Titel: | Versuche von Lespinasse, Pin, Castel und d'Aubuisson über den Ausfluß des Wassers durch mehrere benachbarte Oeffnungen. |
Fundstelle: | Band 85, Jahrgang 1842, Nr. XLVI., S. 188 |
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XLVI.
Versuche von Lespinasse, Pin, Castel und d'Aubuisson uͤber den Ausfluß des
Wassers durch mehrere benachbarte Oeffnungen.
Aus den Annales des ponts et chaussées 1841, im
polytechn. Centralblatt 1842, Nr. 37.
Lespinasse's, Pin's, Castel's und d'Aubuisson's Versuche
uͤber den Ausfluß des Wassers durch benachbarte Oeffnungen.
Wenn man einen Behälter hat, aus welchem eine gewisse
Quantität des stets in gleichem Höhenstande erhaltenen Wassers durch eine
Oeffnung in der Seitenwand ausfließt, und man bringt ganz nahe dieser Oeffnung
eine zweite von derselben Größe und Gestalt an, wird dadurch die Menge des aus
der ersten fließenden Wassers vermindert? – Dieß ist die Frage,
deren Lösung sich die oben genannten Herren in den hier mitgetheilten Versuchen zur
Aufgabe machten.
Im lezten Jahrhunderte machten einige Gelehrte, unter anderen Michelotti in Italien und Bossut in Frankreich,
mehrfache Versuche, um Regeln oder Formeln zu finden für die Quantität des in einer
gewissen Zeit durch eine Oeffnung von gegebener Größe und unter einem ebenfalls
gegebenen Druk oder Wasserhöhe ausfließenden Wassers. Sie erhielten Folgendes als
Resultat: der Abfluß einer gewöhnlichen und isolirten Oeffnung, oder die Quantität
des in einer Secunde aus einer solchen Oeffnung geflossenen Wassers beträgt beinahe
5/8 der durch Berechnung gefundenen, oder 0,625 des Products aus Flächenraum der
Mündung multiplicirt durch die Geschwindigkeit, mit welcher das Wasser ausfließt,
welche leztere Schnelligkeit von der Höhe des Wassers im Behälter abhängt.
Bekanntlich ist die Formel dafür folgende:
0,62 s . v = 0,62 s √(2 gh) = 2 .
746 s √h.
wobei s den Flächenraum der
Oeffnung oder Querschnitt des Wasserstrahls und h die
Höhe der Flüssigkeit über dem Mittelpunkte der Oeffnung bezeichnen.
In Bezug auf zwei benachbarte Oeffnungen ist uns keine Untersuchung bekannt.
Jedenfalls schrieb man der Nachbarschaft solcher Mündungen keine störende Einwirkung
auf die Geseze des gewöhnlichen Ausflusses zu. Dieß kann man wenigstens aus der
Praxis alter Brunnenmeister entnehmen. Wenn diese ein laufendes Wasser visiren
wollten, wurde sein Lauf durch einen dünnen Verschlag versperrt, in welchem in ein
und derselben horizontalen Linie mehrere Oeffnungen angebracht waren. Man nahm die Menge des aus
einer derselben geflossenen Wassers und vervielfältigte sie durch die Anzahl der
vorhandenen Löcher. In der That beweist die Erfahrung, daß unter ein und demselben
Druk die Quantität des abfließenden Wassers proportional ist dem Flächenraume der
Oeffnung, und daß sie innerhalb gewisser Gränzen unabhängig ist von dem Stande und
der Form derselben. Alsdann scheinen benachbarte Oeffnungen an Ausfluß so viel zu
geben, als eine einzige, deren Flächenraum gleich ist der Summe der Flächenräume der
anderen.
Dessen ungeachtet stellte 1782 ein französischer Ingenieur am Canal du Midi, Lespinasse, eine ganz entgegengesezte Behauptung auf. Er
wurde durch einige Versuche darauf geführt, welche er vornahm, um sich zu
vergewissern, ob die von Bossut und Anderen abgeleiteten
Regeln über kleine Oeffnungen sich auch auf große, wie z.B. Schleußenthore, anwenden
lassen. Die nähere Beschreibung seiner Versuche findet man im II. Bde. seiner im
Jahre 1784 erschienenen Mémoires de l'Académie
des Sciences de Toulouse. Wir wollen dasjenige daraus, was sich auf unsere
Frage bezieht, hier mittheilen.
