Titel: | Ueber gläserne Röhrenleitungen für Wasser und Gas. |
Fundstelle: | Band 89, Jahrgang 1843, Nr. LXXIII., S. 278 |
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LXXIII.
Ueber glaͤserne Roͤhrenleitungen
fuͤr Wasser und Gas.
Aus dem Moniteur industriel 1843. No. 729, 730 u.
731.
Ueber gläserne Röhrenleitungen für Wasser und Gas.
Von größter Wichtigkeit wäre offenbar eine Construction der Wasser- und
Gasröhrenleitungen, welche vor den bisherigen, was Anschaffung und Legung betrifft,
den Vorzug verdiente, die, ohne zu zerbrechen, den größten Druk aushielte und von
Salzen und Säuren nicht angegriffen würde, folglich alle Eigenschaften einer
unbegränzten Dauer darböte.
Diese Aufgabe scheint durch die Anwendung gläserner Röhren gelöst zu seyn, welche mit
Erdpech überzogen sind, und an ihren Enden durch metallene Hülsen (Büchsen) mit
einander verbunden werden, die man mit Erdpech ankittet.
Um die Vortheile, welche aus der Anwendung des Glases entspringen, einleuchtender zu
machen, sollen hier die vorzüglichsten Mängel der irdenen, bleiernen und gußeisernen
Röhren näher beleuchtet werden, mit Umgehung der beinahe gänzlich aufgegebenen
hölzernen Leitungen.
Irdene Röhrenleitungen.
Die irdenen Röhrenleitungen wurden, außer unter sehr geringem Druke, noch niemals mit
gutem Erfolg angewandt. Einem Druk von 2–3 Atmosphären dürfen sie nicht
ausgesezt werden, indem die schwierig zu verkittenden Fugen keinen Widerstand
leisten, welchen Cementes oder Kitts man sich auch bedienen mag.
Es sind uns Städte bekannt, wo Gascompagnien, der Ersparung wegen, irdene
Röhrenleitungen anwandten und die Röhren mittelst großer Wülste von römischem Cement
verbanden; das Gas entwich aber durch unsichtbare Risse in den Fugen. Die
beständigen Reparaturen, welche in den Straßen vorgenommen werden mußten, konnten
nicht ausgeführt werden, ohne einen Theil der Straße zu versperren und die
städtischen Behörden ergriffen daher Maaßregeln, um die Anwendung solcher irdenen
Röhrenleitungen ganz aufzuheben.
Obgleich man glauben sollte, daß die irdenen Röhrenleitungen sehr dauerhaft seyn
müßten, weil der gebrannte Thon von den sauren und salzigen Substanzen, welche sich
im Wasser aufgelöst befinden, in der Regel nicht angegriffen wird, lehrte doch die
Erfahrung, daß sie eben so schnell verderben, als die metallenen Leitungen. Das
Wasser enthält beinahe jederzeit vegetabilische oder animalische mikroskopische
Theilchen schwebend, welche sich an die Wände der Leitungen anzulegen suchen und sie
verstopfen. Es ist ein seltener Fall, daß die steinzeugenen oder irdenen Leitungen
nicht schon nach einigen Jahren innerlich mit Moos oder Insecten überzogen sind, was
dem Wasser sehr schadet. Aeußerlich aber wirken die Feuchtigkeit des Bodens und die
Wurzeln der Pflanzen noch weit schädlicher auf sie ein.
Diese Uebelstände, verbunden mit der außerordentlichen Zerbrechlichkeit dieser Röhren
und der Ermangelung aller Elasticität in den Fugen veranlaßten, daß sie fast von
allen öffentlichen Anstalten aufgegeben wurden.
Bleierne Röhrenleitungen.
Was die Zerbrechlichkeit, das wohlfeilere Legen, das leichtere Biegen und das
Nachgeben bei den Erschütterungen des Bodens betrifft, sind die bleiernen Leitungen
sicherlich allen andern vorzuziehen; diese Vortheile aber müssen sehr theuer erkauft
werden, da die bleiernen Röhren noch einmal so hoch zu stehen kommen als die
gußeisernen, außerdem noch von gewissen Wassern angegriffen werden und, was ganz
merkwürdig ist, um so schneller zerstört werden, je reiner und freier von
aufgelösten Salzen das Wasser ist. Einen Beweis hievon gibt ein der Edinburger
Akademie von Professor Christison mitgetheilter Bericht,
in welchem er behauptet, ein äußerst reines Quellwasser gefunden zu haben, welches
nicht 1/24009 Salze in Auflösung hatte und doch kohlensaures Blei absezte, nachdem
es nur durch 1200 Meter Röhrenleitungen gelaufen war; er hatte gefunden, daß dieses
Wasser denjenigen, welche es tranken, sehr schädlich wurde (man vergleiche
polytechn. Journal Bd. LXXXVI S. 78.). Vermuthlich sind die in den sehr reinen
natürlichen Wassern in desto größerer Menge enthaltene Luft und Kohlensäure hier die
einzigen zerstörenden Agentien. Aus diesem Grunde und wegen seines hohen Preises
kann das Blei nicht allgemein zu Wasser- und Gasleitungen angewandt
werden.
