Titel: | Ueber Versuche mit Lenoir's Gasmaschine; von Conrector G. Delabar. |
Autor: | Gangolf Delabar [GND] |
Fundstelle: | Band 180, Jahrgang 1866, Nr. VI., S. 23 |
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VI.
Ueber Versuche mit Lenoir's Gasmaschine; von Conrector G. Delabar.
Delabar, über Versuche mit Lenoir's Gasmaschine.
Schon im Jahr 1864 wurden der Industriegesellschaft in Mülhausen zwei Lenoir'sche Gasmaschinen von den Erbauern solcher
Maschinen in Paris mit dem Wunsche zugestellt, daß die Gesellschaft dieselben näher
prüfen und untersuchen lassen möge. Die Gesellschaft beauftragte dann auch sofort
ihr Comité für die Abtheilung der Mechanik mit dieser Aufgabe, und dieses
bestellte seinerseits zu diesem Behufe eine engere Commission, welche in der Sitzung
vom 28. Juni 1865 über die mit einer dieser Maschinen vorgenommenen Versuche und die
nähere Untersuchung derselben der Gesellschaft durch deren Mitglied, den
Bergingenieur Le Bleu, einen Bericht erstattete, aus dem
wir (nach dem Bulletin de la Société
industrielle de Mulhouse, t. XXXV p. 289; Juli
1865) das Wichtigste hier folgen lassen.Man s. a. polytechn. Journal Bd. CLXXVIII
S. 322.
Die Lenoir'sche Gasmaschine gleicht ihrem ganzen Aussehen
nach einer Dampfmaschine. Ein Kolben, der sich in einem Cylinder hin- und
herbewegt, theilt einem Schwungrad mittelst Kolben- und Kurbelstange eine
drehende Bewegung mit. Die Triebkraft wird hierbei dem Kolben durch die Entzündung
einer Mischung von atmosphärischer Luft mit Leuchtgas ertheilt, welche sich unter
dem Einfluß der bei der Verbrennung plötzlich entstehenden intensiven Wärme ausdehnt
und auf den Boden des Kolbens einen entsprechenden Druck ausübt. Die Entzündung
dieses Gasgemisches geschieht indessen erst, nachdem der Kolben einen Theil seines
Laufes hinter sich hat. Im Anfang des Hubes wird derselbe einzig durch die lebendige
Kraft des Schwungrades betrieben und während dem wird die Gasmischung durch die
Oeffnungen eines Schiebers in den Cylinder angesogen, welcher ähnlich wie der
Expansions- oder Vertheilungsschieber einer Dampfmaschine beschaffen ist.
Wenn hierauf diese Oeffnungen in Folge der inzwischen veränderten Stellung der dafür bestimmten
Bewegungsmechanismen sich schließen, entzündet der von einem Inductionsapparat
überspringende elektrische Funke die Gasmischung und der Kolben wird durch die
erwähnte plötzliche Ausdehnung bis an's Ende seines Laufes fortgetrieben. Bei der
darauffolgenden Rückbewegung durch die lebendige Kraft des Schwungrades werden nun
die Verbrennungsgase durch die Oeffnung eines zweiten Schiebers auf der anderen
Seite des Cylinders abgelassen und der Kolben zieht hinter sich eine frische Menge
der Gasmischung an, welche dann wiederum durch den elektrischen Funken entzündet
wird u.s.w.
Auf diese Weise wiederholen sich rasch die Kolbenschläge und die Maschine erlangt
dadurch wie eine doppeltwirkende Dampfmaschine eine ziemlich schnelle Bewegung mit
ziemlich großer Regelmäßigkeit.
Die hohe Temperatur, welche sich in Folge der fortwährenden Entzündung und
Verbrennung der Gase in dem Cylinder entwickelt, theilt sich natürlich dem Metall
mit, welches sich deßhalb bald so sehr erhitzen würde, daß jede Schmierung unmöglich
wäre, wenn man nicht die Vorsicht gebrauchen würde, den Cylinder mit einem Mantel zu
versehen, in dessen Höhlung ein Strom kalten Wassers circulirt, wodurch dann der
Cylinder auf einer ziemlich niedrigen Temperatur erhalten wird. Dessenungeachtet
begreift man, daß alle beweglichen Theile der Maschine häufig und gehörig geschmiert
werden müssen.
Die Entzündung des Gasgemisches geschieht, wie gesagt, mittelst eines elektrischen
Funkens, der mittelst eines Inductionsstromes, welcher in einem verlangten
Augenblick des Hubes geschlossen und wieder geöffnet werden kann, abwechselnd auf
dieser und jener Seite des Kolbens erzeugt wird. Das Oeffnen und Schließen des
Stromes, und damit das Ueberspringen des elektrischen Funkens und die Entzündung des
Gasgemisches im Cylinder, wird durch eine geeignete Vorrichtung von der Maschine
selbst und zwar durch die Expansionssteuerung besorgt, indem ein daran angebrachter
und die Bewegung mitmachender Stift über eine Platte mit isolirenden und leitenden
Stellen sich hin und her bewegt. Die Entzünder bestehen aus Platindrähten, welche in
Porzellanröhrchen isolirt sind und deren Ende ziemlich nahe an das Metall des
Cylinders reicht, so daß beim Durchgang des Stromes der elektrische Funke um so
leichter überspringt, welcher alsdann die Gasmischung entzündet.
