Titel: | Ueber die chemische Analyse durch Spectralbeobachtungen; nach G. Kirchhoff und R. Bunsen. |
Fundstelle: | Band 158, Jahrgang 1860, Nr. LII., S. 213 |
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LII.
Ueber die chemische Analyse durch
Spectralbeobachtungen; nach G.
Kirchhoff und R.
Bunsen.
Mit einer Abbildung auf Tab. III.
Kirchhoff, über die chemische Analyse durch
Spectralbeobachtungen.
Bekanntlich haben manche Substanzen die Eigenschaft, wenn sie in eine Flamme gebracht
worden sind, in dem Spectrum derselben gewisse helle Linien zu erzeugen. Auf diese
Linien haben die genannten Heidelberger Professoren eine qualitative chemische
Analyse begründet. Diese Linien erscheinen um so deutlicher, je höher die Temperatur
der Flamme und je weniger eigene Leuchtkraft die Flamme hat. Die Verfasser benutzten
zu ihren Versuchen die Bunsen'sche Gaslampe, welche sich
dazu ganz besonders eignet, weil sie eine Flamme von sehr hoher Temperatur und sehr
kleiner Leuchtkraft liefert.
Sie beschreiben in ihrer Abhandlung (Poggendorff's Annalen der Physik Bd. CX S. 161) zuerst das Verhalten
der Alkalien und alkalischen Erden. Sie wandten die ganz reinen Chlorverbindungen
von Kalium, Natrium, Lithium, Calcium, Baryum und Strontium an. Der in Fig. 25
abgebildete Apparat, mittelst dessen die Spectra erzeugt werden, ist verhältnißmäßig
einfach. A ist ein innen geschwärzter Kasten, dessen
Boden die Gestalt eines Trapez hat und der auf drei Füßen ruht; die beiden schiefen
Seitenwände desselben, die einen Winkel von etwa 58° mit einander bilden,
tragen die beiden kleinen Fernröhre B und C. Die Ocularlinsen des ersteren sind entfernt und
ersetzt durch eine Platte, in der ein aus zwei Messingschneiden gebildeter Spalt
sich befindet, der in den Brennpunkt der Objectivlinse gestellt ist. Vor dem Spalt
steht die Lampe D so, daß der Saum ihrer Flamme von der
Achse des Rohres B getroffen wird. Etwas unterhalb der
Stelle, wo die Achse den Saum trifft, läuft in denselben das zu einem kleinen Oehr
gebogene Ende eines sehr feinen Platindrahtes, der von dem Träger E gehalten wird; diesem Oehr ist eine Probe der zu
untersuchenden, vorher entwässerten Chlorverbindung angeschmolzen. Zwischen den
Objectiven der Fernröhre B und C steht ein Hohlprisma F von 60°
brechendem Winkel, das mit Schwefelkohlenstoff angefüllt ist. Das Prisma ruht auf
einer Messingplatte, die um eine verticale Achse drehbar ist. Diese Achse trägt an
ihrem unteren Ende den Spiegel G und darüber den Arm H, der als Handhabe dient, um das Prisma und den Spiegel
zu drehen. Gegen den Spiegel ist ein kleines Fernrohr gerichtet, welches dem
hindurchblickenden Auge das Spiegelbild einer in geringer Entfernung aufgestellten
horizontalen Scala zeigt. Durch Drehung des Prismas kann man das ganze Spectrum der
Flamme bei dem Verticalfaden des Fernrohrs C
vorbeiführen und jede Stelle des Spectrums mit diesem Faden zur Deckung bringen.
Einer jeden Stelle des Spectrums entspricht eine an der Scala zu machende Ablesung.
Ist das Spectrum sehr lichtschwach, so wird der Faden des Fernrohrs C beleuchtet mit Hülfe einer Linse, die einen Theil der
von einer Lampe ausgehenden Strahlen durch eine kleine Oeffnung wirft, die in der
Ocularröhre des Fernrohrs C seitlich angebracht ist.
