Titel: | Ueber die Bildung und Zusammensezung des Bleiweißes; von C. Hochstetter. |
Fundstelle: | Band 86, Jahrgang 1842, Nr. XLII., S. 205 |
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XLII.
Ueber die Bildung und Zusammensezung des
Bleiweißes; von C.
Hochstetter.
Im Auszuge aus dem Journal für praktische Chemie, 1812,
Heft 16.
Hochstetter, über die Bildung und Zusammensezung des
Bleiweißes.
I. Theorie der Bleiweißbildung. Während man in Bezug auf
die französische Bleiweißbereitung durch Fällung längst
der Meinung gewesen ist, daß hier das basisch-essigsaure Blei durch
Kohlensäure in neutrales essigsaures Blei und kohlensaures Blei zerlegt werde, hat
erst die neuere Zeit nachgewiesen, daß die Bleiweißbildung nach der holländischen Methode wesentlich auf derselben Zersezung
beruhe. Pelouze (polyt. Journal Bd. LXXXIII. S. 388) und Liebig (Handwörterbuch der Chemie Bd. I. S. 836) haben,
auf eigene und auf die Versuche des Amerikaners Richards
gestüzt, überzeugend nachgewiesen, daß die Bleiplatten sich keineswegs auf Kosten der Essigsäure oxydiren, sondern daß die Essigsäure hier nur
disponirend wirkt; die Luft gibt erst den Sauerstoff zur Oxydation des Bleies her,
es bildet sich basisch-essigsaures Blei, und dieses wird dann wieder durch
die feuchte Kohlensäure der Luft zersezt. Feuchte, kohlensäurereiche Luft ist
wesentliche Bedingung für das Gelingen dieser Methode. Nähere Betrachtung der
verschiedenen Fabricationsweisen zeigt auch bald, daß bei aller Erzeugung diese
Bedingung beabsichtigt ist.
Der Verf. hat durch einige Versuche gezeigt, daß jene Ansicht von der wesentlichen
Identität beider Methoden der Bleiweißbildung richtig sey; nur insofern weicht er
etwas ab, als er zeigt, daß auch das neutrale essigsaure Blei durch Kohlensäure und
Wärme allein einen Theil des Bleiweißes liefere.
Aus der Erfahrung im Großen geht eigentlich die Oxydation des Bleies durch die Luft
nicht unmittelbar hervor, da bekannt ist, daß bei Anwendung von Mistbädern der
Luftzutritt so viel als möglich erschwert wird, und in einer in heftiger Gährung
begriffenen Mistgrube müßte die Anwesenheit von freiem Sauerstoff sehr in Zweifel
gezogen werden.
1) Blei, welches durch Eintröpfeln in Wasser sehr fein zertheilt war, wurde in einen
unten und oben offenen, mit einem Roste aus Bleistäben versehenen Glascylinder
gefüllt, dieser in ein cylindrisches Glasgefäß, auf dessen Boden sich verdünnter
reiner Essig befand, eingehängt und 10 Tage lang in einer kohlensäurefreien
Atmosphäre, welche in einem hölzernen Kasten, mit halb zerfallenem kaustischen Kalke
gefüllt, erhalten wurde, sich selbst überlassen. Nach Verlauf dieser Zeit waren die
den Essigdämpfen zunächst ausgesezten Bleicheile mit weißen Ausblühungen bedekt,
welche sich in reinem Wasser fast ohne Trübung auflösten. Dieselbe Vorrichtung wurde
in der gewöhnlichen Atmosphäre die gleiche Zeit sich überlassen und dann die
Ausblühungen untersucht, welche nun zum größeren Theil aus Bleiweih, der auflösliche
Theil aber aus neutralem essigsaurem Bleioxyd bestanden.
2) Ebenfalls feinst zertheiltes Blei wurde in einer Flasche mit sehr schwachem Essig
angefeuchtet, in einem Wasserbade bei der Temperatur zwischen 30 und 40° C.
erhalten und bei völlig abgehaltenem Luftzutritt Kohlensäure in die das Blei
enthaltende Flasche, welche mittelst einer unter Wasser tauchenden Röhre abgesperrt
war, geleitet. Bei 12 Stunden anhaltender Einwirkung blieben die Bleilamellen
vollständig blank. Nach dieser Zeit wurde der atmosphärischen Luft Zutritt
gestattet, und schon nach einer Stunde wurden die Bleilamellen matt, nach 6
Stunden aber waren sie vollständig weiß, d.h. mit Bleiweiß überzogen.
