Titel: | Ueber eine elektromagnetische Maschine mit oscillirenden Ankern; von C. A. Grüel, Mechaniker zu Berlin. |
Fundstelle: | Band 128, Jahrgang 1853, Nr. LXXXIV., S. 349 |
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LXXXIV.
Ueber eine elektromagnetische Maschine mit
oscillirenden Ankern; von C. A.
Grüel, Mechaniker zu Berlin.
Aus Poggendorff's Annalen der Physik und Chemie, 1853, Nr.
5.
Grüel, über eine elektromagnetische Maschine mit oscillirenden
Ankern.
Daß die Kraft, mit welcher die Elektromagnete ihren Anker anziehen, mit der
Entfernung von den Polen sehr rasch abnimmt, ist längst bekannt, und erst neuerdings
auch für verschiedene Formen der Magnete und Anker, so wie auch unter wechselnden
Stromstärken mit vieler Genauigkeit bestimmt worden.
Es ergibt sich daraus für die technische Anwendung des Elektomagnetismus, bei welcher
die Bewegung des Ankers zu einer mechanischen Arbeit benutzt wird, die Nothwendigkeit, diese Bewegung zu
beschränken, damit der Anker in der Wirkungssphäre der magnetischen Kraft verbleibe.
Die Einrichtung unserer bewährtesten telegraphischen Apparate bezüglich jener ersten
wesentlichsten Theile entspricht dieser Bedingung vollkommen.
Bei den elektromagnetischen Maschinen, welche eine Triebkraft erzeugen sollen, und
ebenfalls aus einem festen und einem beweglichen System bestehen, muß es ganz
besonders darauf ankommen, den größtmöglichen Nutzeffect aus der magnetischen
Anziehung zu gewinnen. Da aber die Wirkungsgröße einer Kraft auch nach dem Raum
bemessen werden muß, in welchem sie sich thätig zeigt, und nach dem oben Gesagten
für die elektromagnetischen Maschinen darin ein ungünstiges Verhältniß besteht, so
hat man durch verschiedenartige Mittel dahin gestrebt, den Raum, in welchem die
Anziehung gleichmäßig wirken soll, zu vergrößern oder anders gesagt, die Hubhöhe zu
vermehren.
Das Nähere über die Versuche und Constructionen, welche seit einer Reihe von Jahren
zur Vervollkommnung dieser Maschinen gemacht wurden, ist aus den physikalischen und
technischen Schriften bekannt; man hat es mit rotorischen und Wechselbewegungen, mit
Elektromagneten und Spiralen in verschiedener Form und Größe versucht, hat sie
gleichzeitig oder alternirend wirken lassen. Auch hat man die Pole durch Ansätze
verbreitert, statt der Anker Stäbe benutzt, und letzteren ihre Bewegung innerhalb
der Höhlung einer Reihe voll Spiralen angewiesen. Alle diese Vorarbeiten lassen es
dennoch unentschieden, ob mit den zu Gebot stehenden Hülfsmitteln, auch in dem
bisher günstigsten Fall, der größte Nutzeffect wirklich erreicht worden sey.
Um den Werth einer bestimmten Construction beurtheilen zu können, muß man wissen, wie
viel Material dazu verwendet, welche Stromstärke benutzt und welcher Nutzeffect
erzielt worden ist. Was die von Hrn. Page getroffene
Einrichtung betrifft, bei welcher die Magnete durch bloße Spiralen ersetzt sind, die
einen Eisenkern in ihre Höhlung hineinziehen, so habe ich die Ueberzeugung noch
nicht gewinnen können, daß dieses Princip mehr leiste, als die Anwendung
vollständiger Elektromagnete. Die von Hrn. Page über
seine Maschine gegebene Auskunft führt nur zu dem Schlüsse, daß derselbe mit einer
monströsen Stromeskraft operirt haben müsse, indem gesagt worden ist, daß der bei
der Bewegung und Wechselung des Commutators an letzterem auftretende
Inductionsfunken jedesmal den Knall eines Pistolenschusses erzeugt habe. Eine andere
Bemerkung in seinem Bericht schildert den ganz eigenthümlichen Umstand, daß die Page'sche Maschine fast die doppelte Kraft entwickelt
habe, sobald er dieselbe habe rückwärts laufen lassen. Man könnte hierbei wohl zu der
Frage berechtigt seyn, weßhalb Hr. Page unter diesen
Verhältnissen seine Maschine nicht immer und viel lieber habe rückwärts laufen
lassen. Ferner dürfte die Richtigkeit der in jenem Bericht enthaltenen Zahlenangaben
aus guten Gründen noch in Frage zu stellen seyn.
Im Jahre 1837 construirte ich zuerst ein elektromagnetisches Modell, und habe seitdem
häufig Gelegenheit gehabt, elektromagnetische Maschinen und Apparate in den
verschiedensten Formen zu fertigen und zu vergleichen. Hierbei lernt man leicht
erkennen, welchen Einfluß oft eine geringfügig scheinende Modification auf den
Erfolg hat.
