Titel: | Verbessertes Verfahren bei der Erzeugung des Wasserstoffgases, welches zur Beleuchtung der Stadt Narbonne angewendet wird. |
Fundstelle: | Band 158, Jahrgang 1860, Nr. LXV., S. 259 |
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LXV.
Verbessertes Verfahren bei der Erzeugung des
Wasserstoffgases, welches zur Beleuchtung der Stadt Narbonne angewendet
wird.
Aus Armengaud's Génie industriel, Juni 1860, S.
329.
Mit Abbildungen auf Tab.
IV.
Verbessertes Verfahren bei der Erzeugung des Wasserstoffgases,
welches zur Beleuchtung der Stadt Narbonne angewendet wird.
Im Jahrgang 1859 des polytechn. Journals, Bd. CLIV
S. 33, wurde (nach einem von Hrn. Dr. Verver zu Maastricht im Jahr 1858 veröffentlichten
Werkchen) die Erzeugung und Benutzung des Wasserstoffgases zur Beleuchtung, wie sie
in Narbonne eingeführt ist, beschrieben. Diese Stadt wird seit nahezu drei Jahren
durch das sogenannte Wassergas beleuchtet; aber das Verfahren der Fabrication ist
nicht mehr das ursprüngliche, sondern wurde von Hrn. Fages, welchem Narbonne nicht nur diese
Beleuchtungsart, sondern auch die Einrichtung ihrer Gasanstalt verdankt, sehr vereinfacht,
weßhalb das Gas jetzt auch wohlfeiler zu stehen kommt als früher. Zur Erzeugung des
Gases dienten früher Retorten, die von Außen erhitzt wurden und durch welche man den
Wasserdampf leitete, damit er durch die in den Retorten enthaltene glühende Kohle
zersetzt werde. Dieses Verfahren hatte den großen Nachtheil, daß der Ofen und die
Retorten sehr angegriffen und letztere oft schon nach einigen Tagen unbrauchbar
wurden und daß man sehr viel Brennmaterial verbrauchte. Man hat es deßhalb
aufgegeben und durch das nachstehend zu beschreibende Verfahren ersetzt.
Fages verwendet jetzt statt der Retorten einen Apparat,
welcher mit den Wilkinson'schen Oefen oder den Cupolöfen
eine gewisse Aehnlichkeit hat, für die Gaserzeugung jedoch ganz neu ist. Er
construirte zunächst einen Apparat dieser Art zu vorläufigen Versuchen, durch welche
er die Dimensionen und das Nähere der Einrichtung eines solchen Apparats, welcher
die für die Stadt Narbonne nöthige Quantität Gas liefern könne, ermittelte. Auf
Grund dieser Versuche wurde sodann der Apparat hergestellt, welcher jetzt in der
Gasanstalt zu Narbonne benutzt wird. Dieser Apparat, welcher jetzt unter dem Namen
Gazogène bekannt ist, mußte der Bedingung genügen, daß in 24 Stunden 1000 bis
1200 Kubikmeter gereinigtes Gas erzeugt werden. Fages
hatte daher hierauf sein Augenmerk zu richten und hat diesen Zweck in sehr
befriedigender Weise erreicht.
Der Gazogène, welcher zur Erzeugung des Wasserstoffgases und zur Umwandlung
des zuerst entstandenen Kohlenoxydgases in Kohlensäure unter Erzeugung von noch mehr
Wasserstoff (nämlich durch Einwirkung von Wasserdampf auf Kohlenoxydgas bei hoher
Temperatur, wobei sich dieselben in Wasserstoffgas und kohlensaures Gas umsetzen)
dient, ist in Fig.
7 im Verticaldurchschnitt nach der Linie 1...2 von Fig. 8 und in Fig. 8 im
Horizontaldurchschnitt nach der Linie 3...4, 5...6 von Fig. 7 dargestellt. A äußere Bekleidung des Ofens aus Eisenblech von 3
Millim. Dicke, B Boden, C
Decke desselben, letztere aus Blech von 4 Millim. Dicke. Die Bleche sind fest
zusammengenietet, so daß sie einen dichten Verschluß bilden; die Deckplatte ist mit
der cylindrischen Verkleidung des Ofens nicht durch Niete, sondern durch
Schraubenbolzen verbunden. D ist eine zweite Bekleidung
aus Eisenblech von 2 Millim. Dicke, innerhalb der ersteren in solcher Art
angebracht, daß zwischen A und D ein ringförmiger hohler Raum E entsteht. Die
innere Wand D dieses Raums hat kreisförmige Oeffnungen,
in denen kurze Blechröhren F befestigt sind, welche den
äußeren Enden der Canäle V als Futter dienen. In der
Verlängerung dieser Canäle befinden sich in der äußeren Wand A viereckige Löcher von 1 Decim. Seite, welche gewöhnlich durch starke Eisenplatten, die mit
Thon lutirt und durch einen Bügel mit Schraube angedrückt werden, verschlossen sind
und nur zum Behuf des Reinigens der Canäle geöffnet werden. Die Wand des Apparates
innerhalb der Blechbekleidung besteht aus einer dicken Masse von feuerfestem Thon,
welche die Wärme zurückhält. In der Mitte ist ein Cylinder I aus feuerfester Thonmasse angebracht, welcher durch eine verticale
Scheidewand i in zwei Abtheilungen getheilt ist; dieser
Cylinder besteht aus mehreren Stücken von 3 Decim. Höhe. Der untere Theil des Ofens
ist mit einem Rost aus beweglichen Stäben versehen, um die Kohle in einer Höhe von 2
Decim. über dem Boden zu erhalten, und hat nach Außen drei Oeffnungen oder Thüren
J für die Reinigung. S
ist ein Boden, auf welchem der Vorrath von Kohlen oder Kohks liegt; von hieraus
werden dieselben bei K in den Apparat eingeschüttet. Bei
K ist eine 4 Decim. hohe und 3 Decim. breite
Oeffnung, welche nach dem Einschütten der Kohle oder Kohks durch einen gußeisernen
Deckel verschlossen wird. Dieser Deckel, welcher, ebenso wie die übrigen
Verschlußplatten, mit einem Handgriff L versehen ist,
wird mit Lehm lutirt und durch einen Bügel mit Schraube angedrückt. Dieselbe Art des
Verschlusses findet bei den beiden Oeffnungen M statt,
welche nur bei der Reinigung im Innern des Apparates benutzt werden.