Diese beiden Versuche waren so schlagend, daß weitere Versuche überflüssig schienen,
die Hauptbedingungen der Bleiweißbildung nach holländischer Methode festzustellen,
denn es geht aus ihnen unmittelbar hervor, daß die Essigsäure bei der Bildung von
kohlensaurem Bleioxyd nur vermittelnd wirkt, daß es der Sauerstoff der Luft ist, der
die Oxydation des Bleies bedingt, wie dieß schon oben angegeben ist.
Das Bleiweiß, das auf diese Art erhalten wird, enthält in der Regel sehr bedeutende
Mengen von essigsaurem Bleioxyd, welches es auch nach seiner Bereitungsmethode
enthalten muß, da sich das bei Einwirkung der Essigdämpfe auf Bleiplatten gebildete
basischessigsaure Oxyd in Bleiweiß und Bleizuker verwandelt hat. Diese Mengen im
rohen Bleiweiß variiren sehr; die größte ist 12 Proc. vom Gewicht des erzeugten
kohlensauren Bleioxyds, es finden sich aber bei einigen Fabriken im rohen Bleiweiß
nur 2 Proc. vor. In Bleiweiß, welches der Verf. durch Nachahmung der holländischen
Fabricationsmethode erzeugte, fanden sich ebenfalls nur 4,42 Proc. neutrales
essigsaures Bleioxyd vor. Die Mengen von Bleizuker aber müßten der obigen Theorie
nach bedeutender seyn, als sie sich wirklich gewöhnlich im rohen Bleiweiß
vorfinden.
Dieß erklärt sich folgendermaßen: wenn krystallisirter Bleizuker der Luft längere
Zeit ausgesezt wird, löst er sich nie mehr vollständig in Wasser mit Hinterlassung
von Bleiweiß; diese Zersezung erfolgt schon bei gewöhnlicher Temperatur und bei
Anwesenheit von wenig Kohlensäure; bei erhöhter Temperatur und in einer an
Kohlensäure sehr reichen Atmosphäre muß diese weit besser vor sich gehen.
Die angestellten Versuche haben dieß auch vollständig bewiesen.
1) Eine bei 40° C. gesättigte Auflösung von neutralem essigsaurem Bleioxyd
wurde bei der Temperatur von 30–40° mit gasförmiger Kohlensäure in
Berührung gebracht, ohne den Zutritt der atmosphärischen Luft abzuhalten. Nach 24
Stunden war ein Theil des Wassers verdampft und die theilweise krystallisirte Lauge
von einer weißen Haut bedekt. Mit Wasser versezt, blieb ein nicht unbedeutender
Rükstand an Bleiweiß.
2) Trokene Bleizukerkrystalle wurden ebenfalls bei einer Temperatur von
30–40° in eine Kohlensäure-Atmosphäre gebracht, nach 12 Stunden
waren sie etwas verwittert und hinterließen bei der Auflösung ebenfalls
Bleiweiß.
In beiden Fällen ist Essigsäure als Dampf entwichen und dafür Kohlensäure aufgenommen
worden.
Es geht daraus aufs Bestimmteste hervor, daß ein Theil des Bleiweißes der
holländischen Fabriken das Zersezungsproduct des Bleizukers durch Kohlensäure und
Wärme allein ist, und namentlich derjenigen Fabriken, welche in ihrem Rohproducte
nur wenig essigsaures Bleioxyd haben.
Eine nothwendige Bedingung bei diesem Vorgange ist eine mit Wasserdampf vollständig
gesättigte Atmosphäre, denn sobald diese nicht vorhanden, findet keine
Kohlensäure-Aufnahme statt, obgleich das essigsaure Bleioxyd Essigsäure
verloren hat; selbst trokenes basischessigsaures Bleioxyd bleibt ohne Anwesenheit
von Feuchtigkeit in Berührung mit Kohlensäure völlig unverändert. Der
Feuchtigkeitszustand der die Bleiplatten umgebenden Atmosphäre ist daher von großem
Einflusse auf den Proceß der Bleiweißbildung.
Die Erfahrung im Großen stimmt hiemit vollkommen überein, indem die Menge von
Bleizuker in dem rohen Bleiweiß, in Mistbädern erzeugt, weit geringer ist als in dem
der Fabriken, welche das Blei in Essig enthaltenden Kisten in geheizten Räumen
zersezten, wo die Kohlensäure- und Wasserdampfentwikelung mit der der
Essigsäure aufhört, wenn der Inhalt der Kisten troken geworden ist, während in den
Mistbädern Kohlensäure und Wasserdampf fortwährend thätig sind, also die Zersezung
des Bleizukers nicht unterbrochen wird.
