Titel: | Die Wirksamkeit der verschiedenen Desinfectionsmittel nach Dr. Letheby. |
Fundstelle: | Band 183, Jahrgang 1867, Nr. LX., S. 225 |
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LX.
Die Wirksamkeit der verschiedenen
Desinfectionsmittel nach Dr. Letheby.
Letheby, über die Wirksamkeit verschiedener
Desinfectionsmittel.
In der Chemical News, 1866, Nr. 366 theilt Dr. Letheby,
Gesundheitsbeamter (health-officer) der City von
London, die Erfahrungen mit, welche er bei Anwendung von Desinfectionsmitteln in
London gemacht hat. Jedes der im Nachstehenden aufgeführten Desinfectionsmittel hat
seinen besonderen Werth und ist in besonderen Fällen am besten geeignet.
So ist 1) Chlorgas, als ein sehr stark diffundirender
Körper, am besten zur Desinfection von Räumen geeignet, die auf andere Weise nicht
wohl desinficirt werden können. Es sind damit z.B. die Grabgewölbe in allen Kirchen
der City gereinigt worden, in denen die Luft durch den Inhalt der zerfallenden Särge
so verdorben war, daß sie nicht ohne Gefahr betreten werden konnten. Auch erwies
sich Chlor als das zweckmäßigste Desinfectionsmittel von Räumen, die, wie im
Allgemeinen die Wohnungen von Armen, von ihren Bewohnern zum Zweck einer gründlichen
Reinigung nicht
verlassen werden können: mit gleichem Vortheil wurde es in Räumen benutzt, wo
Personen an Fieber, Scharlachfieber, Blattern und Cholera krank gelegen hatten. Das
Verfahren, welches Letheby dabei anwendete, bestand
darin, daß etwa ein Theelöffel voll Braunstein in eine Tasse geschüttet und darüber
allmählich je nach Bedarf etwa eine halbe Tasse starker Salzsäure gegossen wurde.
Auf diese Weise wird das Chlor allmählich entwickelt und wenn nöthig wird die
Einwirkung dadurch verstärkt, daß man das Gemisch umrührt oder die Tasse auf einen
heißen Ziegel setzt. Da Chlor schwerer als atmosphärische Luft ist, so wird die
Mischung am besten auf einen hohen Sims gestellt. Die Chlormenge soll nicht so groß
seyn, daß sie die Lungen der in dem Raume befindlichen Personen reizt, aber so groß,
daß das Chlor deutlich gerochen werden kann; bei richtiger Handhabung kann letzteres
so auch in Räumen verwendet werden, in denen sich Kranke befinden. 2) Von Chlorkalk sind während der letzten Choleraepidemie über
140 Ctr. zur wöchentlichen Reinigung von circa 2000
Häusern der schlechtesten Classe der City verwendet worden, in denen derselbe auf
den Fußboden, in Keller und Höfe gestreut, zum Theil auch mit Wasser zum Abwaschen
der Wände und Dielen verwendet wurde; der Erfolg war höchst befriedigend. 3) Carbolsaurer Kalk wurde vielfach da verwendet, wo
Chlorkalk wegen seines Geruches oder seiner bleichenden Wirkung unzweckmäßig war. Er
wurde auf den Boden von Wohnräumen und Kellern gestreut; da aber seine
Desinfectionsfähigkeit durch Chlorkalk zerstört wird, so ist es von großer
Wichtigkeit, daß beide nicht zusammen verwendet werden. Der verwendete carbolsaure
Kalk enthielt 20 Procent Carbolsäure; bei geringerer Stärke ist er nicht genügend
wirksam. Zur Prüfung der Stärke behandelt man 100 Gewichtstheile mit so viel
Salzsäure, die mit ihrem Volumen Wasser verdünnt ist, daß der Kalk gelöst wird; die
freigewordene Carbolsäure, die auf der Flüssigkeit schwimmt, wird gesammelt; sie muß
wenigstens 20 Th. wiegen. Der Vortheil des carbolsauren Kalkes ist dessen
continuirliche Wirkung; die Kohlensäure der Luft macht ganz allmählich die
Carbolsäure frei, die sich langsam und in genügender Menge verbreitet, um
desinficirend zu wirken, ohne der Farbe von Zeugen zu schaden. 4) Carbolsäure wurde als alleiniges Desinfectionsmittel für
Abtritte, Abzüchte und Gußsteine, sowie für Schleußen und Straßen verwendet, im
ersteren Fall concentrirt, im zweiten mit ihrem 2000fachen Volumen Wasser. In
Schleußen wurde dadurch die gewöhnliche Fäulniß der abgeführten Stoffe unterbrochen
und es zeigte sich in ihnen statt der höchst unangenehmen und schädlichen
Fäulnißgase etwas Kohlensäure und Sumpfgas. 5) Chlorzink
(Sir
William Burnett
's Fluid oder Drew
's Disinfectant) ist zur Desinfection der Auswurfstoffe
Kranker gut geeignet, aber nicht wohl für irgend einen anderen Zweck. Die
Flüssigkeit soll ein specifisches Gewicht von 1,594 haben und circa 50–54 Proc. festes Chlorzink enthalten; ein Theelöffel voll
dieser Flüssigkeit genügt, um jeden Auswurf des Körpers zu desinficiren. 6) Eisenchlorid ist ebenso wie Chlorzink und nur zum
Desinficiren von Auswurfstoffen des Körpers verwendbar. Die Lösung soll ein spec.
Gewicht von 1,470 haben und circa 40 Procent Chlorid
enthalten. 7) Uebermangansaures Kali ist nur zum
Desinficiren von Trinkwasser geeignet und vortheilhaft, wo keine guten Filter von
Thierkohle erhalten werden können, nicht aber zu anderen Zwecken, da es nicht
flüchtig ist, sehr langsam wirkt und in großer Menge verwendet werden muß, außerdem
auch alle organischen Stoffe angreift; dem zu desinficirenden Wasser wird es in
solcher Menge zugesetzt, daß dasselbe eine ganz schwache, aber deutliche Rosafärbung
erhält. 8) Thierkohle. Durch Versuche wurde nachgewiesen,
daß das Wasser zur Desinfection und Reinigung von gefährlichen organischen Stoffen
am besten zuerst durch Thierkohle filtrirt und dann einige Minuten lang gekocht
wird, worauf es ohne alle Gefahr getrunken werden kann. – Betten und
Kleidungsstücke werden am besten dadurch desinficirt, daß sie genügend lange in
einem Ofen einer Wärme von 130–150° C. ausgesetzt oder, wo dieß nicht
thunlich ist, so lange in kochendes Wasser gebracht werden, bis sich dies auf
gewöhnliche Temperatur abgekühlt hat. Das beste Desinfectionsmittel für Ställe und
Schlachthäuser ist das von Lewis, Ash und Comp. in Bow fabricirte, ein Gemisch von Chlorzink und
unterchlorigsaurem Zinkoxyd, das sich mit den flüssigen Stoffen in Schlachthäusern
leicht mischt und dem Fleische keinen unangenehmen Geruch ertheilt. Für diesen Zweck
wurde es viel verwendet und ist es auch zur Desinfection von Häusern verwendbar
statt des Chlorkalkes, mit dem es in chemischer Beschaffenheit und Wirkungsweise
viel Aehnlichkeit hat. (Deutsche Industriezeitung, 1866, Nr. 2.)