Titel: Ueber eine neue Schienenprüfungsmethode.
Fundstelle: Band 193, Jahrgang 1869, Nr. XLII., S. 181
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XLII. Ueber eine neue Schienenprüfungsmethode. Nach Engineering, Februar 1869, S. 145 und April 1869, S. 256 u. 297. Mit Abbildungen auf Tab. IV. Liernur und Price Schienenprüfungsmethode. Mehrere Fachmänner in England und Amerika haben sich gegen die jetzt übliche Methode der Schienenproben ausgesprochen. Wenn auch die Belastungs-, sowie die Fallprobe Mittel an die Hand geben, die Schienen hinsichtlich ihrer Festigkeit zu prüfen, so erhalten wir durch dieselben doch keineswegs Aufschluß darüber, ob die Schienen in der Art widerstandsfähig genug sind, wie sie auf der Strecke bei der Befahrung in Anspruch genommen werden. Im Jahre 1860 schlug Carl Liernur in Amerika und unabhängig von diesem im Jahre 1868 Jacob Price, Ingenieur in Dublin, eine neue Schienenprüfungsmethode vor, welche der später factisch stattfindenden Anspruchsnahme der Schienen bedeutend mehr entspricht als die bisherigen. Die in Fig. 22 und 23 skizzirte Anordnung der Schienenprüfungsmaschine rührt von Price her und wurde kürzlich in England patentirt. Bei dieser Gelegenheit constatirte Liernur die Priorität der Erfindung in Amerika; beide aber weisen noch keine praktischen Erfolge oder Resultate mit ihren Apparaten nach, welche wohl abgewartet werden müssen, um die Schienenprobirmühle, wie sie Price auch nennt, näher würdigen zu können. Die Construction derselben erweckt noch kein rechtes Vertrauen, wenn auch die ihr zu Grunde gelegte Idee Anerkennung verdient. Das nähere Eingehen in die Beschreibung der Maschine und des Verfahrens dürfte auf jeden Fall das Interesse dieses Gegenstandes fördern. Aus einer bestimmten Zahl – 100 oder 200 und auch mehr – Schienen wird eine Probeschiene beliebig herausgenommen und im heißen Zustande, oft auch sofort nach dem Passiren des letzten Kalibers des Walzwerkes, entsprechend der Größe der Probirmühle gekrümmt. Die derart gewählten und gekrümmten Probeschienen mehrerer Schienenstöße werden auf eine solche Weise in einer kreisförmigen Bahn angeordnet und befestigt, wie dieß auf der betreffenden Strecke, für welche die Schienen geliefert werden, üblich ist. Es können auch halbe Schienen – zwei Hälften von verschiedenen beliebig herausgenommenen Schienen eines Stoßes statt einer ganzen – geprüft werden. Die Probirmühle (Fig. 22 und 23) besteht aus einem horizontalen Wagen K, K, welcher drehbar um die verticale Achse E mit den Laufrädern L auf den Probeschienen P, P mit großer Geschwindigkeit bewegt wird. Dabei ist das Ganze so belastet, daß pro Rad ein Druck von fünf und mehr TourenUmgängen entfällt, d.h. im Mittel wenigstens das Maximum der je stattfindenden Belastung auf der currenten Bahn erreicht ist. Die Achse E läuft in den Lagern F und b, welches letztere an einem starken Querbalken angebracht ist, der auch zur Befestigung der Hängelager der Antriebswelle D dient. Von dieser wird die von irgend einem Motor ausgehende Bewegung mittelst der conischen Räder H und G auf die verticale Welle E und auf den Laufwagen K übertragen. Die radialen Stangen I, I, I mit den Stehbolzen c halten das Wagengerüst zusammen. In dem Zwischenraum zwischen dem äußeren und inneren Ring K sind die Metallräder L, vier bis acht an der Zahl eingelagert. An der inneren Seitenfläche des Laufrades L ist ein Zapfen angegossen, welcher in einem Lager an dem inneren Wagenkranz läuft. An der anderen Seitenfläche dagegen ist eine Lagerhülse angebracht, in welche das Ende eines Stahlzapfens reicht, welcher in dem gußeisernen Theil M ruht; dieser ist mit dem schmiedeeisernen Bügel N bei g, g durch Schraubenbolzen hinreichend festgemacht. Der Zwischenraum der beiden Wagenkränze ist derart zu wählen, daß die Räder L auch in eine etwas schiefe Lage gebracht werden können. Bei R befindet sich ein Zähler der Umgänge. Wie angedeutet, werden die Probeschienen P auf Schwellen Q, Q concentrisch oder sehr wenig excentrisch um die Achse E aufgelegt, so daß bei der nun folgenden Probe nicht allein die Schienen, sondern auch deren Befestigungsart untersucht wird. Indem man den gehörig belasteten Laufwagen K mit einer Geschwindigkeit von 20 bis 40 englischen Meilen pro Stunde über die Schienenbahn laufen läßt, wird man in nicht zu langer Zeit die Wirkung dieser Probe auf die Schienen