Titel: | Ueber Entkalkung der Zuckersäfte; von Dr. Dullo in Königsberg i. Pr. |
Autor: | Dullo |
Fundstelle: | Band 155, Jahrgang 1860, Nr. XX., S. 68 |
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XX.
Ueber Entkalkung der Zuckersäfte; von Dr.
Dullo in Königsberg i. Pr.
Dullo, über Entkalkung der Zuckersäfte.
Hr. Dr. Stammer hat über
diesen Gegenstand in diesem Journal Bd. CLIV S.
210 eine Abhandlung veröffentlicht, zu welcher ich mir erlaube einige
Notizen mitzutheilen und einige Punkte zu berühren, in denen ich auf Grund meiner
praktischen Erfahrungen dem Hrn. Dr.
Stammer widersprechen zu müssen glaube.
Ich stimme dem Hrn. Verfasser vollständig bei, wenn er sich, gestützt auf seine
werthvollen im Großen durchgeführten Versuche, mit Entschiedenheit gegen die häufig
vorgeschlagenen verschiedensten Mittel zur Entfernung des Kalks aus den Zuckersäften
ausspricht.
Die Stearinsäure und Oelsäure werden wegen ihrer Kostspieligkeit und umständlichen
Behandlungsweise wohl nie eine Anwendung im Großen erfahren, sondern bleiben, was
sie waren, nämlich Laboratoriumsversuche. Dasselbe gilt von der vorgeschlagenen
Gerbsäure. Solche Laboratoriumsversuche dürfen aber nicht verachtet werden, denn wir
haben ja viele Beispiele, daß Fabricationsmethoden, welche früher wegen ihrer
Kostspieligkeit keine Anwendung finden konnten, später dieselbe doch fanden, weil
das Hinderniß des Kostenpreises, des Materials durch großartigere Darstellung
desselben hinweggeräumt wurde.
Wir wollen also diesen Laboratoriumsversuchen zwar für jetzt die Möglichkeit der
Anwendung absprechen, aber wir wollen sie deßhalb nicht verachten.
Was die Anwendbarkeit der Phosphorsäure betrifft, so
bieten sich in dieser Hinsicht mehrere Punkte zur Betrachtung dar.
Hr. Dr. Stammer hat zwar
als bestimmt angenommen, daß die Phosphorsäure, wenn sie im Ueberschuß dem
Zuckersaft hinzugesetzt ist, keine Veränderung (Bräunen) desselben bewirkt, denn er
sagt: „Dieser Umstand (Veränderung) ist offenbar der freien Schwefelsäure
zuzuschreiben,“ die in sehr geringen Antheilen wohl stets im
Superphosphat des Kalks vorkommt; indessen wird durch Phosphorsäure allein, ohne
Gegenwart der geringsten Spur Schwefelsäure, eine theilweise Umsetzung des
krystallisirbaren Zuckers in den unkrystallisirbaren bewirkt, wenn die Temperatur
hoch war und das Kochen damit einige Zeit fortgesetzt wurde. Man kann sich hiervon
sehr leicht überzeugen, wenn man weißen Zucker mit wenig reiner Phosphorsäure einige
Zeit kocht. Was die schwächsten organischen Säuren in der Kälte nach längerer Zeit
bewirken, bewirkt Phosphorsäure beim Kochen schnell.
Die Verminderung der Polarisation bis zu 10 Proc. der ursprünglichen, welche Hr. Dr. Stammer beobachtet hat,
wird wohl zum Theil auf Rechnung der Phosphorsäure kommen.
Es ist keinem Zweifel unterworfen, daß man mit einer genügenden Menge Phosphorsäure
allen Kalk fällen kann; andererseits ist es aber klar, daß bei Anwendung von zu
wenig Phosphorsäure der Kalk nicht vollständig herausfallen kann. Wenn man nämlich
bedenkt, daß schon die Zusammensetzung des aus rein wässerigen Lösungen
niederfallenden phosphorsauren Kalks nie eine ganz gleiche ist, sondern immer
bedingt wird durch den
Ueberschuß oder das zu geringe Vorhandenseyn von Phosphorsäure oder Kalkerde, so
wird sich dieses noch mehr zeigen, wenn die Fällung in einer stark zuckerhaltigen
Flüssigkeit vorgenommen wird; denn erstens verhindert so viel Zucker immer etwas das
Absetzen der Niederschläge, und zweitens ist der dreibasisch-phosphorsaure
Kalk in Wasser nicht ganz unlöslich, er ist aber vielmehr in zuckerhaltigen
Flüssigkeiten löslich (eben so wie etwas Zucker die Löslichkeit des phosphorsauren
Kalks in kohlensaurem Wasser befördert, begünstigt er sie auch in reinem Wasser).
