Titel: | Ueber Schafwoll-Wäsche, und insbesondere die Woll-Waschmaschine von Demeuse und Houget in Aachen (Leviathan genannt); von Professor Rühlmann. |
Fundstelle: | Band 191, Jahrgang 1869, Nr. XXIII., S. 118 |
Download: | XML |
XXIII.
Ueber Schafwoll-Wäsche, und insbesondere
die Woll-Waschmaschine von Demeuse und Houget in Aachen (Leviathan genannt); von Professor Rühlmann.
Aus den Mittheilungen des hannoverschen
Gewerbevereines. 1868 S. 265.
Mit Abbildungen auf Tab.
III.
Rühlmann, über Schafwoll-Wäsche, und insbesondere die
Woll-Waschmaschine von Demeuse und Houget in Aachen.
Seit einiger Zeit bewegt Landwirthe, Wollhändler und Fabrikanten von Wollstoffen
(namentlich von Tuchen) die Frage nach neuen Wollwaschverfahren, ohne daß es
hierüber jetzt schon zu einer bestimmten Entscheidung gekommen ist.47)
In nachstehendem Aufsatze hat es sich der Verfasser zur Aufgabe gemacht, bekannt
gewordene Thatsachen und Erfahrungen zusammenzustellen, wozu ihm namentlich seine
Stellung als Mitglied einer diesen Gegenstand betreffenden technischen Kommission
der königl. Landwirthschafts-Gesellschaft in Celle, sowie eine jüngst
gemachte Reise nach den Tuchfabriken der Umgegend von Lennep betreffendes Material
lieferte.
Bei den Landwirthen gehört bekanntlich die gewöhnliche Wäsche der Schafe, die
sogenannte Rückenwäsche, längst zu den unangenehmsten Arbeiten, besonders weil nicht
immer geeignetes Wasser in gehöriger Menge zu Gebote steht und Menschen wie Thiere
leicht Krankheiten ausgesetzt sind. Diese Unannehmlichkeiten werden aber in neuer
Zeit bei der eingeschlagenen Zuchtrichtung auf Fleischnutzung48) immer größer, weil einerseits das Gewicht der Schafe wächst, andererseits die Schur in
die erste Frühlingszeit verlegt wird und damit auf eine Gunst des Wetters nicht mehr
zu hoffen ist.49) Hiernach kann man es nur natürlich finden, wenn es ein fast allgemeiner
Wunsch der Landwirthe ist, von dem jetzigen Wollwaschverfahren (der Rückenwäsche)
gänzlich befreit zu werden.
Zweierlei Wege sind es hauptsächlich, die man neuerdings hierzu in Vorschlag gebracht
hat, wovon sich jedoch zur Zeit nur einer bereits wirklich praktischen Eingang
verschafft hat.
Diese beiden Wege sind: erstens die Errichtung eigener
selbstständiger Wollwasch-Anstalten, und zweitens
das chemische Verfahren eines Herrn (Chemikers) Richter
in Berlin.
In ersterer Beziehung dürfte es besonders Verviers (Belgien) seyn, wo sich zuerst ein
ganz selbstständiger Industriezweig „die
Wollwäscherei in Lohn“ gebildet hat, der immer mehr
Anerkennung und Verbreitung zu finden scheint. Der Antrieb hierzu soll der
Buenos-Ayres-Wolle zu verdanken seyn, welche Europa geradezu
überschwemmt, seit im März 1867 der Eingangszoll auf Wolle in Nordamerika so
kolossal erhöht wurde, daß ihr dadurch ein Absatzfeld entzogen ist.
Diese Wolle wird vom Markte in Havre und Antwerpen von Wollhändlern in Verviers
gekauft und sortirt, von den Wäschern daselbst gewaschen und entfettet50) , sodann aber im sortirten und gewaschenen Zustande an in- und
ausländische Fabrikanten verkauft.51)
Die interessanteste und wichtigste der hierbei erforderlichen Maschinen, ist eine
Waschmaschine von automatischer Wirkung, welcher man den sonderbaren Namen
„Leviathan“ gegeben hat.
