Titel: | Beschreibung einer Maschine zur Untersuchung der Achsschenkel und zur Auswechselung der Locomotivenräder; von Hrn. Larpent, Betriebs-Director der Orleans-Eisenbahn. |
Fundstelle: | Band 128, Jahrgang 1853, Nr. XXXVII., S. 170 |
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XXXVII.
Beschreibung einer Maschine zur Untersuchung der
Achsschenkel und zur Auswechselung der Locomotivenräder; von Hrn. Larpent,
Betriebs-Director der Orleans-Eisenbahn.
Aus den Annales des mines, 5te Reihe, Bd. II S.
243.
Mit Abbildungen aus Tab.
III.
Larpent's Maschine zum Auswechseln der
Locomotivenräder.
Das gebräuchlichste Mittel um die Räder von den Locomotiven abzunehmen, besteht
darin, dieselben gänzlich, oder zuerst an dem einen und dann an dem andern Ende zu
heben, so daß die Schutzplatten die Achsschenkel fahren lassen, worauf man die
freigewordenen Räder wegnimmt. Man begreift, daß die Arbeit des Hebens der
Locomotiven sehr starke und folglich in der Anlage sehr kostspielige Apparate
erfordert. Krahne sind fast die einzigen Maschinen, welche man bis jetzt in den
Eisenbahn-Werkstätten angewendet hat, um die Locomotiven von ihren Achsen
wegzuheben. Es gibt zwei Arten dieser Krahne: feststehende, welche hauptsächlich auf
großen Bahnhöfen, wo man Reparaturen ausführt, angewendet werden, und sogenannte
rollende Krahne, die man in den Montirungs-Werkstätten vorzieht.
Auf kleinen Eisenbahnlinien, wo man sparsam seyn muß, wendet man zum Heben der
Locomotiven, von denen man die Räder wegnehmen will, auch Wagenwinden und
Schraubenhebezeuge an. Wenn aber auch die Anschaffungskosten dieser Apparate gering sind, so
veranlassen sie dagegen bedeutende Unterhaltungskosten. Die Arbeit des Auswechselns
der Räder einer Locomotive mittelst der letztgenannten Hebezeuge veranlaßt auch
deßhalb große Kosten, weil dazu viel Zeit und viele Menschenkräfte erforderlich
sind. Ueberdieß ist die Anwendung der letztern Apparate oft für die Arbeiter
gefährlich. Die häufigen Unfälle, welche beim Heben der Locomotiven mittelst
Wagenwinden vorgekommen sind, dürften allein hinreichend seyn, um auf ihre Benutzung
zu verzichten.
Uebrigens ist es auch von vorn herein unbequem, eine Last von 20 Tonnen heben zu
müssen, um ein Rad von verhältnißmäßig kleinem Gewicht abzuziehen, und das
Nachtheilige dieses Verfahrens hat schon jeder Maschinenbauer empfunden. Auch wollen
wir uns nicht das Verdienst zuschreiben, einen solchen Apparat zum Auswechseln der
Räder erfunden zu haben, da, wie wir weiter unten sehen werden, bereits zu Stettin
ein solcher vorhanden ist; allein die auf einigen französischen Bahnen, z.B. zu St.
Germain, Sceaux, Straßburg etc. vorhandenen derartigen Apparate scheinen uns noch
unvollkommen zu seyn und Verbesserungen zu bedürfen, hauptsächlich hinsichtlich der
Handhabung, welche langwierig und mühsam ist und stets bedeutende Menschenkräfte
erfordert.
Bei der Maschine, welche wir auf der französischen West-Bahn, in der Nähe des
Locomotiven-Depots, zum Auswechseln der Räder eingerichtet haben, gingen wir
hauptsächlich von zwei Bedingungen aus: die erste derselben bestand darin, ein
einfaches Werkzeug zu construiren, welches mit der kleinsten Arbeiterzahl und in der
möglich kürzesten Zeit die Auswechselung der Locomotivräder gestattet; die zweite
bestand in der möglichsten Verminderung der Anlagekosten. Wir glauben unsere Aufgabe
gelöst zu haben, indem wir in weniger als zwei Stunden dahin gelangten, die drei
Räderpaare einer Locomotive auszuwechseln. – Die Kosten betragen nur ein
Drittel der Anlagekosten eines Krahns, wie man sie gewöhnlich bei den Eisenbahnen
benutzt.
Der Apparat ist in einer senkrechten Grube angebracht, welche mit zwei Geleisen
versehen ist und mit dem Maschinen-Depot in Verbindung steht. Sie ist 7,50
Meter (24 Fuß) lang, 2,32 Meter (7 1/2 Fuß) breit und 2,60 Meter (8 1/4 Fuß)
tief.
