Titel: | Ueber die Zusammensetzung einiger Gläser welche in Böhmen fabricirt werden; von E. Peligot. |
Fundstelle: | Band 100, Jahrgang 1846, Nr. XXXVIII., S. 187 |
Download: | XML |
XXXVIII.
Ueber die Zusammensetzung einiger Gläser welche
in Böhmen fabricirt werden; von E. Peligot.
Aus dem Comptes rendus, März 1846, No.
12.
Peligot, über die Zusammensetzung einiger Gläser.
Unter den Industrieproducten auf der Ausstellung zu Wien im vorigen Jahr zogen
besonders die Fabricate aus Glas, welche Böhmen und Venedig lieferten, meine
Aufmerksamkeit auf sich. Ich habe diesen Industriezweig, den einzigen, um welchen
nach meiner Ansicht Frankreich Deutschland zu beneiden hat, an Ort und Stelle
studirt und zahlreiche Notizen gesammelt, die in meinem der Handelskammer zu Paris
erstatteten Bericht zusammengestellt sind; im folgenden theile ich die
Zusammensetzung mehrerer Glassorten mit, weil sie sowohl in wissenschaftlicher als
technischer Hinsicht Interesse darbietet.
Bekanntlich unterscheidet sich das feine böhmische Glas von unserm Krystallglas
dadurch, daß letzteres 30 bis 35 Proc. Bleioxyd enthält, das böhmische Glas hingegen
keines. Die Zusammensetzung des weißen böhmischen Glases aus den zahlreichen
Fabriken dieses Landes scheint nur geringe Unterschiede darzubieten; ich analysirte
in der letzten Zeit und früher (1837) im Laboratorium des Hrn. Dumas verschiedene Muster vollkommen reinen und farblosen Glases, sie
lieferten aber alle so ziemlich dieselben Resultate, nämlich
Kieselerde
76
Kali
15
Kalk
8
Thonerde
1
____
100
Achatglas. – Die Böhmen fabriciren seit mehreren
Jahren eine halbdurchsichtige Glassorte, welche glänzend und durchscheinend ist wie
der Hyalith (Glasopal), ohne den röthlichen Reflex des mit phosphorsaurem Kalk
gemachten Opalglases darzubieten. Die Zusammensetzung dieses Glases ist merkwürdig;
es ist ein einfaches Kalisilicat, welches in Folge einer unvollständigen Verglasung,
wobei ungeschmolzene Quarzkörner in der Masse zerstreut blieben, halb undurchsichtig
ist. Dasselbe enthält nach meinen Analysen:
Kieselerde
80,9
Kali
17,6
Thonerde und Spuren von Eisenoxyd
0,8
Kalk
0,7
_____
100,0
Dieses Glas zieht keine Feuchtigkeit aus der Luft an; kochendes Wasser greift es
selbst bei anhaltendem Sieden nicht an, wie man nach seiner Zusammensetzung
vermuthen sollte; von dem Wasserglas welches Fuchs in
München in Vorschlag brachte, um Holz und Gewebe zu verhindern mit Flamme zu
brennen, unterscheidet es sich dadurch, daß es beiläufig 10 Proc. mehr Kieselerde
enthält als letzteres Glas.
Unsere Krystallfabriken machen auch Achatglas; dasselbe hat aber eine andere
Zusammensetzung (wenigstens fand ich in einem Muster viel Blei und Kalk).
Das Achatglas ersetzt in Deutschland unser Opalglas; da es strengflüssiger als
letzteres ist, so läßt es sich in der Muffel leichter vergolden, versilbern und
färben; überhaupt ist alles böhmische Glas strengflüssiger als das französische und
folglich für Laboratorien geeigneter; der Preis des Holzes in Böhmen ist nur ein
Drittel oder ein Viertel desjenigen in Frankreich.
Künstlicher Avanturin. – Ein Muster dieses
merkwürdigen Products aus den Fabriken von Bigaglia in
Murano und Venedig gab mir folgende Resultate:
Kieselerde
67,7
Kalk
8,9
Eisenoxyd
3,5
Zinnoxyd
2,3
Metallisches Kupfer
3,9
Bleioxyd
1,1
Kali
5,5
Natron
7,1
_____
100,0
Dieses Glas enthält außerdem Spuren von Thonerde, Bittererde und Phosphorsäure oder
Boraxsäure. Jene Zahlen stimmen ziemlich gut mit der Analyse überein, welche Wöhler im Jahr 1842 anstellte; derselbe fand in 100
Theilen 6,5 Eisen, 4,5 Bittererde und 1,5 Phosphorsäure; von Zinn fand er nur Spuren
und gar kein Blei.
Der künstliche Avanturin von Venedig besteht aus einer sehr schwach gelb gefärbten,
in geringer Dicke durchsichtigen Masse, worin die kleinen Kupferkrystalle vertheilt
sind.
Das Zinn und Eisen wirken wahrscheinlich anfangs gemeinschaftlich, um die Bildung
dieser Krystalle zu veranlassen; nachdem sich dieselben gebildet haben, bleibt das
Zinn wohl als kieselsaures Oxydul zurück, denn im Zustand von Zinnsäure würde es der
Glasmasse eine Undurchsichtigkeit ertheilen, die sie nicht besitzt.
Von Blei enthält das Avanturinglas so wenig, daß dasselbe wahrscheinlich nur als
Verunreinigung des Bleies und Zinns hineinkam.
Die Zusammensetzung des Avanturins von Venedig unterscheidet sich also sehr von
derjenigen welche ein Glas besitzen muß, das nach der Vorschrift der HHrn. Fremy und Clemandot
Polytechn. Journal Bd. XCIX S.
465. durch Schmelzen eines Gemenges von 300 Theilen gestoßenen Glases, 40 Theilen
Kupferoxydul und 80 Theilen Eisenhammerschlag erhalten würde; dieses Glas würde
wenigstens 20 Proc. Eisenoxyd und 8–9 Proc. Kupfer und Kupferoxyd enthalten,
auch ist es undurchsichtiger und dunkler gefärbt als das venetianische.
Geblasenes Spiegelglas. – Die Fabrication der
gegossenen Spiegel, welche in Frankreich auf einem so hohen Standpunkt ist, wird in
Deutschland nicht betrieben. Alle Spiegel werden zuerst in Form von Cylinder
geblasen, aufgeschnitten und sodann in einem besondern Ofen, ähnlich einem
Streckofen für Fensterglas geebnet, worauf man sie auf gewöhnliche Weise polirt. Ich
erhielt bei der Analyse eines Spiegelglases aus einer böhmischen Fabrik:
Kieselerde
67,7
Kalk
9,9
Thonerde
1,4
Kali
21,0
_____
100,0.
Dieses Glas ist vollkommen geläutert, jedoch ein wenig gelblich.
Die Producte dieser Fabrication stehen hinsichtlich der Dimension, der Politur und
meistens auch der Nüance des Glases den gegossenen Spiegeln von Saint-Gobain
und Cirey weit nach; in Bezug auf die Kunst des Glasblasens sind sie jedoch sehr
interessant; man sah auf der Ausstellung zu Wien einen geblasenen Spiegel von 2,16
Meter Höhe auf 1,10 Meter Breite und begreift kaum wie ein Mensch einen Cylinder von
solchem Gewicht und solcher Größe zu blasen im Stande ist, daß man daraus eine so
große Glastafel, welche für das Poliren dick genug bleibt, herzustellen vermag.