Grundprincip und allgemeine Anordnung dieser Maschine ist, mehr oder weniger, den
bereits früher zur sogenannten Fabrikwäsche angewandten Maschinen von Pion und Malteau
52) , namentlich aber den englischen Wollwaschmaschinen von John Petrie in Nochdale53) entnommen, indeß von den Maschinen-Fabrikanten Houget und Teston in Verviers und von Demeuse-Houget und Comp. in Aachen, derartig vortrefflich angeordnet und mit neuen sinnreichen
Theilen und Detail-Mechanismen ausgestattet, daß deren Leviathans eigentlich
als ganz eigenthümlich neue Maschinen betrachtet werden können.54)
Bekannt wurde mir diese neue Maschine zuerst bei Gelegenheit der Pariser
internationalen Ausstellung von 1867, wobei sich Jedermann zugleich von deren
solider, schöner Construction und Ausführung überzeugen konnte.54)
Auf diese Maschine wurde den Herren Houget und Teston bereits 1866 ein (auf Henry Johnson in London) lautendes Patent ertheilt55) wobei sich jedoch nur eine Beschreibung, nicht aber eine Abbildung findet.
Da die unten citirte Mittheilung Hrn. Dr. Grothe's eine Skizze der in Paris ausgestellten Maschine
enthält, welche die Vortrefflichkeit der Construction nicht erkennen läßt, so
bemühte ich mich sowohl um eine genauere Zeichnung, als auch um Eintritt in eine
Wollwäscherei, wo diese Maschine arbeitet. Beides erreichte ich durch werthe
Freunde, denen ich hiermit meinen Dank zugleich öffentlich abstatten möchte.
Fig. 9 und
10 auf
Tab. III stellen den Leviathan dar, wie er gegenwärtig in der Maschinenfabrik der
Herren Demeuse und Houget
in Aachen gebaut und für
Jedermann geliefert wird, welches Etablissement ich gleichzeitig allen deutschen
Fabrikanten und Unternehmern für die Beziehung der erforderlichen Maschinen zur Lohn-Woll-Wäscherei ausschließlich
empfehlen möchte.
Wie Grundriß (Fig.
9) und Längenansicht (Fig. 10) der Abbildungen
erkennen läßt, besteht die ganze Maschine (von ca. 12
1/2 Meter oder 41 Fuß englisch Länge und fast 6 Fuß Breite oder Weite) aus drei Abtheilungen, deren correspondirende eiserne Behälter, Tröge oder Bottiche mit I, II und III
bezeichnet wurden.
Der erste Behälter, durch eine Längenwand C, C in zwei
Räume A und B getheilt,
dient (nach dem Sortiren) zum Einweichen der Wolle, was
mittelst Soda und Urin geschieht und wozu die erforderliche Temperatur durch
Einführung von Wasserdampf in den Raum des gebildeten Doppelbodens v¹, w¹
herbeigeführt wird.
Während die Hand des Arbeiters die Wolle zum Einweichen in die eine Abtheilung (z.B.
in die A) wirft, nimmt man die bereits genugsam
eingeweichte Wolle aus der anderen Abtheilung (beziehungsweise B) heraus und bringt sie auf ein endloses Lattentuch D, welches sie einem Paare Preßwalzen E übergibt, deren Druck durch ein Federwerk F, G entsprechend regulirt werden kann. Die zwischen den
Walzen E heraustretende Wolle wird von einem zweiten
endlosen Lattentuche H erfaßt, welches sie in den
folgenden mit II bezeichneten Behälter wirft, woselbst das erste Waschen mittelst gehöriger und zwar heißer Lauge stattfindet.