Wenn wir wissen, daß es Fabriken gibt, bei welchen die Bleiplatten vollständig in
Bleiweiß verwandelt werden, ohne daß dieses besonders namhafte Mengen von
essigsauren Salzen enthält, weßhalb diese Sorte ohne weitere Behandlung in den
Handel kommt, so ist es durch obige Versuche außer Zweifel, daß mindestens ein Theil
dieses Bleiweißes durch allmähliche Zersezung des neutralen essigsauren Bleioxyds
entsteht.
Diese leztere Art der Bleiweißbildung ist den Fabrikanten besonders zur Beachtung zu
empfehlen, denn von dieser hängt eine größere Ausbeute an Bleiweiß und überhaupt
eine vortheilhaftere Fabrication ab. Es muß möglich seyn, sämmtliches essigsaures
Salz, welches das rohe Bleiweiß gewöhnlich enthält, bei lange genug fortgesezter
Einwirkung von feuchter Kohlensäure und Wärme zu zersezen.
II. Zusammensezung der Bleiweiße. Das holländische
Bleiweiß enthält bekanntlich nach Mulder
Polyt. Journal Bd. LXXIX. S. 221. stets Bleioxydhydrat. Es galt zunächst, dieß zu bestätigen, und wo möglich
die Umstände nachzuweisen, von denen der Wechsel und Gehalt an Bleioxydhydrat abhängt. Es
zeigte sich dabei, daß auch das französische Bleiweiß Hydrat enthält.
Der analytische Weg, den Hochstetter einschlug, war
ziemlich derselbe, den Mulder verfolgte.
In den weiter unten näher zu bezeichnenden Bleiweißsorten ist nach seinen Analysen
der Gehalt an Essigsäure durchschnittlich bei
I
=
0,7 Proc.
II
=
0,56 –
III
=
0,34 –
IV
=
0,52 –
Versucht man, die Bleiweiße durch Auswaschen mit Wasser von dem essigsauren Salze zu
befreien, so gelingt dieß ohne besondere Maßregeln nicht, durch Auswaschen mit
kochendem Wasser aber, wenn die Bleiweiße sehr fein durch Abschlämmen vertheilt
waren, ließ sich jede Spur von essigsauren Salzen entfernen.
Sämmtliche hier angeführte Analysen sind aus Durchschnitten mehrerer Analysen
entnommen.
I. Kremserweiß (eine in Berlin sehr
beliebte Sorte).
Ausgewaschen.
Atome.
Berechnet.
Bleioxyd
83,77
83,97
8
84,60
Wasser
1,01
0,84
1
0,85
Kohlensäure
15,06
15,03
7
14,55
––––––––––––––––
–––––––––
99,84
99,84
100,00.
II. Gefälltes Bleiweiß aus
Magdeburg.
Ausgewaschen.
Atome.
Berechnet.
Bleioxyd
85,93
85,87
3
86,37
Wasser
2,01
2,14
1
2,32
Kohlensäure
11,89
11,77
2
11,31
––––––––––––––––
–––––––––
99,83
99,78
100,00.
III. Harzer Bleiweiß (Bereitungsart
unbekannt).
Ausgewaschen.
Atome.
Berechnet.
Bleioxyd
86,40
86,42
3
86,37
Wasser
2,13
2,23
1
2,32
Kohlensäure
11,53
11,51
2
11,31
––––––––––––––––
–––––––––
100,06
100,16
100,00.
IV. Kremserweiß.
Ausgewaschen.
Atome.
Berechnet.
Bleioxyd
86,25
86,55
3
86,37
Wasser
2,21
2,21
1
2,32
Kohlensäure
11,37
11,27
2
11,31
––––––––––––––––
–––––––––
99,83
100,03
100,00.
V. Kohlensaures Bleioxyd, welches der
Verfasser durch Nachahmung der holländischen Fabricationsmethode selbst
erzeugte.
So wie dasselbe von der Bleiplatte abgesondert wurde.
Ausgewaschen.
Atome.
Berechnet.
Bleioxyd
84,42
84,21
8
84,60
Wasser
1,36
1,01
1
0,85
Kohlensäure
14,45
14,73
7
14,55
––––––––––––––––
–––––––––
100,23
99,95
100,00.
