Titel: | Ueber magnetische Friction und ihre mögliche Anwendung auf Eisenbahnen; von Prof. Weber. |
Fundstelle: | Band 86, Jahrgang 1842, Nr. VII., S. 22 |
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VII.
Ueber magnetische Friction und ihre
moͤgliche Anwendung auf Eisenbahnen; von Prof. Weber.Resultate aus den Beobachtungen des
magnetischen Vereins im J. 1840 , Leipzig, Weidmann, 1841, S.
46–58.
Weber, über magnetische Friction und ihre mögliche Anwendung auf
Eisenbahnen.
Wenn man zwei Magnete mit denjenigen Theilen ihrer Oberfläche in Berührung bringt,
auf denen nach der idealen Vertheilung des Magnetismus die Dichtigkeit des freien
magnetischen Fluidums am größten ist, und zwar auf der einen die des nördlichen, auf
der andern die des südlichen Fluidums, so ziehen sich die beiden Magnete mit der
größten Kraft an. Ist die Berührungsfläche horizontal, so kann der untere Magnet mit
kleineren oder größeren Gewichten belastet werden, die nebst seinem eigenen Gewichte
getragen werden, ohne daß sie eine Trennung der beiden sich anziehenden Magnete zu
bewirken vermöchten. Gewöhnlich nimmt man zu diesen Versuchen einen Hufeisenmagnet,
mit dessen beiden nach Unten oder Oben gekehrten Endflächen ein Stük weiches Eisen
in Berührung gebracht wird, welches man die Vorlage nennt, und welches bekanntlich
durch diese Berührung mit einem Magnet selbst in einen Magnet verwandelt wird. Nach
dem größten vom Magnet getragenen Gewicht wird dann das Tragvermögen des Magnets
geschäzt. Statt eines Hufeisenmagnets gebraucht man oft auch ein Hufeisen von
weichem Eisen, welches mit einem diken Kupferdraht umwunden wird, durch welchen ein
galvanischer Strom geht, der das weiche Eisen magnetisch macht. Die Wirkung des
Magnetismus ist bei allen diesen Versuchen eine doppelte: erstens eine unmittelbare,
welche die Entfernung der sich berührenden Flächen hindert und durch das
Tragvermögen bestimmt wird; zweitens eine mittelbare, welche die Verschiebung der
sich berührenden Flächen aneinander hindert, und welche die magnetische Friction
heißen möge. Da meist nur die erste dieser beiden Wirkungen betrachtet zu werden
pflegt, so soll hier die Aufmerksamkeit besonders auf die zweite gewandt werden,
welche in der That nicht weniger Beachtung verdient wie jene.
Ein durch den galvanischen Strom magnetisirtes weiches Hufeisen wird, wenn es die
Peripherie eines eisernen Rads berührt, gleich einem Sperrhaken, die Drehung
desselben hindern, so lange bis die magnetische Friction überwunden wird. Umgekehrt,
wenn man die Peripherie eines Rades mit solchen Hufeisen dicht besezte und es auf
einem anderen eisernen Rade oder auf einer eisernen Schiene rollen ließe, so würden beide Räder
oder jenes Rad und diese Schiene sich eben so, wie wenn sie gezähnt wären, gegen
einander verhalten; die magnetische Friction würde verhindern, daß ein Rad ohne das
andere sich bewegte, oder daß das Rad auf der Schiene gleitend sich verschöbe, wovon
man in vielen Fällen eine nüzliche Anwendung machen kann.
Die meisten und stärksten Magnete, die man bisher dargestellt hat, erhielten entweder
die Gestalt eines geraden oder hufeisenförmig gekrümmten Stabs und hießen darnach
Stabmagnete und Hufeisenmagnete. Diese Formen der Magnete sind besonders
vortheilhaft, wenn man sie durch Streichen mit anderen Magneten magnetisirt. Bedient
man sich aber zum Magnetisiren der Kraft eines galvanischen Stroms, so kann man
Eisenmassen von anderer Form mit gleichem Erfolge magnetisiren, und zwar so, daß in
den verschiedenen Theilen der Eisenmasse die magnetischen Flüssigkeiten nach sehr
verschiedenen Richtungen geschieden werden. Auf diese Weise läßt sich zum Beispiel,
wie im Folgenden gezeigt werden soll, ein eisernes Rad so magnetisiren, daß seine
Peripherie eine stetige Folge von Hufeisenmagneten bildet, deren Nordenden und
Südenden zusammengenommen zwei Kreise bilden, die einander parallel sind und deren
Mittelpunkte in der Radachse liegen. Ein so magnetisirtes eisernes Rad möge ein
Radmagnet heißen.