Hierbei wird die Wolle durch kräftig wirkende Harken oder Rührgabeln J, J bearbeitet, wozu diese Rührer eine geeignete
oscillatorische Bewegung machen und zertheilend auf die mit Fett und Schmutz
imprägnirte Schafwolle wirken. Irre ich nicht, so wurde mir angegeben, daß diese
Rührgabeln pro Minute 16 Oscillationen machen.56)
Am linken Ende der Abtheilung II angelangt, wird die Wolle durch einen automatisch
wirkenden, höchst sinnreichen Transportmechanismus (in der englischen
Patentbeschreibung „transferrer“
genannt) M, N, P erfaßt und damit aus dem Troge wieder
auf ein bewegliches etwas geneigtes endloses Lattentuch H¹ geschoben, worauf sie (wie vorher) durch ein zweites
Quetschwalzenpaar E² geht.
Der Transporteur bildet ein Doppelsystem von je 8 Raffgabeln P, P, wovon jedes System an einer besonderen Welle befestigt ist, die man
mit ihren Endzapfen in Rahmen M, M gelagert hat und die
demgemäß frei oscilliren
kann. Der Rahmen M, M besteht aus zwei (in der Zeichnung
hinlänglich sichtbaren) doppelarmigen Hebeln, an deren verkörperter, nach außen
verlängerten Drehachse ein Zahnrad t sitzt, welches in
eine endlose Schraube r faßt. Jede solche Raffgabel ist
an einer Seite mit einem gekrümmten Arme N versehen, der
bei fortgesetzter Drehung des Rahmens M, M eine
Frictionsrolle trifft (die an den festen Lagern der Rahmenwelle seitlich angebracht
ist), wodurch der Arm N zu einer derartig
eigenthümlichen und höchst vortheilhaften Bewegung veranlaßt wird, daß die acht
Gabeln P die Wolle zu einer schräg aufwärts gerichteten
Verschiebung nöthigen und damit dem Lattentische H¹ überliefern. Das Abnehmen, Lösen der Wolle von den Zinken der Gabeln
P wird noch durch einen zu geeigneter Zeit
ausströmenden Strahl der Waschflüssigkeit entsprechend unterstützt.
Die aus dem zweiten Preßwalzenpaare tretende Wolle fällt wieder auf einen Tisch mit
endlosem Lattentuche H² und von hier in den
dritten Behälter, wo sich der Rühr- und Waschproceß in der bereits vorher
beschriebenen Weise wiederholt.
Bei etwas aufmerksamer Betrachtung der Zeichnungen erkennt man leicht, daß drei getrennte Kraft-Transmissionen vorhanden sind
und daß zwei derselben vier (die dritte drei) verschiedene specielle Arbeiten zu
verrichten haben.
Von dem zweiten und dritten Paare der Betriebsriemenscheiben (a der losen und a¹ der festen Scheibe)
ausgehend, bewirkt die von dem Motor (der Dampfmaschine oder dem Wasserrade)
übertragene Arbeit:
Erstens die Drehung der unteren Walze des
Preßwalzenpaares, mit Zwischenschaltung eines Stirnradpaares b, c und eines Kegelradpaares d, e.
Zweitens die Drehung kleiner Walzen zur Veranlassung der
fortschreitenden Bewegung der Lattentücher D, D²,
D³ und H,
H², H³. Hierzu ist auf die Welle der
unteren Preßwalze ein Stirnrad g befestigt, welches in
links und rechts liegende Getriebe greift. Die weitere Fortpflanzung der hieraus
resultirenden Bewegung vermitteln schmale Riemen h,
h.
Drittens die Schwingung der Rührgabeln (jede mit 21
Stäben J ausgestattet), und zwar derartig, daß von der
ersten Transmissionswelle i, i aus ein Kegelradpaar l, m die continuirliche Drehbewegung der zweimal
gekröpften (Krummzapfen-) Welle erzeugt wird, an welcher die Rührstäbe J, J befestigt sind, während gleichzeitig durch zwei
nach oben gerichtete und in geeigneten Führungshülsen p,
p gleitende Lenkstangen L, L den Enden der
Stäbe J¹ eine nothwendige eigenthümliche (oscillirende) Bewegung
ertheilt wird. Die gedachten Hülsen p, p sind an Armen
einer Brücke K (eines Steges) angebracht, welche über
die ganze Breite der Waschbehälter II und III wegreicht.