Gußeiserne Röhrenleitungen.
Beinahe alle Anstalten zur Vertheilung des Wassers und des Gases bedienen sich
gegenwärtig gußeiserner Röhren, welche mittelst Hülsen oder Büchsen mit einander
verbunden sind. Man zieht sie den Bleiröhren vor, weil sie viel wohlfeiler sind, und
den irdenen Röhren, weil sie einen weit stärkern innern Druk aushalten können. Aber
auch diese Vortheile werden mit großen Uebelständen erkauft.
Bekanntlich verliert das Wasser, nachdem es sich einige Tage in eisernen Röhren
aufgehalten, an Reinheit und nimmt einen unangenehmen Geschmak an. Die innere Oberfläche der
Leitungen rostet allmählich und überzieht sich mit Concretionen und Anwüchsen,
welche zulezt das Wasser in seinem Laufe aufhalten. In der Regel müssen die Röhren
nach einiger Zeit herausgenommen werden, um sie in ein Schmiedefeuer zu bringen oder
neue dafür einzulegen. Wir könnten mehrere französische Städte anführen, wo die die
öffentlichen Brunnen speisenden gußeisernen Röhren, nachdem sie nur wenige Jahre
gedient hatten, erneuert wurden, weil ihre innern Wände vom Wasser, so zu sagen,
zersezt worden waren.
Es wurden schon mehrere Mittel vorgeschlagen, um dieser schnellen Zerstörung zu
begegnen. Eines derselben bestand darin, die Röhren innerlich mit römischem Cement
zu überziehen, um das Metall vor der Berührung mit dem Wasser zu schüzen. Dieses
Verfahren hat aber den Nachtheil, den Durchmesser der Röhren zu verkleinern und es
hatte bis jezt nur dann guten Erfolg, wenn das Wasser keine große Geschwindigkeit
besizt; wenn aber das Wasser in der Secunde 2–3 Meter durchlaufen soll, wird
der römische Cement von dem Strome bald mit fortgerissen; das Eisen würde wieder
entblößt und seine Zerstörung ließe nicht lange auf sich warten. Ein anderes
Verfahren, welches den Vorzug vor diesem zu verdienen scheint, besteht darin, die
Probe mit den Röhren zu machen, d. h. mit Bleiglätte gekochtes Leinöhl
(Leinöhlfirniß) unter einer gewissen Anzahl Atmosphären darin zu comprimiren. Man
nimmt an, daß dieses Oehl durch die Hize und den Druk alle Räume zwischen den
Gußeisentheilchen ausfüllt und, so zu sagen, jedes Molecül mit einem
wasserabhaltenden Ueberzug bedekt. Allein jedes Gußeisen läßt sich nicht so
durchdringen; größtentheils bleibt auf der innern Oberfläche des Metalls nur eine
ganz dünne Oehlschichte zurük, welche, nachdem sie sie eine Zeitlang wie der
hydraulische Cement geschüzt hatte, am Ende unter der Einwirkung des laufenden
Wassers verschwindet; dazu kommt noch, daß das mit dem Leinöhl in Berührung
gebliebene Wasser immer einen schlechten Geschmak annimmt und organische Substanzen
sich in demselben erzeugen. Uebrigens sind diese Methoden die Röhrenleitungen zu
schüzen noch so weit entfernt ihren Zwek zu erfüllen, daß die Société d'Encouragement pour l'industrie nationale in diesem Jahre einen
bedeutenden Preis für die befriedigende Lösung dieses Problems ausschrieb.
