Titel: | Ueber mehrere Abhandlungen des Hrn. Vergnette-Lamotte, die Weine, insbesondere die Burgunderweine betreffend; Bericht von Hrn. Bussy. |
Fundstelle: | Band 112, Jahrgang 1849, Nr. XXXIII., S. 145 |
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XXXIII.
Ueber mehrere Abhandlungen des Hrn. Vergnette-Lamotte, die
Weine, insbesondere die Burgunderweine betreffend; Bericht von Hrn. Bussy.
Aus dem Bulletin de la Société
d'Encouragement, Oct. 1848, S. 645.
Vergnette, über den Weinbau und die Weine.
Die Abhandlungen des Hrn. Vergnette, Weinbauers im
Departement der Goldküste, über welche ich Bericht zu erstatten habe, betreffen sein
systematisches und gründliches Studium aller sowohl beim Wachsthum des Weinstocks,
bei der Entwickelung und Reife der Traube, als bei der Bereitung und Aufbewahrung
des Weins in Betracht kommenden Umstände. Die Arbeit des Verfassers ist übrigens
nicht nur für den Weinbau von großem Interesse, sondern kann auch für andere
Culturzweige Nutzen bringen.
Die erste Abhandlung, betitelt: von dem im Departement der
Goldküste dem Weinbau gewidmeten Boden, enthält das geologische Studium des
betreffenden Bodens, mit Durchschnitten, welche alle Veränderungen des Unterbodens
in den wichtigsten Lagen angeben. Aus der chemischen Zusammensetzung der
Gebirgsarten und der Bodenschichten werden Folgerungen für Bodenverbesserungen
behufs des Weinbaues gezogen; auch vergleicht er diese Bodenarten mit jenen anderer
Gegenden, namentlich des Bordeaux-Landes (Bordelais). – Den Schluß
dieser Abhandlung macht eine Classification der Weine von 1838–1844 nach der
atmosphärischen Beschaffenheit jedes Jahrganges, wohin gerechnet werden die Menge
des in den Hauptperioden der Wachszeit gefallenen Wassers, die Anzahl der Regentage,
die den verschiedenen Monaten des Jahrs entsprechenden mittlern Temperaturen, die
höchsten und niedersten Temperaturen in denselben Perioden, die Zeiten der Weinlesen
und die Umstände, unter welchen sie vor sich gingen. Folgendes sind die vom
Verfasser selbst aus seinen Arbeiten gefolgerten Ergebnisse:
„Die Gewächse der schweren Weine der Goldküste stehen nach Südwest auf dem
Abhange von 180 Meter über die Ebene sich erhebenden Hügeln, welche durch ein
zweites, 520 Meter über der Meresfläche liegendes Stockwerk vor dem Winde
geschützt sind. Die Ebene liegt 220 Meter über dem Niveau des Meeres.
Die Weinberge der Goldküste liegen, wie am Rhein und im Bordelais, auf der Linie,
wo der Türkischkornbau aufhört, also in isothermischen Linien.
Die Menge des jährlich gefallenen Regenwassers beträgt 0,745 Meter; die
entsprechende Anzahl Regentage ist 108. Der Regen in den Monaten Junius und
September ist dem Weinstock vom empfindlichsten Nachtheil; im Junius, weil er
das Abfallen der Blüthe veranlaßt; im SeptemberSeptemper, weil er die Traube zum Faulen bringt (1840) oder die Bildung anderer
chemischer Verbindungen aus den vorhandenen Elementen begünstigt. Es ist
vortheilhaft, wenn man im Monat Junius weniger als acht (1840, 1842) und in den
14 Tagen vor der Weinlese weniger als drei Regentage hat (1838).
Die Beholzung sowie die Entblößung der Gipfel der ersten Hügel scheinen ohne
Einfluß auf die Eigenschaften des von ihnen beherrschten Gewächses zu seyn.
Die Weinstöcke der Goldküste stehen auf einem Unterboden von Granit, Arkose,
buntem Mergel (d'Heune, Thal-Decize etc.) auf Lias-Mergel
(Hinterküste), auf mehreren Schichten der untern Oolith-Formation (die
schweren Gewächse der Küste), auf den Tertiär-Anschwemmungen der Ebene
(geringere Weine, vins gamays et petits noiriens),
endlich auf örtlichen Anschwemmungen, welche sich vorzüglich den die Küste
durchziehenden Thälern gegenüber zu bilden pflegen (Pommard, Volnay, Nuits
etc.).