Viertens die Umdrehung der doppelarmigen Hebel M, M von der Welle i, i aus,
vermittelst eines Schraubenradvorgeleges r, t, u, wovon
das Rad t auf der Fortsetzung der Welle Q (Drehachse der Hebel M, M)
nach außen befestigt ist.
Zum Ablassen des unbrauchbar gewordenen Waschwassers aus den Behältern I, II und III
dienen geeignete Vorrichtungen y, y, y, deren
correspondirende Abzugscanäle in Fig. 10 mit z, z, z bezeichnet sind.
Die Richtung des Weges, welchen die Wolle beim Gange durch die Maschine nimmt, wird
durch die mit v, v², v³ bezeichneten Nietreihen angedeutet.
Mittelst einer Maschine vorbeschriebener Art und Größe ist man im Stande, täglich
6000 Pfd. Wolle zu waschen, wobei die Betriebskraft wenigstens 5
Maschinen-Pferdekräfte beträgt.
Was den Waschproceß überhaupt anlangt, so benutze ich zu dessen Darlegung die mir von
Herrn Fabrikbesitzer Johann Daniel Fuhrmann in Lennep
(Regierungsbezirk Düsseldorf) gegebenen Notizen, welcher mir nicht nur mit der
liebenswürdigsten Bereitwilligkeit die Besichtigung seiner in Dahlhausen (von Demeuse und Houget in Aachen)
eingerichteten Wollwäscherei gestattete, sondern mir auch jede erforderliche
Auskunft ohne jeglichen Rückhalt ertheilte.
Nach vorhergegangener Sortirung der (Buenos-Ayres-) Wollen werden
dieselben im ersten mit I bezeichneten Behälter in einer aus Soda, Urin und Wasser
gebildeten Flüssigkeit unter Beobachtung einer Temperatur von ca. 40° Cels. eingeweicht. Hierauf (in continuirlichem
Zusammenhange der Arbeit) im zweiten Behälter bei etwa 45° Cels. Temperatur
gewaschen, und die Wäsche im dritten Bassin (in Fig. 9 mit I bezeichnet) bei ungefähr 25° C. Temperatur
beendet.
Hierauf bringt man diese Wolle in ein Spülbassin, aus welchem sie schließlich ganz
rein (schön weiß) und (bis auf 3 bis 4 Procent) entfettet herauskommt. Dieses
Spülbassin ist ebenfalls mit oscillirenden Rührern zum Durcharbeiten der Wolle
versehen, die den vorher beschriebenen ganz gleich angeordnet sind und sich nur viel schneller bewegen.
Durch die vorhandenen Preßwalzen werden namentlich sogenannte Klunkern der Wolle und
ähnliche Verfilzungen aufgelöst und schließlich völlig beseitigt.
Nach dem Verlassen des Spülbassins wird der Wolle das Wasser (so weit als möglich) durch Centrifugal-Trockenmaschinen entzogen und
schließlich das Trocknen derselben in geeigneten Kammern
bewirkt.
Bei Herrn Fuhrmann fand ich zweierlei Verfahrungsweisen
des Wolltrocknens in Anwendung, nämlich sogenannte Fächer-Trockenmaschinen
von Demeuse-Houget
57) und Hürden-Trocknerei, nach dem Princip mancher Malzdarren der
Bierbrauereien, wobei das Trockenfeld aus durchlöcherten oder geschlitzten Blechen
gebildet ist.