Seit der sinnreichen Erfindung der HHrn. Ruolz und Elkington glaubten schon mehrere Techniker, daß die
gußeisernen Röhren durch Ueberziehen ihrer innern Wände mit einer dünnen
Zink- oder Bleischichte vor der zerstörenden Einwirkung des Wassers
vollkommen geschüzt werden müßten. Hr. v. Ruolz selbst
kam natürlich auch auf
diesen Gedanken und stellte alsbald alle dahingehörigen Versuche an, fand sich aber
in einer der Akademie der Wissenschaften vorgelegten Abhandlung zu erklären
veranlaßt, 1) daß die galvanische Verzinkung technisch bei großen Stüken nicht
anwendbar sey wegen des dazu erforderlichen außerordentlichen Aufwandes an
elektrischer Kraft; daß 2) das Zink durch seine Berührung mit dem Eisen positiv
werde; daß aber die daraus hervorgehende schüzende Wirkung sich nur auf eine kurze
Entfernung erstreke, so daß wenn ein Stük verzinkt ist, und ein Theil des Eisens
bloß liegt, dieser Theil eben so schnell rostet, als wenn das Stük auf der ganzen
übrigen Oberfläche nicht verzinkt wäre.
Daraus könnte hervorgehen, daß die Verbleiung besser seyn müßte, als die Verzinkung;
allein obwohl das Blei von den Säuren und dem Sauerstoff dann weniger angegriffen
würde, als für sich allein, wäre es dennoch nicht völlig geschüzt gegen die
Einwirkung des Wassers; es würde zerstört wie das Zinn des verzinnten Eisenblechs
und wenn es an einem Punkte einer eisernen Leitung los ginge, so würde sich das
positive Eisen auf seiner ganzen Oberfläche oxydiren und schneller zerstört werden,
als wenn gar kein Blei zum Schuz vorhanden wäre. Ueberdieß verursacht dieses
Galvanisirverfahren bei großen Stüken immer bedeutende Kosten und es müßten die
gußeisernen Leitungen dadurch so hoch zu stehen kommen, daß man wenig Lust mehr
hätte, sie auf eine Weise zu präpariren, deren Wirksamkeit noch lange nicht
hinreichend nachgewiesen ist.
Alle bisher vorgeschlagenen und versuchten Verfahrungsweisen und Metalle gewährten
demnach keine Röhrenleitungen von starkem Widerstand und vollkommener
Unveränderlichkeit; nur durch die gläsernen, nach dem unten beschriebenen Verfahren
zugerichteten Röhren ist die Aufgabe gelöst.
Das Glas ist eine der wohlfeilsten Substanzen. Bei selbst geringer Dike kann es einen
bedeutenden Druk aushalten; die Flaschen für kohlensaures Wasser und den
Champagnerwein widerstehen bekanntlich oft mehr als 40 Atmosphären. Die stärksten
Säuren können beliebig lange in gläsernen Flaschen aufbewahrt werden; es wird daher
in der Natur kein Wasser existiren, welches das Glas zu zersezen im Stande wäre. Das
zum Hausgebrauch dienende Wasser wird die Glasröhren gerade in demselben Zustande
verlassen, in welchem es eintritt, und wenn man es auch längere Zeit darin läßt,
keinen übeln Geschmak annehmen. Diese Betrachtung ist die wichtigste und muß den
Glasröhrenleitungen den Vorzug vor allen andern einräumen.
Schon seit mehreren Jahren wird das Glas zu Wasserleitungen angewandt. In der Schweiz
bediente man sich desselben in einigen Mineralwasseranstalten; in Frankreich war Hr.
Colomb, Gutsbesizer zu St. Sauveur bei St. Etienne
der erste, welcher die Aufmerksamkeit der Gelehrten auf diesen wichtigen Gegenstand
lenkte, indem er im 18. Bd. des Bulletin de la Sociétè
industrielle de l'arrondissement de St. Etienne eine von ihm gelegte
gläserne Wasserleitung beschrieb. Nach ihm bediente sich einer solchen Hr. Barrier, Maire von St. Paul-en-Jarret, mit
dem besten Erfolg zur Speisung der öffentlichen Brunnen. (Man vergleiche auch
polytechn. Journal Bd. LXXXII. S. 316.)
Das hiebei angewandte Verfahren ist sehr einfach. Die Röhren haben nämlich an ihren
Enden verschiedene Durchmesser, damit sie in einander gestekt werden können; man
legte sie in den thonigen Boden und umgab jede Fuge mit einer Wulst von römischem
Cement. Dieses Verfahren ist, wie man sieht, sehr wohlfeil und wird jedesmal
gelingen, wenn das Wasser einen ununterbrochenen Fall und keinen starken Druk
auszuhalten hat; müßten die Leitungen aber durch Thäler gehen und umgekehrte Heber
bilden, worin das Wasser einem Druk von mehreren Atmosphären ausgesezt wäre, dann
würden die Fugen mit römischem Cement nicht mehr hinlänglichen Widerstand leisten.