Die Verfasser zeigen nun, indem sie nicht bloß die oben genannten Chloride der
Alkalien und alkalischen Erden, sondern auch deren Jodide, Bromide, Oxydhydrate,
ferner die schwefelsauren und kohlensauren Salze derselben in die Flammen von sehr
verschiedenen Hitzegraden brachten, nämlich in die Flamme des Schwefels,
Schwefelkohlenstoffs, wasserhaltigen Alkohols, in die nicht leuchtende Flamme des
Leuchtgases, in die Flamme des Kohlenoxydgases, Wasserstoffgases und in die
Knallgasflamme, daß die Verschiedenheit der Verbindungen, in denen die Metalle
angewandt wurden, die Mannichfaltigkeit der chemischen Processe in den einzelnen
Flammen und der ungeheure Temperaturunterschied dieser letzteren keinen Einfluß auf
die Lage der den einzelnen Metallen entsprechenden Spectrallinien ausübt.
Es stellte sich nun bei der weiteren Untersuchung heraus, daß dieselbe
Metallverbindung in einer dieser Flammen ein um so intensiveres Spectrum gibt, je
höher die Temperatur derselben ist. Von den Verbindungen desselben Metalles liefert
in einer Flamme diejenige die größere Lichtstärke, der eine größere Flüchtigkeit
zukommt.
Um noch einen weiteren Beleg dafür zu erhalten, daß jedes der mehrfach genannten
Metalle immer dieselben hellen Linien in dem Spectrum hervortreten läßt, haben die
Verfasser die gezeichneten Spectra mit denjenigen verglichen, welche ein
elektrischer Funke gewährt, der zwischen Elektroden, die aus jenen Metallen
bestehen, überspringt. Kleine Stücke von Kalium, Natrium, Lithium, Strontium und
Calcium wurden an feine
Platindrähte gebunden und in Glasröhren paarweise so eingeschmolzen, daß sie durch
einen Zwischenraum von 1 bis 2 Millim. von einander getrennt waren und die Drähte
die Glaswand durchdrangen. Jede dieser Röhren wurde vor dem Spalte des
Spectralinstrumentes aufgestellt; mit Hülfe eines Ruhmkorff'schen Inductionsapparates ließ man zwischen den genannten
Metallstücken elektrische Funken überspringen und verglich das Spectrum derselben
mit dem Spectrum einer Gasflamme, in welche die Chlorverbindung des entsprechenden
Metalles gebracht war. Die Flamme befand sich hinter der Glasröhre. Indem der Ruhmkorff'sche Apparat abwechselnd in und außer
Thätigkeit gesetzt wurde, war es leicht, ohne Messung sich mit Schärfe davon zu
überzeugen, daß in dem glänzenden Spectrum des Funkens die hellen Linien des
Flammenspectrums unverrückt vorhanden waren. Außer diesen traten in dem
Funkenspectrum noch andere helle Linien auf, von denen ein Theil der Anwesenheit von
fremden Metallen in den Elektroden, ein anderer dem Stickstoffe, der die Röhren
erfüllte, nachdem der Sauerstoff einen Theil der Elektroden oxydirt hatte,
zugeschrieben werden muß.
Es erscheint hiernach unzweifelhaft, daß die hellen Linien der gezeichneten Spectra
als sichere Kennzeichen der Anwesenheit der betreffenden Metalle betrachtet werden
dürfen. Sie können als Reactionsmittel dienen, durch welche diese Stoffe schärfer,
schneller und in geringeren Mengen sich nachweisen lassen, als durch irgend ein
anderes analytisches Hülfsmittel.
Nach Darlegung dieser Punkte beschreiben die Verfasser das Verhalten der einzelnen
der genannten Metalle. Wir können diese Einzelheiten hier nur berühren und müssen
bezüglich der Inhaltsschwere dieser Abhandlung ausdrücklich auf das Original
verweisen, worin die relative Stellung der Linien, welche durch die einzelnen
Metalle im Spectrum erzeugt werden, durch Abbildung veranschaulicht worden ist.
