Titel: | Ueber eine bessere Einrichtung der Miken an den Frachtwägen. |
Fundstelle: | Band 94, Jahrgang 1844, Nr. XXXIII., S. 187 |
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XXXIII.
Ueber eine bessere Einrichtung der Miken an den
Frachtwägen.
Aus Riecke's Wochenblatt für Land- und Hauswirthschaft
etc., 1844, Nr. 42.
Mit einer Abbildung auf Tab. III.
Ueber eine bessere Einrichtung der Miken an den
Frachtwägen.
Die derzeit fast allgemein an den Lastwagen angebrachte Einrichtung, das Reibholz
durch eine am Hintertheile des Wagens befindliche eiserne Schraube gegen die Reifen
der Hinterräder zu pressen und dadurch den Wagen nach Erfordern mehr oder weniger zu
hemmen, hat troz der mannichfachen Erleichterungen, die sie sowohl dem Fuhrmann als
den Pferden gegen das alleinige Hemmen mit dem Radschuh gewährt, doch noch den
großen Nachtheil, daß der Fuhrmann, wenn er das Reibscheit gebrauchen will,
jederzeit sich von den Pferden entfernen und hinter den
Wagen begeben muß, von wo er die Pferde nicht mehr sehen kann.
Dieser Uebelstand tritt besonders bei demjenigen Fuhrwerk hervor, zu welchem nur ein Knecht gehört. Denn, um einen Wagen mittelst des
Reibscheits oder, wie man es auch nennt, Schleifzeuges zu bremsen, wird derselbe in
der Regel nicht angehalten, sondern es geschieht dieß im Fahren. Während also der Knecht hinter
den Wagen geht, um die Schraube an- oder loszudrehen, muß er die Zügel aus
den Händen thun, und es sind die Pferde in dieser Zeit sich selbst überlassen. Bei
kurzen und bei in der Steigung differirenden Abhängen bleiben überdieß die Fuhrleute
gern auf dieser ganzen Streke hinten am Schleifzeuge, um sowohl nach Erfordern mehr
oder weniger andrehen zu können, als auch, um für das Zurükdrehen des Schleifholzes,
wenn der Wagen bis zur tiefsten Stelle gelangt ist, gleich am Plaz zu seyn und so
den Weg von den Pferden bis hinter den Wagen und zurük nicht noch einmal machen zu
müssen.
Hiedurch kann, wie dieß leider die Erfahrung gezeigt hat, auf mannichfache Weise
großes Unglük veranlaßt werden. Es darf z.B. nur der Fuhrmann das Schleifholz etwas
zu spät an- oder zu früh losdrehen, so wird der Wagen schnell in Schuß
gerathen und die Pferde vorwärts und zum schnelleren Laufen treiben. Da sie nun
hiebei der hinter dem Wagen mit dem Schleifzeug beschäftigte Fuhrmann nicht in dem
Zügel hat, so werden sie, wenn sich ihnen in gerader Richtung nur das geringste
Hinderniß entgegen stellt, schnell seitwärts ablenken und können dadurch sowohl die
Deichsel abbrechen oder den Wagen umwerfen, als auch besonders anderes Fuhrwerk, das
gerade entgegen kommt, in die größte Gefahr bringen. Wird nun der Fuhrmann dieß
gewahr, so hat er in der Regel nicht mehr Zeit, den Wagen durch Andrehen des
Schleifzeuges wieder zu bremsen, sondern er springt schnell vor nach den Pferden und
kann dabei sehr leicht, wenn er mit den Kleidern hängen bleibt oder ausgleitet,
unter den im Schusse befindlichen Wagen kommen und getödtet werden, einer Menge
anderer hiemit verbundener Gefahren gar nicht zu gedenken.
