Titel: | Ueber ein zur Distanzmessung bestimmtes, Longimeter genanntes geometrisches Instrument; von Sanguet, praktischer Geometer in Paris. |
Fundstelle: | Band 183, Jahrgang 1867, Nr. CXVCXVI., S. 445 |
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CXVCXVI.
Ueber ein zur Distanzmessung bestimmtes,
Longimeter genanntes geometrisches Instrument; von Sanguet, praktischer Geometer in Paris.
Im Auszuge aus einem Berichte von Benoit im Bulletin de la Société
d'Encouragement, November 1866, S. 641.
Mit Abbildungen auf Tab.
IX.
Sanguet's Longimeter.
Das von Sanguet (in Paris, rue du
Vertbois, No. 34) erfundene Instrument, Longimeter genannt, hat den Zweck,
die Operationen mit der Kippregel zu vereinfachen, und gestattet, ohne Anwendung der
Meßkette und ohne Zuhülfenahme des Calculs, die horizontale Distanz irgend eines
Punktes auf dem Felde von einem angenommenen Standpunkte aus mit Hülfe einer
Meßlatte (mire parlante) direct zu bestimmen.
Das Princip, auf welchem der neue Longimeter oder der Distanzmesser von Sanguet in seiner eigenthümlichen Construction beruht,
besteht beiläufig in Folgendem: Denkt man sich von irgend einem Standpunkte aus die
Visirlinien nach den Endpunkten eines in irgend welcher Entfernung auf dem Felde
aufgestellten verticalen Jalons gezogen, die also in der abgesteckten Verticalebene
mit dem Jalon ein Dreieck bilden; denkt man sich ferner in derselben Verticalebene
von dem die Spitze dieses Dreieckes bildenden Standpunkte aus rechtwinkelig zu den
Visirlinien Gerade gezogen und diese von irgend welcher Stelle der einen aus durch
eine horizontale Gerade abgegrenzt, so erhält man hierdurch ein kleines Dreieck, das
dem ersteren ähnlich seyn muß. Aus der Aehnlichkeit dieser beiden Dreiecke ergibt
sich leicht, daß die horizontale Distanz des Standpunktes von
dem verticalen Jalon gleich seyn muß der Höhe des Jalons (nämlich dem Stücke des
letzteren, welches durch die beiden Visirlinien begrenzt wird), multiplicirt mit
einem Quotienten, der erhalten wird, wenn man die Höhe des zuletzt genannten
kleinen Dreieckes durch die Länge seiner horizontalen Basis dividirt.
Dieser Quotient bildet nun die Constante des Instrumentes, und letzteres ist zu
diesem Zwecke so angeordnet, daß bei seinem Gebrauche die an der Distanzlatte
abgelesene Zahl in Metern, nämlich das Intervall zwischen den beiden Visirlinien
bloß mit 100 zu multipliciren ist, um die gesuchte Distanz in Metern zu
erhalten.
Der Sanguet'sche Longimeter ist in Fig. 26 – mit
Hinweglassung des Statives – in seiner verticalen Ansicht, in Fig. 27 durch einen
Verticalschnitt senkrecht zur horizontalen Drehungsachse (in halber wirklicher
Größe), in Fig.
28 durch einen Horizontalschnitt eines Theiles des Instrumentes (dieser in
wirklicher Größe) dargestellt. Im Allgemeinen hat das Instrument keine anderen
Anordnungen, wie die bekannten, namentlich wie ein Theodolit; auf einem Fuß C, C, der mittelst der Stellschrauben D, D horizontal gestellt werden kann, ruht nämlich die
Säule E, die in einen Zapfen ausgeht, und über welcher
die um den verticalen Zapfen drehbare Hülse sich befindet, welche an ihren
gabelförmigen Enden die Lager für die Zapfen der horizontalen Drehungsachse A enthält. Die Zapfen der horizontalen Achse sind auf
beiden Seiten ungleich lang; an einer Seite der Drehungsachse ist nämlich eine
Flantsche, an welche ein Arm rechtwinkelig zu derselben angeschraubt ist. Die mit
dem Zapfen verbundene Hülfe B dient, wie bekannt, zur
Aufnahme des mit Fadenkreuz versehenen Fernrohres A, A.
Vermöge dieser Anordnung läßt sich also die Achse des Fernrohres in jede beliebige
Verticalebene drehen; mittelst der Klemmschraube G wird
die Hülse von F festgestellt; ebenso läßt sich die Achse
des Fernrohres in einer bestimmten Verticalebene unter einem beliebigen Winkel gegen
den Horizont einstellen.
