Titel: | Die Benutzung des Luft- und Dampfdrucks zur Extraction organischer Substanzen. |
Fundstelle: | Band 105, Jahrgang 1847, Nr. XLIX., S. 176 |
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XLIX.
Die Benutzung des Luft- und Dampfdrucks
zur Extraction organischer Substanzen.
Mit Abbildungen auf Tab.
III.
Die Benutzung des Luft- und Dampfdrucks zur Extraction
organischer Substanzen.
Dr. Romershausen, welcher
sich mehrfach bestrebte naturwissenschaftliche Kenntnisse für das praktische Leben
nutzbar zu machen, war auch der erste, der im Jahr 1816
die Luftpumpe zu gewerblichen und häuslichen Zwecken
anwandte.Man vergl. 1) Neues Journal der Pharmacie von Dr. J. B. Trommsdorf,
Leipzig 1818 S. 539. Die von Romershausen
erfundene
Luftpresse als ein wichtiger Apparat allen
Pharmaceuten empfohlen vom Herausgeber.2) Dr. Romershausen's
Luftpresse, eine in den königl. preuß. Staaten patentirte Maschine
zum Extrahiren, Filtriren und Destilliren etc. I. H. Zerbst bei Füchsel
1818.3) Kastner's Deutscher Gewerbsfreund, 1818 Bd. III
S. 209 und 221.4) Marechaux über die Romershausen'schen Extractpressen im
polytechn. Journal Jahrgang 1821, Bd. IV.
S. 420. Ob nun gleich die Benutzung derselben zu vortheilhafterer Gewinnung vegetabilischer
Extractivstoffe – zur Abdampfung und Destillation im luftverdünnten Raume
– zur Filtration und Klärung von Flüssigkeiten etc. bereits einen
vielseitigen Eingang im In- und Auslande gefunden hat und der Construction
vieler mehr oder minder zweckmäßiger Apparate zum Grunde gelegt worden ist, so
scheint man doch nicht allein den Erfinder, sondern auch seine besondern Zwecke
vergessen zu haben und namentlich ist die Anwendung derselben in der Pharmacie, der Liqueurfabrication und im Hauswesen immer noch
mangelhaft geblieben.
Den durch Atmosphärendruck wirksamen und vorzüglich zur
kalten Extraction der Pflanzenstoffe bestimmten Maschinen gab der Erfinder den Namen
„Luftpresse“ und benützte
auch damals zuerst den Dampfdruck
Vergl. obige Schrift: Romershausen's Luftpresse III H., ferner Marechaux a. a. O. und Beschreibung der Romershausen'schen Dampfpresse und
deren Anwendung in Färbereien, Gerbereien, Bierbrauereien etc. im polytechn.
Journal, Jahrgang 1821 Bd. IV S. 420. bei seinen Dampfpressen zu vortheilhafter
Bereitung warmer Extracte. Beide haben viele Nahahmungen gefunden und namentlich ist
das Princip der letztern vielfach mißverstanden und bei einer Menge künstlich
geformter und zum Theil völlig unbrauchbarer Kaffeemaschinen benutzt worden. Es wird daher nicht unzweckmäßig seyn,
hier an einigen kleinern, überall leicht ausführbaren und vom Erfinder selbst
construirten Vorrichtungen die wesentlichen Vorzüge dieser Extractionsweise näher
nachzuweisen und zu allgemeinerm Gebrauch zu empfehlen.
I. Die Luftpresse zu kalten wässerigen
und geistigen Extracten. Fig. 33.
A das Evacuationsgefäß, ein
oben bei c und zur Seite bei d mit Oeffnungen versehenes Glasgefäß.
C eine Handluftpumpe von
bekannter Construction mit Blasenventilen. Dieselbe ist in angegebener Weise in dem
Holzgestell r, s befestigt. C der gut ausgeschliffene Stiefel und D die mit einem Handgriff versehene Kolbenstange.
Vermittelst der im Boden des Stiefels angebrachten und in das Fußgestell
eingelassenen Röhre
k, i, r, g communicirt die Luftpumpe mit dem Evacuationsgefäß
A. Zu dem Ende ist bei e in
die Messingfassung der Röhre ein dichter in Talg getränkter und in die Oeffnung d des Glasgefäßes A
luftdicht passender Kork eingekittet, wodurch die
Verbindung leicht hergestellt und aufgehoben werden kann.
B das gläserne Extractionsgefäß; es ist mit seinem untern Hals
a in die Messingfassung des Hahns
b eingekittet. Die durchgehende Röhre p ist mit einem eben solchen in c passenden Kork versehen, wodurch es leicht auf A luftdicht aufgesetzt und abgenommen werden kann.