Schließlich bringt man dort die völlig getrocknete Wolle auf die sogenannten Klettenmaschinen (Klettenwölfe), welche dazu bestimmt
sind, die in den überseeischen Wollen theilweise verwachsenen Kletten, Dornen, Samen
und Strohstückchen zu entfernen.58)
Wenn sich bei dem ganzen vorgeschriebenen Verfahren die Wolle vermengt (nicht in
vollem Vließe bleibt), so hat dieß für den Fabrikanten keinen Nachtheil, weil, wie
bereits oben erwähnt, solche als Fettwolle, d.h. vor dem Waschen, sortirt wird.
Nach den mir von Herrn Fuhrmann in Lennep gemachten
Angaben stellen sich die Kosten dieses Waschverfahrens wie folgt:
Erstens für das Waschen 20
Sgr. pro Centner Buenos-Ayres Fettwollen, welche viel Sodagehalt haben. Deutsche Fettwollen, denen letztere Eigenschaft fehlt,
bedürfen mehr Zusatz (an Waschmittel) und werden ca. 25
Sgr. pro Centner kosten.
Zweitens für das Trocknen auf
ca. 20 Sgr. pro Centner
reiner Wolle, nach dem Trockengewicht berechnet, so
daß sich die Gesammtkosten für einen Centner Fettwolle zu waschen und zu trocknen zu
etwa 1 Thaler bis 1 Thlr. 5 Groschen herausstellen.
Was die Preise der genannten Maschinen betrifft, so werden solche von den Herren Demeuse, Houget und Comp. in
Aachen wie folgt verzeichnet:
Eine Wollwaschmaschine, genannt Leviathan (einschließlich
einer Spülmaschine) mit eisernen Behältern
von 5 Fuß 10 Zoll rhein. Breite
2270 Thlr.
Deßgl. „ 3 „ – „
„
„
1900 „
Halbe Leviathans, große Breite
1200 „
„ „ kleine
„
900 „
Ausschwenkmaschinen für Wolle, mit
Korb von 44 Zoll Durchmesser
400 „
Wolltrockenmaschinen (Beu'sches System):
Größedieser Maschinen.
Tägl. Lieferungan trockener Wolle.
I.
350 Pfd.
400 „
II.
450 „
450 „
III.
550 „
500 „
IV.
700 „
600 „
V.
900 „
750 „
VI.
1100 „
900 „
VII.
1400 „
1050 „
VIII.
1800 „
1300 „
(Vorbemerkte Quantitäten an trockener Wolle sind in einem Tage von
13 Arbeitsstunden zu erzielen und darf die Wolle, aus den Ausschwenkmaschinen
genommen, nicht über 30 Proc. Wasser enthalten.)
Schnecken-Ventilatoren
für Wolltrocknerei
Nr. 1
180 Thlr.
„ „
„
„
Nr. 2
200 „
Entklettungsmaschinen:
Nr. 1 für ca.
24 Pfd. Wolle pro Stunde
500 „
Nr. 2 „ „
50
„
„
„ „
1000 „
Beim zweiten, Richter'schen (patentirten) Verfahren
geschieht das Entschweißen und Waschen der Wolle auf kaltem Wege und wird
solches von dem Patentinhaber selbst wie folgt beschrieben:59)
„Zur Entfettung dienen drei offene Gefäße, am
Boden mit einem Ablaßhahn versehen, über demselben ein durchlöcherter Senkboden
befindlich.
„Diese Gefäße werden voll Wolle gepackt und das erste mit einer eigenthümlichen Entfettungsessenz gefüllt,
letztere abgezapft, auf das zweite und dann auf das dritte Gefäß gegeben und so
lange Essenz nachgespült, bis dieselbe fettfrei und farblos abläuft. Alsdann
wird die Wolle herausgenommen, durch Centrifugalmaschinen ausgeschleudert oder
mittelst Walzen ausgedrückt, mit wenig Wasser nachgespült und schließlich in
einer Spülmaschine rein gespült. Die Entfettung geschieht sehr schnell und
erfordert nur wenige Minuten.