Die besonderen Einrichtungen, durch welche das Instrument in Verbindung mit der Latte
als Distanzmesser benutzt werden kann, bestehen nun in Folgendem: Die Richtungen der
Schenkel des kleinen Dreieckes, von dem oben die Rede war, werden bei dem
Instrumente durch den Arm O, O erhalten, der senkrecht
zur optischen Achse des Fernrohres an dem Ende des längeren Zapfens der
Drehungsachse des letzteren festgeschraubt ist, so daß, wenn die optische Achse des
Fernrohres in irgend eine Verticalebene eingestellt wird, die Neigung oder Erhebung
des letzteren nur dadurch geschehen kann, daß jener Arm O,
O nach rechts oder nach links bewegt wird. Würde dieser Arm frei seyn, und
man würde die optische Achse des Fernrohres zuerst auf einen Theilpunkt und sodann
auf einen anderen Punkt der vertical aufgestellten Distanzlatte richten, so müßte
also der Arm O, O hierbei in zwei verschiedene Lagen
kommen, die unter sich denselben Winkel einschließen, wie die beiden Visirlinien.
Die Bewegung der Achse des Fernrohres in die beiden genannten Lagen wird aber durch
den Arm O, O selbst vermittelt und zwar so, daß bei der
Drehung des letzteren gleichsam jenes kleine Hülfsdreieck beschrieben werden muß. An
einem eigenen Träger, der an der Hülse der Gabel F, F
befestigt ist, ist nämlich ein an seiner vorderen Seite gezahntes Lineal H, H befestigt, dessen längere Seitenfläche in derselben
Verticalebene liegt, in welcher die optische Achse des Fernrohres gedreht werden
kann, und von welchem die obere Fläche genau senkrecht auf der Achse des ganzen
Instrumentes, nämlich auf der Achse der Säule E
rechtwinkelig angebracht seyn muß. Wenn also auf dieses Lineal eine Libelle gesetzt
und diese mittelst der Horizontalschrauben D, D zum Einspielen gebracht wird, so muß die Achse der
Säule E genau vertical stehen. Mit diesem Lineale H, H ist nun (Fig. 28) ein rechteckiger
Rahmen I, I verbunden, der horizontal auf dem Lineale
gleiten und nach Willkür mit demselben fest verbunden werden kann, wenn man mittelst
der Schraube K die Verbindungsplatten zwischen dem
Lineale und dem einen Rande von I festklemmt. Dieser
Schieber oder Läufer (courseur) I, I kann nun, wenn die Schraube K gelüftet
ist, durch Umdrehen des Schraubenkopfes J, indem hierbei
ein kleines Getriebe mit dem Rechen, den das Lineal bildet, zum Eingriffe kommt,
horizontal verschoben werden, und dabei nimmt dasselbe den mit einem rechteckigen
Ausschnitte versehenen Arm O, in welchem ein kleiner
Schieber P gleiten kann (wenn derselbe nicht durch
Schrauben festgeklemmt ist) mit, und versetzt so die optische Achse des Fernrohres
in eine bestimmte Lage, bei welcher ein bestimmter Theilpunkt der vertical
gestellten Distanzlatte im Oculare deutlich sichtbar ist; in dieser Lage wird nun
der Läufer I festgeklemmt, und die Achse der Schraube
J bezeichnet nun diejenige Stelle des Schiebers am
Lineale, welche den Anfangspunkt der horizontalen Basis des genannten kleinen
Dreieckes repräsentiren könnte. In eine zweite Lage kann nun der Arm O, O dadurch versetzt werden, daß ein rechtwinkeliger
Hebel L, L mit seinem kurzen, in einen Zapfen
ausgehenden Arme in einen Schlitz eingreift, der von den beiden Prismen mit
trapezförmigen Querschnitten, aus denen der Schieber P
zusammengesetzt ist, gebildet wird; der längere Arm des Hebels L, L wird beständig durch eine federnde Stahllamelle M gegen den rückwärtigen Schenkel des Läufers I angedrückt. Wird nun dieser längere Arm mittelst der
an seinem Ende angebrachten Handhabe nach vorwärts gedreht, bis er eine bezeichnete
fixe Stelle berührt, die hier durch das Ende der horizontalen Schraube N, welche durch einen Vorsprung des Läufers I geht, bezeichnet ist, so wird der Arm O, O und mithin die optische Achse des Fernrohres A unter einem solchen Winkel gegen die vorige Lage
geneigt, daß nunmehr das Bild eines zweiten Punktes der Distanzlatte vom Beobachter
abgelesen werden kann. Da auf diese Weise das kleine Hülfsdreieck an dem Instrumente
selbst gleichsam erzeugt worden ist, so handelt es sich also bloß darum, die erste
Anordnung durch den
Versuch so zu treffen, daß der Quotient aus der Höhe dieses Hülfsdreieckes getheilt
durch seine Basis dieselbe Zahl gibt, wie der Quotient; den man erhält, wenn man die
gesuchte horizontale Distanz durch die Länge des Lattenstückes, welches vorher
abgelesen worden ist, dividirt.
