Titel: | Landwirthschaftliche Beiträge, besonders über die Dienste welche die Chemie der Agricultur leisten kann; vom Grafen Gourlier. |
Fundstelle: | Band 112, Jahrgang 1849, Nr. L., S. 227 |
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L.
Landwirthschaftliche Beiträge, besonders über die
Dienste welche die Chemie der Agricultur leisten kann; vom Grafen Gourlier.
Aus dem Moniteur industriel, 1849, Nr. 1312 u.
1315.
Gourlier's landwirthschaftliche Beiträge.
Die schottische Agriculturgesellschaft bildete in ihrem Schooß eine neue
Gesellschaft, welche die Fonds zur Bezahlung eines geschickten Chemikers
herbeischafft, dessen Aufgabe es ist, auf die möglichst wohlfeile Weise die Analysen
von Erden, Mergeln, Kalksteinen, phosphorsauren Verbindungen, Mineralien, käuflichen
Düngern und zum Viehfutter dienenden Kräutern und Wurzeln anzustellen. Die Resultate
waren so ersprießlich, daß beide Gesellschaften sich vereinigten, indem sich alle
Mitglieder entschlossen, zu diesem nützlichen Unternehmen beizutragen.
Eine ähnliche Gesellschaft ging nun auch aus der königlichen Agriculturgesellschaft
in England hervor. Sie besteht aus dirigirenden Mitgliedern, welche jährlich 5 Pfd.
Sterl., und gewöhnlichen Mitgliedern, die nur 1 Pfd. Sterl. zahlen. Der Chemiker hat
einen fixen Gehalt, wogegen er sich verbindet, Analysen gegen höchst geringe
Honorirung anzustellen; er muß sich ein Laboratorium mit den erforderlichen
Chemikalien und Apparaten halten.
Der berühmte Landwirth Huxtable, auch Chemiker, wurde zum
Secretär der neuen Gesellschaft ernannt. In seinem der Gesellschaft am 7 Junius
vorigen Jahrs erstatteten Bericht machte er darauf aufmerksam, daß die Forderung
bloß annähernder Analysen, um sie minder theuer zahlen zu müssen, eine
übelverstandene Sparsamkeit sey, weil die Resultate derart ausfallen, daß das Geld
als verloren betrachtet werden kann. Er führt bei dieser Gelegenheit eine Analyse
an, welche von Sir Robert Peel verlangt wurde, der auf einem seiner
Landgüter ungeheure Verbesserungen einführt. Es handelte sich nämlich um vier
Mergelarten, welche 10 bis 12 Procent kohlensauren Kalk enthaltend befunden wurden.
Er wäre daher sehr verlegen gewesen, den Unterschied anzugeben, der zwischen diesen
4 Proben zu machen ist, wenn er nicht durch die vollständige Analyse erfahren hätte,
daß einer derselben 1 1/2 Procent phosphorsauren Kalk enthält, die andern aber nur
Spuren.Hr. Way analysirte im Auftrag des Hrn. Paine, Landwirth in der Grafschaft Surrey, die
Mergelarten seiner Umgegend, und fand daß die sich weithin erstreckende
untere Kreideschichte sehr viel von den Ueberresten vorsündfluthlicher
Thiere herstammende Phosphorsäure enthalte. Der Mergel enthält 15 Proc. und
die ihm beigemengten fossilen Knochen 50 bis 60 Proc. phosphorsauren
Kalks. Ein anderer, der von einem Düngmittel kaufen wollte, für welches man 6 Pf.
St. per 1000 Kilogr. verlangte, erfuhr durch die
Analyse, die er im Vergleich zum peruanischen Guano damit anstellen ließ, daß
dasselbe nur 4 Pfd. Sterl. werth war, d.h. daß von diesem Dünger 2500 Kilogr.
erforderlich sind, um mit ihm so viel Product zu erhalten, als 1000 Kilogr.
perunianischer Guano liefern, welche nur 10 Pfd. Sterl. kosten Die zahlreichen von
Hrn. Lawes in den Abhandlungen der königl.
Agriculturgesellschaft für England veröffentlichten Analysen, sagt Hr. Huxtable, werden in Großbritannien in der
Agriculturchemie Epoche machen. Hr. Lawes hat durch
unzählige Versuche mit verschiedenen Düngerarten unwiderleglich dargethan, welches
die unerläßlichen Bedingungen sind, um reichliche Weizenernten zu erhalten; er hat
bewiesen, daß der Stickstoff in Form von Ammoniak der wesentliche Düngerbestandtheil
für die Erzeugung von Weizen ist, daß es folglich die Hauptaufgabe der Landwirthe
ist, sich um den möglich wohlfeilsten Preis viel Ammoniak zu verschaffen.