Aus dem bisher Gesagten geht zur Genüge hervor, daß es für das Frachtfuhrwerk von dem
größten Vortheil seyn muß, das Schleifzeug an den Lastwagen so einzurichten, daß der
Fuhrmann dasselbe bequem handhaben kann, ohne sich von seinem gewöhnlichen Plaz
neben dem Sattelpferd zu entfernen; gleich wie bereits seit längerer Zeit bei den
Postwagen die Hemmung, die hier allerdings nicht so stark zu seyn braucht, als bei
schwer beladenen Frachtwagen, mit Leichtigkeit vom Size des Postillons aus bewirkt
wird.
Ist der Fuhrmann im Stande, den Wagen nach Belieben zu bremsen, ohne seinen Plaz
neben den Pferden zu verlassen und ohne die Zügel aus den Händen zu thun, so wird
nicht nur die oben angedeutete, mit den von der Hinterseite des Wagens aus zu
dirigirenden Schleifzeugen verbundene Gefahr und Unbequemlichkeit vermieden, sondern es wird
auch den Pferden viel öfterer durch Anwendung des Schleifzeugs eine Erleichterung
gewährt und werden dieselben sonach mehr geschont werden. Denn bei der jezigen
Einrichtung, wo der Fuhrmann jedesmal, wenn er das Schleifholz andrehen will, hinter
den Wagen laufen muß, wird er bei wenig steilen Abhängen dieß öfters aus
Bequemlichkeit unterlassen und den Pferden zumuthen, den Wagen allein zu halten. Hat
er aber den Drehling ohne weiteres immer zur Hand, so läßt sich auch voraussezen,
daß er das Schleifzeug bei jeder Veranlassung und sicherlich weit mehr als bei der
bisherigen Einrichtung benuzen wird.
Eine den ausgesprochenen Anforderungen Genüge leistende Verbesserung der Schleifzeuge
haben nun die HHrn. Riedig und Heyn in Chemnitz zu Anfang d. J. durch den Schmiedmeister Lohse daselbst auf eine höchst einfache, aber, wie die
seitherige Erfahrung gelehrt hat, vollkommen zwekentsprechende Weise an ihren
Frachtwagen anbringen lassen, und es findet sich die unterzeichnete Deputation
veranlaßt, auf diese wichtige Verbesserung für das Frachtfuhrwerk hiemit öffentlich
aufmerksam zu machen.
Diese neue Vorrichtung ist hauptsächlich dadurch sehr einfach geworden, daß das
Schleifholz nicht auf die Hinterräder, sondern auf die
Vorderräder wirkt. Da nun leztere gegenwärtig bei großen Frachtwagen fast
allgemein einen nur um ein Weniges kleineren Durchmesser haben, als die Hinterräder,
so geschieht durch diese Aenderung der Wirksamkeit des Schleifzeugs kein
Eintrag.
Aus nebenstehender Skizze wird das Wesentlichste der ganzen Einrichtung leicht zu
ersehen seyn.
A, A sind die beiden Vorderräder mit zugehöriger Achse;
B die Deichsel mit den zwei Armen; C das Schleifholz mit den daran festgeschraubten
schmiedeisernen Schleifbaken D, D.
