Titel: | Ueber das künstliche Hirschhorn für Messerwaaren; von HHrn. Gebrüder Dittmar in Heilbronn a. N. |
Fundstelle: | Band 126, Jahrgang 1852, Nr. XLII., S. 230 |
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XLII.
Ueber das künstliche Hirschhorn für Messerwaaren;
von HHrn. Gebrüder Dittmar
in Heilbronn a. N.
Aus dem württembergischen Gewerbeblatt, 1852, Nr.
44.
Dittmar, über das künstliche Hirschhorn für
Messerwaaren.
Durch die außerordentliche Verminderung des Wildstandes, namentlich in Deutschland,
sind auch die Vorräthe von Hirschhorn äußerst zusammengegangen, so daß, während bis
jetzt vieles, hauptsächlich das schönere, nach England und Frankreich exportirt
wurde, solches bald nicht mehr zu unserem eigenen Bedarf hinreichen wird.
Die unausbleiblichen Folgen davon sind bereits eingetreten. Der Preis dieses
Materials hat eine Höhe erreicht, daß es für currante Artikel kaum mehr verwendet
werden kann, so daß sich die meisten unserer Messerschmiede genöthigt sehen, theils
zu anderem Material, als Horn, Knochen, ausländischen Hölzern etc. ihre Zuflucht zu
nehmen, theils, so lange es noch geht, ein geringeres Hirschhorn zu verarbeiten.
Dabei leidet aber sowohl die Dauerhaftigkeit wie das hübsche Ansehen der Waare, der
häufig unkundige Käufer urtheilt von diesem auf die Qualität überhaupt, und der
Zweck ist doppelt verfehlt.
Ochsen- und Büffelhorn wird zwar oft an Federmessern, kleineren Taschenmessern
etc. angewendet, ist jedoch für stärkere, die viel gebraucht werden und welche
überhaupt schon mehr leisten sollen, nicht dauerhaft genug, während Hirschhorn noch
den weitern Vorzug hat, daß es vermittelst seiner Rippen fester in der Hand liegt,
was bei angestrengtem Gebrauch nicht unwesentlich ist. Das Publicum kennt diese
verschiedenen Vortheile theils aus eigener Erfahrung, theils ist es durch altes
Herkommen an dieses Material gewöhnt, so daß es demselben vor jedem andern bei
weitem den Vorzug gibt, und solches daher an starken Messern beinahe ausschließlich
verlangt, ohne dessen Mängel zu berücksichtigen.
Um diesen mißlichen Verhältnissen abzuhelfen, sind bereits vielfach Versuche gemacht
worden, ein dem Hirschhorn gleichkommendes Surrogat auf künstlichem Wege
herzustellen, ohne daß man zu einem günstigen Resultate gelangt wäre.
Wir haben Muster von verschiedenen Seiten kommen lassen. Betrachten wir zunächst
dasjenige aus Backnang, Göppingen etc. so finden wir ein dem Hirschhorn an Farbe
zwar etwas ähnliches, in allem Uebrigen jedoch sehr verschiedenes Material, welches
deßhalb auch nur zu ganz ordinären Messern angewendet wird. In Solingen und
Umgegend, Schmalkalden etc. wird schon ein dem Hirschhorn äußerlich ähnlicheres
Surrogat gemacht, solches hat jedoch, wie ersteres, den Hauptübelstand, daß es aus
Knochen bereitet wird, und daher theils schon beim Montiren, theils nach kurzem
Gebrauche der Messer, an den Nieten springt. In England endlich wird Büffelhorn zur
Fabrication von künstlichem Hirschhorn verwendet, dasselbe hat jedoch nicht die
täuschend ähnliche Farbe, quillt ferner leicht auf und verzieht sich durch den
Einfluß der Wärme und der Feuchtigkeit, von welch verschiedenen Mängeln es herrührt,
daß auch dort das künstliche Hirschhorn noch keinen guten Ruf erlangt hat, vielmehr
nur zu geringen Arbeiten genommen wird.
Da nun alle diese Versuche von dem gewünschten Erfolge so sehr fern blieben, so
fühlten auch wir uns angespornt, diesem wichtigen Gegenstande unsere Zeit und Kräfte
zu widmen. Wir haben Versuche mit verschiedenen Hölzern
angestellt, welche stets befriedigender ausfielen, bis es uns endlich gelang, mit
Sicherheit Schalen zu fertigen, welche sämmtlich dem natürlichen Hirschhorn
täuschend ähnlich kommen und dabei alle seine Vortheile vereinigen.
Wir geben nachstehend genaue Beschreibung der Fabricationsmethode. Was die
Dauerhaftigkeit anbelangt, so ist unser Präparat von einer Stärke, die dem eines
natürlichen Hirschhorns vollkommen gleichkommt, es springt weder, noch verzieht oder
wirft es sich, da es durch das starke Zusammenpressen in erwärmten Zustande für alle
äußeren Einflüsse unzugänglich geworden ist. Außerdem hat künstliches Hirschhorn vor
dem natürlichen für die Messerfabrication den Vortheil, daß man bei ersterem auf
keine bestimmte Größe beschränkt ist, ihm auch jede beliebige Form geben kann, sowie
ferner daß, da man zur Verfertigung desselben nur ein ausgezeichnet schönes, natürliches Hirschhorn abformt, alle Schalen von ganz gleicher
Schönheit ausfallen, was bei dem natürlichen desto schwerer ist, je größer die
Aufträge sind, welche man auszuführen hat.
Die von uns verfertigten Schalen kommen auf 4 kr. das Paar zu stehen, während
dieselben Schalen von natürlichem Hirschhorn durchschnittlich nicht unter
20–24 kr. das Paar anzuschaffen sind, wobei man überdieß auf kein
durchgehends so schönes Hirschhorn Anspruch machen dürfte.
Fabricationsmethode. Die geeignetsten Hölzer zu
künstlichem Hirschhorn sind: Ahorn, Birnbaum, Mehlbaum, insbesondere junge Stämme.
Die Schalen werden, um die Festigkeit und das beinartige Aussehen des natürlichen
Hirschhorns zu erhalten, dreimal so stark zugeschnitten, als sie werden sollen, und
nachdem sie ihre Form durch die Feile erhalten haben, wird die Oderfläche, welche
hirschhornartig werden soll, fein glatt geschahen und sämmtliche Schalen 6–7
Tage in – mit Wasser verdünnte – Seifensiederlauge gelegt, welche eine
Zeit lang etwas zu erwärmen ist. Hiedurch werden die Fasern erweicht, und, um den
Farbstoff einzusaugen, empfänglich gemacht. Alsdann werden dieselben in der Farbe
5–6 Stunden in einem irdenen Topf gekocht. Diese Farbe wird bereitet, indem
man 1/4 Pfd. Kasseler-Braun, 1 Pfd. Fernambuk, 6 Loth Potasche und 4 Loth
Zinn-Solution in drei Maaß Wasser, mit 1 Maaß Essig vermischt, ebenfalls in
einem irdenen Topf abkocht.
Die Schalen werden nun in eisernen Formen unter einer starken Presse bis auf 1/3
ihrer ursprünglichen Stärke eingepreßt, wobei sowohl die untere Stantze, in welche
die Schalen geformt sind, als die Platte, welche von oben darauf drückt, ziemlich
stark erwärmt werden.
Zuletzt erhalten die Schalen einen Firniß, bestehend aus 1/4 Pfd. Benzoeharz und 4
Loth Drachenblut, in Alkohl aufgelöst, womit man die Schalen mittelst eines
Haarpinsels möglichst dünn überstreicht.