat bei der Bouillontafelmasse sofort hervor,
während das Fleischextract dieß nicht ergibt. Der Preis zu 1 Thlr. pro Pfund ist gleichfalls ein äußerst billiger.
0,423 Grm. Bouillontafelmasse verloren bei 110°C. getrocknet 0,064 Grm. Wasser
= 15,13 Proc.; beim Erhitzen bis zu 180° gingen noch ohne Zersetzung 0,028
Grm. Wasser fort = 6,57 Proc. oder in Summa 21,7 Procent Wasser.
9,45 Grm. lufttrockene Masse gaben an Aether 0,021 Grm. Fett ab = 0,22 Proc.
Der Stickstoff wurde in zwei Bestimmungen zu 10,52 und
10,63 Proc. gefunden, Mittel = 10,57 Proc.
Asche = 4,75 Proc.
Die Asche wurde einer vollständigen Analyse unterworfen.
7,73 Grm. lufttrockene Bouillontafelmasse gaben:
in 100 Th. Asche:
Chlor
0,1066 Grm.
29,04
Schwefelsäure
0,0405 „
11,02
Phosphorsäure
0,0578 „
15,74
Kali
0,0378 „
10,31
Natron
0,1357 „
36,91
Kalk
0,0129 „
3,51
––––––––––
––––––––––
0,3913 Grm.
106,53
ab für Cl aequivalent O
0,0240
6,53
––––––––––
––––––––––
0,3673
100,00
Das Fleischextract nach Liebig wird namentlich auf die
Löslichkeit in Alkohol von 80 Proc. geprüft, um leimgebende Stoffe zu scheiden; bei
der Prüfung der Bouillontafelmasse fanden sich in Alkohol löslich 38,09 Proc.
Vollständige Analysen, namentlich der Asche, liegen mit von dem Extracte nach Liebig nicht vor, dennoch lassen sich nicht
uninteressante Vergleiche anstellen.
VogelBuchner's Repertorium, Bd. XIV S. 437. fand im Liebig'schen Fleischextracte 10 Proc.
Wasser, 15,5 Proc. Asche, 2,76 Proc. Phosphorsäure und 9,507 Proc. Stickstoff.
LiebigAnnalen der Chemie und Pharmacie, Bd. CXLI S. 266. fand 16 Proc. Wasser, 18 Proc. Asche und 66 Proc. verbrennliche Theile,
verlangt aber außerdem, daß mindestens 60 Proc. in Alkohol von 80 Proc. lösliche
Theile vorhanden sind.
Eine Probe Extract der Compagnie zu Fray-Bentos ergab 81,5 Proc. in Alkohol
von 80 Proc. lösliche Theile und 20,1 Proc. Asche; dem gegenüber enthielt die
Bouillontafelmasse nur 38 Proc. in Alkohol lösliche Theile und nur 4,78 Proc.
Asche.
Das Verhältniß bei den in Alkohol löslichen Stoffen ist für die Bouillontafelmasse
noch nicht ungünstig zu nennen, da bei Zusatz von Leim, durch Alkohol fällbare
Materie, oft nur 5–8 Proc. löslicher Stoffe nachgewiesen wurden und hier
vielleicht keine absichtliche Fälschung, sondern nur weniger geordnete Zubereitung,
durch längeres Kochen, die Schuld trägt. Auffällig und der Beachtung werth ist die
geringe Quantität der Asche und vor Allem die Mischung der Bestandtheile
derselben.
Braconnot gab zuerst an, daß die Fleischflüssigkeit nur
Kalisalze enthalte, und wenn auch dieser Ausspruch für die im Großen dargestellten
Präparate nicht festzuhalten ist, da eine Beimischung nicht leicht völlig zu
vermeiden ist, so steht doch fest und ist namentlich von Liebig stets hervorgehoben worden, daß die Natronsalze oder Chlornatrium
nur in geringer Menge vorhanden seyn dürfen.
Dasselbe oben erwähnte Liebig'sche Fleischextract ergab
20,1 Proc. Asche mit 5,51 Proc. Kali und 0,77 Proc. Natron; das Kali beträgt also
nahezu das Achtfache, während bei der Bouillontafelmasse umgekehrt das Natron fast
viermal die Menge des Kalis übertrifft. Liebig verlangt,
daß das nach seiner Angabe bereitete Fleischextract kein Fett und mindestens 60
Proc. in Alkohol von 80 Proc. lösliche Theile enthalte. Das hier untersuchte Liebig'sche Extract enthielt, wie oben angegeben, sogar
81,5 Proc. in Alkohol lösliche Stoffe, welche Zahl den früher schon beobachteten
Verhältnissen bei äußerst reinem Fleischextracte entspricht (Handwörterbuch von Liebig, Wöhler und Poggendorff, 1848, Bd. III S. 147).
Der Fettgehalt bei der Bouillontafelmasse betrug auch nur 0,22 Proc.
Vergleichen wir die erhaltenen Resultate der hier gebotenen Untersuchungen mit den
Angaben über Liebig'sches Fleischextract, so
enthalten:
Bouillontafelmasse.
Liebig'sExtract.
Wasser, bei 110°C. entweichend
15,13
16,0
Asche
4,75
18 – 20,1
Fett
0,22
0
Stickstoff
10,57
9,51
(Vogel)
in Alkohol von 80 Proc löslich
38,09
81,5
Hinsichtlich der Aschenbestandtheile, welche den sehr brauchbaren Vergleich des
völlig umgekehrten Verhältnisses bei Kali und Natron ergaben, führt W. Kühne in seinem ausgezeichneten Lehrbuche der
physiologischen Chemie, S. 307 die Bestimmungen der Salze des Fleischextractes nach
Keller auf, mit der Bemerkung daß der feste Rückstand
eiweißfreier, aber leimhaltiger Fleischbrühe 82,2 Proc.
Asche ergebe. 100 Theile der Asche enthalten:
Bouillontafelmasse.
Phosphorsäure
26,27
11,29
Chlor
8,63
29,04
Kalium
9,40
0
Natrium
0
18,82
Schwefelsäure
3,59
11,02
Kali
40,10
10,31
Natron
0
11,55
2CaO, PO⁵
3,06
7,96
2MgO, PO⁵
5,76
Spur
2Fe²O³, PO⁵
0,57
deßgl.
Die vollständige Abwesenheit von Natron bei der Untersuchung von Keller dürfte wohl die Gegenwart von Leim ausschließen,
wenn man die Bestandtheile der Asche der Bouillontafelmasse damit vergleicht.
v. Bibra führt in seinem allerdings schon älteren Werke
„chemische Untersuchung von Knochen und Zähnen“ S. 412 die
Aschenbestandtheile der Rippenknorpel eines Kalbes auf und findet darin
Chlornatrium, schwefelsaures Natron, phosphorsaures Natron, phosphorsauren Kalk und
nur Spuren von Talkerde; ingleichen stimmen die weiteren Untersuchungen der
Rippenknorpel anderer Thiere damit überein, daß kein Kali vorkommt und Talkerde nur
in äußerst geringen Mengen.
Die gesammte Phosphorsäure in der von Keller untersuchten
Asche des Fleischextractes beträgt 30,84 Proc., in der Asche der Bouillontafelmasse
15,74 Proc.