Vor Beginn der Extraction wird, in den Hals bei a ein
dichtschließender Pfropf von Filz oder ein Röllchen von gestricktem wollenen
Strumpf fest eingedrückt.
Um nun sowohl die Behandlung als auch die wesentlichen Vortheile der durch diese
Maschine bewirkten Extraction praktisch nachzuweisen, wählen wir beispielsweise die
Bereitung eines kalten, geistigen Zimmtextracts.
Nachdem die Maschine wie die Abbildung zeigt geordnet und zusammengesetzt ist, wird
die gröblich zerstoßene Zimmtrinde in das Extractionsgefäß B eingebracht, festgedrückt und das Decksiebchen
m, n mit Unterlage eines Scheibchens Fließpapier dicht aufgesetzt. Man gießt nun die zur
Extraction bestimmte Flüssigkeit, hier z.B. feinen Weinsprit, in den obern Raum auf m, n und
evacuirt sofort bei geöffnetem Hahn b das Gefäß A vermittelst der Luftpumpe. Da hiebei gleichzeitig aus
dem von oben geschlossenen Zimmtpulver die Luft
hinweggenommen wird und die feinsten das Aroma enthaltenden Zellen und Zwischenräume
desselben von der inhärirenden Luft entleert werden, so dringt die Flüssigkeit mit
Macht in die Substanz des Zimmts ein und sinkt immer tiefer hinab; man muß daher
durch Nachgießen den obern Raum m, n stets angefüllt
erhalten. Ist nun der Spiritus in das Zimmtpulver bis zu a hinabgedrungen und es erscheint bei p der
erste Tropfen des Extracts, so schließt man den Hahn b
und läßt die Vorrichtung zu vollkommener Lösung einige Zeit ruhig stehen.
Nachdem dieses erfolgt ist, seht man die Luftpumpe wieder
in Bewegung und öffnet den Hahn b, worauf das
concentrirte klare Extract durch p in A herabfließt. Während dieser Operation erhält man durch
Nachgießen von Sprit auf m, n
das Extractionsgefäß
B
immer von oben geschlossen, bis die geringe Färbung des
bei p abfließenden Extracts anzeigt, daß das Zimmtpulver erschöpft ist. Die
alsdann nachdringende Luft entführt endlich den letzten Rest der Flüssigkeit aus dem
Rückstande in B.
Jetzt werden die Gefäße auseinander genommen, das in A
befindliche Extract verwahrt, das aller löslichen Bestandtheile beraubte und als
leere Holzfaser erscheinende Zimmtpulver aus B
herausgenommen, der Filzpfropf a vermittelst eines
Drahts herausgestoßen und die Gefäße geeinigt.
Will man aus dem Zimmtpulver auch noch den geringen Rest
spirituöser Feuchtigkeit gewinnen, so gießt man nach vollendeter Extraction Wasser auf m, n, welches bei
erneuerter Evacuation in das Pulver eindringt und den Spiritus völlig verdrängt.
Dieses ist indessen selten der Mühe werth, indem die durchströmende Luft schon alle
Flüssigkeit entführt; auch muß man dabei das schöne klare Extract zuvor aus A entfernen, indem das eindringende Wasser eine Trübung
desselben veranlassen würde.
Diese Luftpresse ist unstreitig unter allen seither
bekannt gewordenen Ausziehungspressen zur kalten Extraction der feinern und kostbarem Pflanzen- und
Gewürzstoffe die vorzüglichste. Sie erspart alle die umständlichen und stets mit
Verlust verbundenen Operationen der Digestion, der mechanischen Auspressung und
Filtration etc., indem sie innerhalb weniger Minuten die Substanz völlig erschöpft
und sogleich die klarsten und vollkommensten Extracte in
höchst möglicher Concentration liefert. Jeder weiß, wie schwer es hält, bei
dem allgemeinen Luftdruck aus den feinsten Zellen und Zwischenräumen der zu
extrahirenden Stoffe die inhärirende Luft zu entfernen, welche das vollkommene
Eindringen der Lösungsflüssigkeit verhindert. Es ist daher einleuchtend, wie hier
die vorangehende Evacuation der Pulver diese Hüllen zersprengt und sie für die volle Einwirkung der
alsdann mit einem Atmosphärendruck von circa 2000 Pfd.
auf den Quadratfuß Fläche andringenden Flüssigkeit öffnet. Diesen wesentlichen
Vorzug gewährt weder irgend eine Construction der Real'schen
Presse noch die von Romershausen angegebene
höchst kräftige hydromechanische Extractpresse.