Zu dem Ende wird nun eine Verticalebene abgesteckt und in dieser mittelst der
Meßkette eine Gerade von 200 Metern Länge bestimmt. Indem nun das Instrument am
Anfangspunkte dieser Geraden so aufgestellt wird, daß seine genau vertical gestellte
Achse durch diesen Punkt geht, wird von dem Gehülfen am Endpunkte der abgesteckten
Geraden ein Jalon von 2 Meter Länge genau vertical gehalten und hierauf durch
Manipulirung an dem Schraubenkopfe J der Arm O, O so weit nach vorwärts gedreht, daß die optische
Achse des Fernrohres nach dem unteren Ende des Jalons gerichtet ist, so daß ein
deutliches Bild dieses Punktes der Latte im Kreuzungspunkte der Fäden des Oculars zu
Stande kommt; in dieser Lage wird dann der Läufer I, I
durch Anziehen der Schrauben K festgeklemmt. Hierauf
wird der längere Arm des Hebels L gegen das zugewendete
Ende der Schraube N gedrückt, mit diesem Ende in Contact
erhalten und dabei die Schraube N so lange gelüftet oder
nach einwärts gedreht, bis im Kreuzungspunkte der Ocularfäden das deutliche Bild des
oberen Endpunktes des 2 Meter langen Jalons erhalten wird: sobald diese
Rectification sicher zu Stande gekommen ist, muß die Unveränderlichkeit der letzten
Lage des vorderen Schraubenendes von N gesichert
bleiben, da durch diesen Endpunkt oder diese Endfläche der Schraube N die Stelle bezeichnet ist, bis zu welcher bei jeder
Messung der längere Arm des Hebels L aus seiner Ruhelage
um seine verticale Achse gedreht werden muß, damit jedesmal eine horizontale Basis
des kleinen Hülfsdreieckes von gleichbleibender Größe hierdurch bezeichnet wird.
Soll mit dem gehörig rectificirten Instrumente irgend eine Distanz gemessen werden,
so wird das Instrument in genannter Weise am Anfangspunkte der Geraden, am Endpunkte
derselben aber die Distanzlatte vertical aufgestellt. Wird dann nach dem Lüften der
Schraube K der Kopf des Getriebes J so oft gedreht, bis man im Kreuzungspunkte der Ocularfäden ein
deutliches Bild des Nullpunktes der Latte erhält, hierauf die Schraube K angezogen und sodann der längere Arm des Hebels L bis zu dem ihm zugewendeten fixen Ende der Schraube
N gedreht, und mit dieser unveränderlichen Marke in
Contact erhalten, so wird man im Kreuzungspunkte der Ocularfäden eine Zahl auf der
Distanzlatte ablesen, welche den hundertsten Theil der gesuchten Distanz angibt, und
die also bloß mit 100 zu multipliciren ist, um letztere zu erhalten.
Der Erfinder hatte zuerst ein anderes Verfahren angewendet, ehe er auf die Drehung
des Armes O, O durch Einwirkung des rechtwinkeligen
Hebels L, L gekommen ist. An dem Arme 0,0 brachte er
nämlich zu dem Zwecke eine Schraubenmutter an, welche durch Einwirkung einer an dem
Ende der verticalen Achse angebrachten Schraubenspindel den Läufer nach und nach in
zwei verschiedene Lagen bringen konnte; die Länge der hierbei von einem festen Index
aus von einem Punkte des Läufers beschriebenen Basis konnte aus der Höhe des
Schraubenganges und der Anzahl der Umdrehungen leicht gemessen werden; die auf diese
Weise durch einen ähnlichen Versuch, wie der beschriebene, festgestellten Marken
konnten dann bei dem weiteren Gebrauche des Instrumentes zur Ermittelung unbekannter
Distanzen dienen; die Bestimmung von weiteren Marken an dem Instrumente, um dasselbe
für alle vorkommenden Fälle benutzen zu können, wäre dabei auch mit keinen
Schwierigkeiten verbunden gewesen.
Der Erfinder benutzt dasselbe Instrument zugleich als Nivellir-Instrument,
indem er für derartige Zwecke die Libelle auf das Fernrohr setzt. Auch zu
Winkelmessungen will er dasselbe verwenden, indem für diesen Zweck an der verticalen
Säule bloß ein Horizontalkreis anzubringen ist, u.s.w.
Zu den vorstehenden Erörterungen, die wir der vorliegenden Quelle entnommen haben,
begnügen wir uns für jetzt bloß die Bemerkung anzufügen, daß wenn der Sanguet'sche Longimeter dieselbe Leistungsfähigkeit
besitzen soll, wie die bekannten, namentlich der Reichenbach'sche Distanzmesser – deren Ablesungen allerdings eine
Correction erfordern, – es unerläßlich seyn dürfte, daß nicht bloß das
Fernrohr eine bedeutendere optische Kraft besitzt, sondern auch die Höhe des
Instrumentes, nämlich der Abstand des horizontalen Lineales von der Drehungsachse
eine solche Größe haben muß, damit die Basis des Hülfsdreieckes mit der gehörigen
Sicherheit und Genauigkeit die zu messenden Distanzen anzugeben gestattet.