Das Natrium erzeugt eine einzige helle gelbe Linie und von
allen Spectralbeobachtungen ist die des Natriums am empfindlichsten. Diese Linie
fällt genau mit der Frauenhofer'schen Linie D des Sonnenspectrums zusammen. Von der Empfindlichkeit
solcher Reactionen würde man sich, sprächen hier nicht Thatsachen, kaum eine
Vorstellung machen.
Die Verfasser verpufften in einer vom Standorte ihres Apparates möglichst entlegenen
Ecke des Beobachtungszimmers, welches ungefähr 60 Kubikmeter Luft faßte, 3 Milligrm.
chlorsaures Natron mit Milchzucker, während die nicht leuchtende Gaslampe vor dem
Spalte beobachtet wurde. Schon nach wenigen Minuten gab die allmählich sich fahlgelb
färbende Flamme eine starke Natriumlinie, welche erst nach 10 Minuten wieder völlig
verschwunden war. Aus dem Gewichte des verpufften Natronsalzes und der im Zimmer enthaltenen
Luft läßt sich leicht berechnen, daß in einem Gewichtstheile der letzteren nicht
einmal 1/20,000000 Gewichtstheil Natronrauch suspendirt seyn konnte. Da sich die
Reaction in der Zeit einer Secunde mit aller Bequemlichkeit beobachten läßt, in
dieser Zeit aber nach dem Zuflusse und der Zusammensetzung der Flammengase nur
ungefähr 50 Kubikcent. oder 0,0647 Grm. Luft, welche weniger als 1/20,000000 des
Natronsalzes enthalten, in der Flamme zum Glühen gelangen, so ergibt sich, daß das
Auge noch weniger als 1/3000000 Milligr. des Natronsalzes mit der größten
Deutlichkeit zu erkennen vermag. Bei einer solchen Empfindlichkeit der Reaction wird
es begreiflich, daß nur selten in glühender atmosphärischer Luft eine deutliche
Natronreaction fehlt. Die Erde ist auf mehr als zwei Drittel ihrer Oberfläche mit
einer Kochsalzlösung bedeckt, welche von den zu Schaumfällen sich überstürzenden
Meereswogen unaufhörlich in Wasserstaub verwandelt wird. Die Meerwassertröpfchen,
welche auf diese Art in die Atmosphäre gelangen, verdunsten und hinterlassen
kochsalzhaltige Sonnenstäubchen, die zwar einen der Größe nach wechselnden, aber,
wie es scheint, nur selten fehlenden Gemengtheil der Atmosphäre ausmachen, und die
vielleicht dazu bestimmt sind, den kleinen Organismen die Salze zuzuführen, welche
die größeren Pflanzen und Thiere dem Boden entnehmen. Dieser durch Spectralanalyse
leicht erweisliche Kochsalzgehalt der Luft verdient noch in einer anderen Hinsicht
Beachtung, Wenn es nämlich, wie man jetzt wohl kaum mehr bezweifeln kann,
katalytische Einflüsse sind, welche die miasmatische Verbreitung der Krankheiten
vermitteln, so möchte eine antiseptisch wirkende Substanz, wie das Kochsalz, selbst
in verschwindend kleiner Menge wohl kaum ohne wesentlichen Einfluß auf solche
Vorgänge in der Luft seyn können. Aus täglichen, längere Zeit fortgesetzten
Spectralbeobachtungen wird sich leicht erkennen lassen, ob die Intensitätsänderungen
der durch die atmosphärischen Natriumverbindungen erzeugten Spectrallinie mit dem
Erscheinen und mit der Verbreitungsrichtung endemischer Krankheiten in irgend einem
Zusammenhange steht.