Unsere Luftpresse empfiehlt sich demnach vorzüglich der
Pharmacie zu schneller und vollkommener Bereitung der
Tincturen und Essenzen
(vergl. das ärztlich-pharmaceutische Gutachten im Deutschen Gewerbsfreund H.
7 S. 209) und Romershausen gründete auf dieselbe einen weit
vortheilhaften: und rationellem Betrieb der für das gesammte Volksleben wichtigen
Liqueurfabrication.Vergl.: Die comprimirten Grundessenzen; eine
wesentliche Verbesserung der gesammten Liqueurbereitung, sowohl in Hinsicht
auf den Gesundheitszustand der Consumenten, als auch auf den Vortheil der
Fabrikanten. Von F. G. Geiß. Halle bei Heinemann
1847.
Auch dem Hauswesen leistet sie die vortheilhaftesten
Dienste, indem sie die kostbarem Gewürzstoffe, welche bei
dem gewöhnlichen Zusatz zu den Speisen durch das Kochen ihre feinsten Bestandtheile
verlieren, in concentrirten und völlig haltbaren Extracten liefert und dadurch über
die Hälfte erspart. Sodann befriedigt sie viele andere häusliche Bedürfnisse
– sie bereitet die feinsten Kräuteressige aus
Esdragon etc., Liqueure und Essenzen, z.B. concentrirte Thee- und
Kaffeeessenzen, welche vorzüglich auf Reisen sehe
angenehm sind, da ein geringer Zusatz derselben zu kochendem Wasser diese Getränke
augenblicklich in ihrer vollen aromatischen Kraft darstellt. Zu diesem Zweck werden
diese letztem Extracte auf oben angegebene Weise vollkommen haltbar vermittelst feinstem, aber wasserverdünntem
Sprit gewonnen.
II. Die Dampfpresse zu warmen wässerigen
und geistigen Extracten.
Bei dieser Maschine wirkt anstatt des Atmosphärendrucks
der mächtige Druck eingeschlossener Dämpfe in Verbindung
mit der Wärme. Sie gestattet daher jede beliebige
Kraftanwendung zu schneller und vollkommener Gewinnung aller lösbaren Bestandtheile
organischer Substanzen. Sie leistet dadurch vielen Fabriken die wesentlichsten
Dienste, namentlich der Färberei, Gerberei, Bierbrauerei etc. Der Erfinder selbst
hat ihr nach oben angeführten Schriften mehrfache verschiedene Constructionen
ertheilt und ihr oft mißverstandenes Princip hat im In- und Auslande
vorzüglich zu vielfachen, wunderlich verwickelten Ausführungen von Kaffeemaschinen Veranlassung gegeben. Wir wollen daher
hier eine solche von Romershausen selbst construirte Maschine näher beschrieben, da sie bei ihrer großen
Einfachheit von jedem Klempner leicht angefertigt werden kann und über die höchst
kräftige Wirkungsweise der Dämpfe vollkommen verständigt.
Die Dampfpresse zur Kaffeebereitung. Fig. 34, 35, 36 und 37.
Fig. 34 zeigt
die Maschine im Durchschnitt und erläutert die Beschickung derselben.
A ein ringsum verschlossenes cylindrisches Gefäß von
starkem verzinntem Eisenblech mit gefalzten Löthungen.
b, a eine 3/4 Zoll im Durchmesser haltende Seitenröhre,
welche sich mit dem Extractionsgefäß
B verbindet.
B das Extractionsgefäß von
einer solchen Höhe und Weite, daß es nach Erforderniß von einem oder mehreren Lothen
Kaffeepulver vollkommen angefüllt wird – also
zu einer oder mehreren
Portionen eingerichtet ist.
C ein siebförmig durchlöcherter Deckel, welcher vermittelst des Scharniers an dem Gefäß befestigt, und zum
Verschluß mit dem Ueberfall d versehen ist, welcher bei
e sicher eingehakt wird. Dieser Deckel muß etwas
weiter als der obere Rand m, n des Gefäßes gearbeitet
werden, damit ein auf m, n ausgelegtes Fließpapier bei dem Verschließen desselben mit seiner
Umkrämpung noch Raum findet; auch muß der obere Rand m,
n bei dem Verschluß dicht an die durchlöcherte Oberfläche C des Deckels anschließen.
Fig. 35 ein
kleines mit einem Handgriff versehenes Bodensiebchen,
welches in das Extractionsgefäß B eingesetzt wird, damit
das einzuschüttende Kaffeepulver nicht in die Bodenröhre fällt.
Um die Maschine zu beschicken, wird sie in der vorliegenden Lage aufgestellt.