„Aus der mit Fett gesättigten Essenz, wie aus dem Wasser vom Nachspülen,
wird dieselbe durch Destillation wieder gewonnen, wobei das Fett rein
zurückbleibt. Dasselbe läßt sich nicht verseifen, ist ganz neutral, von dicker
Syrupsconsistenz, die in der Wärme und Kälte ziemlich gleich bleibt und als
Schmiermaterial sehr geeignet. Die deutschen Wollen enthalten davon 20
Procent.“
Diesen Mittheilungen fügt Hr. Richter noch die Bemerkung
bei, daß nach Versuchen in einer größeren schlesischen Fabrik (wahrscheinlich die
Tuchfabrik des Herrn Geheimen Commerzienraths Förster in
Grüneberg) die so gewaschene Wolle sich gut verspinne und verwebe und bei der
Rauherei sich herausgestellt haben soll, daß bei Stoffen, welche sonst 12–15
Satz erforderten, schon 8–9 Satz genügten.
Auch sollen sich die dargestellten Stoffe durch auffallende Milde und Haltbarkeit
vortheilhaft auszeichnen und im vergangenen heißen Sommer fertig gelagerte Stücke
ein sehr frisches Aussehen bewahrt haben.
Leider berührt Herr Richter den (wichtigen) Kostenpunkt
seines Waschverfahrens nicht, dagegen geht aus dem Schlusse seiner Mittheilungen
hervor, daß er der Meinung ist, der Landwirth selbst
solle seine Methode an die Stelle, der Rückenwäsche treten lassen, nicht aber ein
besonderer Waschunternehmer, der zwischen dem Landwirth
und dem Wollwaarenfabrikanten eintritt und einen sogenannten Lohnwäscher abgibt. Für den Vorschlag Herrn Richter's sprechen mindestens nicht die Resultate, welche man aus
Versuchen erhielt, die ganz neuerdings in der Provinz Hannover angestellt
wurden.60)
Die Ansichten der Wollhändler und Fabrikanten hinsichtlich des Urtheiles, ob die
Einführung sogenannter Lohn-Wollwäschereien, für
deutsche Wollen, überhaupt rathsam sey oder nicht,
weichen zur Zeit noch sehr von einander ab.
Der hochgeachtete und berühmte Fachmann, Herr Daniel Fuhrmann in Lennep, welcher mir, wie schon berichtet, die Besichtigung
einer schönen Wollwäscherei (für Colonial-Wolle) ohne Weiteres sehr gern gestattete, schreibt mir
auf meine Anfrage über den bemerkten Punkt (unterm 31. October 1868), und zwar mit
dem Zusatze, von diesen Mittheilungen beliebigen Gebrauch machen zu können,
Nachstehendes:
„Nach meiner Ueberzeugung handelt der deutsche Landwirth für sich am
vortheilhaftesten, wenn er seine Schafe in gewohnter Weise schwemmt, gut wäscht
und die Wolle gut gesäubert von Schmutz etc., mit Absonderung der Locken, in den
Handel bringt. Jedes andere Verfahren ist nachtheilig für ihn. In diesem
Zustande erkennt der Käufer sie für deutsche Wolle an, und diese hat immer noch
einen etwas höheren Werth als Colonialwolle. Ist sie gewaschen, so tritt sie in
Concurrenz mit ausländischen Wollen und muß unter dem reellen Werthe verkauft
werden. Durch die große Concurrenz der Colonialwollen wird es jetzt dem
deutschen Producenten schon schwer genug, seine Wolle zu verkaufen; er wird aber
noch viel mehr Schwieligkeiten finden, seine Wolle in ungewaschenem Zustande an
den Mann zu bringen und muß in diesem Falle Geld verlieren, da der Käufer den
Waschverlust nicht genau taxiren kann, und ihn, um nicht selbst zu Schaden zu
kommen, reichlich hoch und dem entsprechend die Wolle billig taxiren muß.