In der unerhörten Empfindlichkeit dieser Natronreaction ist zugleich der Grund zu
suchen, daß alle der Luft ausgesetzten Gegenstände nach einiger Zeit bei dem
Erhitzen in der Flamme die Natriumlinie zeigen, und daß es nur bei wenigen
Verbindungen gelingt, selbst wenn man sie zehn- und mehrmal aus Wasser, das
nur mit Platingefäßen in Berührung kam, umkrystallisirt, die letzte Spur der
Natriumlinie zu beseitigen. Ein haarförmiger Platindraht, den man durch Ausglühen
von jeder Spur Natron befreit hat, zeigt die Reaction auf das Deutlichste wieder,
wenn man ihn einige Stunden der Luft ausgesetzt hat. Nicht minder zeigt sie der Staub, welcher sich
in Zimmern aus der Luft absetzt, so daß z.B. das Ausklopfen eines bestäubten Buches
schon genügt, um in einer Entfernung von mehreren Schritten das heftigste Aufblitzen
der Natriumlinie zu bewirken.
Das Lithium erzeugt im Spectrum zwei scharf begrenzte
Linien, eine sehr schwache gelbe und eine glänzende rothe. Die Empfindlichkeit der
Reaction steht der des Natriums ein wenig nach, indessen zeigt ein ähnlich wie beim
Natrium angestellter Versuch, daß man 9/1000000 eines Milligr. von kohlensaurem
Lithion noch mit der größten Schärfe erkennen kann.
Das Kalium erzeugt im Spectrum zwei charakteristische
Linien, die eine liegt gerade an der Stelle, wo im Sonnenspectrum die dunkle Frauenhofer'sche Linie A
steht, also in dem äußersten an die ultrarothen Strahlen angrenzenden Roth. Die
andere liegt weit davon am anderen Ende des Spectrums und auch diese fällt hier mit
einer im Sonnenspectrum vorhandenen dunkeln Linie zusammen.
Das Strontium. Die Spectra der alkalischen Erden stehen
denen der Alkalien an Einfachheit bedeutend nach. Das des Strontiums ist besonders
durch die Abwesenheit grüner Streifen charakterisirt. Acht Linien darin sind sehr
ausgezeichnet, sechs rothe nämlich, eine orangefarbene und eine blaue. Um die
Empfindlichkeit der Reaction zu prüfen, erhitzten die Verfasser eine wässerige
Chlorstrontiumlösung von bekanntem Salzgehalte in einem Platinschälchen rasch über
einer großen Flamme, bis das Wasser verdunstet war und die Schale zu glühen anfing.
Hierbei decrepitirte das Salz zu mikroskopischen Partikelchen, die sich in Gestalt
eines weißen Rauches in die Atmosphäre erhoben. Eine Wägung des Salzrückstandes in
der Schale ergab, daß auf diese Weise 0,077 Grm. Chlorstrontium in Gestalt eines
feinen Staubes in die 77000 Grm. wiegende Luft des Zimmers übergegangen war. Nachdem
die Luft des Zimmers mittelst eines aufgespannten, rasch in Bewegung gesetzten
Regenschirmes gleichmäßig durcheinander gemengt war, zeigten sich die
charakteristischen Linien des Strontiumspectrums sehr schön ausgebildet. Man kann
nach diesem Versuche die noch nachweisbare Chlorstrontiummenge zu 6/100000 eines
Milligramms anschlagen.
Das Calciumspectrum läßt sich schon auf den ersten Blick
von den vier bisher betrachteten Spectris daran unterscheiden, daß es in Grün eine
höchst charakteristische und intensive Linie enthält. Als zweites, nicht minder
charakteristisches Kennzeichen kann eine ebenfalls sehr intensive Orangelinie
dienen, welche erheblich weiter nach dem rothen Ende des Spectrums hin liegt als die
Natronlinie und die Orangelinie des Strontiums. Durch Abbrennen eines Gemenges von
Chlorcalcium, chlorsaurem Kali und Milchzucker erhält man einen Rauch, dessen
Reaction ungefähr von gleicher Empfindlichkeit ist mit dem unter denselben
Verhältnissen hervorgebrachten Chlorstrontiumrauche. Aus einem auf diese Weise
angestellten Versuche ergab sich, daß 6/100000 Milligr. Chlorcalcium noch leicht und
mit völliger Sicherheit erkannt werden können.
