Titel: | Ueber die sich selbst regulirende Windmühle des Hrn. A. Durand. (Ein der französischen Akademie der Wissenschaften von Hrn. Séguier erstatteter Bericht.) |
Fundstelle: | Band 86, Jahrgang 1842, Nr. XCV., S. 410 |
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XCV.
Ueber die sich selbst regulirende
Windmuͤhle des Hrn. A.
Durand. (Ein der franzoͤsischen Akademie der
Wissenschaften von Hrn. Séguier erstatteter
Bericht.)
Aus den Comptes rendus, 1842, Nr. 12.
Séguier, über Durand's sich selbst regulirende
Windmühle.
Hr. Amadée Durand zog die Ursachen in Erwägung,
welche wohl Schuld seyn mögen, daß das wohlfeilste aller Bewegungsmittel, die Kraft
des Windes, so ganz und gar aufgegeben werden zu wollen scheint und glaubt dieselben
in der Ungleichheit ihrer Wirkung und der außerordentlichen Schwierigkeit, dieselbe
zu reguliren, gefunden zu haben. Der Wind bläst entweder zu stark oder zu schwach,
zuweilen wohl auch gar nicht. Ein Mittel auffinden, den Ueberfluß an Kraft zu
vermeiden und aus der schwächer werdenden Kraft allen möglichen Nuzen ziehen, dieß
heißt beinahe schon zwei der genannten Uebelstände verschwinden machen; praktische
Erfahrung zeigte sogar bald, daß auch der dritte Uebelstand, der gänzliche Mangel an
Wind, die Dauer einer völligen Windstille, sich auf viel kürzere Zeit beschränkt,
als bisher angenommen wurde. Wir haben uns hievon durch Versuche überzeugt und
gesehen, daß die zu besprechenden Windmühlen in 24 Stunden im Durchschnitt 16
Stunden lang sich bewegen.
Hr. Durand hatte sich zur Aufgabe gemacht,
1) einen Apparat zu construiren, welcher mit den wenigstmöglichen Kosten im Stande
ist, die nuzbare Kraft des Windes zu sammeln;
2) den möglich regelmäßigsten Gang der Maschine zu bewerkstelligen, mit
Entbehrlichmachung aller Ueberwachung der Tuchbespannung und Wendung derselben;
3) die größte Summe an Arbeit in einer gegebenen Zeit zu erzielen, während die Flügel
stets die volle Streichfläche behalten;
4) diese Wirkungen durch eine einfach und ökonomisch construirte Maschine
hervorzubringen, welche leicht zu repariren ist, in sich selbst die Bedingungen
langer Dauer vereinigt und keiner besondern Beaufsichtigung bedarf; kurz, er
beabsichtigte die Construction einer Mühle, welche die Windkraft jeden Grades zu
Nuze macht, vom schwächsten Wind in Bewegung gesezt wird, ohne bei dem stärksten von
einem Maximum der Geschwindigkeit abzuweichen.
Die Mühle des Hrn. Durand gehört zu jenen, welche den Wind
von Hinten empfangen. Eine Auflage in Form eines T trägt
die Flügelwelle (Ruthenwelle) und dient dem ganzen Bewegungssystem als Zapfen. An einem Ende des
Wellbaums befinden sich die Flügel; am andern sizt der die Bewegung fortpflanzende
Drehling. Die Wirkung des die Flügel von Hinten anströmenden Windes findet auf einen
außerhalb des Centrums der Drehung befindlichen Punkt des ganzen Systems statt; der
Träger des Wellbaums bringt, indem er der Einwirkung des Windes auf die Flügel
nachgibt, diesen, an welchem die Flügel befestigt sind, in paralle Richtung mit dem
Luftstrome; die Flügel werden demnach beständig zum Winde in einem rechten Winkel
gehalten und verändern ihre Stellung in dem Maaße, als er in seinem Einfall
wechselt, um immer wieder sich in rechten Winkel zu stellen, in welcher Stellung
allein die einwirkende Kraft indem sie sich auf allen Flügeln ins Gleichgewicht
sezt, ihnen nur eine rotirende Bewegung um ihre gemeinschaftliche Achse
gestattet.