Zunächst gießt man das zur Extraction bestimmte Wasser durch die Bodenröhre
a, b nach Richtung des Pfeils in A bis zur Höhe o, p ein, setzt das Bodensiebchen ein, schüttet das gröblich gemahlene Kaffeepulver in B und drückt
dasselbe fest. Der kleine in Fig. 36 dargestellte in
m, n passende Blechtrichter ist zu diesem Einbringen des Pulvers sehr bequem und
nützlich.
Nun legt man auf m, n ein passendes Stückchen Fließpapier, drückt den Deckel
C darauf nieder und hakt den Ueberfall
d an e fest ein.
Man kann zu der Extraction kaltes oder zu Ersparung des
theuren Brennspiritus auch warmes Wasser anwenden. Im
letztern Fall wird die Operation etwa in zwei Minuten vollendet und der Verbrauch an
Spiritus ist höchst unbedeutend.
Die nun folgende Extraction zeigt Fig. 37, welche dieselbe
Buchstabenbezeichnung hat.
S ist die auf einem zu der Maschine passenden Gestalt
angebrachte Spirituslampe.
Die Maschine wird, wie die Ansicht zeigt, jetzt umgekehrt
aufgestellt, wobei das Wasser in A bis zur Linie o, p herabsinkt und bei D
einen dampfdichten Raum bildet. Unter C stellt man ein
beliebiges Kaffeegefäß zur Aufnahme des abfließenden
Extracts und zündet die Spirituslampe an.
Sobald als das Wasser in A kocht, condensiren sich die
Dämpfe in D, ihr kräftiger Druck auf die Flüssigkeit
treibt dieselbe nach der Richtung des Pfeils a, b in das
in B dicht eingeschlossene Kaffeepulver und das starke
fast syrupartige Extract beginnt bei C abzufließen.
Man erhält auf diese Weise in der Zeitdauer von einigen Minuten das aromatisch
kräftigste Getränk und unterbricht die Operation durch Auslöschen der Lampe, wenn
etwa zwei Drittheile des verlangten Extracts abgeflossen sind, da die Dampfspannung
in D mehr als zureichend ist den Rest zu liefern.
Hiedurch ist man im Stande einen Kaffee von jedem beliebigen
Grad der Concentration zu erhalten, da das eigentliche belebende Aroma
desselben gleich zu Anfang der Operation gewonnen wird und das später fadbittere und
fast farblos abfließende Wasser ohne Werth ist.
Der Rückstand in B ist völlig
erschöpfte kraftlose Holzfaser und es ist keine andere Maschine im Stande auf so
schnelle und vortheilhafte Weise ein so vollkommen aromatisirtes Getränk zu
liefern.
Wählt man kaltes Wasser zur Extraction, so stellt man die
Maschine bis zu dem Zeitpunkt, wo das Wasser kocht, umgekehrt mit nach oben gerichtetem Extractionsgefäß B auf die Lampe, bringt
dieselbe aber sogleich in die hier in Fig. 37 dargestellte
Lage, wenn sich bei
C
Dämpfe zeigen, indem sonst das fein flüchtige Aroma des
Kaffees entweicht. Die Maceration und Dampfkochung ist zwar bei andern minder flüchtigen
Substanzen höchst vortheilhaft vor der Extraction, darf aber bei Gewürzstoffen nicht
angewandt werden.
Um die Maschine nach gemachtem Gebrauch zu reinigen, öffnet man C, zieht das Kaffeepulver vermittelst des Handgriffs am
Bodensiebchen heraus und läßt zur Nachspülung den Rest des Wassers aus A durch a, b ausfließen. Da
in dem Kessel
A stets nur reines Wasser
befindlich ist, so bedarf er keiner weitern Reinigung.
Diese Dampfpresse ist unstreitig die einfachste, billigste
und kräftigste aller seither bekannt gewordenen Kaffeemaschinen und verständigt zugleich vollkommen über die Vortheile des Dampfdrucks zur
Extraction anderer Stoffe und größerer Vorrichtungen zum Fabrikgebrauch. Für die Küche empfiehlt Romershausen
einen ähnlichen größeren Apparat zur Dampfkochung und Extraction des zerkleinerten
Fleisches zur Gewinnung höchst kräftiger und concentrirter Brühen und anderer der Kochkunst angehörigen Extracte. Größere feststehende Apparate werden mit
Sicherheitsventilen versehen, – bei der Kaffeemaschine steht aber der Abfluß des nachgebenden Wassers mit dem
Dampfdruck in zureichendem Verhältniß und es ist nach langer Erfahrung jede weitere
Sicherheitsvorrichtung überflüssig.