Die Gewächse von Rang an der Goldküste sind alle innerhalb einer Zone, deren eine
Horizontal-Ebene sich 15, die andere 78 Meter hoch über der Ebene
befindet.
Der Gegenabhang der Gesteinschichten des ersten Stockwerks ist der Cultur des
Weinstocks förderlich, indem er das in den Unterboden einsikernde Regenwasser
von den Wurzeln der Pflanzen entfernt.
Die chemische Zusammensetzung des Unterbodens und der dem Weinbau gewidmeten
Erde, gestattet sie in sechs Classen zu gruppiren. Da die Kalisalze dem
Wachsthum des Weinstocks sehr günstig sind, so ist dem größern Kaligehalte der
Thonböden der Gewächse der 2ten, 4ten und 5ten Classe die Kraft ihrer Vegetation
und das Feuer ihrer Weine zuzuschreiben. Die Oolith-Gewächse der 1sten
Classe werden mehr Feinheit besitzen. Die Talkerde-Gewächse der 2ten
Classe werden von eigenthümlicher Zartheit seyn. Die Gewächse der 4ten Classe
verdanken ihre Eigenschaften dem Eisenoxyd und Kali. Das Erdreich der 5ten und
6ten Classe endlich ist, jenes dem Anbau des Gamay (geringe Sorte), dieses dem Anbau
einiger neuen Rebsorten zu widmen, welche productiver sind, als die Auvergner
Sorte (pineau), aber so stark wie letztere, und
solidere Weine geben, als die kleinen Schwärzlinge (noiriens) der Ebene sind.
Der chemischen Zusammensetzung der Erdreiche zufolge und in Anbetracht des
geringen Kaligehalts der Kalkformation, ist es sehr wichtig Asche und
ausgeruhtes Erdreich zu ihrer Verbesserung anzuwenden; stickstoffhaltige Dünger,
ausschließlich angewandt, geben dem Weinstock eine ihm fremdartige, der
Gesundheit der Weine schädliche Nahrung.
Endlich noch einige Schlußsätze. Sobald an der Goldküste der Wein den Unterboden
wechselt, erhält man einen andern Typus des Weins; kaum verläßt man auf-
oder abwärts die Zone der schweren Gewächse, so findet man sie schon zweiter
Gattung; je weiter man den Berg hinauf, oder zur Ebene hinabkömmt, desto
ordinäreres Product findet man. Man kann behaupten, daß nirgends in der Welt
sich alle Erfordernisse zur Entwickelung von Weinen, wie diejenigen unserer
ersten Sorten, so vereinigt finden. Es helfen bei uns so viele locale Umstände
zusammen, daß sie in ihrer Art immer unerreicht dastehen werden, und die neuen
Anpflanzungen in Preußen, im übrigen Deutschland, an den Ufern des schwarzen
Meers werden, man mache was man wolle, niemals Producte liefern, die mit ihnen
zu vergleichen sind; so werden z.B. die Volnay-Weine noch lange die
ersten Weine der Welt bleiben, wie sie es im 14ten Jahrhundert
waren.“
Hinsichtlich des Erdreichs von Médoc, sagt der Verfasser: „Die
Ebenen von Médoc sind mit einer, wahrscheinlich aus der Zeit der letzten
uns bekannten Wasserfluth herrührenden Ablagerung überdeckt; dieselbe besteht
großentheils aus gerolltem Quarz; der Unterboden ist zuweilen thonig, am
häufigsten aber besteht er aus reinem, oder durch Eisenoxyd zusammengeklebten
Sand, Alios genannt. Letztere Beschaffenheit des Unterbodens scheint den
schweren Gewächsen am besten zuzusagen. Im Bordelais, wo wir wenig Thon und Erde
mit alkalischen Bestandtheilen antreffen, führt der Seewind dem Lande die Natron- und Kalisalze zu, deren der Boden
bedarf, um die ihm durch den Weinwachs entzogenen Alkalien wieder zu
ersetzen.“
Wenn es wahr ist daß in gewissen Theilen Bordelais der Boden kein Kali enthält, daß
ferner (was nach des Verfassers Versuchen constant zu seyn scheint) ein Weingarten
von 1 Hektare Flächenraum, welcher 24,000 Stöcke enthält und 18 Hektoliter Wein
liefert, dem Boden 57,067 Kilogr. Kali entzieht, läßt sich dann mit
Wahrscheinlichkeit annehmen, daß dieses Kali durch den Seewind vermittelst der von ihm
mitgerissenen Salztheilchen herbeigeschafft werde? Allerdings kann die Wirkung des
Seewinds auf eine weite Strecke vom Ufer hin fühlbar werden, aber der Kaligehalt des
Meerwassers ist an und für sich so unbedeutend, daß es sehr zu bezweifeln ist, daß
der Vegetation dadurch eine erhebliche Menge zugeführt werden könne. Es wäre demnach
von diesem Gesichtspunkt aus die Zusammensetzung der Burgunderweine und
Bordeauxweine, welche in allen andern Stücken so sehr von einander abweichen,
vergleichend zu untersuchen, um zu erfahren, ob in den Bordeauxweinen nicht ein
Theil des Weinsteins durch andere ähnliche Verbindungen, etwa Natronsalze, vertreten
ist. Jedenfalls wäre im Interesse der Kenntniß der Weine sehr zu wünschen, daß
ähnliche Untersuchungen, wie die worüber ich so eben berichtete, mit den
Bordeauxweinen vorgenommen würden.