Oben wurde gesagt, daß die Schieber der Lenoir'schen
Maschine denjenigen der Dampfmaschine analog seyen. Indessen findet zwischen beiden
Arten doch ein Unterschied statt.
Der Zufluß der Gase geschieht mittelst eines Schiebers, der mit schmalen Oeffnungen versehen
ist, durch welche die atmosphärische Luft und das Leuchtgas, in dünnen Schichten
eintretend und sich innig mischend, in den Cylinder gelangen. Der Austritt geschieht
dagegen durch einen auf der anderen Seite des Cylinders angebrachten gewöhnlichen
Schieber.
Die Maschine, mit welcher die Versuche vorgenommen wurden, hatte einen
Kolbendurchmesser von 0,180 Met. und einen Kolbenhub von 0,300 Met., und die
Entzündung der Gase trat ein, nachdem der Kolben 0,148 Met. seines Hubes
zurückgelegt hatte.
Die Maschine war mit einem Bremsdynamometer und einer Gasuhr versehen gewesen, und
während der Versuche notirten mehrere Beobachter die verschiedenen Vorgänge und
Eigenthümlichkeiten, welche sich sowohl auf den Gang und die Geschwindigkeit der
Maschine als auf den Gasverbrauch und den elektrischen Funken u.s.w. bezogen.
Der Druck im Cylinder soll im Maximum 5 Atmos. betragen haben; indessen sollen die
Schwankungen desselben sehr beträchtlich gewesen seyn, wie man dieß von einem
Apparat, in welchem die Wirkung auf successiven Explosionen von Gasen beruht, nicht
wohl anders erwarten kann. Diese Explosionen oder Entzündungen, welche, wie oben
bemerkt, bei jedem Hub erst erfolgen, nachdem der Kolben beinahe die Hälfte seines
Laufes zurückgelegt hat, wiederholen sich indessen nur, wenn die Funken selbst sich
wiederholen. Zwar könnte man glauben, daß, wenn die Mischung einmal durch einen
ersten Funken sich entzündet hat, die Verbrennung der Gasmischung sich während des
Ganges von selbst fortsetze; allein dem ist nicht so, die Unterbrechung des
elektrischen Stromes zieht stets den Stillstand der Maschine nach sich.
Die Gasmischung wurde im Verhältniß von 9/10 atmosphärischer Luft und 1/10 Leuchtgas
angewendet, und die Verbrennung schien sehr vollständig zu seyn. (Die im Conservatoire des arts et métiers in Paris
gemachten Analysen der in einer solchen Maschine verbrannten Gase hatten gezeigt,
daß diese nur Spuren von Wasserstoff und Kohlenoxyd enthielten).
Die zum Abkühlen des Cylinders verwendete Wassermenge habe in ziemlich weiten Grenzen
variirt, im Allgemeinen aber 500 bis 600 Liter per
Stunde betragen.
Die Temperatur des austretenden Wassers soll je nach der verwendeten Menge von
20° bis 30° C. geschwankt haben. Uebrigens habe sich kein Einfluß
dieser Schwankungen auf den Gang der Maschine wahrnehmen lassen.
Das Schmieren der beweglichen Maschinentheile mußte dagegen, wie schon gesagt, häufig und in
gehöriger Menge des Schmiermittels erneuert werden.
Die auf die Versuche bezüglichen Angaben und Beobachtungen sind in der folgenden Tabelle I
zusammengestellt.
Tabelle I
über die Versuchsdaten und Beobachtungen mit einer
Lenoir'schen Gasmaschine vom 28. November 1864
Textabbildung Bd. 180, S. 26
Stunde der Beobachtung. Morgens;
Zahl der Umdrehungen an einem Zählwerk angezeigt; Differenz; Zahl der
Umdrehungen per Minute; Gasverbrauch in Litern; im Ganzen an d. Gasuhr
angezeigt; Verbrauch per Minute; Beobachtungen; Um 10h 10' begannen die Versuche, nachdem man die
Maschine vorsichtig geschmiert hatte; der Gasdruck war in diesem Moment 21
Millimet.; Um 10h 18' drohte die Maschine
stille zu stehen; man ließ den Zaum los und schmierte sie; Um 10h 38' wurde die Bewegung langsamer; um 10h 39' hörte man eine schwache Explosion und um
10h 40' reinigte und schmierte man die
Zu- u. Abflußschieber; Um 10h 44'
fettete man die Kammer des Austrittsschiebers m. Schweineschmalz ein; Um 10h 50' schmierte man den Austrittsschieber; Um
10h 54' reinigte u. um 10h 56' schmierte man die Kolbenstange; Um 11h schmierte man den Kolben; Um 11h 03' schmierte man die Kolbenstange; Um 11h 08' schmierte man den Zufluß schieber und
reinigte den Cylinder; Um 11h 25' reinigte und
um 11h 26' schmierte man den Abflußschieber;
Um 11h 30' schmierte man d. Kolbenschieber; Um
11h 36' reinigte man; Von Zeit zu Zeit
hörte man schwache Explosionen; Um 11h 50'
reinigte man; Um 11h 55' hielt man die
Maschine an.