Wird nun zu einem dicken Zuckersaft Phosphorsäure hinzugesetzt, und ist es nicht
möglich dieselbe sogleich vollständig darin zu vertheilen, damit sich die nöthige
Menge von Kalk vorfindet, um als dreibasisches Salz zu fallen, so kann in der
Flüssigkeit saure phosphorsaure Kalkerde neben freier Kalkerde gelöst bleiben. Wenn
sich solche Verhältnisse nicht geltend machten, so bliebe es ein Räthsel, wie in dem
Versuch des Hrn. Dr. Stammer
durch 6 Quart Phosphorsäure die Kalkmenge nur von 0,092 auf 0,091 Proc. verringert
wurde. Analogien für solche unvollständige Ausfällungen und das Gelöstbleiben zweier
unter normalen Verhältnissen sehr stark reagirender Körper, finden sich z.B. im
Verhalten des Chlorbaryums gegen Kochsalz; wenn man zu einer concentrirten Auflösung
von Chlornatrium, die etwas Chlorbaryum enthält, schwefelsaures Natron hinzusetzt,
so tritt ein Punkt ein, wo man in der klaren Lösung neben Schwefelsäure auch Baryt
hat, welcher letztere durch einen Ueberschuß des Fällungsmittels nicht entfernt
werden kann. Ein ziemlich gleiches Verhältniß macht sich hier geltend.
Bei genauer Saturation mit Phosphorsäure fällt aller Kalk heraus, und zu viel der
erstern macht den letztern wieder etwas löslich und verändert den Zucker. Abgesehen
von der schwierigen Beschaffung so großer Mengen saurer phosphorsaurer Kalkerde,
würde ich die Anwendung derselben keinem Zuckerfabrikanten empfehlen, weil die
dadurch erwachsenden Nachtheile größer seyn können, als die Vortheile, und man den
Zweck, die Entfernung des Kalks, billiger zu erreichen im Stande ist.Soll die Phosphorsäure aber dennoch angewandt werden, so kann der
niedergefallene dreibasisch-phosphorsaure Kalk zur Darstellung neuer
Portionen Superphosphats oder zur Düngung dienen. Namentlich zum letztern
Zwecke wäre die Benutzung desselben sehr anzurathen, weil den durch den
Rübenbau schon erschöpften Feldern dadurch und durch Düngen mit Alkalien
neue Fruchtbarkeit ertheilt werden könnte.
Das phosphorsaure Ammoniak verdient für jetzt ebenfalls
noch keine Beachtung, da es zu theuer ist. Hr. Dr. Stammer bemerkt, daß er eine neue Methode aufgefunden
habe, um dasselbe billiger als bisher darstellen zu können, ohne dieselbe mitzutheilen. Er sagt,
daß selbst ein Ueberschuß von phosphorsaurem Ammoniak nicht schadet; dieser Ansicht
kann ich aber nicht beistimmen, denn da dieses Salz beim Kochen Ammoniak verliert
und Phosphorsäure frei wird, so würde diese auf den Zucker nachtheilig wirken. Hr.
Dr. Stammer hat am Ende
seines Artikels darauf hingewiesen wie wichtig es ist, immer mit etwas alkalischen
Säften zu arbeiten; ich muß diesem vollständig beistimmen, da ich schon einigemale
die Bemerkung gemacht habe, wie neutrale, oder nur äußerst schwach säuerliche
Zuckersäfte während des Filtrirens über schon öfter gebrauchte Kohle, die nicht
durch Auswaschen mit verdünnter Salzsäure, sondern nur durch Glühen wiederbelebt
war, Eisen aufgenommen hatten, das sich während des nachherigen Kochens oxydirt und
später auf den einzelnen Hüten, namentlich an der Biegung der Spitze, als
gelbbräunliche Streifen markirte. Um so mehr muß es auffallen, wenn Hr. Dr. Stammer ein Mittel zur
Entkalkung anräth, welches Säure gibt, wenn es im Ueberschuß angewandt wird.
Das kohlensaure Ammoniak, welches ebenfalls vorgeschlagen
wurde, eignet sich nicht besonders zu diesem Zweck, weil es, wie Hr. Dr. Stammer richtig bemerkt,
zu flüchtig ist und schon entweicht, ehe es zur Wirkung kommt. Diesem Uebelstand
könnte vorgebeugt werden, wenn es möglich wäre vor dem Sieden, also den kalten oder
nur etwas warmen Zuckersäften, eine Lösung desselben zuzusetzen.