Die zweite Abhandlung: über die Weinlese der schweren Gewächse
der Goldküste, enthält die Ergebnisse über die Bestandtheile der Traube vor
und zur Zeit der Reife, über den Einfluß der Jahreszeiten auf die Traube zur Zeit
der Weinlese, über denjenigen der Herbstfröste je nach der Beschaffenheit des Bodens
und der Traubensorte etc. Die vom Verfasser gegebenen Vorschriften gründen sich auf
Versuche oder sind das Ergebniß sorgfältig angestellter Beobachtungen; er faßt sie
folgendermaßen zusammen:
„Nach dem Einfluß welchen die Zeit der Weinlese auf die Qualität der
feinen Weine hat, muß die Bestimmung dieser Zeit einem Comité von
Weinbergbesitzern und Handelsleuten übertragen werden, welche alle bei der
Heranbildung der Frucht gemachten Beobachtungen dabei in Erwägung zu ziehen
haben.
Bei der Traube, welche ihre Reife nicht erreicht hat, herrscht das saure
weinsteinsaure Kali vor und der erhaltene, wiewohl saure, junge Wein besitzt ein
deutliches Bouquet und wird seine Haltbarkeit und gute Ausbildung seinem großen
Gehalt an sauren Salzen zu verdanken haben (Burgunder-Weine von 1829,
1837 und 1838 und gewisse Rheinweine).
Ueberreife Trauben besitzen, wenn der Herbst warm und trocken war, einen großen
Zuckergehalt; solche Weine nähern sich den mittäglichen und verdanken ihre
Conservirung dem Alkohol. War der Herbst aber regnerisch, so enthält der
Traubensaft einen die faule Gährung einleitenden Stoff, welcher dem Wein keine
gute Zukunft verspricht. Die Regenfälle zur Zeit der Weinlese und der Hagel
sind die gefährlichsten Feinde unserer Lesen. (Beispiel: die Weine vom J.
1840.)
Wenn die Blüthe bald verschwand, so ist die Bestimmung der Lesezeit schwierig,
weil die Trauben den für einen guten Wein geeigneten Punkt der Reife rasch
überschreiten. Dauerte hingegen die Blüthezeit länger an, so findet man zur
Lesezeit so viel Verschiedenheit in der Reife der Frucht, daß die Zeit der Lese
leichter richtig getroffen werden kann. Je nachdem sich die Monate Julius und
August hinsichtlich der Wärme und der Menge des gefallenen Regens verhielten,
wird die Reife im Kieselkalkboden und Alluvialsand einen anderen Gang befolgt
haben als im Mergelkalk und Alluvialthon.
Da die Vergleichung der das WachsthumWachsthnm der Traube seit wenigstens 30 Jahren begleitenden meteorologischen
Erscheinungen für die Fixirung der Lesezeit von großem Belang ist, so wäre zu
wünschen, daß von dem Bureau des Longitudes die
Tabellen über die seit dem Jahr 1815 alle Monate angestellten Beobachtungen
über: 1) die Temperatur, höchste und niedrigste jedes Tags; 2) die
Hygrometergrade um 9 Uhr und 12 Uhr Mittag; 3) die Winde zur Mittagszeit; 4)
endlich die jeden Tag gefallene Wassermenge und die Anzahl der Regentage in
jedem Monat veröffentlicht würden.“
In seiner dritten Abhandlung behandelt der Verf. die Weinbereitung selbst; er untersucht zunächst die Construction der Kufen,
Keltern, Hallen, und meint, daß letztere im Burgundischen in der Regel sorgfältiger
und in der Art erbaut seyn sollten, daß zur Zeit der Weinlese eine gleichmäßige,
etwas höhere Temperatur darin unterhalten werden könnte, die er mit Recht als einer
vollkommenen und raschen Gährung förderlich betrachtet; er spricht sich gegen die
vorgeschlagene hydraulische Absperrung der Kufen und auch gegen das System aus, den
Hut (die sich obenauf begebende Masse von Kämmen und Hülsen) beständig unter der in
Gährung befindlichen Flüssigkeit zu halten; dagegen empfiehlt er den obern Theil des
Huts, auf welchen die Luft einwirkte, vor dem Abziehen zu entfernen, weil diese
Einwirkung der Luft sich bloß einige Centimeter unter die Oberfläche hinab
erstreckte.