Man bilde einen Ring von weichem Eisen, welcher den Radkranz darstelle, und der, wie
zu einem Schnurlauf, mit einer tiefen Rinne und mit einer Einfassung von Holz oder
Messing versehen ist, durch welche noch zwei andere parallele Rinnen zu beiden
Seiten des eisernen Ringes gebildet werden. In diesen drei Rinnen winde man einen
umsponnenen Kupferdraht um das Rad so auf, daß ein durch den Draht geleiteter
galvanischer Strom in der mittelsten Rinne nach entgegengesezter Richtung wie in den
beiden äußeren um das Rad herumgeht. Um den Kupferdraht aus einer Rinne in die
andere überzuleiten, ohne ihn über die vorspringenden Reifen des eisernen Radkranzes
wegzuführen, versehe man leztere mit einer Kerbe oder mit einem kleinen Loch, in die
der übergehende Draht eingelegt wird. Die beiden Drahtenden werden zu zwei von
einander isolirten Zapfen geführt, welche die Radachse bilden und mit den Polen
einer galvanischen Säule in Verbindung gebracht werden.
Bei einem Versuche mit einem Radmagnete von 147 Millim. Durchmesser wirkten acht Daniell'sche Becher, von denen jeder 2 Decim.
Kupferfläche hatte, und es wurde eine magnetische Friction von 14 Kilogr.
beobachtet. Da man Mittel besizt, viel stärkere Ströme mit kleineren Apparaten
hervorzubringen und die Friction dem Quadrate der Stromstärke proportional wächst,
so läßt sich übersehen, daß es nicht schwer fallen wird, diese Friction auf mehrere
Centner zu steigern.
Besondere Beachtung verdient bei der Betrachtung des beschriebenen Radmagnets der
Unterschied zwischen Schiebung und Rollung des Rades auf der Eisenschiene oder auf
dem Rande eines andern Rades. Wie der Gebrauch der Räder voraussezt, daß die
Schiebung ganz oder fast ganz gehindert sey, so fordert er dagegen, daß die Rollung
ganz oder fast ganz frei bleibe. Hiebei zeigt sich nun vorzüglich der Vortheil, den
die beschriebene stetige Magnetisirung des ganzen Radkranzes vor der Besezung der
Peripherie des Rads mit einzelnen noch so dicht aneinander liegenden
Hufeisenmagneten voraus hat; denn im leztern Falle müßte jeder Hufeisenmagnet,
welcher die eiserne Schiene berührte, beim Weiterrollen des Rades mit großer Kraft
abgerissen werden, wodurch die Rollung sehr erschwert werden würde; bei unserm
stetig magnetisirten Rade dagegen halten die magnetischen Kräfte vor und hinter der
berührten Stelle einander das Gleichgewicht, so daß der geringste äußere Anstoß das
Fortrollen des Rades bewirken kann, wie aus folgenden Versuchen hervorgeht.
Die eiserne Schiene, mit welcher das Rad in Berührung gebracht werden sollte, wurde
auf eine horizontale Unterlage befestigt, welche, während das Rad darauf stand,
langsam vorwärts oder rükwärts geneigt werden konnte, bis das Rad zu rollen begann.
An den beiden von einander isolirten Zapfen des Rades, welche die Radachse bildeten
und mit den Enden des um das Rad gewundenen Kupferdrahts verbunden waren, waren zwei
bewegliche Ringe angebracht, von denen die Leitungsdrähte senkrecht in die Höhe und
dann zu den beiden Polen der Säule führten. Die Säule konnte geöffnet und
geschlossen werden, ohne in der Lage der mit dem Rad verbundenen Drähte etwas zu
ändern. In 730 Millimeter Entfernung von der Drehungsachse der horizontalen
Unterlage wurde eine verticale Millimeterscale angebracht, um den Unterschied der
Neigung zu messen, wenn das Rad vorwärts und rükwärts zu rollen begann. Folgende
Tafel enthält die Resultate der abwechselnd bei geschlossener und nicht
geschlossener Säule gemachten Versuche:
geschlossen
ungeschlossen
vorwaͤrts
ruͤkwaͤrts
vorwaͤrts
ruͤkwaͤrts
55mm
38mm
48mm
45mm
54
–
48
45
55
38
48
45
55
38
48
45
55
38
55
–
Mittel
54mm 8
38mm 0
48mm 0
45mm 1
Unterschied
16mm 8
2mm 9
Aus diesen Versuchen ergibt sich nun der hemmende Einfluß, welchen die magnetische
Kraft auf die Rollung des Rades ausübte
Textabbildung Bd. 86, S. 25
wo 8500 Kilogr. das Gewicht des Rades ist, während die
Friction 14000 Kilogr. betrug, woraus hervorgeht, daß die Rollung des Rades durch
die magnetische Friction nicht mehr gehemmt wurde, als wenn dieselbe Friction durch
ein größeres Gewicht des Rades hervorgebracht worden wäre.
