Titel: | Beschreibung eines von dem Civilingenieur J. Scott Russell erfundenen Salinometers, welcher das specifische Gewicht des in den Schiffsdampfkesseln enthaltenen Salzwassers anzeigt. |
Fundstelle: | Band 89, Jahrgang 1843, Nr. LXIII., S. 249 |
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LXIII.
Beschreibung eines von dem Civilingenieur
J. Scott Russell
erfundenen Salinometers, welcher das specifische Gewicht des in den Schiffsdampfkesseln
enthaltenen Salzwassers anzeigt.
Aus dem Edinburgh new philosophical Journal. April
1843, S. 278.
Mit Abbildungen auf Tab.
IV.
Russell's Salinometer.
Welche Unannehmlichkeiten mit der Entwiklung des Dampfes aus Salzwasser verbunden
sind, hat man bei der Dampfschifffahrt sehr frühzeitig erfahren. Als im Jahr 1812
der Komet unterhalb Port-Glasgow landete, zeigte es sich daß der Kessel
überwallte oder „überschnappte“ wie die Ingenieure es nennen,
wenn ein Theil des Wassers so heftig mit dem Dampfe in die Höhe geschleudert wird,
daß es zum Ruin der Maschine in die Cylinder gelangt. Die Ursache dieser Erscheinung
ist die Eindikung des Wassers, indem sein specifisches Gewicht durch das
Zurükbleiben der festen Substanzen welche einen Bestandtheil des Seewassers bilden,
vermehrt wird. Diese Substanzen häufen sich allmählich in dem Dampfkessel an,
während der frische Theil des Wassers in Dampfgestalt entweicht.
Dieser Anhäufungsproceß der festen Substanz in dem Dampfkessel geht keineswegs
langsam vor sich. Die ganze Wassermenge, die ein Schiffsdampfkessel gewöhnlich
enthält, ist in 3–4 Stunden mit Zurüklassung der festen Substanzen verdampft,
und wird durch Salzwasser mit einer gleichen Quantität Ablagerungsstoff ersezt, der
sich eben so rasch wie vorher anhäuft. Da nun die festen Stoffe bekanntlich 1/40 der
ganzen Wassermasse sind, so würde, wenn das aufwallende Sieden 150 Stunden
fortgesezt werden könnte, in dem Dampfkessel eine Quantität fester Stoffe gleich der
in dem ganzen Kesselraume enthaltenen Wassermasse abgelagert werden.
Lange jedoch bevor ein solcher Grad der Verdikung stattfinden kann, zeigen sich
Uebelstände verschiedener Art, welche den Functionen des Dampfkessels ein Ende
sezen. Die zurükbleibenden festen Theile des Salzwassers verbreiten sich nicht
gleichförmig über die ganze flüssige Masse, sondern das neu eingepumpte Seewasser
bleibt bei seinem Eintritt in den Kessel von der früheren gesättigteren Sole
getrennt, steigt wegen seines geringeren specifischen Gewichtes in die obere
Schichte, während die schwerere Sole in dem unteren Theile des Kessels gelagert
bleibt und die Feuerkammer so wie die Heizcanäle umgibt. Die intensive Hize des
Metalles trennt das Wasser von dem Salze an den heißesten Stellen sehr rasch und das
an diesen so wie auch
an den weniger erhizten Stellen sich ablagernde Salz vermindert nicht nur das
Verdampfungsvermögen des Dampfkessels, sondern wirkt auch schädlich und
gefahrbringend auf die innere Structur des Dampfkessels.
Diesem Uebelstande abzuhelfen wurden frühzeitig die geeigneten Mittel erfunden. Ich
konnte indessen nicht den Erfinder des unter der Bezeichnung
„Niederblasen“ oder „Ausblasen“
bekannten Reinigungsprocesses ausfindig machen. Dieses ziemlich allgemeine Verfahren
ist folgendes. Bei jedem Hube wird in den Kessel etwas mehr Wasser eingepumpt, als
zur Dampfentwiklung nöthig ist, so daß der Kessel zu voll würde. Nun entstehen aber
am Boden des Kessels plözlich Oeffnungen, zu denen das daselbst befindliche
Salzwasser nebst den in der Nähe des Kesselbodens sich ablagernden festen Substanzen
gewaltsam hinausgeworfen wird. Auf diese Weise geht die Reinigung des Kessels vor
sich; ehe nun der Wasserspiegel zu tief sinkt, schließen sich die Oeffnungen wieder
und die Speisung des Kessels nimmt wie oben ihren Fortgang.
Ein anderes sehr allgemein eingeführtes Hülfsmittel ist die Salzwasserpumpe, durch
welche auf jede in den Kessel gepumpte Portion Wasser ungefähr ¼ dieser
Quantität an Salzwasser abgezogen wird. Durch diese Procedur werden zwar nicht alle
Unreinigkeiten so vollständig weggeschafft, wie bei der vorhergehenden, allein sie
ist mit Brennmaterialersparniß verbunden, indem eine besondere Vorrichtung dem in
den Kessel gepumpten Speisungswasser einen Theil der Wärme des abgezogenen
Salzwassers mittheilt. Die Einführung dieses Verfahrens verdanken wir den HHrn. Maudslay und Field in
London.