Die Figuren 16
bis 18
erläutern den Apparat.
Fig. 16 ist
ein Durchschnitt nach der Linie AB, Fig. 17.
Fig. 17 ist
ein Längendurchschnitt nach der Linie CD, Fig. 18.
Fig. 18 ist
ein Grundriß.
Die Maschine besteht aus einem gußeisernen Gestell A,
welches aus zwei der Länge nach und vier der Quere nach laufenden Theilen gebildet
ist, die in einem
Stück gegossen sind. Dieses Gestell ruht auf zwei Achsen B, welche Räder mit Spurkränzen haben, so daß der Apparat auf Schienen am
Boden der Grube, welche senkrecht zu den Schienen über der Grube liegen, beweglich
ist.
Auf dem Gestell sind vier gußeiserne Säulen C befestigt,
deren jede aus zwei rechtwinkeligen Theilen besteht. Jede Säule ist an einer ihrer
Flächen in ihrer ganzen Höhe mit einem senkrechten Falz versehen, welcher zur
Führung einer Zahnstange dient.
An jedem der beiden Querbalken an den Enden, sowie auch an demjenigen in der Mitte,
sind sechs Absätze angegossen, welche zwei eiserne Wellen D aufnehmen, auf denen vier, ebenfalls schmiedeiserne, Getriebe
festgekeilt sind, welche in die gleichfalls schmiedeisernen Zahnstangen
eingreifen.
Die Zahnstangen E tragen zwei bewegliche Schienen F, welche senkrecht in den Falzen gleiten, die auf einer
der Flächen der gußeisernen Säulen angebracht, und von denen zwei und zwei durch die
Querbalken G verbunden sind, die ihrerseits eine
hölzerne Brücke tragen, welche der Bewegung der Zahnstangen folgt, und auf welche
sich der Arbeiter stellt, der die Schmierbüchse in die Schutzblätter der Locomotive
bringt.
Die aufsteigende oder niedergehende Bewegung der an den obern Enden der Zahnstangen
angebrachten beweglichen Schienen wird mittelst einer Kurbel H bewirkt, welche an dem Ende einer horizontalen Welle angebracht und mit
einem Sperrrade versehen ist, in das ein Sperrkegel greift, um den Apparat in Ruhe
zu setzen. Dieselbe Welle trägt ein Getriebe, dessen Halbmesser im Verhältniß von 1
: 6,50 mit dem der Kurbel steht und welches in ein Rad greift, das auf einer
Mittlern Welle befestigt ist, die auch ein Getriebe trägt, dessen Halbmesser im
Verhältniß von 1 : 2,50 zu demjenigen des vorhergehenden Rades steht. Dieses
Getriebe greift in ein Rad, welches an einer besondern Welle sitzt und die Bewegung
in umgekehrter Richtung mittheilt, indem es in ein anderes Rad von gleichem
Durchmesser greift, welches ebenfalls auf einer besondern Welle befestigt ist. Jede
dieser beiden Wellen trägt ein Getriebe, dessen Halbmesser im Verhältniß von 1 : 4
mit demjenigen der Räder von gleichem Durchmesser steht, die in ein großes Rad auf
der Welle D greifen, auf welcher die schmiedeisernen
Getriebe angebracht sind, die in die Zahnstangen greifen und deren Halbmesser im
Verhältniß von 1 : 4,45 mit denen der großen Räder stehen. Multiplicirt man diese
Verhältnisse mit einander, so findet man, daß die auf die Kurbel angewendete Kraft
mit 291 multiplicirt werden muß, um die Kraft der Getriebe auszudrücken, welche auf
die Zahnstangen einwirken.
Die horizontale Bewegung des Apparates wird mittelst eines Hebels I bewirkt, der auf der Achse B beweglich und mit einer Sperrvorrichtung versehen ist, die in das
Sperrrad J auf derselben Achse greift.
Wenn nun die Locomotive auf den Apparat geschoben worden ist, so darf derselbe nicht
ihr ganzes Gewicht tragen, wodurch die Zahnräder zu lange Zeit angegriffen würden.
Deßhalb wurden die beweglichen Schienen auf starke eiserne Riegel L gelegt, welche durch starke gußeiserne Supports M gehen, die ihrerseits auf Pfeilern von Quadersteinen
ruhen und befestigt sind. Diese Supports nehmen an einem Ende die auf gewöhnlichen
Bahnen befestigten Schienen auf, während sie auf der Seite der Grube als Führer und
gleichzeitig als Supports für die beweglichen Schienen des Apparats dienen.
