Titel: Der elektrochemische Telegraph von G. Stöhrer; beschrieben vom Telegraphenlinien-Inspector L. Galle.
Fundstelle: Band 128, Jahrgang 1853, Nr. CIV., S. 416
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CIV. Der elektrochemische Telegraph von G. Stöhrer; beschrieben vom Telegraphenlinien-Inspector L. Galle. Aus dem polytechn. Centralblatt, 1853, Liefer. 10. Mit Abbildungen auf Tab. VI. Stöhrer's elektrochemischer Telegraph. Die große Einfachheit der telegraphischen Zeichen, welche durch den elektromagnetischen Doppelstiftapparat von E. Stöhrer (polytechn. Journal Bd. CXIX S. 34), im Vergleich zu dem Morse'schen Einstiftapparate, erzielt wird, veranlaßt den Erfinder jenes Apparats, diese Zusammenstellung der Zeichen auch auf einen solchen Telegraphenapparat anzuwenden, bei dem die Zeichen nicht durch eine mechanische Bewegung, sondern durch die chemische Zersetzung eines Salzes hervorgebracht werden, und es construirte derselbe daher den in Fig. 1, 2 und 3 in 1/6 der natürlichen Größe dargestellten chemischen Doppelstiftapparat. Dieser unterscheidet sich von dem oben erwähnten wesentlich dadurch, daß er viel empfindlicher ist und daß die Zeichen durch den von der entfernten Station ausgesandten primitiven Strom, nicht durch den einer Localbatterie hervorgebracht werden. Aus diesem Grunde fällt bei dem chemischen Telegraphen zwar das bei anderen Schreibapparaten nöthige Relais weg, doch kann auch das Princip der Uebertragung dabei nicht angewendet werden, weil eben aus Mangel einer mechanischen Bewegung beim Telegraphiren der Schluß einer neuen Batterie nach einem weiter liegenden Orte hin nicht vermittelt werden kann. Der elektrochemische Doppelstiftapparat enthält folgende Haupttheile: den Commutator A, das Triebwerk W, das Schreibwerk C, die Annetzvorrichtung B und das Glockenwerk D. Der Commutator A besteht aus zwei messingenen Tasten a, a₁, welche in den Scharnieren b, b₁ sich drehen und vorn durch darunter befindliche Federn r, r₁, Fig. 1, dergestalt emporgehalten werden, daß sie im ruhigen Zustande mit den hinteren Enden auf einem Messingbocke d fest aufliegen, also in leitender Verbindung mit demselben stehen. Unter den vorderen Enden der Tasten befindet sich eine Stahlfeder l, welche mit der Klemme K und durch diese mit dem Kupferpole der Telegraphirbatterie permanent verbunden ist. Der Messingbock d ist mit dem Zinkpole mittelst der Klemme Z, die linke Tafte mit der Erde mittelst der Klemme E und die rechte Taste mit dem Messingständer m₁ oder dem messingenen Schreibhebel s₁ und mit der in Fig. 2 durch punktirte Linien angedeuteten Metallfeder e fortwährend in leitender Verbindung. Das Triebwerk W, von dem in Fig. 1 und 2 nur der oberste Theil mit den Walzen y und z angedeutet ist, dient dazu, während des Empfangens telegraphischer Zeichen den Papierstreifen S, welcher auf der Rolle R aufgewickelt ist, unter der Walze t und über der Messingwalze u, auf welcher die Schreibhebel s, s₁ aufliegen, hinwegzuziehen. Mit dem Triebwerke ist die Klemme L in welche der Leitungsdraht eingesteckt ist, permanent in leitender Verbindung. Im Ruhezustande des Triebwerks ist die Metallfeder e mittelst des Hebels c so in das Werk eingelegt, daß dasselbe arretirt ist, gleichzeitig aber auch eine metallische Verbindung zwischen der Feder e und dem Triebwerke oder zwischen dem Ständer m₁ und der Klemme L besteht. Soll das Triebwerk in Gang kommen, so wird der Hebel c nach rechts gedreht, dadurch die Bremse gelüftet und gleichzeitig die leitende Verbindung zwischen e und W aufgehoben. Der Zweck dieser Einrichtung wird weiter unten auseinandergesetzt werden. Die Schreibhebel s und s₁, welche durch die Holzrolle k von einander isolirt sind und deren untere spitze Enden aus Platin bestehen, liegen ruhig und lose auf der Walze u; mittelst der Welle f, auf welcher dieselben