Es entsteht nun die Frage, ob nicht, nachdem es sich gezeigt hat, daß alle
vorgeschlagenen Mittel Mängel haben, das schwefelsaure
Ammoniak als Entkalkungsmittel mit Vortheil anzuwenden wäre. Da dasselbe
durch den Kalk vollständig zersetzt wird, und aller Kalk als Gyps fällt, die
geringen Quantitäten des letztern, welche gelöst bleiben, aber wohl nicht als
hinderlich betrachtet werden können, so käme es nur auf Versuche im Großen an. Im
kleineren Maaßstabe habe ich die Versuche vor längerer Zeit in meinem Laboratorium
gemacht, und sie ganz zufriedenstellend gefunden. Da ferner das schwefelsaure
Ammoniak billiger ist als das kohlensaure, trotz des höhern Atomgewichts der
Schwefelsäure, da sich dasselbe durch Kochhitze nicht verflüchtigt oder zersetzt und
Ammoniak fahren läßt, so könnte ein kleiner Ueberschuß dieses Salzes nicht schaden,
und der Anwendbarkeit desselben nichts im Wege stehen, denn Hr. Dr. Stammer hat auch
gefunden, daß der Gehalt an Gyps in der Phosphorsäure dem Zuckersaft nicht
nachtheilig ist. Die erhaltenen Rückstände von Gyps könnten zu Düngungszwecken
verwandt werden. Hier fehlt mir beim Mangel aller Rübenrohzucker-Fabriken die
Gelegenheit, dieses
Mittel auf seine Brauchbarkeit im Großen zu prüfen, was ich daher Anderen überlassen
muß.
Alle diese vorgeschlagenen Mittel haben jedoch nicht den Werth der reinen
Kohlensäure, die man aus Magnesit mit Schwefelsäure darstellt. Es wird behauptet,
daß für schwefelsaure Magnesia der Markt fehlt, und nur in der Verwerthung dieser
die Möglichkeit liege, diese Methode zu befolgen. Allerdings ist der Markt für die
krystallisirte, reine schwefelsaure Magnesia zu gedrückt, als daß sie auch nur
einigermaßen mit Vortheil verkauft werden könnte; wenn man aber die gesättigte
Rohlauge von Bittersalz mit Kalk vollständig neutralisirt und zur Trockene einkocht,
die erhaltene Salzmasse in ein sehr grobes Pulver verwandelt und dieses als
Düngemittel verkauft, so kann auf diese Weise der Preis des Magnesits und auch
beinahe derjenige der Schwefelsäure herausgebracht werden, da das Bittersalz
erfahrungsmäßig sehr viel vortheilhafter als Düngungsmittel wirkt wie Gyps,
namentlich zur Vermischung mit Guano in einzelnen Gegenden schon sehr viel angewandt
und von mehreren Mineralwasserfabriken in großen Massen zu diesem Zweck geliefert
wird. Es ist daher nicht einzusehen, warum die schleichen und sächsischen
Zuckerfabriken, welche den Magnesit so nahe und billig haben, das bei der Verwendung
desselben zur Kohlensäure-Bereitung gewonnene Nebenproduct nicht eben so
vortheilhaft sollten verwerthen können. Die Kohlensäure ist die einzige bis jetzt
bekannte Substanz, welche selbst im Uebermaaß angewandt, den Zucker gar nicht
benachtheiligt; sie ist überdieß bei einigermaßen vortheilhafter Verwerthung des
Bittersalzes die billigste, daher sie vor allen die Oberhand behalten wird.
Die Wirkung der Kohle auf den Kalk ist eine sehr verschiedene. Bei einer langen Reihe
von Versuchen habe ich gefunden, daß völlig von allem kohlensauren und
phosphorsauren Kalk befreite Kohle den Kalk aus der Zuckerlösung nicht so gut
entfernt, als die gewöhnliche. Obgleich die entfärbende Kraft solcher Kohle sehr
viel größer ist, als diejenige der gewöhnlichen Kohle, indem sie sehr dunkeln Syrup
völlig hell, wie Rhein wein, macht, so nimmt sie den Kalk doch nur wenig weg. Ich
habe mir nicht erklären können, worin der Grund liegt, werde aber die Sache weiter
verfolgen.
Sehr vortheilhaft habe ich zur Erreichung beider Zwecke, der Entfärbung und der
Kalkentziehung, eine Kohle gefunden, der man durch verdünnte Salzsäure etwa 1/6
ihres Kalkgehalts entzog; man erreicht dieses, wenn man auf 100 Pfd. Kohle 25 Pfd.
Salzsäure von 20° B. gießt; es wird dadurch der Kohle beinahe aller
kohlensaure Kalk und etwa 10 Proc. des phosphorsauren Kalks entzogen, wonach sie
aber ihre vorige Festigkeit und Härte behält. Diese Kohle entfärbt sehr viel kräftiger und entfernt
den Kalk sehr viel schneller aus der Auflösung, als die gewöhnliche; man kann von
ihr geringere Quantitäten anwenden, und ist nicht so oft gezwungen zur
Wiederbelebung zu schreiten.