Der Betrieb des Apparates findet in folgender Art statt: Nachdem er mit Kohks gefüllt
und die Kohks in Brand gesetzt sind, so daß sie durch und durch glühen, die Oeffnung
K auch wieder geschlossen ist, läßt man durch das
Rohr N Wasserdampf von 2 Atmosphären einströmen; dieser
geht durch die glühenden Kohks, wird dabei zersetzt und liefert Wasserstoffgas,
Kohlenoxydgas und Kohlensäure. Das Gemenge dieser Gase muß, bevor es den Apparat
verlassen kann, erst durch die beiden Abtheilungen des Cylinders I gehen, wie durch Pfeile angedeutet ist. Auf dem Wege
durch diesen bis zum Rothglühen erhitzten Cylinder findet die Umwandlung wenigstens
des größten Theils des Kohlenoxydgases in Kohlensäure statt, indem dabei zugleich
ein fernerer Antheil Wasserstoff erzeugt wird. Der für diese Umwandlung etwa noch
erforderliche Wasserdampf wird durch ein Rohr P
herbeigeführt. Die Gase entweichen zuletzt durch eine Röhre Q, welche sie zu einem Kühlapparat führt, von wo aus sie dann zu den
Reinigungsapparaten und endlich in die Gasometer gelangen. Wenn nach Zersetzung
einer gewissen Quantität Wasserdampf die in dem Gazogène enthaltenen Kohks
sich zu sehr abgekühlt haben, hört man mit dem Zuleiten von Wasserdampf einige
Minuten lang auf. Man nimmt ferner den Deckel K weg,
zieht den Schieber R zurück und läßt durch die Röhre T Luft in den Raum E
strömen, von wo aus sie durch die Canäle
V zwischen die Kohks gelangt. Die Luft entströmt dem
unterirdischen Canal R¹ und wird durch einen
Ventilator von 7 Decim. Durchmesser und 3 Decim. Breite herbeigeführt. Dieser
Ventilator wird direct durch eine kleine Dampfmaschine von 2 Pferdekräften und
großer Geschwindigkeit getrieben; diese Dampfmaschine erhält ihren Dampf aus
demselben Kessel, welcher dem Gazogène den erforderlichen Dampf liefert. Die
Luft, welche durch 36 Canäle V (von 5 Centim.
Durchmesser und schwach geneigt) zwischen die Kohks dringt, bewirkt rasch die
Wiederentzündung derselben. Wenn dieselbe erreicht und die Hitze der Kohks wieder
genügend gesteigert ist, schließt man die Klappe R
wieder, bringt den Deckel K wieder an und beginnt wieder
mit dem Einleiten von Wasserdampf durch die Röhre N. Die
Operation besteht also in einem fortwährenden Wechsel von Gaserzeugung und von
Wiedererhitzung der Kohks. Die Gaserzeugung findet immer etwa 20 Minuten lang statt,
die darauf folgende Wiedererhitzung dauert jedesmal 4 bis 5 Minuten lang, wovon bloß
zwei auf die Wirksamkeit des Gebläses zu rechnen sind, indem der übrige Theil dieser
Zeit zum Oeffnen und Schließen der Deckel, Hähne etc. erforderlich ist.
Der beschriebene Apparat, welcher in den Abbildungen in 1/40 der natürlichen Größe
dargestellt ist, producirt regelmäßig 40 bis 50 Kubikmeter Gas pro Stunde, je nachdem man das Wiedererhitzen der Kohks
mehr oder weniger oft ausführt. Seine Bedienung ist außerordentlich leicht und für
die Arbeiter weit bequemer als der Betrieb mit Retorten. Man braucht bloß einmal
täglich einige von den Canälen V zu reinigen, was in
einigen Minuten zu bewerkstelligen ist, und nur alle 10 Tage eine gründliche
Reinigung vorzunehmen, welche darin besteht, daß man den Gazogène vollständig
entleert und einige der Wand anhängende, aber sich leicht ablösende Schlacken
beseitigt. Diese Arbeit ist durch die unteren Thüren leicht auszuführen und
veranlaßt nur eine höchstens zweistündige Unterbrechung des Betriebes.
Das mittelst dieses Apparates erzeugte Gas kommt wohlfeil zu stehen. Um 100
Kubikmeter Gas, sowie es zu den Gasometern strömt, zu produciren, hat man
nöthig:
75
Kilogr.
Kohks à 0,03 Fr
= 2,25
Fr.
55
„
Steinkohle für die Dampferzeugung à 0,025 Fr.
= 1,37
„
82
„
Kalk zur Reinigung à 0,01
Fr
= 0,82
„
––––––––––––––––––––––
Zusammen
4,44
Fr.
Der Kubikmeter Gas kommt hiernach auf höchstens 4 1/2 Centimes
zu stehen, abgesehen von den Kosten der Anlage und Unterhaltung des Apparates und dem Arbeitslohn. Die
Anlagekosten sind aber geringer als bei der früheren Methode und auf
Unterhaltungskosten ist fast gar nichts zu rechnen, wie eine mehr als halbjährige
Benutzung des Apparates ergeben hat.