befestigt sind, können sie seitwärts verschoben werden, damit ein Papierstreifen mehrere Male gebraucht werden kann. Die Fixirung der Welle f geschieht mittelst der Feder p und der auf den Ständer m, m₁ befindlichen Schrauben o und o₁. Die Annetzvorrichtung B dient dazu, den Papierstreifen, welcher mit dünnem Stärkekleister bestrichen und mit einer Lösung von Jodkalium getränkt ist, zu befeuchten, weil nur dann die Zersetzung des Jodkaliums und der Uebergang des elektrischen Stromes von einem Schreibstifte zum anderen erfolgen kann. Der Papierstreifen wird durch die mit Gutta-percha überzogene Walze t auf einen Docht x, welcher in ein darunter befindliches Wassergefäß taucht, angedrückt) das Gestell, welches die Walze t trägt, ist an einem Ende in feinen Spitzen drehbar und ruht theilweise mittelst der Schraube v auf der Feder w, damit der Druck auf den Papierstreifen beliebig vermindert werden kann. Da die Schreibhebel keine hörbaren Zeichen hervorbringen, so dient das Glockenwerk D dazu, den Anruf zum Beginn des Telegraphirens zu bewirken; dasselbe besteht aus zwei Glocken g und g₁ von verschiedener Größe und folglich von verschiedenem Klange, hinter welchen ein Elektromagnet M, M₁, Fig. 3, angebracht ist. Der eiserne Hammer h, welcher über seinem Schwerpunkte in feinen Zapfen drehbar ist, wird durch einen starken permanenten Magneten N, S, Fig. 3, dergestalt magnetisch inducirt, daß er z.B. in dem gegenwärtigen Falle an beiden Seiten einen magnetischen Südpol bildet. Wenn nun beim Ruhestande des Triebwerkes, in welchem Falle dasselbe mit der Feder e leitend verbunden ist, ein elektrischer Strom von der entfernten Station aus dem Leitungsdrahte in die Klemme L eintritt, so geht derselbe durch W und e in den Ständer m, aus diesem durch die Windungen des Elektromagneten und aus diesen durch die rechte und linke Taste des Commutators in die Erde. Von den Enden q, q₁, der Eisenkerne des Elektromagneten wird daher einer Nord-, der andere Südmagnetismus annehmen und somit das eine Ende des Hammers h angezogen, das andere so weit abgestoßen, daß es an die darunter befindliche Glocke schlägt. Beim Umkehren des Stromes wechseln auch die Pole des Elektromagneten und es schlägt dann der Hammer auf die andere Glocke. Die Drahtwindungen des Elektromagneten sind so angeordnet, daß beim Drücken der linken Tafte die linke Glocke, beim Drücken der rechten Taste die rechte Glocke anschlägt, und es sind die Glockenzeichen denen auf dem Papierstreifen entsprechend, die Zeichen mit der linken Glocke denen des unteren Schreibstiftes s, die der rechten Glocke denen des rechten Schreibstiftes s₁. Wenn auf diese Weise der Anruf erfolgt ist, so wird der Hebel c nach rechts gedreht, dadurch die Bremse gelöst, dem Triebwerk freier Lauf gelassen und gleichzeitig die leitende Verbindung zwischen demselben und der Feder e unterbrochen. Dann geht der elektrische Strom von der Klemme L in den Stander n und m, hierauf in den Schreibhebel s, durch die Feuchtigkeitsschicht und theilweise auf der Metallwalze u nach dem oberen Schreibhebel s₁, aus diesem in den Ständer m₁ und n₁, hierauf durch die Windungen des Elektromagneten in die rechte und linke Taste des Commutators und aus der letzteren nach der Klemme E und zur Erde. Beim Uebergange des elektrischen Stromes aus dem einen Schreibhebel in den anderen erfolgt eine Zersetzung des Jodkaliums dergestalt, daß sich an der Stelle, wo der positive Strom auf den Papierstreifen eintritt, der negative Bestandtheil des Jodkaliums, das Jod, als dunkelbraune Masse absetzt. Wird auf der entfernten Station die rechte Taste gedrückt, so muß der positive Strom zunächst in die Erde gehen, dann in die Klemme E eintreten, von der linken zur rechten Taste, aus letzterer durch den Elektromagneten in den Ständer m₁ und den Schreibhebel s₁ gehen und am vorderen Ende desselben