Der Preis des Ammoniaks, dessen Hauptquellen der Guano und das aus den Gasanstalten
zu beziehende schwefelsaure Ammoniak sind, kann nicht unter 70 bis 80 Centimes per engl. Pfund angeschlagen werden. Die Zersetzung
thierischer und pflanzlicher Körper ist aber eine bei weitem noch nicht hinreichend
benutzte Quelle für Ammoniak. Es werden z.B. in London eine ungeheure Menge
Seehundsfelle zubereitet, deren Abfälle mehrere 100,000 Kilogr. betragen, welche man
wegwirft oder deren größter Theil wenigstens wegen der Schwierigkeit sie zu
verwenden, verloren geht. Hr. Huxtable ließ, um ihren
Ammoniakgehalt zu erfahren, eine Analyse derselben durch Prof. Way anstellen, weil ein Versuch damit auf seinen Feldern ein Jahr Zeit
erfordert hätte; das
Resultat zweier Analysen war, daß diese Abfälle 10 1/2 Procent Ammoniak enthalten.
Er ließ daher ein großes Quantum davon auf sein Gut in der Grafschaft Sommerset
schaffen, und obgleich er wegen der Entfernung 22 1/2 Franken Fracht per 1000 Kilogramme zahlen mußte, schlägt er das Pfund
Ammoniak, bei ihm gelegt, nicht über 20 Centimes statt 70 an.
Wäre es im Herbst gewesen, so hätte man diesen Dünger vor der Saat unter die Erde
gegraben; allein es war Frühjahr und er sollte als Oberdünger für Weizenfelder
dienen. Auf Hrn. Way's Rath vermengte er, um alles in den
Haaren und Hautabfällen, die auf der Oberfläche des Bodens sich nicht vollkommen
zersetzen würden, enthaltene Ammoniak zunutze zu machen, diese Substanz mit
gebranntem Kalk, begoß hierauf den Haufen, um den Kalk zu löschen, und bedeckte ihn
sogleich mit einer reichlichen Menge von verkohlten Holzsägespänen, Pflanzenhülsen,
Unkraut, und goß über diese Decke mit Wasser verdünnte Schwefelsäure. Durch letztere
Operation sollte das Verlorengehen von Ammoniak verhütet werden.
Ueberhaupt läßt man in volkreichen Städten, besonders wo viele Fabriken sind, eine
ungeheure Menge Substanzen, die sich zu Dünger eignen würden, verloren gehen.
– Ferner werden von den Landwirthen viele Wurzeln gebaut, deren Blätter nicht
als Viehfutter verbraucht werden können, weil sie abführend wirken und dann weil
diese Wurzeln in einer zu kurzen Zeit eingethan werden müssen, als daß das Vieh sie
in derselben verzehren könnte. Hr. Huxtable ließ diese
Blätter auf einem trockenen Platze welken und gebrauchte sie dann als Winterfutter
für seine Schafheerde, welche außerdem bloß Stroh dazu erhielt; die Schafe lammten
sehr gut, erhielten jedoch 14 Tage lang, ehe sie warfen, ein nahrhafteres
Futter.
Die Analysen des Hrn. Lawes' und anderer Chemiker ergaben,
daß die Blätter, deren Gewicht beträchtlicher als das der Wurzeln, mehr Stickstoff
enthalten als letztere. Es ist zu bedauern, sagt Hr. Huxtable, daß man so viel nahrhafte Substanzen verloren gehen läßt; er kam
auf den Gedanken, behufs ihrer Erhaltung das in Deutschland und Rußland übliche
Verfahren der Aufbewahrung des Kohls unter dem Namen Sauerkraut modificirt in
Anwendung zu bringen. Er ließ in Kalkstein eine ungefähr 9 Fuß tiefe Cisterne
aushöhlen, die er mit wohleingedrückten Runkelrübenblättern anfüllen und mit 50
Kilogr. Salz auf 1000 Kilogr. Blätter bestreuen ließ. Zwei Jahre darauf dem
Horn- und Wollvieh und Schweinen gegeben, wurden sie von diesen Thieren begierig gefressen. In
diesem Zustand von Hrn. Way analysirt, lieferten sie mehr
Stickstoff als im grünen. Bedenkt man, daß eine gute Wurzelnernte per Hektare bis 125,000 Kilogr. Blätter liefern kann,
die sich auf obige Weise leicht und sicher aufbewahren lassen und für den Winter ein
schätzbares Viehfutter abgeben, wenn ihnen Strohhäcksel zugesetzt wird, so verdient
dieses Beispiel allgemeine Nachahmung.