Je weniger Zucker die Weine enthalten, desto kürzere Zeit sollen sie in der Kufe
bleiben; zu ihrer Gährung sind höchstens 72 bis 80 Stunden erforderlich. Ueber die
Thunlichkeit, dem Traubenmost noch eine gewisse Menge Zucker zuzusetzen, spricht
sich der Verfasser verneinend aus, indem er eine Menge Weinbergbesitzer anführt,
welche ihre Weine zu chaptalisiren pflegen und deren Producte, trotz des
Zuckerzusatzes im Handel
doch weniger beliebt zu seyn scheinen, als wo dieß nicht geschieht. Es ist jedoch
unwahrscheinlich, daß diese Leute so gegen ihren eigenen Vortheil verfahren würden,
und eher zu vermuthen, daß der Zusatz von Zucker, obgleich Weinen erster Qualität
und von guten Jahrgängen schädlich, dennoch geringere Gewächse verbessern oder den
Einfluß schlechter Witterung einigermaßen ausgleichen kann, ohne den Weinen jedoch
die Güte wieder zu verleihen, welche sie von Natur aus hätten haben können.
Nach Hrn. Vergnette kann jedoch der Zusatz von Zucker zum
Traubenmost (dessen Wirkung sich wohl immer auf Vergrößerung des Alkoholgehalts
zurückführen läßt) sehr schlimme Folgen für die Gesundheit und die Qualität des
Weines haben; er könnte den guten Ruf, dessen sich die Burgunder-Weine bisher
zu erfreuen hatten, untergraben helfen. „Die Chemie, meint der Verfasser,
kann nur die rationellen Wege des Weinbaues und der Weinbereitung angeben,
niemals aber berufen seyn, durch allerhand Mittel das zu ersetzen, was Boden und
Sonne unsern Producten versagen! Niemals werden Suresne und Argenteul mit Volnay
und Chambertin wetteifern können.“ Dieses im allgemeinen zugegeben,
dürfte es doch schwer seyn auszusprechen: „Bis hieher mit Hülfe der
Wissenschaft und nicht weiter!“ Es gibt Beispiele genug, wo,
abgesehen von der Chemie, durch besondere Sorgfalt und Pflege Früchte aus wärmern
Klimaten bei uns in gleicher, wo nicht besserer Qualität erzielt wurden, als in
ihrem Vaterlande.
(In dieser Abhandlung werden ferner die Einwirkung des Frostes auf den Wein und die
Klärung desselben mit Hausenblase behandelt; wir haben diese Capitel bereits im
polytechn. Journal Bd. CXI. S. 147 und 229 mitgetheilt.)
Die letzte Abhandlung enthält das physiologische Studium des Weinstocks, und
insbesondere der an der Goldküste cultivirten Auvergner Traube (pineau); wie früher sucht der Verfasser auch hier durch
genaue Daten der chemischen Analyse die Bereitung und Behandlung des Weins auf
bessere Methoden zurückzuführen. Wir entnehmen diesem Capitel folgende interessante
Thatsachen und Ergebnisse:
„Die Trauben enthalten Kali- und Kalksalze und sehr
verschiedenartige organische Substanzen. Unter letztern sind die bei der
Weinbildung und der Gesundheit der Weine am meisten betheiligten: das Ferment
(der Gährungsstoff), der Zucker, der Schleim (Gummi), der Gerbestoff und die
Farbstoffe.
Laub und Holz des Weinstocks sind reich an Kalisalzen. Den höchsten Salzgehalt
bei Einäscherung der Blätter erhält man zur Zeit, wo der Weinstock in voller
Blüthe steht. Die Rinde enthält viel kohlensauren Kalk; im Mark und Kern
herrschen phosphorsaure Kalksalze vor; der Wurzelstock und die starken Wurzeln
geben bei der Einäscherung einen kleinern Rückstand als die Blätter, das junge
Holz und die Wurzelzafern.