Auf welche Weise auch der Sättigung des Wassers mit festen Substanzen vorgebeugt
werden mag, so ist es doch zur Erreichung dieses Zwekes wesentlich, einen einfachen
Apparat zu besizen, welcher anzeigt, wenn der Reinigungsproceß nöthig ist, und ob er
mit Erfolg vor sich geht.
Es wurde auf eine Vorrichtung ein Patent genommen, welche zwar Gutes zu leisten
versprach, allein beim häufigen Gebrauch leicht in Unordnung kam. Eine Kugel von
größerem specifischem Gewichte als das Salzwasser stand nämlich mit einem Zeiger in
Verbindung, welcher an der Außenseite des Dampfkessels anzeigte, wenn das Salzwasser
den zum Schwimmen der Kugel hinreichenden Sättigungsgrad erreicht hatte. Einer
andern Methode zufolge brachte man in das gläserne Visir des Dampfkessels ein
gläsernes Hydrometerkügelchen, welches bei einem gewissen Sättigungsgrade des
Meerwassers ins Schwimmen kam und beim normalen Zustande des Kessels zu Boden sank. Diese Methode
ermangelt jedoch durchaus aller Genauigkeit; denn das Salzwasser, dessen
specifisches Gewicht wir angezeigt wünschen, ist in der unteren Schichte enthalten,
nicht in der oberen, wo das gewöhnliche gläserne Visir angeordnet ist, und ehe
irgend eine Veränderung angezeigt würde, könnte ein Unheil eintreten, welches nicht
wieder gut zu machen wäre.
Ich habe neuerdings an einigen großen für transatlantische Fahrten bestimmten
Schiffen eine Art Salzwasservisir angebracht, welches sich als sehr vortheilhaft
erwiesen hat. Der Apparat gründet sich auf das wohlbekannte Gesez: daß die Höhen im
Gleichgewichte befindlicher Flüssigkeiten sich umgekehrt wie ihre Dichtigkeiten oder
specifischen Gewichte verhalten.
Ich nehme eine offene in Gestalt des Buchstabens U
umgebogene Glasröhre Fig. 33, gieße eine
Flüssigkeit in den einen und eine andere Flüssigkeit in den andern Schenkel (die
schwerere vor der andern); ist die eine Queksilber und die andere Wasser, so
balanciren sie in Höhen von beziehungsweise 1 und 13 Zollen mit einander. Nehme ich
Alkohol und Wasser Fig. 34, so halten sie einander in Höhen von beziehungsweise 10 und 8
Zollen das Gleichgewicht. Immer ist die Höhe der einen Flüssigkeit in dem Verhältniß
größer als die der andern, in welchem ihr specifisches Gewicht geringer ist.
Auf ähnliche Weise balanciren frisches Wasser und Salzwasser bei Höhen von 40 und 41
Zoll. Die Anwendung welche ich von diesem Principe mache, ist nun folgende.
Seewasser enthält 1/40 salzige Substanz. Wenn das Wasser so weit verdampft ist, daß
auf dieselbe Quantität salzigen Stoffes nur noch die halbe Quantität des
destillirten Wassers kommt, so nenne ich dieses zwei Grade Salz, oder Salzwasser von
der Stärke 2; solches Salzwasser würde in Fig. 35 die Säulen von 40
und 42 Zoll Höhe veranlassen, d. h. mittelst einer Differenz von 2 Zollen die
doppelte Salzhaltigkeit des Seewassers anzeigen. Eine weitere Sättigung würde durch
eine Höhendifferenz der Säulen von 3, 4, 5 und 6 Zollen eine dreifache, vierfache,
fünffache und sechsfache Salzhaltigkeit anzeigen. Eine solche Scale, deren Zolle
noch in beliebig kleine Unterabtheilungen getheilt werden können, ist es welche ich
bei den Schiffsdampfkesseln eingeführt habe.
Der mechanische Apparat, welchen ich zur Erreichung des in Rede stehenden Zwekes in
Anwendung gebracht habe, ist äußerst einfach und so beschaffen, daß ihn der
Ingenieur bereits vollkommen versteht. Ich bringe an dem Dampfkessel zwei gläserne
Wasservisirröhren anstatt der einen gebräuchlichen an. Dieses Paar leistet die
Dienste des gewöhnlichen Wasservisirstabes und besizt den besondern Vortheil, daß, wenn eine der
Röhren zerbrechen sollte, die andere sogleich als Ersaz bei der Hand ist. An diese
Visirröhren befestige ich einfach zwei kupferne Röhren, von denen die eine mit dem
in dem unteren Theile des Kessels befindlichen concentrirteren Salzwasser, die
andere mit dem Speisungswasser in Communication steht; die erstere enthält demnach
Salzwasser, die leztere reines Seewasser und jeder Zoll Differenz gibt den Grad der
Sättigung an. Der Ingenieur wird bei einiger Erfahrung auch ohne Scale erkennen,
welcher Höhenunterschied beider Flüssigkeitssäulen in Zollen zulässig ist, und bei
welchem Höhenunterschiede die Sole abgelassen werden muß. Indessen ist es immerhin
bequem und rathsam, eine Scale beizufügen. Der praktische Umfang der Scale für einen
gewöhnlichen Dampfkessel erstrekt sich auf 6–10 Zoll, eine zur leichten
Beobachtung hinreichend große Differenz. Die Regel beim Gebrauch des Instrumentes
ist ungefähr die: man seze das Ausblasen so lange fort, bis der Höhenunterschied
weniges mehr als l Zoll beträgt, dann braucht man nicht eher wieder auszublasen, als
bis der Unterschied mindestens 6 Zoll beträgt.