Die vortheilhafteste Anwendung des Guano als Oberdünger anbelangend, empfiehlt Hr.
Huxtable ihn zur Begießung zu gebrauchen, statt als
Pulver auszustreuen. Zu diesem Behufe setzt er jedem Centner Guano ein Drittel
seines Gewichts Salz und ebenso viel Schwefelsäure zu; er verdünnt diese Säure mit 5
Liter Wasser und läßt sie erkalten; 33 Pfd. Salz werden in 18 Pfd. Wasser aufgelöst
zuerst dem Guano zugesetzt und dann nach und nach die Säure. Diese Auflösung wird
mit Wasser verdünnt und mit ihr der Rasen oder das Saatkorn selbst begossen.
Das italienische Reihgras (Vieh- oder Rispengras) baut Hr. Huxtable mit so gutem Erfolg an, daß er dasselbe, trotz
seines wohlverdienten Rufes außerordentlich erschöpfend zu seyn, nicht aufzugeben
gesonnen ist. Er ließ das Product von 10 Are der zweiten Mahd eines Reihgrasfeldes
abwägen, wobei es sich zu 1600 Kilogrammen ergab; es war nach dem Verschwinden des
Thaues gemäht worden. Diese zweite Ernte lieferte also per Hektare 16,000 Kilogr. Gras und da es gewöhnlich fünfmal gemäht wird,
so beträgt das Product dieses Flächenraums ,0 bis 80,000 Kilogrammen Gras, oder 17,500 bis 20,000
Kilogrammen Heu. (Hr. Dickenson theilte vor kurzem der
königlichen Agricultur-Gesellschaft mit, daß er auf einer Hektare von
9–10 Mahden bis 40,000 Kilogr. italienisches Reihgras erntete. Um dazu zu
gelangen, muß die Pflanze vor dem ersten Trieb und sogleich nach jeder Mahd mit 125
Hektoliter Pferdeharns, den man mit 250 Liter Wassers verdünnt hat, begossen werden;
indem derselbe die Fruchtbarkeit erhöht, gibt er dem Boden auch die erforderliche
Feuchtigkeit. Fehlt es an Pferdeharn, oder ist der Boden zu feucht, als daß man ein
Faß voll flüssigen Düngers und das dasselbe ziehende Pferd hineingehen lassen dürfe,
so löst er im ersten Fall 350 Kilogr. Guano in 375 Hektoliter Wasser auf, im andern
Fall streut er noch einmal so viel oder 6–700 Kilogr. Guano mit seinem
2–3fachen Volum Asche aus.
Hr. Huxtable ließ, um die durch so reichliche Ernten
bedingte Erschöpfung des Bodens genau zu erfahren, vier englische Pfund dieses Grases von Hrn. Way analysiren; das Resultat war, daß je 1000 Kilogr.
grünes Reihgras 8 1/2 Stickstoff enthaltenenhalten; 75,000 Kilogr., das Product einer Hektare, entziehen also dem gedüngten
Boden 637 Pfd. Stickstoff; 35 1/2 Liter Weizen, der Inhalt eines engl. Scheffels,
enthalten 1 Pfd. Stickstoff; daraus folgt, daß diese Reihgrasernte den Boden in
demselben Grade erschöpft, wie eine Ernte von 44 Hektoliter und 77 Liter Weizen;
damit ist nun allerdings erwiesen, daß das Reihgras furchtbar erschöpft; es liefert
aber auch eine Ernte von so großem Werthe, daß sie den Ankauf dessen möglich macht,
was zum Ersatz der dem Boden entzogenen Substanzen nöthig ist, bis der in Folge
dieses vortrefflichen Futters erhaltene Dünger der Erde zurückgegeben werden kann.
Um augenblicklich den durch den Reihgrasbau veranlaßten Stickstoffabgang zu
ersetzen, sind nach Hrn. Way für die Hektare 5 bis 600
Kilogr. peruan. Guano nach jeder Mahd erforderlich, wo dann aber neben dem Gewinn
einer größern Futterernte der Boden eher noch verbessert wird.