Es sind der Flügel sechs, deren jeder im Ganzen ein spizwinkeliges Dreiek von 1,50
Meter Grundlinie und 2,50 Meter Höhe bildet; ihre ganze Ausdehnung beträgt 6,90
Meter, die des bespannten Theils 6,30 Meter; die Flächen bestehen aus grober
Leinwand, wie bei den alten Mühlen, mit dem Unterschiede aber, daß sie nach allen
Richtungen stark gespannt ist und dann keine Falte mehr hat, welche sich dem
Darüberwegstreichen des Windes widersezt; auch wird sie nicht, wie sonst, von
leiterförmigen Rahmen, sondern ganz einfach, wie die Schiffsegel gehalten. Bei
dieser Einrichtung bilden demnach drei Stüke Holz ohne Zapfen und Zapfenlöcher,
nämlich ein Mast, eine Segelstange und eine Nicht- oder Leitstange nebst zwei
leichten Schienen, das ganze Gerippe eines Flügels; diese Combination macht es
möglich, dem Winde bei zu großer Heftigkeit die Flügelflächen verhältnißmäßig zu
entziehen, wodurch ein gleichmäßiger Gang erzielt wird.
Die nun zu beschreibende Einrichtung hat zum Zwek, die Oberfläche der Flügel mit der
Windkraft in constante Beziehung zu bringen, um eine mittlere Quantität ziemlich
gleichförmiger Wirkung zu erhalten, ungeachtet des Wechsels der Kraft, welcher diese
Wirkung entnommen ist. Die Einrichtung, welche den Flügeln gestattet, sich der
Heftigkeit des Windes bei Stürmen zu entziehen, ohne jedoch aufzuhören die nöthige
Kraft zu sammeln, damit die Mühle fortwährend mit dem größten Nuzeffect
fortarbeitet, ist dem, was beim Seewesen auch stattfindet, nicht unähnlich.
Bekanntlich muß man nämlich, wenn ein Segel eingestrichen werden soll, das Tau
allmählich nachlassen, d.h. die Stange, welche das Segel hält, sich um den Mast
drehen lassen, indem man das Tau, womit das Ende der Segelstange in Verbindung ist,
lokerer macht. Das Segel erhält dadurch die Stellung einer Fahne, welche sich immer
parallel zu dem auf sie einwirkenden Luftstrome stellt. Eine ähnliche Wirkung wird bei dieser Mühle
hervorgebracht, jedoch durch ein ganz anderes Verfahren.
Man denke sich eine Barke, welche vorwärts geht unter der Einwirkung des von Hinten
her blasenden Windes, der das Segel schwellt, welches auf eine am Mast befestigte
Stange gespannt ist; wenn nun während des Fortschreitens der Barke die Segelstange
an einem Ende mit irgend einem festen Punkt zusammenträfe, so würde sie sich um den
Mast drehen und eine mit der Länge der Barke parallele Stellung annehmen; das
hiedurch aus dem Wind gekommene Segel würde aufhören vorwärts zu treiben, und eben
diese Bewegung ist es, welche mit den Flügeln der sinnreich erdachten Mühle des Hrn.
Durand stattfindet. Die Flügel, oder besser Segel,
sind alle über eine Art Segelstange gespannt, welche an der Hauptstange oder dem
Maste festsizt. Die sechs Maste steken in einer gemeinschaftlichen Nabe. Diese Nabe
kann am sie tragenden Wellbaum hin und her gleiten, welcher sie troz ihrer
Gleitfähigkeit mit umdreht. Jedes Segel wird noch diagonal von einer Querstange
durchkreuzt, die an einem Ende mit dem Ende der Segelstange, am andern aber mit der
den ganzen Apparat tragenden Welle verbunden ist.
Es ist nun leicht einzusehen, daß wenn die Stellung der die Segel tragenden Nabe auf
der Welle verändert wird, die Segel durch die eben genannte Querstange eine andere
Stellung erhalten müssen. Um diesen Vorgang besser zu bezeichnen, sagen wir, daß in
diesem Falle, um das Segel nachzulassen, nicht das Tau nachgelassen wird, sondern im
Gegentheil der Mast seinen Plaz verändert.