Bei den ersten Bewegungen der Vegetation enthält der Saft des Weinstocks
essigsaures Kali und Ammoniaksalze; später entwickeln sich die Kalisalze und der
Gerbestoff darin in starkem Verhältniß; im Herbst scheinen der Schleim, die
Stärke und harzigen Substanzen vorzuherrschen.
Ich unterscheide vier Hauptperioden im Wachsthum des Weinstocks: 1) die
Entwicklung der Knospe und des Stengels; zu diesem ersten Acte der Vegetation
ist der Humus der Erde erforderlich; 2) die Entfaltung der Blüthe und das
Ansetzen der Frucht; dieser Periode der Blüthe geht das Erscheinen neuer
Zäserchen am Wurzelstock voraus (das saure weinsteinsaure Kali hat zu dieser
Zeit das höchste Verhältniß im Blatte erreicht); 3) die Beere erhält ihre Größe,
verliert ihre Härte und Undurchsichtigkeit und wird elastisch und durchsichtig
(am Ende dieser Periode enthält die Beere das Maximum von saurem weinsteinsaurem
Kali); 4) in der letzten Periode beginnt das Reifen der Frucht; das Zeitigen des
Holzes und das Hervortreten der Ranken aus den Blattwinkeln finden in dieser
Periode statt oder gehen ihr schon voraus; sie ist noch durch das Erscheinen
weiterer Auswüchse an der Wurzel charakterisirt. Frühlingsreife, kalte Regen zur
Blüthezeit, außerordentliche Trockne des Sommers, dann Regenfälle und Fröste im
Herbst, sind die durch die Witterung veranlaßten Unglücksfälle beim Weinbau.
Durch ein sehr einfaches und genaues mechanisches Verfahren gelang es mir, den in
den Traubenbeeren enthaltenen Saft in drei Theilen abzusondern. Indem ich diese
Säfte gesondert analysirte, fand ich daß der innerhalb der Nahrung zuführenden
Bänder des Kerns befindliche Saft vorzüglich reich ist an Schleim und Holzfaser;
der Saft welcher der häutigen Hülle der Beere zunächst liegt, ist der
zuckerreichste; der dazwischen liegende ist der sauerste und reichste an
Gährungsstoff.
Die luftförmigen Flüssigkeiten welche man im Saft der Pflanze und der Beere
findet, scheinen sich mehr im Zustand chemischer Verbindung als bloßer Auflösung
zu befinden.
Der Kern ist von einem an Gerbestoff überaus reichen faserigen Häutchen umgeben.
Die in der Traube enthaltene Menge Gerbestoffs kann man unter übrigens
gleichen Umständen als proportional betrachten dem Verhältniß welches zwischen
dem Volum der in den Beeren enthaltenen Kerne und dem Volum der Beeren dieser
Trauben besteht. Bei einigen Varietäten entwickelt sich dieses Häutchen mehr als
bei andern.
Entblößt man den Kern mittelst verdünnter Schwefelsäure, so gibt die
zurückbleibende knochige Hülle nur mehr Spuren von Gerbestoff; der Gerbestoff
ist mithin dem Häutchen des Kerns eigenthümlich.
Die knochige Hülle des Kerns enthält eine, von einer sehr bittern Haut umgebene,
ölige Mandel.
Die Farbstoffe haben ihren Sitz in der Haut der Beere unter der sie bekleidenden
Epidermis; die Traube färbt sich unter dem Einfluß des Sonnenlichts, wo dasselbe
von der durchsichtig gewordenen Beere absorbirt werden kann. Die Trauben sehr
stark behangener Weinstöcke erhalten wenig Lichtstrahlen und sind daher minder
reich an Farbstoff; ebenso verhält es sich mit dicht gebeerten Trauben und den
unter dem getrübten Himmel eines regnerischen Herbstes gereiften Trauben.
Der Traubenkamm enthält (Gummi-) Schleime, Eiweißstoff, weinsteinsaure
Salze, Gerbestoff etc., kurz alle Bestandtheile der Beeren; es waltet aber
keiner derselben besonders vor und der Kamm gibt nur sehr wenig von ihnen an die
Flüssigkeit ab, unter welcher er sich während der Gährung in der Kufe befindet;
seine Wirksamkeit in der Kufe scheint sonach eine rein mechanische zu seyn.