Das Baryumspectrum ist das verwickeltste unter den
Spectris der Metalle der Alkalien und alkalischen Erden. Von den bisher betrachteten
unterscheidet es sich schon auf den ersten Blick durch grüne Linien, welche alle
übrigen an Intensität übertreffen und bei schwacher Reaction zuerst erscheinen und
zuletzt wieder verschwinden. Die verhältnißmäßig ziemlich große Ausdehnung des
Spectrums ist Ursache, daß überhaupt die Spectralreaction der Baryumverbindungen
etwas weniger empfindlich ist als die der bisher betrachteten Körper. 0,3 Grm.
chlorsaurer Baryt mit Milchzucker gaben, im Zimmer verbrannt, nachdem die Luft
mittelst eines aufgespannten Regenschirmes gehörig durchmengt war, längere Zeit auf
das Deutlichste eine der Linien in Grün. Man kann daher aus einer der beim Natrium
ausgeführten ähnlichen Rechnung schließen, daß durch die Reaction noch weniger als
ungefähr 1/1000 Milligr. mit völliger Deutlichkeit angezeigt wird.
Die Verfasser führen nun eine Menge Beispiele an, um zu zeigen, wie allgemeiner
Anwendung die Spectralanalyse fähig ist. Für denjenigen, sagen die Verfasser,
welcher die einzelnen Spectra aus wiederholter Anschauung kennt, bedarf es einer
genauen Messung der einzelnen Linien nicht; ihre Farbe, ihre gegenseitige Lage, ihre
eigenthümliche Gestalt und Abschattirung, die Abstufungen ihres Glanzes sind
Kennzeichen, welche selbst für den Ungeübten zur sicheren Orientirung vollkommen
hinreichen. Diese Kennzeichen sind den Unterscheidungsmerkmalen zu vergleichen,
welche wir bei den als Reactionsmittel benutzten, ihrem äußeren Ansehen nach höchst
verschiedenartigen Niederschlägen antreffen. Wie es als Charakter einer Fällung
gilt, daß sie gelatinös, pulverförmig, käsig, körnig oder krystallinisch ist, so
zeigen auch die Spectrallinien ihr eigenthümliches Verhalten, indem die einen an
ihren Rändern scharf begrenzt, die anderen entweder nur nach einer oder nach beiden
Seiten entweder gleichartig oder ungleichartig verwaschen, oder indem die einen
breiter, die anderen schmäler erscheinen. Und wie wir nur diejenigen Niederschläge,
welche bei möglichst großer Verdünnung der zu fällenden Substanz noch zum Vorschein
kommen, als Erkennungsmittel verwenden, so benutzt man auch in der Spectralanalyse
zu diesem Zwecke nur diejenigen Linien, welche zu ihrer Erzeugung die geringste
Menge Substanz und eine nicht allzu hohe Temperatur erfordern. In Beziehung auf
solche Kennzeichen stehen sich daher beide Methoden ziemlich gleich. Dagegen gewährt
die Spectralanalyse rücksichtlich der als Reactionsmittel benutzten
Farbenerscheinungen eine Eigenthümlichkeit, die ihr unbedingt einen Vorzug vor jeder
anderen analytischen Methode sichern muß. Unter den Niederschlägen, die zur
Erkennung von Stoffen bestimmt sind, erscheinen die meisten weiß und nur einige
gefärbt. Dabei ist die Färbung der letzteren nur wenig constant und variirt in den
verschiedensten Abstufungen je nach der dichteren oder mehr zertheilten Form der
Fällung. Oft reicht schon die kleinste Beimengung eines fremden Stoffes hin, eine
charakteristische Färbung bis zur Unkenntlichkeit zu verwischen. Feinere
Farbenunterschiede der Niederschläge kommen daher als chemische Kennzeichen gar
nicht mehr in Frage. Bei der Spectralanalyse dagegen erscheinen die farbigen
Streifen unberührt von solchen fremden Einflüssen und unverändert durch die
Dazwischenkunft anderer Stoffe. Die Stellen, welche sie im Spectrum einnehmen,
bedingen eine chemische Eigenschaft, die so unwandelbarer und fundamentaler Natur
ist, wie das Atomgewicht der Stoffe, und lassen sich daher mit einer fast