Wir versuchten dieß zu wiederholtenmalen, konnten aber in den so zugerichteten
Leitungen das Wasser niemals stark comprimiren; zwar zersprang das Glas nicht, aber
die Röhren machten sich von einander los und der Cement hatte sich abgelöst.
Die Glasröhrenleitungen hätten offenbar nur eine sehr beschränkte Anwendung, wenn sie
keine hohen Wassersäulen ertragen könnten; bei großen hydraulischen Werken vertheilt
sich das Wasser in der Regel durch Heber von mehreren Atmosphären Druk. Um sich aber
des Glases unter allen Umständen wie des Gußeisens und Bleies bedienen zu können,
bedurfte es dauerhafterer Fugen als der von Hrn. Colomb
vorgeschlagenen. Darauf bezogen sich unsere Versuche und wirklich gelang es uns,
solche zu ermitteln.
Wir überzogen die Röhren mit einer etwa einen Centimeter diken Lage Asphalts von
Seyssel; an jedes Ende wurden mittelst Asphalts cylindrische Muffe aus einer
Legirung von Zinn und Blei angekittet, in welche das Glas sich beinahe einrieb, und
die mit zusammenschraubbaren Hülsen endigten. Diese Fugen ließen so wenig Wasser
durchdringen, als wenn die Röhrenleitung durchaus vom selben Metall gewesen
wäre.
Oft unterwarfen wir solche Röhrenleitungen einem Druke von 12–15 Atmosphären,
ohne daß weder Glas noch Fuge brach; da es aber wahrscheinlich ist, daß gußeiserne
Röhren vom selben Durchmesser und der gewöhnlichen Dike dieser Kraft nicht Widerstand
zu leisten vermöchten, so kann mit Recht angenommen werden, daß die gläsernen
Röhrenleitungen auch hinsichtlich der Festigkeit den Vorzug vor den eisernen
verdienen. Dem Einfluß der Senkungen des Bodens und seiner Erschütterungen durch das
vorüberfahrende Fuhrwerk ist dadurch begegnet, daß der Asphalt und die metallenen
Fugen allein es sind, welche die Einwirkungen von außen erfahren. Der Asphalt hält
leicht alle Bewegungen des Bodens aus, da er elastisch genug ist, um großen Lasten
nachzugeben, ohne zu springen. Auch die Fugen von Zinnblei-Legirung biegen
sich unter starkem Druk, so daß diese gläsernen Röhrenleitungen dem Springen nicht
ausgesezt sind, wie die gußeisernen.
Es erübrigt uns nun nur noch des Kostenpunkts zu erwähnen und auch dieser spricht
entschieden zu Gunsten der Glasröhren. In einem Werke Geniey's: Essai sur les moyens de conduire,
d'elever et de distribuer les eaux sind die Kosten sowohl für Material als
für Arbeitslohn specificirt zusammengestellt, welche die Verfertigung von 100 Meter
Röhren von 108 Millimeter innerm Durchmesser aus Gußeisen, Blei, Steinzeug und Glas
verursacht.
Textabbildung Bd. 089, S. 283
Met.; gußeiserne; Roͤhren;
Kosten nach dieser Berechnung; Fr.; Ct.; also Met.;bleierne; irdene;
glaͤserne
Es folgt daraus, daß gläserne Röhrenleitungen
um
47
Procent
wohlfeiler
kommen
als gußeiserne
um
77
—
—
—
als bleierne
um
40
—
—
—
als irdene.
Doch ist zu bemerken, daß seit dem Erscheinen jener Schrift der Preis des Gußeisens
herunter ging, indem 100 Kilogr., welche damals 40 Frcs. kosteten, jezt nur
30–32 Frcs. kosten; auch diesem Preise nach gewährt aber das Glas noch eine
Ersparung von 30 Procent.
(Glasröhren mit ihren Muffen oder Hülsen und mit Asphalt überzogen, werden in dem
Etablissement der HHrn. Bergeron und Hutter zu Nive-de-Gier verfertigt.
Dieselben brauchen beim Legen nur mehr zusammengeschraubt zu werden, was jeder
Tagwerker kann. Hinsichtlich des Transports bemerken wir noch, daß sie höchstens
⅓ der gußeisernen Röhren wiegen.)
Die Verfertigung von Röhren von mehr als 20 Centimeter Durchmesser ist etwas
schwierig. Man stellt aber Versuche an, ob sich nicht zwei gläserne Halbcylinder
statt eines Cylinders benuzen lassen.