Beim Auswaschen mit kochendem Wasser verlor dieses selbst erzeugte Bleiweiß bloß 2,42
Proc. essigsaures Bleioxyd, wie schon oben erwähnt.
Alle diese Analysen zeigen, daß der Unterschied zwischen den Resultaten des
essigsaures Bleioxyd enthaltenden und davon befreiten Bleiweißes so gering sind, daß
sie sich innerhalb der Gränzen der Beobachtungsfehler bewegen.
Mulder nahm mit mehreren Anderen an, daß der Gehalt an
Essigsäure von sechstel-essigsaurem Bleioxyd herrühre. Diese Annahme ist
nicht richtig, denn einerseits müssen die rohen Bleiweiße, wie wir oben gesehen
haben, nur neutrales essigsaures Bleioxyd enthalten; wenn aber wirklich bei Mangel
an Kohlensäure neben dem neutralen Salze eine Bildung von 1/6 essigsaurem Bleioxyd
stattgefunden hätte, so mußte dieses leztere zersezt werden, sobald es beim
Auswaschen mit Auflösungen von neutralem essigsaurem Blei in Berührung kommt-
ein Fall, der stets statthaben muß; andererseits beweisen die obigen Analysen die
Abwesenheit von 1/6 essigsaurem Blei nicht nur vollständig, ja sie beweisen sogar,
daß sich die Essigsäure in einem neutralen Salze im Bleiweiß vorfindet.
Ist nämlich das Salz im neutralen Zustande vorhanden, so kann in der That der Gehalt
an diesem beim Glühen eines Bleiweißes die Resultate kaum ändern, denn Essigsäure
C₄H₆O₃ zersezt sich bekanntlich als essigsaures
Bleioxyd beim Glühen in CO₂ + C₃H₆O es bildet sich auf 1 Atom Bleioxyd 1 Atom Kohlensäure.
Wäre aber das Salz als 1/6 essigsaures Bleioxyd vorhanden, so müßte sich auf 5 Atome
Bleioxyd 1 Atom Kohlensäure bilden, und die Differenzen in den Analysen zwischen
essigsäurehaltigen und essigsäurefreien Bleiweißen müßten sehr bemerklich seyn; das
erstere müßte stets einen größeren Gehalt an Bleioxyd ausweisen.
Die Versuche zeigen nun ferner, daß keine der untersuchten Bleiweißsorten neutrales
kohlensaures Bleioxyd ist, daß aber die fehlende Menge Kohlensäure durch Wasser
ersezt ist. I und V nähern sich dem neutralen Salze, sie enthalten wenig Hydrat; II,
III und IV dagegen enthalten davon sehr bemerkenswerthe Quantitäten.
Aus der atomistischen Zusammensezung dieser Bleiweiße ergibt sich unwiderlegbar, daß
wirklich eine Verbindung von Bleioxydcarbonat mit Bleioxydhydrat existirt, ferner,
wie dieß auch Mulder nachgewiesen hat, daß diese
Verbindung in verschiedenen Verhältnissen vorkommt und daß die meisten im Handel
vorkommenden Sorten nicht neutrales kohlensaures Bleioxyd sind, Resultate, die
geradezu denjenigen widersprechen, welche Bischoff nach
Untersuchung einer ziemlichen Anzahl von Bleiweißen des Handels vor einigen Jahren
bekannt machte.
Um so auffallender muß daher erscheinen, daß das gefällte Bleiweiß Nr. II ebenfalls
kein neutrales, sondern den andern Sorten ähnlich zusammengeseztes kohlensaures Salz
ist, während diese Sorte Bleiweiß bisher unbedingt als neutrales kohlensaures
Bleioxyd angenommen wurde.
Der Verf. fällte aus Bleiessig mittelst Kohlensäure so lange Bleiweiß, bis
Lakmuspapier anfing kaum geröthet zu werden. Dieses Bleiweiß, mit kaltem Wasser
ausgewaschen, unter der Lustpumpe und zulezt bei 100° C. getroknet, fand sich
also zusammengesezt:
Gef.
At.
Ber.
Bleioxyd
86,08
3
86,37
Kohlensäure
11,47
2
11,31
Wasser
2,57
1
2,32
–––––––––––––––
100,12
100,00.