Das Verfahren mit diesem Apparat ist nun folgendes: wenn die Räder einer Locomotive
ausgewechselt werden sollen, so beginnt man damit, die verschiedenen Theile der
Bewegung und der Dampfvertheilung, welche mit den Achsen verbunden sind, zu
demontiren. Darauf schiebt man die Locomotive auf die Schienen des Apparats, welche,
wenn derselbe nicht im Betriebe ist, stets auf den erwähnten Riegeln ruhen müssen.
Wenn nun das wegzunehmende Rad fast in die Mitte der Schiene gelangt ist, so dreht
man an der Kurbel, um die Riegel unter den Schienen wegnehmen zu können. Darauf läßt
man das Rad nach und nach niedersinken, bis die Feder des obern Theils das
Schutzblatt verlassen hat. Mittelst des Hebels mit Sperrkegel schiebt man das Ganze
bis unter die parallelen Geleise. Darauf hebt man das Rad bis zur Ebene der Bahn und
schiebt es in die Werkstatt.
Um ein Rad an seinen Platz an der Locomotive zu bringen, hebt man erst die
Schmierbüchsen und dann die Achsschenkel empor und beginnt die vohergehende Arbeit,
jedoch im umgekehrten Sinne.
Beschreibung eines ähnlichen Apparates, welcher auf dem
Bahnhof der Stettin-Posener Bahn zu Stettin angewandt wird.
Das von Hrn. Larpent angewendete Princip ist schon
mehrfach unter ähnlichen Formen benutzt worden, z.B. schon drei bis vier Jahre in
der Reparaturwerkstatt der Stettiner Bahn; der dortige Apparat ist in den Figuren 19,
20 und
21
abgebildet.
Fig. 19 ist
ein Durchschnitt nach der Linie EF, Fig. 21.
Fig. 20 ist
ein Durchschnitt nach der Linie GH.
Fig. 21 ein
Grundriß.
Zwei hölzerne Balken A, A, welche an den äußern
Achsschenkeln des Wagens aufgehängt sind, tragen 1) an ihren Enden vier senkrechte
gußeiserne Coulissen B, B, mit breiten Schwellen
versehen; dieselben sind zu zweien mit einander verbunden und leiten die beiden
beweglichen Schienen während ihrer Bewegung; 2) in der Mitte einen starken
Querbalken I, dessen Mitte eine Hülse J aufnimmt, durch welche eine starke eiserne Schraube
mit flachen Gängen K geht. Während der Bewegung ist es
diese Schraube, welche die ganze Last, die bewegliche Bahn und das Räderpaar trägt.
Die beiden Schienen L, L (von denen jede aus zwei Enden
amerikanischer Schienen besteht, welche Basis gegen Basis an einander liegen und
durch zwei Reihen Nieten mit einander verbunden sind) hängen mittelst der Stäbe P, P, R, R am Kopf der Schraube und sind mit deren
unterem Ende durch die flachen Stäbe Q, Q und die Bolzen
V, V verbunden. Zwei starke Stehbolzen T, T verhindern die Biegung dieser Armatur und folglich
das Bestreben der Schienen, sich unter der Last einander zu nähern und an die
inneren Wände der Leitungen anzulegen.
Eine große sich drehende Schraubenmutter M ruht mittelst
einer kreisförmigen Verstärkungsrippe auf dem gut abgedrehten Halse der Hülse J; sie hat an ihrer äußeren Peripherie eine Verzahnung
und steht mit zwei senkrechten Winkelrädern N, N im
Eingriff, welche auf den Kurbelwellen 0, () festgekeilt sind. Während die Locomotive
über den Apparat geschoben wird, ruhen die beweglichen Schienen auf Riegeln, wie bei
dem vorhergehenden Apparat.
In Beziehung auf die Bewegungs-Uebertragung ist der Apparat zu Stettin
einfacher als derjenige zu Orleans, welcher ein sehr complicirtes Räderwerk hat;
dagegen sind die Armaturen des letztern einfacher und fester. Bei einem einzigen
Tragpunkt in der Mitte muß die zu senkende Radachse stets mit der Schraube lothrecht
seyn – eine Bedingung, welche bei vier Stützpunkten wegfällt. Der Stettiner
Apparat erheischt auch das Vorschieben der Riegel unter die beweglichen Schienen,
welches bei dem Apparat auf der französischen West-Bahn nicht durchaus
nothwendig ist. Dagegen gewährt wiederum die Schraube an und für sich gegen jede
unfreiwillige Bewegung eine Sicherheit, welche die Sperrräder und Sperrzeuge
durchaus nicht bieten.
Im Allgemeinen verdient der französische Apparat den Vorzug, während der deutsche die
Priorität beanspruchen kann.