wahrnehmen und berechnen können, wie lange dieselben im regelmäßigen Betriebe verwendbar bleiben werden. Das am Schlusse angefügte Zahlenbeispiel wird diesen Zusammenhang deutlicher angeben. Um die Probe noch gründlicher und empfindlicher zu machen, schlägt Price vor, einige der Räder L unrund zu machen oder so zu ändern, daß sie mehr gleiten als rollen. Nach Bedarf wird Wasser und Sand auf die Schienenbahn geschüttet, ersteres schon um eine schädliche Erhitzung zu vermeiden. Weiter versieht man das Rad L mit einem Spurkranz, so daß bei etwas excentrisch stehender Welle E die Schienenköpfe besonders angegriffen und geprüft werden, kurz, man sucht auf alle Weise den Betrieb im Großen nachzuahmen. Es ist klar, daß Risse, Brüche und ähnliche Beschädigungen sehr bald bei dieser Probe an den schlechten Schienen wahrnehmbar und selbst Schienen guter Qualität in verhältnißmäßig kurzer Zeit unfahrbar gemacht werden. Hätte eine solche Probirmühle 60 Fuß im Durchmesser, 8 Laufräder, jedes mit 7 Tonnen Belastung und wäre die Geschwindigkeit derselben 40 Meilen, entsprechend circa 1120 Umgängen pro Stunde, so passiren jede Schiene pro 24 Stunden: 1120 × 8 × 7 × 24 also circa 1,500,000 Tonnen. Price glaubt, daß eine Dampfmaschine von 40 nominellen Pferdekräften zum Betriebe dieser Prüfungsmaschine genügen würde, welche entweder am Erzeugungs- oder Annahmsort der Schienen aufgestellt seyn kann. Auf Bahnstationen könnte zu diesem Zwecke die Betriebsdampfmaschine zeitweilig verwendet werden, und zwar während der Nachtzeit, um am Tage den Betrieb nicht zu stören. Liernur stellt folgende vergleichende Rechnung bei der Besprechung dieser Schienenprüfungsmethode an. Angenommen es passiren eine Bahnstrecke täglich im Mittel 8 Züge, jeder zu 15 achträderigen vollbelasteten Waggons, so gehen per Tag über jede Schiene 480 Räder. Hat die Prüfungsmaschine ebenfalls 8 Räder, so entsprechen dieser angenommenen Tagesbeanspruchung der Schiene 60 Umgänge des entsprechend belasteten Laufwagens. Hat die Probirbahn 60 Fuß im Umfang und beträgt die mittlere Geschwindigkeit 20 englische Meilen pro Stunde oder etwas mehr, nämlich 1800 Fuß, gleichwertig 30 Umgängen pro Minute, so werden die Schienen auf der Probirmühle binnen zwei Minuten ebenso stark in Anspruch genommen, wie oben im currenten Betriebe pro Tag. Entsprechen aber   2 Minuten Probirzeit dem Betriebe von einem Tage, so entsprechen   1 Stunde   30 Tagen oder 12 Stunden 360     „ endlich 12 St. 10 Min. 365     „ oder einem Jahresbetriebe, d.h. experimentirt man einen Tag durch 12 Stunden 10 Minuten ununterbrochen, so werden die Probeschienen mindestens so weit abgenutzt wie die Bahnschienen unter den gemachten Voraussetzungen während eines Jahres. In dem weiter oben angenommenen Falle hat die Probirmühle 60 Fuß Durchmesser und da eine doppelt so große Geschwindigkeit vorausgesetzt wurde – wenn sich dieß praktisch durchführen lassen sollte – so würde dieses Verhältniß etwas mehr als sechs Zehntelmalsechsmal so groß, also eine 12stündige Probe etwa einem 0,6jährigen6jährigen Betriebe gleichzusetzen seyn. Die Zahlen sind, um jedes Mißverständniß zu vermeiden, nur theoretische; praktische Angaben fehlen eben bis jetzt. Referent beabsichtigte auch mehr auf die der neuen Schienenprobe zu Grunde liegende Idee als auf den Vorschlag zur praktischen Ausführung hinzuweisen. Nachschrift. Referent hat nachträglich durch persönliche Einsicht der amerikanischen Patenturkunde, vom Jahre 1860 datirt, sowie eines i. J. 1859 in Richmond gedruckten Aufsatzes die Ueberzeugung gewonnen, daß der Ingenieur-Capitän C. T. Liernur – derzeit in Prag mit der Einführung des pneumatischen Systemes zur Entfernung von Abortstoffen (polytechn. Journal Bd. CXCII S. 430) beschäftigt – bereits acht Jahre vor Price die neue Schienenprobe vorgeschlagen und Versuche im Kleinen mit derselben durchgeführt hat. Price behauptet im Engineer 1869 S. 297, ganz unabhängig davon diese Prüfungsmethode erdacht und in England patentirt zu haben, was wohl merkwürdig erscheint, indem die Angelegenheit 8 Jahre zuvor in verschiedenen amerikanischen Fachzeitschriften besprochen wurde. Vielleicht bietet sich in der Folge Gelegenheit, auf die von Liernur in Aussicht gestellten neuen Versuche, welche in der Nähe von Prag ausgeführt werden sollen, zurückzukommen. J. Z.

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