Dicht neben einander sind zwei gläserne Visirröhren angeordnet, von denen jede mit
einer separaten Röhre in Verbindung steht; diese geht im Innern des Kessels bis auf
das Niveau des Wassers, dessen specifisches Gewicht gemessen werden soll, hinab; die
eine dieser Röhren oder beide sind mit der Speisungsröhre dergestalt in Verbindung,
daß beim Oeffnen eines Hahnes die eine mit Speisungswasser sich füllt, während die
andere mit der Sole gefüllt bleibt. Wird nun der Hahn abgesperrt, so bleiben die
Röhren so gefüllt. Da nun das specifische Gewicht des Speisungswassers geringer ist,
als des durch Verdampfung bereits concentrirteren Wassers im Kessel, so wird das
erstere von dem lezteren in die Höhe gedrängt. Der mit der Concentration zunehmende
Unterschied der Höhen beider Flüssigkeiten dient als Maßstab zur Beurtheilung der
Salzhaltigkeit.
A, BFig.
36–39 sind die beiden gläsernen Visirröhren; C
eine von den Röhren, welche die eine dieser Visirröhren mit ihrer an der inneren
Seite des Dampfkessels sich abwärts erstrekenden Röhre D
in Verbindung sezt; E diejenige Röhre, welche die oberen
Enden dieser Röhren mit dem Innern des Dampfkessels verbindet; F, G, zwei Hähne, mit deren Hülfe jede der im Innern des
Kessels befindlichen Röhren von den Glasröhren abgesperrt und mit der aus der
Speisungspumpe des Kessels hergeleiteten Röhre H in
Verbindung gesezt werden kann. Der Hahn J gibt das
Mittel an die Hand, die Röhre E von den Glasröhren
abzusperren und die eine oder die andere dieser Glasröhren mit der nach dem
Schiffsraum (bilge) führenden Röhre K in
Verbindung zu bringen. Alle drei Hähne sind mit Handgriffen versehen, welche, wenn
das Instrument in Wirksamkeit ist, senkrecht herabhängen. Um aber das Instrument in
Wirksamkeit zu sezen, müssen zuerst die 3 Handgriffe in die Lage
gebracht werden, um dem Salzwasser zu gestatten, die Glasröhre A hinauf und durch die Röhre K hinaus in den Schiffsraum zu fließen. Diese Stellung der Hähne wird so
lange beibehalten, bis die Glasröhre A und ihre Rohre im
Innern des Kessels vollständig gereinigt und mit Sole gefüllt sind; dann bringt man
die Handgriffe in die Lage , wodurch auf ähnliche Weise B und ihre Röhre im Innern des Kessels gefüllt wird.
Endlich bringe man den Handgriff des oberen Hahns wieder in seine ursprüngliche Lage
und stelle die beiden unteren Handgriffe horizontal, wodurch die Speisungsröhre mit
einer der Röhren im Dampfkessel in Verbindung gesezt und diese Röhre mit Wasser
gefüllt wird. Auf diese Weise stehen in den beiden Röhren im Innern des Kessels zwei
Wassersäulen von verschiedenem specifischem Gewichte, nämlich die concentrirtere
Sole, deren specifisches Gewicht gemessen werden soll, und das Speisungswasser,
dessen specifisches Gewicht, so lange die Temperatur der Condensation sich gleich
bleibt, sehr nahe constant ist. Da nun das specifische Gewicht dieser Wassersäulen
verschieden ist, so müssen auch ihre Höhen in beiden Glasröhren verschieden seyn;
die Größe dieses Unterschiedes und mithin auch der Sättigungsgrad der Sole wird
durch die zwischen den Glasröhren befestigte Scale angezeigt.
Die Anwendung dieses Instrumentes, dem der Name Salinometer beigelegt werden mag,
beschränkt sich nicht auf diesen einen Zwek, sondern es entspricht überhaupt allen
Zweken der gewöhnlichen gläsernen Visirröhre, indem das Wasserniveau im Kessel in
der Mitte zwischen den beiden Wasseroberflächen in den Röhren liegt. Wenn eine oder
beide Glasröhren zerbrechen sollten, so gebe man den Handgriffen diese Lage
, bei welcher aus dem Dampfkessel nichts entweichen kann.