auf dem Papierstreifen das dunkelbraune Zeichen, entweder einen Punkt oder Strich hervorbringen, je nachdem die Taste kurz oder länger niedergedrückt wird. Von dem Hebel s₁ geht dann der Strom in den unteren Hebel s und aus diesem auf dem Leitungsdrahte von L aus nach der entfernten Station zurück. Beim Niederdrücken der linken Taste auf der entfernten Station geht der positive Strom den entgegengesetzten Weg, tritt also in der Klemme L ein und geht zunächst nach dem unteren Schreibhebel s, erzeugt hier die telegraphischen Zeichen und geht dann durch s₁, den Elektromagnet und die rechte und linke Taste in die Erde. Der elektrische Strom geht zwar in jedem Falle, das Triebwerk mag ausgelöst seyn oder nicht, durch die Windungen des Elektromagneten, doch erzeugt im ersteren Falle die Flüssigkeitsschicht zwischen den Spitzen der beiden Schreibhebel, durch welche der Strom gehen muß, so viel Widerstand, daß dann der Hammer h nicht mehr an die Glocken anschlagen kann und beim Telegraphiren nur kurze Zuckungen bekommt. Die Glocken können übrigens auch mittelst der Griffe i i₁ in verticaler Richtung verschoben werden. Wenn nach der entfernten Station hin telegraphirt werden soll, so entsteht beim Niederdrücken der Tasten auf beiden Stationen zuerst das Glockenzeichen, weil der Strom in beiden Apparaten die Windungen des Elektromagneten jederzeit zu durchlaufen hat und noch keins der Triebwerke ausgelöst ist. Sobald nun die entfernte Station das Triebwerk laufen läßt, so hören die Glocken an beiden Stationen auf zu schlagen, weil dann sofort ein großer Widerstand eingeschaltet ist, und die telegraphischen Zeichen entstehen auf dem Papierstreifen des in Gang gesetzten Apparates. Durch das Aufhören der Glockenzeichen erkennt man zugleich, daß die entfernte Station das Triebwerk ausgelöst hat. Wird nun die rechte Taste gedrückt, so geht der positive Strom von der Klemme K, die mit dem Kupferpole verbunden ist, in die unter den Tasten befindliche Feder l, von da in die rechte Taste a₁, aus dieser in den Ständer m₁, dann durch die Feder e in das Triebwerk W, nach der Klemme L und in den Leitungsdraht, kehrt zurück nach E und durch die linke Taste und das Gestell d nach der Klemme Z und somit zum Zinkpole der Batterie. Beim Drücken der linken Taste geht der positive Strom von K nach l, a, b und E in die Erde, kehrt auf dem Leitungsdrahte zurück) nach L, W, e, m₁, b und d nach Z und dem Zinkpole der Batterie. Soll beim Telegraphiren der Apparat der Abgangsstation die Zeichen ebenfalls aufschreiben, so wird mittelst des Hebels c das Uhrwerk gelöst. Dann geht der positive Strom beim Drücken der rechten Taste von K nach l, a₁, b₁, m₁, s₁, s, m und L in den Leitungsdraht und kehrt durch E, b, a, d nach Z und den Zinkpol der Batterie zurück; beim Drücken der linken Taste geht der positive Strom von K nach l, a, b und E in die Erde und kehrt auf dem Leitungsdrahte zurück nach L, m, s, s₁, m₁, b₁, d und Z; im ersteren Falle erscheinen die Zeichen am Stifte des oberen Schreibhebels s₁, im letzteren Falle an dem des unteren Schreibhebels s. Das Jodkalium ist so empfindlich, daß es durch den schwächsten elektrischen Strom noch zersetzt wird und daß der primitive Strom einer Batterie noch bis auf die Entfernung von 100 Meilen und darüber in einem solchen Apparate wirksam ist; ein Versuch des Directtelegraphirens von München nach Leipzig (80 Meilen) hat dieß zur Genüge bestätigt. Die chemischen Apparate sind namentlich bei schlecht isolirten Leitungen und bei solchen, wo die Isolirung häufig und bedeutend wechselt, zweckmäßig, da dieß auf den Gang der Apparate gar keinen und auf die Zeichen höchstens nur den Einfluß hat, daß die Tiefe des Farbentons ein wenig wechselt, ohne indeß der Deutlichkeit der Schrift im Geringsten Eintrag zu thun.

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