Titel: | Ueber das Vorkommen von Chlor und Schwefel im natürlichen oder vulcanisirten Kautschuk; von S. Cloez und A. Girard. |
Fundstelle: | Band 158, Jahrgang 1860, Nr. LXXVIII., S. 310 |
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LXXVIII.
Ueber das Vorkommen von Chlor und Schwefel im
natürlichen oder vulcanisirten Kautschuk; von S. Cloez und A. Girard.
Aus den Comptes rendus, Mai 1860, Nr.
19.
Cloez, über das Vorkommen von Chlor und Schwefel im natürlichen
oder vulcanisirten Kautschuk.
Zur Bestimmung des Chlors und des Schwefels in den organischen Substanzen benutzt man
oft das Verbrennen derselben mittelst schmelzenden Kali- oder
Natronsalpeters; mehrere Chemiker haben dieses Verfahren auch zur Analyse des
Kautschuks angewandt, wobei es sich aber herausstellte, daß sehr kleine Mengen von
Chlor und Schwefel dadurch nicht mit Sicherheit genau bestimmt werden können;
überdieß wird bei dieser Methode der ursprüngliche Gehalt des Kautschuks an Chlor
und Schwefel zugleich mit dem behufs des Vulcanisirens in Form von Schwefelchlorür
hineingebrachten bestimmt.
Neuerlich wurde eine Methode vorgeschlagen, welche gestatten soll das Chlor und den
Schwefel, die der natürliche Kautschuk in Form von Salzen enthält, von dem Antheil
an sogenanntem elementaren Chlor und Schwefel zu unterscheiden, deren Ursprung man
dem Schwefelchlorür zuschreiben zu können glaubte; dieses VerfahrenVon Gaultier de Claubry, polytechn. Journal Bd. CLIV S. 236. besteht darin, den Kautschuk bei einer Temperatur unter 350° C. zu
destilliren, die flüchtigen Producte durch ein zum Rothglühen erhitztes Rohr ziehen
zu lassen, und das zum Verdichten derselben angewandte Wasser auf
Chlorwasserstoffsäure zu untersuchen.
Unser Zweck ist zu zeigen, daß obgleich das Verbrennen mit Salpeter nicht immer ganz
genaue Resultate gibt, es doch dem erwähnten zweiten Verfahren vorzuziehen ist,
besonders wenn man den natürlichen Kautschuk im Vergleich mit dem vulcanisirten
untersucht. Es genügt aber nicht, den natürlichen oder vulcanisirten Kautschuk
qualitativ auf einen Gehalt an Chlor und Schwefel zu untersuchen, sondern man muß
dieselben quantitativ bestimmen, denn alle Proben von natürlichem Kautschuk, welche
uns zukamen, enthalten nicht nur Chlor und Schwefel in Form von mineralischen
Verbindungen, welche man zum Theil in der Asche findet, sondern sie entbinden auch
bei einer Temperatur von nahe 250° C. Schwefelwasserstoff Wasserstoff und
Chlorwasserstoff, welche in beträchtlicher Menge in den Destillationsproducten
enthalten sind.
Diese Resultate konnte man nach der Zusammensetzung des Kautschuks und der Asche,
welche er liefert, voraussehen. Nach Payen enthält
nämlich der natürliche Kautschuk dreierlei stickstoffhaltige Substanzen; die meisten
stickstoffhaltigen Körper der Organismen enthalten aber (wie das Eiweiß) unter ihren
Elementen Schwefel; andererseits enthält die Asche des Kautschuks Magnesia und
Chloride, weßhalb das Vorkommen von Chlorwasserstoffsäure in seinen
Destillationsproducten zu erwarten ist, weil sich beim Erhitzen von Magnesiasalzen
mit chemisch gebundenem Wasser und Chloriden bekanntlich Chlormagnesium bildet,
welches sich bei einer nicht hohen Temperatur zum Theil in Magnesia und
Chlorwasserstoffsäure zersetzt.
Nach dem Vorstehenden war anzunehmen, daß der natürliche Kautschuk bei der
Destillation Chlor und Schwefel liefern muß; dieß haben auch unsere Versuche
bestätigt. Wir stellten dieselben mit Kautschuk von den verschiedensten
Bezugsquellen an; in allen Fällen fanden wir:
1) daß wenn man natürlichen Kautschuk in einer an einem Ende zugeschmolzenen
Glasröhre erhitzt und an die Oeffnung dieser Röhre einen kleinen mit Bleizucker
getränkten Papierstreifen hält, dieser sich rasch schwärzt und dadurch die Gegenwart
des in Form von Schwefelwasserstoff entbundenen Schwefels anzeigt;
2) daß man nach dem Einäschern des Kautschuks in der Asche Schwefelsäure, ein wenig
Chlor, Spuren von Kalk und endlich Magnesia findet;
3) daß wenn man den natürlichen oder gewaschenen Kautschuk im Oelbad bei 250°
C. destillirt, die Destillationsproducte gleichzeitig mit einem schwachen Luftstrom
in ein zum lebhaften Rothglühen erhitztes Rohr leitet, und dann das Gemisch von
Gasen und Dampf durch zwei Kugelröhren ziehen läßt, welche destillirtes Wasser
enthalten, dieses nach zweistündigem Erhitzen des Kautschuks eine beträchtliche
Quantität Chlorwasserstoffsäure enthält, welche durch salpetersaures Silber gefällt
werden kann; der Niederschlag ist nämlich unauflöslich in kochender Salpetersäure,
löslich in Ammoniak, und ohne Zersetzung schmelzbar.
Aus den mitgetheilten Thatsachen ergibt sich, daß der natürliche oder gewaschene
Kautschuk bei der Destillation schwefel- und chlorhaltige Producte liefert;
der Schwefelgehalt derselben erklärt sich durch die im Kautschuk befindlichen
schwefel-stickstoffhaltigen Substanzen, und der Chlorgehalt derselben durch
die im Kautschuk vorkommenden Salze. Der Kautschuk braucht daher nicht mit
Schwefelchlorür vulcanisirt worden zu seyn, damit er bei der Destillation
schwefel- und chlorhaltige Producte liefert; um zu ermitteln ob ein Kautschuk
mit Schwefelchlorür vulcanisirt wurde, muß man folglich den Schwefel – und
Chlorgehalt sowohl des natürlichen als des verarbeiteten Kautschuks quantitativ
bestimmen.