Das Schleifholz wird durch zwei, auf der Skizze nicht sichtbare, bei h, h von unten an die beiden Arme angeschraubte eiserne
Klammern, welche innerlich in der Richtung, in welcher sich das Schleifholz bewegen
soll, den erforderlichen Spielraum lassen, getragen. Das Vor- und Zurükziehen
des Schleifholzes geschieht durch die geschnittene schmiedeiserne Schraube a, a und die auf ihr befindliche ebenfalls geschmiedete,
mit eingelötheten Gängen versehene Mutter b. Die
Schraube a ist vorn zwischen den Armen, aber etwas unter diesen befestigt, und wird durch die beiden an die
Arme angeschraubten geschmiedeten Bügel c und d in der Höhe der Radachse festgehalten. Die Mutter b ist durch die zwei eisernen Stangen g, g mit dem Schleifholze C
verbunden. Da nun die Schraube a, a zwischen den beiden Bügeln c und d festliegt und sich
nur umdrehen, aber nicht vor- oder rükwärts schieben läßt, so muß sich, wenn
die Schraube gedreht wird, jederzeit die Mutter b
vor- oder rükwärts bewegen. Um nun die Schraube umdrehen zu können, ist eine
Drehlingswelle f unter rechtem Winkel gegen die Schraube
angebracht, und sowohl mit dieser Welle f als mit der
Schraube a sind an den zugekehrten Enden zwei kleine in
einander greifende gußeiserne Diagonalräder e, e fest
verbunden. Wird nun die Welle f vermittelst des auf ihr
stekenden Drehlings gedreht, so muß sich vermöge der Diagonalräder e, e auch die Schraube a
drehen, und wird dadurch die Mutter b und mit ihr das
Schleifholz C vor- oder rükwärts bewegen und nach
Erfordern gegen die Wagenräder anpressen.
Der Bügel d hat zwei unter rechtem Winkel gebogene Arme
und gewährt dadurch zugleich einen Stüzpunkt für die Welle f zunächst des auf ihr sizenden Rades e. Um
der Welle f ihren zweiten Stüzpunkt bei dem Drehling zu
geben, wird unmittelbar über derselben in gleicher Richtung mit ihr ein Stük hartes
Holz (welches, um die Drehlingswelle nicht zu verbeten, auf der Zeichnung nicht
angegeben ist) auf den Armen festgeschraubt und an dessen äußerem Ende in der Nähe
des Drehlings ein eiserner Bügel i zur Aufnahme der
Welle f befestigt.
Sowohl die Schraube a als die Drehlingswelle f und das Schleifholz C
liegen in der Höhe der Wagenachse, und man sieht aus der Skizze deutlich, daß der
Fuhrmann, ohne sich von den Pferden zu entfernen, die ganze Vorrichtung mit großer
Bequemlichkeit handhaben kann.
Eine solche Vorrichtung in der eben beschriebenen Weise fertigt der Schmied Lohse (wohnhaft in Chemnitz auf der langen Gasse) incl. Schleifholz mit angeschraubten schmiedeisernen
Schleifbaken und mit allem weiteren Zubehör für 14 Thaler, ohne Schleifholz im
Verhältniß billiger.
Bei großen schwer beladenen Frachtwagen ist es immer räthlich, noch ein zweites
Schleifzeug am Wagen zu haben, um beim Herabfahren steiler Berge alle beide zugleich in Anwendung zu bringen, um nicht in
Gefahr zu kommen, wenn an dem einen etwas bricht.
Da nun zu solchem schwerem Fuhrwerk fast ohne Ausnahme mehr als ein Knecht gehört, so
kann auch das zweite Schleifzeug ohne großen Nachtheil auf die bisherige Art hinten
am Wagen angebracht seyn, da, wenn nur das eine Schleifzeug von vorn zu handhaben
ist, doch immer ein Knecht bei den Pferden bleibt.
Es scheint aber ausführbar zu seyn, auch das auf die Hinterräder wirkende
Schleifzeug, wenn auch nicht von vorn bei der Deichsel, doch von der Mitte der
linken Seite des Wagens aus zu dirigiren. Es müßte alsdann die Schraube und ein Endpunkt der Drehlingswelle am Langbaume und der
Bügel für das andere Ende der Drehlingswelle am Leiterbaume befestigt werden, und
würde sonach die Drehlingswelle parallel mit der auf die Vorderräder wirkenden, aber
hinter den Vorderrädern, ungefähr in der Mitte des Wagens zu liegen kommen und
dadurch der Fuhrmann im Stande seyn, auch das hintere Schleifzeug zu handhaben, ohne
dabei die Pferde aus den Augen zu verlieren.
Chemnitz, im März 1844.
Die technische Deputation des Handwerkervereins.