Die analysirte Probe enthielt noch Essigsäure, weßhalb eine Portion mit Wasser
längere Zeit gekocht und auf dem Filter mit kochendem Wasser ausgewaschen wurde.
Diese Probe zeigte folgende Zusammensezung:
Bleioxyd
86,18
Kohlensäure
11,45
Wasser
2,44
––––––
100,07.
Die Zusammensezung blieb demnach dieselbe, und aus beiden Analysen geht hervor, daß
auch dieses auf französische Methode bereitete Bleiweiß
nicht das neutrale kohlensaure Salz ist, sondern ebenfalls eine Verbindung von
Carbonat mit Hydrat, wie die Bleiweißsorte Nr. II; sie kann durch die Formel 2
b + b ausgedrükt werden.
Man suchte nun das gefällte, von Essigsäure vollständig befreite Bleiweiß, dessen
Zusammensezung 2 b + b war, in neutrales Salz zu
verwandeln, indem man hievon eine Portion mit Wasser anrührte und in die Mischung
zwei Stunden lang Kohlensäure strömen ließ. Die Untersuchung des Bleiweißes nach
dieser Behandlung zeigte, daß kaum Spuren von Kohlensäure aufgenommen waren. Sezte man aber
demselben in Wasser angerührten Bleiweiß einige Tropfen Essigsäure zu und leitete
nun Kohlensäure in die Mischung, so war nach sehr kurzer Zeit die Probe in völlig
neutrales kohlensaures Bleioxyd umgewandelt. Dasselbe Resultat wurde erhalten, wenn
in Bleiessig so lange Kohlensäure strömte, bis Lakmuspapier sich stark röthete.
Dieselbe Zusammensezung zeigt dasjenige kohlensaure Bleioxyd, welches sich bei
Zersezung von Bleizukerkrystallen in kohlensäurehaltiger Luft bildet.
Nach Belieben kann man sich also die basische oder neutrale kohlensaure Verbindung
darstellen, wenn für die erstere die Fällung mit Kohlensäure aus
basisch-essigsaurem Bleioxyd nicht vollständig ausgeführt, für die leztere
aber so lange Kohlensäure in die Auflösung geleitet wird, bis sie sauer ist und
überhaupt durch Kohlensäure durchaus nichts mehr ausgefällt werden kann. Es folgt
hieraus, daß die neutrale kohlensaure Verbindung sich nur bei einem Ueberschusse von
Kohlensäure und bei Anwesenheit eines neutralen essigsauren Bleioxyds bildet. Diese
Erscheinung ist erklärlich, da man weiß, daß aus Auflösungen von neutralem
essigsaurem Bleioxyd durch überschüssige Kohlensäure Bleiweiß bis zu einem gewissen
Punkte gefällt werden kann, und zwar um so mehr, je verdünnter die Lösung ist;
hiebei wird Essigsäure frei und das gefällte kohlensaure Bleioxyd ist stets
neutrales Satz.
Der Verf. fand bei Einwirkung von Kohlensäure auf Bleioxyd, welches mit Wasser
angerührt war, Hydrat neben Carbonat gebildet; eben so enthielt das auf die Benson'sche Art dargestellte BleiweißMan vergl. polytechn. Journal Bd. LXXIX. S.
221. Hydrat; das Product wird aber neutral, sobald so
lange Kohlensäure zugeleitet wird, bis wieder etwas freie Essigsäure vorhanden
ist.
In allen diesen angegebenen Fällen überstieg das Bleioxydhydrat nie das Verhältniß
von 1 Atom Hydrat auf 2 Atom Carbonat. Ob diese Verbindung wirklich eine constante
ist, oder ob die Kohlensäure in verschiedenen Verhältnissen durch Wasser substituirt
werden kann, war noch wichtig zu wissen.
Man bereitete eine Auflösung von Ṗb₃Ā und leitete so lange Kohlensäure durch, bis
eine zur Analyse hinreichende Menge Bleiweiß gefällt war, filtrirte diese ab und
fällte wieder eine neue Portion u.s.f., bis die Lösung neutral war. Man erhielt so
fünf Portionen, welche bei verschiedenem Gehalte der Auflösung an Bleioxyd gefällt
waren, sämmtliche Proben aber fanden sich gleich zusammengesezt als 2
b + b
Eine Auflösung von b₃Ā wurde mit neutralem kohlensaurem Natron
gefällt und vom Fällungsmittel ein höchst unbedeutender Ueberschuß zugesezt. Das auf
diese Art gebildete kohlensaure Bleioxyd fand sich durchaus dem vorigen gleich
zusammengesezt.