Nur eine Anwendung des eben beschriebenen und untersuchten Radmagnets möge hier
erwähnt werden, die sich Jedem von selbst darbietet, welcher die Grundbedingung
beachtet, wovon die Wirksamkeit des Radmagnets abhängt. Seine Wirkung soll darin
bestehen, daß er auf einer eisernen Unterlage oder Eisenbahn frei rollen, aber nicht
gleiten könne. Die Grundbedingung dieser Wirksamkeit ist also das Vorhandenseyn
einer Eisenbahn, da sie zu diesem Zweke nicht erbauet werden wird. Wenn aber solche
Bahnen in großem Maaßstabe vorhanden sind, so scheint es wohl der Frage werth, ob
das Eisen nicht auch durch seine magnetischen Eigenschaften, durch die es vor allen
Körpern in der Natur ausgezeichnet ist, dem Zweke dieser Anlagen dienen könne; eine
Frage, die meines Wissens bisher weder aufgeworfen noch beantwortet worden ist.
Es fragt sich also, ob und wann der Fall bei Eisenbahnen vorkomme, daß die Räder auf
den Bahnen gleiten und dadurch ihren Dienst ganz oder theilweise versagen; ferner ob
in solchen Fällen die die Gleitung hemmende magnetische Kraft ausreichen würde, um
den Mangel der gleitenden Reibung vollständig zu ersezen. Die Beantwortung der
ersten Frage ist solchen Sachverständigen zu überlassen, welche nicht bloß mit den
Leistungen und Mängeln der Dampfwagen vertraut sind, sondern auch zu übersehen
vermögen, welche Vortheile beim Bau und Gebrauch der Dampfwagen zu erlangen wären,
wenn die gleitende Reihung keine Beschränkungen auferlegte. Was die andere Frage betrifft, ob die
magnetische Kraft groß genug seyn würde, so kann daran erinnert werden, daß jezt
sogar die Hoffnung und Erwartung häufig ausgesprochen wird, noch weit mehr mit
magnetischen Kräften zu leisten, nämlich die Dampfmaschinen selbst dadurch zu
ersezen. Gegen die hiezu nöthigen Kräfte kommen jene kaum in Betracht, woraus von
selbst einleuchtet, daß auch dann, wenn hiezu die magnetischen Kräfte sich
unzureichend ergäben, sie doch dem obigen Zweke noch vollkommen entsprechen könnten.
In der That haben wir gesehen, daß bei einem kleinen Modell eines Rades mit einem
mäßig starken Strom über ein Viertel Centner gleitende Reibung hervorgebracht wurde,
woraus man leicht ersieht, wie schon oben bemerkt worden, daß, zumal wenn die
gleitende Reibung quadratisch mit der Stromstärke wächst, eine solche von mehreren
Centnern bei jedem Rade hervorzubringen leicht gelingen würde, wodurch es möglich
wäre, die Kraft, welche die Räder zu drehen sucht, ohne Gefahr des Gleitens auf der
Bahn zu verdoppeln.
Die Friction der Radmagnete auf der Eisenbahn würde den doppelten Vortheil gewähren,
daß man erstens nach Belieben sie gebrauchen oder nicht gebrauchen, schwächen oder
verstärken könnte; zweitens, daß sie von der Last des Dampfwagens unabhängig wäre,
durch deren Vergrößerung man bisher allein eine größere Friction gewinnen konnte. Da
die Friction der Räder an der Bahn ein eben so wesentliches Element zur Fortbewegung
ist, wie die Kraft selbst, welche die Räder dreht, so wäre es als ein Fortschritt
anzusehen, wenn man jene Kraft eben so wie diese zu beherrschen lernte. Bei der
Frage, ob eine Vergrößerung der Friction der Räder, die nach Belieben und ohne
Vergrößerung der Last der Dampfwagen eintreten kann, Bedürfniß sey, kommt die
Anlegung von Eisenbahnen in bergigen Gegenden besonders in Betracht; denn hier
nöthigt der Mangel der Friction zu großen Umwegen, um allmählich in die Höhe zu
kommen und dieser Mangel kann hier nicht durch die Last des Dampfwagens gehoben
werden, deren Vergrößerung hiebei sehr nachtheilig wirken würde.