Vor längerer Zeit verfertigte ich ein Modell mit 2 alternirend wirkenden
Elektromagneten, deren hufeisenförmige Eisenkerne wenige Zoll lang und kaum 3/4 Zoll
dick waren. Die vier aufrechtstehenden Pole bildeten ein Quadrat, in dessen
Mittelpunkt sich die Unterstützung des schwingenden Theils, der an seinen Endpunkten
die Anker trug, befand. Die Entfernung, aus welcher die Anker angezogen wurden, war
sehr gering, und mittelst eines stabförmigen Hebels wurde die Bewegung etwa 6 mal
vergrößert auf die Treibstange übertragen, welche durch den Krummzapfen auf ein
Schwungrad von 11 Zoll Durchmesser wirkte.
Die ungemein rapide Bewegung dieser Vorrichtung erregte deßhalb Interesse, weil die
hierbei angewandte galvanische Kette die allerkleinsten Dimensionen hatte; sie
bestand aus einem 2 Zoll langen Platindraht von der Dicke eines Pferdehaars, wovon
auch nur die Hälfte in die Salpetersäure tauchte. Die Säure befand sich in einer
minutiösen Thonbüchse von 1/2 Loth Inhalt, mit einem Zinkreif umgeben. Die kräftige
Einwirkung auf die in geringer Entfernung schwingenden Anker war der Grund, daß das
Rad sogar eine kleine Hemmung gern ertrug, was früher, sogar bei größeren Modellen,
nicht der Fall war. Vor Kurzem überzeugte ich mich an einer neuen ähnlichen
Maschine, bei welcher ich etwas größere Magnete und ein eisernes Rad von 15 Zoll
Durchmesser verwenden wollte, daß eine Abänderung in der Oscillationsbewegung des
Ankers, welche ich glaube empfehlen zu dürfen, den Kraftgewinn nicht unerheblich
steigert. Ich verzichtete nämlich auf die Trennung des Ankers vom Magneten gänzlich,
und benutzte nur diejenige Kraft, mit welcher der Magnet einen schief auf seine Pole
aufgesetzten Anker gerade zu richten strebt, so daß die anfängliche Kantenberührung
am Ende in den vollständigen Contact der plangeschliffenen Ankerfläche mit dem
Magnetpol übergeht, wobei nun jeder Querschnitt des Ankers gleichzeitig eine
Winkelbewegung vollführt, die eine gute Hubhöhe mit viel größerer Gleichmäßigkeit
der Kraft zuläßt,
als wenn der Anker getrennt und aus der Entfernung angezogen worden wäre. Daß die
hierbei geäußerte Kraft nicht gering ist, wird man bei irgend einem
elektromagnetischen Experiment mit guten Magneten wohl wahrgenommen haben. Die
Maschine wirkte mit zwei Magneten, jeder Schenkel 4 1/2 Zoll lang und 1 Zoll dick.
Der Kupferdraht auf den vier Rollen befindlich, 1 1/2 Millim. stark, wog insgesammt
4 5/8 Pfd. Die Magnete wirkten alternirend, die Anker waren aber so mit einander
verbunden, daß die Bewegung des einen gleichzeitig die des anderen bewirkte. Zu
diesem Ende sind in der Mitte der untern Fläche Eisenstäbe eingeschraubt worden, die
demnach in den Zwischenraum der Schenkel der Magnete hinabreichen, und dort an ihren
Enden durch einen Querstab mit einander, aber durch Scharniere verbunden sind. Der
eine Anker trug auch oberhalb einen Stab, an dessen Endpunkt, wie bei dem vorher
beschriebenen Modell, die Treibstange befestigt war. Die Länge des vorher erwähnten
Querstabs mußte nun so seyn, daß wenn der eine der Anker vertical stand, der andere
dagegen seine schiefste Stellung einnahm. Die galvanische Kette bestand aus zwei
Elementen von kleiner Form, aus Zink und Eisen gebildet, welche seit einigen Jahren
wegen ihrer Brauchbarkeit und Billigkeit den Platinketten fast immer vorgezogen
wird. Die Eisenstücke sind ohne ihre zu den Contactschrauben bestimmten Ansätze 3
Zoll hoch, und zeigen auf ihrem Querschnitt die Form eines vierzackigen Sterns ohne
scharfe Ecken. Die wirkende Oberfläche beträgt etwa 14 Quadratzoll. Die vorläufig
bei der geringen Stromkraft taxirte Kraftleistung dieses kleinen Apparates = 0,03
einer Pferdekraft, erscheint mir als nicht ungünstig, weßhalb ich den Versuch bei
vermehrter Stromstärke wiederholen will.