In Rußland und Frankreich ist man freilich gewohnt, die Wolle im Schweiß zu
verkaufen; in Deutschland aber nicht. Der deutsche Wollhändler, ganz entmuthigt
durch die schlechten Jahre, wird sich hüten, sich auf große Unternehmungen zum
Waschen der Wolle einzulassen; der Fabrikant hat seine eigene Wäscherei, und
Keiner wäscht ihm die Wolle so billig und so gut oder schlecht, wie er sie
gerade haben will.
Hinsichtlich des Richter'schen Verfahrens Wolle zu
waschen, habe ich meine mündliche Aeußerung nur zu bestätigen, daß ich dasselbe
für eine interessante Spielerei ansehen muß und demselben, in rein praktischer
Hinsicht (weder für den Besitzer, noch für den Händler und Fabrikanten), nicht
den geringsten Werth zuschreiben kann.“
Anders lauten die Urtheile in dem bereits früher citirten Aufsatze „Ueber die Concurrenz überseeischer Wolle für die
einheimische Wollproduction“ in Nr. 1 und Nr. 3 des
(Grüneberger) Organs für das deutsche Wollen-Gewerbe etc.
Nachdem der sachkundige Verfasser (wahrscheinlich ein schlesischer
Wollwaaren-Fabrikant) die Unsicherheiten und Bedenken, sowohl der Landwirthe
wie der Fabrikanten hinsichtlich des Verkaufes und Kaufes ganz
gewaschener Wollen vielseitig erörtert hat, empfiehlt er die Richter'sche Waschmethode und schließt (S. 11) mit
folgender Bemerkung:
„Die Errichtung von Waschanstalten à la
Verviers ist unserer Meinung nach, auch für die deutschen Wollen nur
noch eine Frage der Zeit. Heute noch liegt es in der Hand des Producenten, den
ganzen Vortheil dieser zu erwartenden Aenderung zu genießen, sey es durch die
Initiative der Einzelnen, sei es durch Begründung gemeinschaftlicher
Waschanstalten für jeden Kreis. Daß in 10 Jahren sich die Privatindustrie dieses
Feldes bemächtigt haben wird, falls die Producenten zögern, glauben wir
voraussagen zu dürfen.“
Ohne jetzt schon in der einen oder andern Beziehung Partei zu nehmen, berichte ich
hier zum Schlusse, daß man in der Nähe der Stadt Hannover mit der Einrichtung (durch
die Herren Demeuse und Houget
in Aachen) einer großen Lohn-Wollwäscherei beschäftigt ist, die zum Frühjahre
1869 in Betrieb gesetzt werden soll und wenn auch vorerst zum Waschen von
Colonialwollen bestimmt, jedenfalls auch den hannoverschen Landwirthen Gelegenheit
geben wird, den Versuch zu machen, ihre Wolle in dieser Anstalt waschen zu lassen,
da ich die Feststellung des Verkaufswerthes der rohen Wolle nicht als eine
unübersteigliche Schwierigkeit ansehe.
So viel ich höre, wird man in dieser ersten hannoverschen
Lohn-Wollwaschanstalt auch besonderen Bedacht auf die Verwerthung der
Rückstände nehmen.61) Auf die Benutzung der auch bei der jetzigen Rückenwäsche verloren gehenden im Wasser
löslichen Theile des Wollschweißes oder der Wollfette (die reich an Kaliumsalzen
sind), begleitet von Hinweisungen auf mehrere der im Vorstehenden erörterten Dinge,
macht eine sehr interessante Schrift (Inaugural-Dissertation) aufmerksam,
welche den Titel führt: „Ueber den Fettschweiß der Schafwolle, in
chemischer und technischer Beziehung,“ die Herrn Dr. Fritz Hartmann, Chemiker
in Hannover, zum Verfasser hat.62)
Tafeln
