Titel: | Ueber die in Staßfurt gebräuchliche Methode der Kalibestimmung mittelst Weinstein; von Theodor Becker. |
Autor: | Theodor Becker |
Fundstelle: | Band 183, Jahrgang 1867, Nr. XIII., S. 40 |
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XIII.
Ueber die in Staßfurt gebräuchliche Methode der
Kalibestimmung mittelst Weinstein; von Theodor Becker.
Mit Abbildungen.
Becker, über die in Staßfurt gebräuchliche
Kalibestimmung.
Die Kalibestimmungen, welche die Staßfurter Industrie erfordert, sind zweierlei Art:
einmal dienen sie zur Controle des Fabrikbetriebes, sind also technische Proben und
erfordern keine sehr große Genauigkeit; andererseits sind sie Verkaufsanalysen
– alles Chlorkalium wird nach Gehalt verkauft – und diese allerdings
müssen sehr genau ausgeführt werden, was nach der bekannten Methode mit
Platinchlorid geschieht.
Als die Industrie in's Leben trat, fehlte eine Methode für die technischen Proben,
welche leicht und schnell auszuführen, eine Genauigkeit von 2–1 Proc. bot und
von einem Arbeiter ausgeführt werden konnte.
Die Alaunprobe gab nur bei geringhaltigen Salzen einigermaßen übereinstimmende
Resultate, für die reicheren Anschüsse war sie unbrauchbar.
Die zuerst von Nöllner angegebene und mit wenig
Veränderungen in Mohr's Titrirbuch übergegangene Methode,
das Kali als Weinstein zu bestimmen, war in dieser Form nicht zu brauchen, sie war
zu umständlich. Der Gründer der Staßfurter Industrie, Dr. Adolph Frank,
modificirte daher die
Methode in der nachfolgend beschriebenen Weise und es ist dieselbe nach und nach in
allen Chlorkaliumfabriken eingeführt worden und zur Zeit noch unverändert in
Gebrauch.
Es wird 1/2 Atom = 3,76 Grm. Chlorkalium, welches stets Kochsalz als wesentlichen
Nebenbestandtheil enthält, zur Beschleunigung der Operation durch Erwärmen in
50–60 Kubikcentimetern gesättigter Weinsteinlösung gelöst. Dann wird für je
10 Proc. des vermutheten Gehalts an Chlorkalium 1 Grm. feingepulvertes saures
weinsaures Natron auf dieselbe Weise auch in 50–60 Kub. Centim.
Weinsteinlosung gelöst und die Natronlösung zu der des Kalisalzes gegossen. Der
Kolben wird hernach zum Kühlen in Wasser gehangen und, sobald er die Temperatur der
Weinsteinlösung erreicht hat, herausgenommen, und nach tüchtigem Umschütteln die
Flüssigkeit abgesogen, worauf der Weinstein mit Normalalkali titrirt wird. Die
doppelte Zahl der verbrauchten Kubikcentimeter gibt unmittelbar die Procente
Chlorkalium.
Textabbildung Bd. 183, S. 41
Zum Trennen des Weinsteins von der Lauge bedient man sich eines Kolbens, in dessen
doppelt gebohrtem Korke zwei Glasröhren sitzen, die beide nur bis dicht unter den
Kork reichen. Die eine, doppelt gebogen, hat an ihrem freien Ende ein
Baumwollbäuschchen und wird in den Kolben mit dem zu untersuchenden Weinstein so
gestellt, daß sie den Boden berührt; die andere ist durch Gummischlauch mit einer
kleinen Pumpe in
Verbindung. Die Flüssigkeit wird abgesogen und zur Entfernung des überschüssig
angewandten, noch in der Lösung vorhandenen sauren weinsauren Natrons werden
zwei- bis dreimal etwa 10 Kub. Cent. der Weinsteinlösung zugegeben und nach
dem Umschütteln abgesogen. Der an der Glasröhre haftende Weinstein wird in den
Kolben gespült, das Bäuschchen dazu geworfen und titrirt.
Die Pumpe besteht aus einem 1 1/2 Fuß hohen, 2 Zoll weiten Stiefel, von dessen
unterem Ende ein dünnes 3 Fuß langes Rohr sich abzweigt, welches oben durch einen
Hahn verschlossen werden kann und in der Mitte an einem kleinen Stutzen einen
zweiten Hahn trägt. Am oberen Hahn wird der mit dem Kolben verbundene Schlauch
befestigt. Der Fuß der Pumpe ist breit genug, um von den Füßen des Arbeiters gefaßt
werden zu können. Der Kolben wird, nachdem der untere Hahn geschlossen, der obere
geöffnet ist, in die Höhe gezogen, darauf der obere Hahn geschlossen, der untere
geöffnet und der Kolben niedergestoßen und so fort bis das letzte Waschwasser
abgesogen ist.