Versuche von Lespinasse. – Sie wurden an der
sogenannten Bischofsschleuße, 1/4 Meile von Carcasonne, gemacht. Unmittelbar
unterhalb der Schleuße befindet sich ein Gerinne von 717,15 M. Länge. Indem er nun
dasselbe unterwärts öffnete, ließ er das Niveau um 0,447 fallen. Hierauf wurde der
Abfluß geschlossen und einer der Schleußenflügel an der Bischofsschleuße geöffnet.
Der Ausfluß wurde von dem Gerinne aufgenommen und brachte den Wasserstand in 40
Minuten zu seiner ersten Höhe. Auf diese Weise war das Volumen des während dieser
Zeit ausgeflossenen Wassers ein Prisma von 717,00 Meter Länge, 0,447 M. Dike und
19,29 M. mittler Breite, was mit dem in die Schleußenkammer eingetretenen und darin
zurükgebliebenen Wasser sich auf 6294,00 Kubikmeter oder 2,623 Kubikm. per Secunde erhöhte; dieß war die wirkliche Quantität
des ausgeflossenen Wassers. Nachdem man nun diese durch die aus der Formel gefundene
Ausflußmenge, welche Lespinasse zu 4,182 Kubikm.
geschäzt, theilte, erhielt man 0,627 als Reductionscoefficient dieses theoretischen
Ausflusses zu dem wirklichen.
Hierauf ließ man das Niveau noch einmal um 0,447 M. fallen und öffnete beide
Schleußenflügel zugleich. Der Wasserstand erlangte in 23 Minuten seine ursprüngliche
Höhe. Hätte jede dieser beiden Oeffnungen so viel geliefert, als die erste allein,
so würde es hiezu nur 20 Minuten bedurft haben. Somit fand eine Verminderung statt, bei welcher Lespinasse nur noch 0,554 als Reductionscoefficient
erhielt.
Jeder dieser beiden Versuche wurde der Sicherheit wegen wiederholt, und es ergaben
sich fast gleiche Resultate, wie man aus nachfolgender Tabelle ersieht. (Der Druk
ist oberhalb des Schwerpunktes der nicht ganz rechtwinkeligen Oeffnungen
angenommen.)
Textabbildung Bd. 85, S. 190
Zahl der Oeffnungen; Flächenraum
derselben in Quadr. Meter; Druk in Meter; Dauer des Ausflusses nach Minuten;
Wassermenge; während des Ausflusses; nach der Formel; in Wirklichkeit; in der
Secunde; Coefficient; Kubikmet.; Eine; Zwei
Wenn man also annimmt, daß jede der zwei Mündungen ein und dieselbe Wassermenge
ausläßt, so würde ein Oeffnen der zweiten den Ausfluß der ersten in dem Verhältniß
von 621 zu 554 vermindert haben. Lespinasse
verallgemeinert diesen Saz mit folgenden Worten: „Zwei einander benachbarte Oeffnungen, welche in ein und derselben Zeit
Wasser auslassen, entziehen sich den Ausfluß gegenseitig, und es ist der
Wahrheit nicht getreu, zu behaupten, daß gleiche Oeffnungen in gleicher Zeit
das Doppelte der Wassermenge einer jeden von ihnen allein
liefern.“
Versuche hierüber von Pin. – Ungefähr 10 Jahre
darauf machte Pin, Oberingenieur des Canals du Midi,
ähnliche Versuche an drei Schleußen in der Nähe von Toulouse und erhielt das
nämliche Resultat. Wir wollen durch nachfolgende Tabelle ein Resumé seiner in
l'Histoire du Canal du Midi durch General Andréossy veröffentlichten Versuche hier
mittheilen.
Textabbildung Bd. 85, S. 191
Namen der Schleuße; Querschnitt des
Wasserstrahls bei; Druk auf; Wirkliche Ausflußmenge bei; Coefficient für; einer
zwei Oeffnungen; Qdrtm.; Meter; de Bayard; de Matabieau...; des Minimes....