astronomischen Genauigkeit bestimmen. Was aber der spectralanalytischen Methode eine
ganz besondere Bedeutung verleiht, ist der Umstand, daß sie die Schranken, bis zu
welchen bisher die chemischen Kennzeichen der Materie reichten, fast in's
Unbegrenzte hinausrückt. Sie verspricht uns über die Verbreitung und Anordnung der
Stoffe in den geologischen Formationen die werthvollsten Aufschlüsse. Schon die
wenigen Versuche, welche diese Abhandlung enthält, führen zu dem unerwarteten
Aufschlusse, daß nicht nur Kalium und Natrium, sondern auch Lithium und Strontium zu
den zwar nur in geringer Menge, aber allgemein verbreiteten Stoffen unseres
Erdkörpers gezählt werden müssen.
Für die Entdeckung bisher noch nicht aufgefundener Elemente dürfte die
Spectralanalyse eine nicht minder wichtige Bedeutung gewinnen. Denn wenn es Stoffe
gibt, die so sparsam in der Natur verbreitet sind, daß uns die bisherigen Mittel der
Analyse bei ihrer Erkennung und Abscheidung im Stiche lassen, so wird man hoffen
dürfen, viele solcher Stoffe durch die einfache Betrachtung ihrer Flammenspectra
noch in Mengen zu erkennen und zu bestimmen, die sich auf gewöhnlichem Wege jeder
chemischen Wahrnehmung entziehen. Daß es wirklich solche bisher unbekannte Elemente
gibt, davon haben sich die Verfasser bereits zu überzeugen Gelegenheit gehabt. Die
Verfasser glauben, auf unzweifelhafte Resultate der spectralanalytischen Methode
gestützt, mit völliger Sicherheit schon jetzt die Behauptung aufstellen zu können,
daß es neben dem Kalium, Natrium und Lithium noch ein viertes der Alkaliengruppe
angehöriges Metall gibt,
welches ein ebenso charakteristisches und einfaches Spectrum gibt wie das Lithium
– ein Metall, das mit dem Spectralapparate nur zwei Linien zeigt, eine
schwache blaue, die nur um weniges weiter nach dem violetten Ende des Spectrums hin
liegt und an Intensität und Schärfe der Begrenzung mit der Lithiumlinie
wetteifert.
Bietet einerseits die Spectralanalyse ein Mittel von bewunderungswürdiger Einfachheit
dar, die kleinsten Spuren gewisser Elemente in irdischen Körpern zu entdecken, so
eröffnet sie andererseits der chemischen Forschung ein bisher völlig verschlossenes
Gebiet, das weit über die Grenzen der Erde, ja selbst unseres Sonnensystems
hinausreicht. Da es bei der in Rede stehenden analytischen Methode ausreicht das
glühende Gas, um dessen Analyse es sich handelt, zu sehen, so liegt der Gedanke
nahe, daß dieselbe auch anwendbar sey auf die Atmosphäre der Sonne und die helleren
Fixsterne. Sie bedarf aber hier einer Modification wegen des Lichtes, welches die
Kerne dieser Weltkörper ausstrahlen. In seiner Abhandlung „über das
Verhältniß zwischen dem Emissionsvermögen und dem Absorptionsvermögen der Körper
für Wärme und Licht“ hat Kirchhoff
Poggendorff's Annalen der Physik Bd. CIX S. 275; polytechn. Journal Bd. CLVII S. 29. durch theoretische Betrachtung nachgewiesen, daß das Spectrum eines
glühenden Gases umgekehrt wird, d.h. daß die hellen
Linien in dunkle sich verwandeln, wenn hinter dasselbe eine Lichtquelle von
hinreichender Intensität gebracht wird, die an sich ein continuirliches Spectrum
gibt. Es läßt sich hieraus schließen, daß das Sonnenspectrum mit seinen dunkeln
Linien nichts anderes ist, als die Umkehrung des Spectrums, welches die Atmosphäre
der Sonne für sich zeigen würde. Hiernach erfordert die chemische Analyse der
Sonnenatmosphäre nur die Aufsuchung derjenigen Stoffe, die, in eine Flamme gebracht,
helle Linien hervortreten lassen, welche mit den dunkeln Linien des Sonnenspectrums
coincidiren.
