Titel: | Die directe Darstellung des Eisens und des Stahles aus den Erzen; von C. Schinz. |
Autor: | C. Schinz |
Fundstelle: | Band 193, Jahrgang 1869, Nr. LIX., S. 222 |
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LIX.
Die directe Darstellung des Eisens und des
Stahles aus den Erzen; von C. Schinz.
Schinz, über directe Darstellung des Eisens und des Stahles aus den
Erzen.
Die directe Methode der Darstellung des Eisens aus den Erzen ist in der That die
ursprüngliche, und der Umweg zuerst Gußeisen darzustellen viel neueren
Ursprunges.
Diese ursprüngliche Methode ist jedoch nur unter der Bedingung anwendbar, daß man es
mit sehr reinen Erzen zu thun hat, und selbst dann ist dieselbe nicht ökonomisch,
daher die Einführung des Hohofens ein wirklicher und großer Fortschritt war.
Ich bin weit entfernt zu behaupten, daß die directe Darstellung des Eisens oder des
Stahles nicht auch ökonomisch und technisch ausführbar sey; aber dieß ist weder bei
dem von Clay im Jahre 1837 eingeschlagenen Wege, noch bei
den Verfahrungsarten seiner Nachfolger Renton, Chenot, Yates,
Gurlt, Roger, Siemens und der neuesten Methode
von Ponsard und F. E. Boyenval
irgendwie erreichbar.
Unter allen Umständen, bei der directen Methode sowohl als bei der indirecten, muß
das Eisenoxydul (Fe²O³) in den Erzen zuerst reducirt werden.
In meinen „Documenten betreffend den Hohofen“ (Berlin, 1868,
Verlag von Ernst und Korn)
habe ich dargethan, daß das Kohlenoxydgas, welches zur Reduction verwendet wird,
wenigstens bei rationellem Betriebe, eben so viel Kohlenstoff enthält, als zur
nachherigen Schmelzung des reducirten und mehr oder weniger gekohlten Eisens
erforderlich ist, ja daß behufs der Schmelzung man sogar mit weniger Kohlenstoff
ausreichen würde als zur Reduction nothwendig ist.
Bei weniger rationellem Betriebe wird ein Theil des in den Erzen enthaltenen Eisens
erst in der Schmelzzone durch festen Kohlenstoff reducirt, wobei ein ökonomischer
Vortheil erzielt wird, jedoch nur auf Kosten der Qualität des Productes, daher
derselbe nicht berechtigt ist.
Die Reduction durch festen Kohlenstoff kann aber auch und sogar sehr rasch
stattfinden, ohne daß dadurch die Qualität des Eisens benachtheiligt wird, aber die
Bedingung, unter welcher dieses möglich ist, ist die, daß das Erz zu feinem Pulver
gepocht und innig mit festem Kohlenstoff gemengt wird; versucht man hingegen das Erz
nur gröblich zu pochen, so dauert die Reduction außerordentlich lang, wie Clay erfahren hat, und der Brennstof-Aufwand, um
das Erz auf der erforderlichen Temperatur zu erhalten, wird so groß, daß eine solche
Reduction dadurch ganz unökonomisch wird. Im ersteren Falle wird das Pochen zu
feinem Pulver so viel kosten, daß das Endresultat ebenfalls unökonomisch ist.
Im günstigsten Falle wird also die Reduction des Erzes beinahe eben so viel kosten
als die Darstellung des Gußeisens, und der Unterschied ist nur der, daß man das
reducirte Eisen nicht stark zu kohlen braucht, um es nachher durch Reagentien im
geschmolzenen Zustande zu affiniren.
Der Brennstoff-Aufwand zum Schmelzen des reducirten Eisens im Flammofen ist
eben so groß als derjenige, welcher zum Puddeln des Roheisens erforderlich ist,
nämlich 1 Kil. Steinkohle per 1 Kil. Eisen (s. meine Abhandlung „über den
Stahl-Schmelzofen für das Martin'sche
Verfahren“).Polytechn. Journal Bd. CXC S. 455; zweites Decemberheft 1868. Ueberdieß sind die zum Schmelzen von Eisen verwendeten Flammöfen von sehr
kurzer Dauer, wodurch nicht nur der Betrieb sehr gestört wird, sondern auch die
Kosten in sehr bedeutendem Verhältnisse vermehrt werden.