Die Pumpe ist sehr billig herzustellen. Zum Stiefel nimmt man ein altes
schmiedeeisernes Rohr und nietet den Fuß von starkem Blech daran fest; zu dem dünnen
Rohr verwendet man ein Gasrohr; die Hähne sind Gasschlauchhähne.
Textabbildung Bd. 183, S. 42
Die gesättigte Weinsteinlösung wird in der von Duflos
angegebenen Weise dargestellt. In ein großes, circa
8 Liter haltendes Glas, welches bis etwa 1/3 seiner Höhe mit Weinsteinkrystallen
gefüllt ist, wird ein ebenfalls mit Weinsteinkrystallen gefüllter Trichter
gehangen, das Glas dann mit Wasser gefüllt und nach jedesmaligem Abziehen,
welches von unten geschieht, dasselbe ergänzt. Auf diese Weise erhält man nach
24 Stunden eine nahezu gesättigte Lösung. Dieselbe wird nach Bedürfniß in eine
andere Flasche abgehebert, auf deren Boden ebenfalls Krystalle von saurem
weinsaurem Kali liegen. Aus dieser Flasche von 2 bis 3 Liter Inhalt wird dann
durch einen mittelst Quetschhahn geschlossenen Heber die zum jedesmaligen
Gebrauch erforderliche Lösung entnommen.
Die Procedur ist einfach, und kann von einem Arbeiter sehr leicht erlernt und
ausgeführt werden, was auch durchgängig geschieht. Da 10–15 Bestimmungen und
darüber an einem Tage keine Seltenheit sind, so erspart der Chemiker auf diese Weise
viel Zeit. Natürlich wird der Arbeiter controlirt, indem man ihm Salze von bekanntem Gehalt gibt.
Der durch warmes Lösen hervorgerufene Fehler ist unbedeutend. Das saure weinsaure
Natron, so wie das Chlorkalium, lösen sich schnell; bei letzterem braucht die
Temperatur bloß auf 60–70° C. gebracht zu werden, ersteres ist
ebenfalls vor Eintritt der Siedhitze gelöst.
Es ist wesentlich, den Gehalt des zu untersuchenden Kalisalzes auf 10 Proc.
Chlorkalium genau vorher zu kennen, da ein bedeutender Ueberschuß von saurem
weinsaurem Natron in Folge Ausscheidung des letzteren beim Erkalten sonst zu einer
sehr unangenehmen Fehlerquelle wird.
Der Fehler, welcher durch das Lösen mittelst Erwärmen entsteht, ist bei der geringen
Löslichkeit des Weinsteins sehr unbedeutend; um denselben möglichst zu Paralysiren,
wird die Weinsteinlösung der Art hergestellt, daß 6 Tropfen Normalalkali genügen, um
10 Kub. Centim. Weinsteinlösung zu neutralisiren. Es hat mir dieß bei den Hunderten
der Analysen von Kalisalzen, welche ich nach dieser Methode gemacht habe und machen
ließ, sehr gute Resultate gegeben; der Fehler überstieg nicht 1 1/2 Procent.
Wie schon oben erwähnt, werden die Fabrikproben in allen Chlorkaliumfabriken schon
seit mehreren Jahren ausschließlich nach dieser Methode vorgenommen; sie ist durch
Einfachheit und Leichtigkeit der Ausführung unentbehrlich geworden. Dagegen wird sie
bei Verkaufsanalysen mit Recht verworfen. Man verlangt eben bei diesen Bestimmungen
eine Genauigkeit von 0,1 Procent. Auch die Mohr'sche
MethodeTitrirbuch, zweite Auflage, S. 135. ist für Verkaufsanalysen nicht genau genug. Die von Stas und Esselens
Fresenius, Zeitschrift für analytische Chemie,
vierter Jahrgang, Heft 2, S. 214. modificirte gibt nur bei äußerst exacter Arbeit befriedigende Resultate, ist
aber außerdem derart zeitraubend, daß sie vor derjenigen mittelst Platinchlorid,
welche immerhin zuverlässiger bleibt, keinen Vorzug hat.