Auch darf nicht übersehen werden, daß mit der Anwendung der magnetischen Friction bei
Dampfwagen auf Eisenbahnen noch indirecte Vortheile verbunden sind, die vielleicht
eben so wesentlich und wichtig sind, wie der oben erwähnte directe Nuzen, welche
darauf beruhen, daß die Kräfte, von denen jene Friction herrührt, dicht am
Berührungspunkte von Rad und Schiene ihren Siz haben.
Erstens ist es eine bekannte Erscheinung bei Eisenbahnen, daß der Dampfwagen nicht
gerade, sondern in einer Schlangenlinie auf der Bahn läuft – eine
Erscheinung, die sich auf keine Weise beseitigen ließ. Sie wird beseitigt durch
die magnetische Friction, welche die Mitte des Radkranzes auf der Mitte der Bahn
festhält und seitlich auszuweichen hindert. Dieses Resultat ergab sich aus
Versuchen, wo ein magnetisches Rad auf einer verticalen Kreisschiene hin- und
herrollte und immer auf der Mitte dieser Schiene blieb, während es sehr leicht von
der Schiene seitlich abgleitete, wenn die galvanische Kette gelöst wurde.
Zweitens ist es ein bekannter Uebelstand bei Eisenbahnen, daß die Geschwindigkeit,
mit welcher gefahren wird, keine beträchtlichen horizontalen Krümmungen der Bahn
gestattet, weil die Schwungkraft das Gewicht vermindert, womit die Räder der inneren
Seite des Bogens auf die Schiene drüken sollen und der Wagen dadurch Gefahr läuft,
nach Außen umzufallen. Die Magnetisirung des Rades und der Schiene bringt einen von
der Schwere und Schwungkraft unabhängigen Druk hervor und widersteht der Hebung des
Rades von der Schiene mit einer Kraft, die ungefähr sechsmal größer als die
magnetische Friction selbst angenommen werden darf.
Es ist bei der bisherigen Untersuchung der Radmagnete auf den Abstand der beiden
durch eine Rinne von einander geschiedenen eisernen Reifen keine Rüksicht genommen
worden. Man sieht leicht ein, daß dieser Abstand nicht groß seyn darf, wenn beide
Reifen auf einer und derselben Eisenschiene laufen und sie berühren sollen; es läßt
sich dann durch eine schikliche Form des Querschnitts des Radkranzes bewirken, daß
jener Abstand dabei klein und die magnetische Kraft doch groß ist. Jener Abstand muß
dagegen sehr groß seyn, wenn die beiden eisernen Reifen nicht auf einer, sondern auf
beiden Geleisen der Bahn laufen sollen, d. i. wenn ein einziger Radmagnet ein ganzes
Räderpaar des Dampfwagens vertreten soll. Für diesen leztern Fall gelten aber die
obigen Versuche über die Größe der magnetischen Friction nicht, vielmehr sieht man
leicht ein, daß die Friction in diesem Falle viel kleiner seyn müsse. Dessen
ungeachtet verdient dieser Fall beachtet zu werden, weil dann die beiden eisernen
Reifen um so sicherer mit den Schienen stets in Berührung bleiben würden, was nicht
der Fall ist, wenn, wie im erstern Fall, zwei eiserne Reifen auf jeder Schiene
laufen sollen. Es schien daher interessant, auch hier die Größe der magnetischen
Friction zu messen, was auf dieselbe Weise, wie oben geschehen konnte, bloß mit dem
Unterschied, daß man die Schiene nur einen Reif statt beider berühren ließ. Die so
wiederholten Messungen ergaben das Resultat, daß bei gleichen Umständen, wie im
vorhergehenden Versuche, die magnetische Friction der Eisenschiene an einem
Eisenreife des magnetischen Rades 2163 Kilogr. betrug. Diese Friction ist zwar viel
kleiner als die unter gleichen Verhältnissen oben gefundene gleichzeitige Friction beider Eisenreife an
einer Schiene; dennoch würde dieser Fall den Vorzug verdienen vor dem erstern, wenn
der galvanische Strom hinreichend verstärkt werden könnte, um dadurch zu ersezen,
was durch mangelnden magnetischen Schluß verloren geht.