Ich glaubte anfänglich, es möchte die Kraftleistung der Maschine dadurch etwas
geschwächt werden, daß der bis zur vollkommenen Flächenberührung gelangte und nach
Unterbrechung des galvanischen Stroms vielleicht noch durch den remanenten
Magnetismus des Eisens festgehaltene Anker, sich von dem Pol lostrennen soll, und
das Schwungrad also die Kraft hergeben müßte, um diesen Widerstand zu überwinden.
Deßhalb wollte ich die Magnete noch mit einer zweiten aus wenigen Windungen
bestehenden Spirale versehen, und durch diese permanent einen schwachen Strom in
solcher Richtung leiten, daß dadurch eine geringe aber entgegengesetzte
Magnetisirung entstände. Letztere würde sich in dem Augenblick geltend machen, wo
der Commutator den Hauptstrom unterbricht; der remanente Magnetismus würde
verhindert, ohne daß von dem schwachen permanenten Strom Nachtheil entstände. Diese
Vorsicht war indessen unnöthig, es sind ohnehin durch die Construction des Apparats Bedingungen erfüllt,
die jenes Residuum magnetischer Kraft von selbst schwächen.
Was die hin und hergehende Bewegung an sich betrifft, die aus mechanischen Gründen
einer rottenden nachsteht, so wird sie in vorliegendem Fall um so weniger
nachtheilig, weil das mechanische Moment der Anker, als Product zweier hier sehr
kleinen Factoren, unbedeutend ist, die Last der Anker bei dieser Construction
ohnehin unterstützt, also nur das Beharrungsvermögen seines obern oscillirenden
Theils übrig bleibt.
Die Ankerbewegung ist ferner in dem Moment der Trennung verlangsamt, da sie genau im
Verhältniß der Sinus der Winkel geschieht, welche der Krummzapfen während seiner
Drehung mit der Treibstange bildet.
Wie die Pol- und Ankerflächen beschaffen seyn müssen, um den besten Erfolg zu
liefern, dieß muß durch Versuche ermittelt werden; übrigens glaube ich, daß die
Vervollkommnung der elektro-magnetischen Maschinen eine Aufgabe ist, zu deren
Lösung die Mechanik nur dann wesentlich beitragen wird, wenn ihre Principien mit
steter Berücksichtigung der Wirkungsweise der elektromagnetischen Kraft angewandt
werden. Noch ist das Aequivalent der Stromstärke, wenn man den Magnetismus des
Schließungsdrahtes als ein solches betrachtet, noch nicht bestimmt worden. Wird der
Widerstand dieses Drahts in dem Maaße verringert, als man seine Länge vergrößert, so
wird jeder Theil desselben eine eben so starke magnetische Erregung als zuvor
erfahren.
Ich erinnere mich, daß Hr. Poggendorff, gestützt auf die
Zuverlässigkeit der Ohm'schen Theorie, schon vor Jahren
auf diesen Satz verwieß, und es den Erbauern elektromagnetischer Maschinen vorwarf,
in ihrer Praxis bisher darauf nicht genug Rücksicht genommen zu haben. Abgesehen
hiervon dürften, von physikalischer Seite, auch noch andere Fragen in Bezug auf
diesen Gegenstand zu entscheiden seyn.
Die günstigen Bedingungen in dem von mir beschriebenen Modell scheinen mir darin zu
liegen, daß die Kraft gleichmäßiger, und ihr mittlerer Werth innerhalb einer Hubhöhe
größer ist; sie wirkt auf den Krummzapfen zu einer Zeit, wo derselbe sich in einer
vortheilhafteren Winkelstellung befindet.
Die Magnete, deren Kraft bekanntlich durch eine zwischen Pole und Anker gebrachte
Trennung von einem einzigen Blatt Papier über die Hälfte verringert wird, wirken
besser. Ein früherer Versuch des Hrn. Magnus zeigte
bereits, wie die Reaction des die Pole eines Elektromagneten schließenden Ankers die
Kraft der vorher ungeschlossenen Pole steigert. Die Inductionsströme sind nicht
störend, da dieß nur bei sehr raschen Bewegungen solcher Maschinen der Fall seyn kann; ferner
dürfte die Einfachheit der Construction, die ich in größerem Maaßstabe zu machen,
und deren Erfolg nebst anderen Mittheilungen über einige sonstige elektromagnetische
Vorrichtungen zu veröffentlichen gedenke, eine Empfehlung für dieselbe seyn.
Zusatz. Nachdem dieser Aufsatz bereits zur
Veröffentlichung übergeben war, gelangte ich zur Kenntniß einer Untersuchung des
Hrn. Poggendorff, deren Resultate derselbe unter der
Ueberschrift „Ueber die Erscheinungen bei geschlossenen
Elektromagneten“ im 1sten Stück 1852 Bd. LXXXV seiner Annalen der
Physik bekannt gemacht hat.
Der Inhalt dieser Mittheilung darf allen denen als ein Leitfaden dienen, welche eine
erweiterte praktische Anwendung des Elektromagnetismus erstreben, und es war mir
erfreulich, daß hierdurch zugleich mein Versuch seine volle Rechtfertigung
findet.