Es geht daraus hervor, daß alle bisher vorgeschlagenen Methoden der directen
Darstellung des Eisens, der ersten Anforderung, derjenigen der Oekonomie nicht
entsprechen. Auch ist es nicht wahrscheinlich, daß durch die directe Methode ein
besseres Product erzielt wird als durch das indirecte Verfahren, sondern die
Qualität desselben wird stets von der Qualität der verwendeten Erze abhängig
bleiben.
Untersuchen wir nun die Verfahrungsarten, welche einerseits W. Siemens und andererseits Ponsard und Boyenval zur directen Darstellung von Eisen und von Stahl
vorschlagen.
Nach seinem ersten Patent vom 21. August 1867 bringt Siemens senkrecht über der Vertiefung des Flammofen-Herdes, welche
das geschmolzene Metall enthält, zwei gußeiserne Röhren an, von circa 0,3 Met. innerem Durchmesser und circa 1,33 Met.
Höhe, die er mit dem Eisenerze anfüllt und welche die Reductions- und
Vorwärmzone im Hohofen repräsentiren. Um die Reduction des Erzes zu bewirken, leitet
er einerseits durch ein concentrisches Rohr Generator-Gase in die Mitte des
Erzes, andererseits erwärmt er die Reductionsröhren von außen durch eine
hinreichende Quantität von Verbrennungsproducten, welche dem Flammofen entnommen
sind.
Der Brennstoff Aufwand zur Reduction des Erzes ist daher hier noch größer als im
Hohofen, weil die Reductions-Schachte dem Schmelzofen Wärme entziehen müssen,
um von außen erwärmt zu werden.
Aber auch abgesehen von diesem ersten Punkt, welcher gegen die Oekonomie verstößt,
würde ein solcher Apparat seinem Zwecke keineswegs entsprechen.
In meinen „Documenten betreffend den Hohofen“ habe ich (Artikel
25 und 27, S. 82 und 89) gezeigt, daß in einem Hohofen von Seraing, welcher
stündlich 546 Kil. Roheisen liefert, eine Vorwärmzone von 31,4 Kub. Met. und eine
Reductionszone von 27,7 Kub. Met. Inhalt vorhanden ist, daß aber nur die Hälfte der
546 Kil. Roheisen wirklich reducirt wird, da man jenen Ofen so beschickte, daß die
andere Hälfte des Roheisens aus Puddelschlacken geliefert wurde.
Um also per Stunde so viel Erz zu reduciren, als für 273
Kil. Roheisen per Stunde erforderlich ist, war ein Zonen-Volumen von 31,4 +
27,7 = 59,1 Kub. Met. nothwendig; nun haben die Siemens'schen Reductions-Röhren zusammen circa 0,208 Kub. Met. Inhalt und würden, unter der Voraussetzung daß sich
das Erz verhalte wie dasjenige in Seraing, per Stunde
0,96 Kil. Eisen reduciren können. Wenn nun auch leichter reducirbare Erze verwendet
würden, kurz wenn alle Mittel zur Anwendung kämen, um die Reduction möglichst
schnell zu bewerkstelligen, so würde die Quantität des per Stunde reducirten Eisens doch nur ein Tropfen in das Meer seyn,
welches unter den Reductionsröhren liegt und mindestens 1000 Kil. Metall enthalten
soll.
Trotz der sinnreichen Art, in welcher Siemens das gegebene
Problem zu lösen gesucht hat, ist und bleibt der ganze Apparat ein bloßes
Phantasiegebilde.
Siemens scheint aber selbst mit dieser Lösung des
Problemes nicht zufrieden zu seyn, denn am 10. Juni 1868 hat er ein neues Patent
genommen, in welchem der beschriebene Apparat wesentlich modificirt ist.