An dem angeführten Orte sind als experimentelle Belege für den erwähnten theoretisch
abgeleiteten Satz die folgenden Versuche angeführt:
Die helle rothe Linie im Spectrum einer Gasflamme, in welche eine Perle von
Chlorlithium gebracht ist, verwandelt sich in eine schwarze, wenn man volles
Sonnenlicht durch die Flamme gehen läßt. Ersetzt man die Perle von Chlorlithium
durch eine von Chlornatrium, so zeigt sich im Sonnenspectrum die dunkle Doppellinie
D (die mit der hellen Natriumlinie coincidirt) in
ungewöhnlicher Deutlichkeit.
Zur weiteren Bestätigung dieses Satzes haben die Verfasser noch folgende Versuche
angestellt. Sie machten einen dicken Platindraht in einer Flamme glühend und
brachten ihn durch einen elektrischen Strom seinem Schmelzpunkte nahe. Der Draht gab
ein glänzendes Spectrum ohne jede Spur von hellen oder dunkeln Linien. Wurde
zwischen den Draht und den Spalt des Apparates eine Flamme von sehr wässerigem
Alkohol gebracht, in welchem Kochsalz aufgelöst war, so zeigte sich die dunkle Linie
D in großer Deutlichkeit.
In dem Spectrum eines Platindrahtes, der allein durch eine Flamme glühend gemacht
ist, kann man die dunkle Linie D hervorrufen, wenn man
vor ihn ein Reagensglas hält, auf dessen Boden man etwas Natriumamalgam gebracht hat
und dieses bis zum Kochem erhitzt. Dieser Versuch ist deßhalb wichtig, weil er
zeigt, daß weit unter der Glühhitze der Natriumdampf genau an derselben Stelle des
Spectrums seine absorbirende Wirkung ausübt, wie bei den höheren Temperaturen,
welche wir hervorzubringen vermögen, und bei denjenigen, die in der Sonnenatmosphäre
stattfinden.
Die helleren Linien der Spectra von Kalium, Strontium, Calcium und Baryum umzukehren,
gelang bei Anwendung von Sonnenlicht und bei Abbrennung von Mischungen der
chlorsauren Salze dieser Metalle mit Milchzucker. Vor dem Spalte des Apparates war
eine kleine eiserne Rinne aufgestellt; in diese wurde die Mischung gebracht, volles
Sonnenlicht längs der Rinne auf den Spalt geleitet und die Mischung durch einen
glühenden Draht seitlich entzündet. Das Beobachtungsfernrohr war mit dem
Schnittpunkte seiner schräg gestellten Fäden auf die helle Linie des
Flammenspectrums, deren Umkehrbarkeit geprüft werden sollte, eingestellt; der
Beobachter concentrirte seine Aufmerksamkeit darauf, zu beurtheilen, ob im
Augenblicke der Verpuffung eine dunkle durch den Schnittpunkt des Fadenkreuzes
gehende Linie sich zeigte. Auf diese Weise war es bei richtiger Mischung der
abbrennenden Gemenge sehr leicht, die Umkehrbarkeit der Linien zu constatiren.
(Böttger's polytechnisches
Notizblatt, 1860, Nr. 21.)