Aus dieser Tabelle sieht man, daß die Maschine anhaltend während 1h 45' im Gange war. Die während diesen und
einigen anderen Versuchen erlangten Resultate finden sich
in der folgenden Tabelle II zusammengestellt.
Tabelle II
über die Versuchsresultate mit einer Lenoir'schen
Gasmaschine.
Datumder Versuche.
Dauerder Versuche.
Effectin Pferdekräften.
Gasverbrauchin Ganzen inLitern.
Gasverbrauchper
Stunde undPferdekraft.
25. November 1864
8' 15''
0,996
705
5147
„ „ „
0 46
0,998
4433
6367
26. „ „
1 15
0,994
4037
3420
„ „ „
2 42
0,900
7784
2850
28. „ „
1 45
0,982
5467
3180
„ „ „
1 58
0,986
6380
2780
29. „ „
2 01
0,974
5943
2971
„ „ „
1 55
0,956
5970
3141
Aus dieser Tabelle folgt nun, daß die mechanische Arbeit oder der Effect der Maschine
(mit Ausnahme eines Versuchs) zwischen 0,956 und 0,998 schwankte, also nahezu 1
Pferdekraft betrug, und daß der Verbrauch an Leuchtgas, wenn man von den drei ersten
Versuchen abstrahirt, während welchen man bloß den Gang der Maschine im Allgemeinen
in's Auge faßte, bei den fünf letzten Versuchen sich durchschnittlich auf 2984
Liter, also nahezu auf 3 Kubikmeter per Stunde und
Pferdekraft stellte, – ein Resultat, wie es auch Tresca aus seinen Versuchen gefunden.Man s. Tresca's Bericht über seine Versuche, im
polytechn. Journal Bd. CLXIII S.
161.
Hieraus folgt aber weiter, daß bei der praktischen Anwendung die Unterhaltungskosten
der Gasmaschine jedenfalls viel höher zu stehen kommen als bei der Dampfmaschine.
Denn setzt man alle anderen Kosten gleich voraus, so verbraucht die Dampfmaschine
per Stunde und Pferdekraft höchstens 5 Kilogramme
Kohle im Preise von 15 Centimes, während die drei von der Gasmaschine per Stunde und Pferdekraft verbrauchten Kubikmeter
Leuchtgas in Mülhausen Privaten 90 Centimes, Industriellen 70 Centimes kosten und
ihr Herstellungspreis immer noch 50 Centimes beträgt. Allein die Voraussetzung, daß
alle anderen Kosten gleich seyen, ist nicht richtig. Zunächst ist das Schmieren bei
der Gasmaschine, welche
per Pferdekraft täglich circa 1 Kilogramm Oel erfordert, weit kostspieliger als bei der
Dampfmaschine. Außerdem verursacht die Batterie des Inductionsapparates eine
besondere Ausgabe, welche bei der Dampfmaschine ganz wegfällt. Und endlich erspart
die Gasmaschine keineswegs einen besonderen Heizer, indem sie zur Schmierung und
Beaufsichtigung einen Arbeiter vollauf in Anspruch nimmt, während eine kleine
Dampfmaschine von nur 1 Pferdekraft dem Heizer nicht viel Arbeit gibt, deßhalb
dieser noch wohl mit einer anderen Arbeit beschäftigt werden kann.
Darin besteht für die Praxis vielleicht der wesentlichste Uebelstand der Lenoir'schen Gasmaschine. Andererseits hat diese überall
leicht aufzustellende Maschine den unläugbaren Vorzug, daß sie nur während der
Arbeit selbst Gas consumirt und Kosten verursacht. Aus diesem Grunde ist sie daher
für solche Arbeiten und Geschäfte, welche nur zuweilen, nicht ununterbrochen zu
verrichten sind, ganz vortrefflich geeignet. Für einen Arbeiter oder Gewerbsmann,
der täglich z.B. zehnmal nur je 1/4 Stunde lang Betriebskraft braucht, kann diese
Maschine, selbst wenn sie 2 1/2–3 Fr. in dieser Zeit kosten sollte, sehr wohl
von Vortheil seyn. Allein wenn er während der Arbeit die Maschine fortwährend
schmieren muß und sich mit nichts Anderem als ihrer Abwart beschäftigen kann, oder
dafür einen besonderen Arbeiter als Abwart anstellen muß, so tritt der Vortheil doch
sehr zurück. Bis die angedeuteten Uebelstände beseitigt sind, kann daher die Lenoir'sche Gasmaschine jedenfalls nur eine sehr
beschränkte Verwendung finden.