Die Stellung der Nabe auf der Welle ist der Art, daß die Flügel ihre ganze Fläche
darbieten, so lange die Wirkung des Windes, welche durch ihre Gesammtoberfläche
vervielfältigt wird, geringer ist, als das Gewicht eines Gegengewichts, welches sie
beständig in ihre normale Stellung zurükzuführen strebt; sobald aber das
Gleichgewicht zwischen dem Druk des Windes auf die Flügel und dem Gegengewichte
durch zu große Heftigkeit des Windes gestört wird, geht das Gegengewicht in die
Höhe, die Nabe verändert ihre Stellung und läßt mittelst der befestigten Querstangen
die Segel in dem Maaße sich wenden, als es nöthig ist, dem Windstrome weniger Fläche
darzubieten. Es findet demnach ein unaufhörliches Entgegenwirken zweier Kräfte
statt, welches das regelmäßige Fortbewegen der Maschine ohne merkliche
Beschleunigung bewirkt. – Es versteht sich von selbst, daß das Gewicht dem
Maximum der Windeskraft entsprechen muß.
Der ganze Apparat muß hinreichend hoch stehen, damit der freie Spielraum des Windes
nicht beschränkt werde. Zu dem Ende hat
Durand aus vier starken Pfosten eine Pyramide errichtet,
deren Spize die Vorrichtung trägt.
Die Vorzüglichkeit dieser Mühle wurde bei der Berichterstattung an die Akademie der
Wissenschaften zu Paris durch ein Document der Gemeinde von Villejuif auf
glaubwürdige Weise bezeugt. Homberg, Ingenieur für
Straßen- und Canalbau, beweist, daß bei mittlerem Winde die von Durand in dieser Gemeinde gebaute Mühle aus einer Tiefe
von 15 Meter 3 Liter Wasser mittelst Kolbenhub in die Höhe förderte. Die Zahl der
Kolbenhube war per Minute 30. Bei einer Arbeitszeit von
44 Stunden beträgt demnach bei stets mittlerer Windeskraft die Menge des aus dieser
Tiefe zu Tage geförderten Wassers 129600 Liter, oder 1944000 Liter bei 1 Meter
Tiefe. Denkt man sich diese Wassermenge über einen Raum verbreitet bei einer Höhe
von 1 Centimeter, so wird die damit bedekte Fläche eine Ausdehnung haben von mehr
als 19 Hektaren.
Diese Mühle arbeitet bereits 5 Jahre mit gleichem Erfolg. Sie ist jedoch nicht die
einzige, welche diese Resultate liefert. Durand hat deren
gebaut zu Vanores, Châtenay, Meudon, Neuilly-sur-Marne,
Brie-Comte-Robert u.s.w.
Aus dem Documente, welches der Maire und die Gemeinderäthe von Villejuif ausgestellt,
sah man, daß seit Erbauung der Mühle in dieser Commune dieselbe, ohne Beschädigung
erhalten zu haben, die heftigsten Stürme, namentlich die von 1839, welche überall so
bedauerliche Folgen verursachten, ertragen hatte; ferner, daß die
Unterhaltungskosten derselben sich nur auf einwand und Oehl zum Einschmieren der
Frictionsflächen erstreiten und die Summe von 35 Fr. jährlich nicht überstiegen.
Die Vortheile dieser kleinen Mühlen sind im Vergleich mit den gewöhnlichen
folgende:
1) Sie können aller Aufsicht entbehren, da sie sich selbst reguliren; während bei
allen anderen Mühlen die Müller zur größten Vorsicht und immerwährenden
Aufmerksamkeit gezwungen sind, wenn anders sie ihre Mühle nicht der Zerstörung
aussezen wollen.
2) Die Regulirung geschieht auf eine Weise, wodurch kein Feiern oder Stillstehen des
Werkes nöthig ist, wodurch also mehr Arbeitszeit gewonnen wird.
3) Sie können auch bei ganz geringem Winde mit gleicher Thätigkeit fortarbeiten,
indem sie durch die Leichtigkeit und die geringen Dimensionen ihrer Theile weniger
Kraft erfordern, als die der großen und schwerfälligen Mühlen u.s.w.
Sie können ohne Schwierigkeit 14 Umdrehungen per Minute
machen, doch gibt ihnen Durand nie mehr als 9 bis 10. Die
durchschnittliche Arbeitszeit einer solchen Maschine ist 16 Stunden von 24, d.h. das
Doppelte der Arbeit der gewöhnlichen Mühlen.