Es ist also mittelst dieser Versuche die Existenz einer constanten Verbindung
nachgewiesen, welche aus 2 Atomen kohlensaurem Bleioxyd mit 1 Atom Bleioxydhydrat
besteht. Diese Verbindung bildet sich weit leichter und häufiger als die neutrale.
Sie bildet sich in allen den Fällen, wo sich ohne Mitwirkung von Essigsäure
kohlensaures Salz bilden kann; ferner fällt diese Verbindung stets aus
basisch-essigsaurem Bleioxyd nieder, das Fällungsmittel sey Kohlensäure oder
neutrales kohlensaures Alkali. Die neutrale Verbindung (b) bildet sich
dagegen nur aus neutralem oder saurem essigsaurem Bleioxyd, durch Fällen mit
Kohlensäure oder einem neutralen kohlensauren Alkali.
Sämmtliche Verbindungsstufen, welche Mulder und der Verf.
in den käuflichen Bleiweißsorten gefunden haben, wie 3 b +
b, 2 ½ b + b, 7 b +
b, und deren es wohl noch viele gibt, wird Niemand für constante
Verbindungen nach dem Vorhergehenden halten wollen; es ist bestimmt anzunehmen, daß
diese Bleiweiße Gemische aus b mit 2 b + b
sind.
Die leztere Verbindung wird in den holländischen Bleiweißsorten am häufigsten
entstehen, weil, wie oben gezeigt, aus basisch-essigsaurem Bleioxyd nur diese
Verbindung entstehen kann; die neutrale Verbindung wird sich in dem Falle finden,
wenn, wie oben gezeigt, sich Bleiweiß auch durch Zersezung von Bleizuker gebildet
hat, und es wird sich eine Sorte Bleiweiß um so mehr der neutralen Verbindung
nähern, je vollständiger der Bleizuker, welcher sich zu Anfang des
Bleiweißbildungs-Processes bildete, sich durch Kohlensäure zersezt haben
wird.
III) Ueber die dekenden Eigenschaften des Bleiweißes.
Obgleich aus diesen Versuchen zur Genüge hervorgeht, daß sowohl das gefällte als mit
Essigdämpfen dargestellte Bleiweiß genau auf dieselbe Weist entsteht und dieselbe
chemische Zusammensezung hat, so macht der Consument des Bleiweißes doch einen
Unterschied in diesen beiden Sorten. Er zieht in der Regel das mittelst Essigdämpfen
dargestellte, das sogenannte amorphe, vor, weil das gefällte bei weitem die Dekkraft
nicht besizen soll als das andere Bleiweiß, obgleich das erste weit haltbarer in der
Farbe seyn soll.
Diese geringere Dekkraft des gefällten Bleiweißes wurde seinem Aggregationszustande
zugeschrieben, weil man gefunden haben will, daß die kleinsten Theilchen krystallinisch seyen. Andere
behaupteten, die größere Dekkraft nehme mit dem größern Gehalte an Hydrat zu.
Die erstere Ansicht anlangend, hat Dr. Marchand auf verschiedene Methoden dargestellte Bleiweiße
von verschiedener Zusammensezung unter dem Mikroskope bei 800facher Vergrößerung mit
dem Verf. beobachtet und die kleinsten Theile gemessen. Mit Wasser gemischt,
erschienen die kleinsten Theile als stets abgerundete, kreisrunde oder ovale Körner
von verschiedener Größe, alle waren durchsichtig, mit einem schattigen Rande. Es
schien, als ob die Körner der gefällten Bleiweiße größer und durchsichtiger seyen,
als die der anderen Sorten, allein die Abweichungen waren so höchst unbedeutend, daß
darin kein wesentlicher Unterschied im Aggregationszustande der kleinsten Theilchen
gesucht werden kann. Von krystallinischem Gefüge zeigte sich bei keiner Sorte auch
nur eine Spur. Die Größe der Körner, mit dem Mikrometer gemessen, variirte zwischen
0,000004–0,000033 eines Pariser Zolls, die meisten hatten die Größe von
0,00001 Pariser Zoll.
Der Aggregationszustand scheint also keinen wesentlichen Einfluß auf die dekende
Kraft auszuüben; ist es aber der Gehalt an Hydrat, so ist es nach den mitgetheilten
Erfahrungen leicht, auch durch Fällen Bleiweiß darzustellen, welches dieses
enthält.