Das Häutchen der Beere enthält ein sehr wohlriechendes flüchtiges Oel. Ein (im
Herbst vorgenommenes) vollkommenes Ablauben des Stocks macht den Most seiner
Trauben saurer und minder dicht.
Nachdem ich berechnet hatte, daß die drei Sprößlinge der Rebe, welche wir an dem
Stock der Auvergner Traube (pineau) zu lassen
pflegen, im Durchschnitt 88 Blätter tragen, die auf ihren beiden Seiten 140
Quadratdecimeter Oberfläche haben, fand ich, daß die Pflanze vermöge dieser
Oberfläche der Atmosphäre ungefähr 90 Gramme Kohlenstoff entzieht; da aber die
dieser Absorption entsprechende Traube im Mittel nur 19 Gramme Kohlenstoff
repräsentirt, so schloß ich daraus, daß man einen bedeutenderen Theil des Endes
der jungen Stämmchen abschneiden kann, als zur Ernährung der Frucht und des
zurückbleibenden Holzes erforderlich ist. Durch dieses Verfahren, welches ich
den Sommerschnitt (taille
d'été) nannte, und welcher nach dem Verblühen vorgenommen
wird, erhalte ich dem Boden einen guten Theil anorganischer Substanzen, die ihm
das Rebholz, welches im nächsten Jahr abgeschnitten wird, zu reinem Verlust
entzieht. Außerdem werden die krautartigen Stengel beseitigt und unter die Erde
gegraben, dienen folglich als Dünger; endlich hat deren Entfernung zur
unmittelbaren Folge, daß die jungen belaubten Stöcke Trauben tragen, die unter
bessern Verhältnissen wachsen als früher, indem durch dieses Verfahren die
Früchte dem wohlthuenden Einfluß der Luft, des Lichts und der Wärme besser
ausgesetzt werden.
Beim Weinbau in Burgund werden im Durchschnitt auf die Hektare Weinlands 25,700
Stöcke gepflanzt. Nimmt man nun 20 Hektoliter als das mittlere Erzeugniß der mit
Auvergner Traube (pineau) bepflanzten Hektare an, so
sehen wir, daß – da der Schnitt dem Wurzelstock durchschnittlich 131
Gramme Rebholz entzieht, ferner die Blätter und Blattstiele jedes Stocks 192
Gramme wiegen, endlich die (der Production von 20 Hektol. entsprechenden) 1,80
Trauben desselben Stocks 123 Gramme wiegen – eine Lese per Hektare 11,463 Kilogr. Substanzen entzieht,
welche enthalten:
Wasser und flüchtige
Stoffe
8,860
Kohlenstoff
2,247
auflösliche Salze
69,40
unauflösliche Salze
286,60
–––––––––
11,463
Der Herbstregen vermindert die Dichtigkeit des Mostes, schwellt die Beere an,
vermehrt im Saft die wässerige Substanz und bringt außerdem eine neue Menge
saurer Salze in denselben, wovon die letzte Folge eine Verspätung der Reife und
die Röthung der Fruchthaut ist.
Die Fäulniß zerstört den Farbstoff und den Zucker und vermehrt den Schleim (das
Gummi); der Most gefaulter Trauben ist dichter als von gesunden.
Der Most vor ihrer völligen Reife gefrorner Trauben enthält eine beträchtliche
Menge Essigsäure.
Die vom Hagel getroffene Traube, deren Beere im Herbst gekeltert wurde, erfährt
eine ganz besondere Desorganisation; ihr Parenchym wird undurchsichtig und sie
hat einen üblen Geruch. Die Lebenskraft der Beere muß vom Hagel auf andere Weise
zerstört werden, als durch das Treten, weil der Wein, welchen die vom Hagel
getroffene Traube gibt, immer einen unangenehmen Nebengeschmack hat, wenn auch
die Traube unmittelbar nach dem Einsammeln getreten wurde.
Hinsichtlich der Wirkung gewisser Lösungen auf das Wachsthum des Weinstocks fand
ich, daß die Salzlösungen sehr schnell in die Circulation der Pflanze aufgenommen
werden. Auflösungen von Kochsalz und Eisenvitriol scheinen die Färbung des
Laubes und ein kräftiges Wachsthum zu begünstigen.“
Wir haben den Inhalt dieser letzten Abhandlung so ausführlich mitgetheilt, weil er
sowohl in physiologischer Hinsicht als für die landwirthschaftlichen Interessen sehr
werthvoll ist.