Die Reductions-Gefäße sind bei demselben horizontal, jedoch etwas gegen die
Mitte des Flammofens geneigt angeordnet; dieselben bestehen in 1,62 Met. langen
Trommeln von 0,7 Met. äußerem Durchmesser, außen metallisch verkleidet. Diese
Trommeln liegen auf Frictionsrollen, durch welche sie beständig aber langsam um ihre
Achse gedreht werden. Das Erz wird an dem höher gelegenen Ende durch eine Art
Trichter continuirlich in die Trommel gefüllt und ebenso am niedrigeren Ende, wo es
reducirt ankommen soll, in den Flammofen entleert.
Das zur Reduction dienende Generator-Gas tritt am höher gelegenen Ende in die
Trommel ein; am niedrigeren Ende strömt es in umgekehrter Richtung in eine große
Anzahl kleiner Canäle ein, welche an der Trommelwandung liegen. In diesen Canälen
soll nun das Gas verbrannt werden, indem durch Oeffnungen in der metallenen
Umhüllung Luft eintreten
kann, wodurch das Erz im Inneren der Trommel erwärmt wird.
Der innere Durchmesser der Trommel ist 0,4 Met., somit der Inhalt des Ringes, welcher
mit Erz erfüllt ist, 0,17 Quadratmeter, daher bei 1,63 Met. Länge der Trommel das
Erz das Volumen 0,1754 Kub. Met. einnimmt.
Nehmen wir auch an, es können vier solche Trommeln auf einem Flammofen angebracht
werden, so würde der Gesammt-Zonenraum für Vorwärmung und Reduction doch
nicht größer als 0,7016 Kub. Met. werden, welcher per Stunde, den Ofen in Seraing zu
Grunde gelegt, 3,24 Kil. Eisen zu reduciren vermöchte.
Der in dem neuen Patent beschriebene Apparat übertrifft daher den älteren nur in
äußerst geringem Maaße, wenn man in Betracht zieht, daß ein Flammofen für 1000 Kil.
Metall per Stunde nur höchstens 6 Kil. Eisen aus den Reductions-Trommeln
empfangen kann.
Ponsard und F. E. Boyenval in
Paris ließen sich in der letzten Zeit ebenfalls ein Verfahren patentiren, um Eisen
direct aus den Erzen darzustellen. Ihr Apparat ist demjenigen ähnlich, welcher den
Gegenstand des ersten Siemens'schen Patentes ausmacht,
mit dem Unterschiede jedoch, daß die Erfinder die Reductions-Cylinder von
Thon anfertigen und dieselben ganz auf die Sohle des Flammofens herabsenken, welche
mit einem Sumpf versehen ist; ferner bewirken sie die Reduction der Erze durch
festen Kohlenstoff, welchen sie den Erzen beimengen. Die Frage über die Anzahl der
Reductions-Cylinder lassen sie offen. Die Reductions-Cylinder (welche
nach oben hin durch das Gewölbe des Ofens reichen, um von außen zugänglich zu seyn)
werden nur innerhalb des Flammofens durch die durchziehende Flamme erwärmt, können
daher höchstens nur 0,3 Met. Höhe im Ofen bekommen, und deren Durchmesser wird auch
nicht größer als derjenige der Siemens'schen
Reductions-Gefäße gewählt werden können; 6 dieser Röhren würden daher kaum 2
Siemens'sche ersetzen und ihr Gesammt-Inhalt
wäre = 0,208 Kub. Met.
Wenn das in diesen Reductions-Gefäßen befindliche Erz fein gepocht und innig
mit festem Kohlenstoff gemengt ist, so läßt sich annehmen, daß die Beschickung
derselben in der Zeit von einer Stunde reducirt seyn werde. Der Fassungsraum dieser
Gefäße von 0,208 Kub. Met. wird circa 520 Kil. Erz von
37 1/2 Proc. enthalten und folglich in dieser Zeit 195 Kil. reducirtes Eisen
liefern.
Auch diese Quantität ist noch sehr gering, und wollten die Erfinder nur zerkleinerte oder gar nur
größere Erzstücke verwenden, so würde sich die reducirte Eisenmenge unendlich
vermindern.
Die Kosten des Pochens der Erze, sowie die geringe Dauer der Flammöfen, aus welcher
Ausgaben und Betriebsstörungen erwachsen, sind also auch diesem Apparate entgegen,
um eine ökonomische directe Darstellung von Eisen zuzulassen.