Auch hier hatte das Oeffnen der zweiten Mündung den Ausfluß der ersten in demselben
Verhältnisse beeinträchtigt, wie bei Lespinasse. Die
Uebereinstimmung der Resultate beider Versuche machte, daß sie allgemein für richtig
angenommen wurden. So z.B. bezog sich Hr. Navier darauf,
sowohl in seinen Notes sur l'Architecture hydraulique de
Bélidor (S. 289), als auch in seinen Vorlesungen. Ein Gleiches
geschah von den HHrn. Poncelet und d'Aubuisson, bis lezterer sich 1829 bewogen fühlte, selbst noch einmal
Versuche darüber anzustellen. Man findet sie ausführlich behandelt in seiner l'Histoire de l'etablissement des fontaines de Toulouse.
Das Wesentlichste daraus möge hier mitgetheilt werden.
Versuche von d'Aubuisson de Voisins. – (Wir lassen
ihn selbst reden.) „Ich hatte im Jahre 1829 an der Wasserkunst unserer
Stadt (Toulouse) einen Visirapparat aufzustellen. In dem ringförmigen Behälter,
welcher die durch die Maschinen gehobenen Wasser aufnimmt, befand sich in der
Entfernung einiger Centimeter unter dem oberen Rande eine dünne kupferne
Zwischenwand mit einer Reihe rechtwinkeliger Oeffnungen, welche 0,10 M. Breite
und 0,01 M. Höhe hatten und in gleichen Entfernungen von 0,01 M. von einander
standen. Die Zahl derjenigen dieser Oeffnungen, welche unter einem zur Messung
dienenden Druk ausflossen, sollte die Quantität des gehobenen Wassers anzeigen.
Aber es mußte vorher der diesen Oeffnungen eigene Reductionscoefficient bekannt
seyn. Ihre sehr verlängerte Form, die gegenseitige Nähe und ihr schwacher Druk
ließen mich glauben, daß er bedeutend vom gewöhnlichen Coefficienten differiren
müsse. Um demnach den Werth zu bestimmen, ließ ich einen prismatischen Kasten
von Weißblech fertigen, welcher an seiner vorderen Fläche drei Oeffnungen von
ebenfalls 0,10 M. Breite, 0,01 M. Höhe und 0,01 M. Zwischenraum erhielt. Mit diesem Apparate und
mit Beihülfe von Hrn. Castel wurden nun mehrere
Versuche angestellt. Wie groß aber war meine Ueberraschung, als ich sah, daß die
mittlere Mündung zuversichtlich in derselben Zeit eine und dieselbe Ausflußmenge
gab, sie mochte allein oder mit einer ihrer Nebenmündungen oder auch mit beiden
zugleich geöffnet werden, wie nachstehende Tabelle zeigt.
Druk
Ausflußmenge der mittlern Oeffnung
und zwar
Coefficient.
der
mittlernOeffnung allein
der mittlern in
Gemeinschaft mit einer
Nebenoͤffnung
der mittlern in
Gemeinschaft mit
beidenNebenoͤffnungen
0,0201 Meter
0,456 Liter
0,455 Liter
0,457 Liter
0,728
0,0301 –
0,561
–
0,551
–
0,550
–
0,720
0,0401 –
0,635
–
0,636
–
0,637
–
0,719
0,0501 –
0,707
–
0,707
–
–
0,715
0,0601 –
0,771
–
0,769
–
–
0,710
Somit thun also weder eine noch zwei Nachbaröffnungen derjenigen in der Mitte
irgend einen Abbruch.“ – So weit d'Aubuisson.
Versuche von Castel. – Dieß Resultat und
namentlich der Unterschied zwischen diesen und den am Canal du Midi stattgefundenen
Versuchen befriedigten d'Aubuisson keineswegs. Die Form
der Oeffnung und die Größe der gefundenen Coefficienten ließen ihn befürchten, in
einem ganz eigenen Falle gewesen zu seyn. Deßhalb benuzte er eine sich 1836
darbietende Gelegenheit, mit Hülfe des Hrn. Castel
abermals Versuche hierüber anzustellen. Der leztere hatte so eben eine Reihe sehr
interessanter Experimente an der Wasserkunst zu Toulouse mit einer bis dahin in der
Hydraulik noch unbekannten Genauigkeit beschlossen und sein Apparat befand sich noch
am Plaze. Dieser Apparat wurde bei den nun vorgenommenen Versuchen angewendet und
dabei auf folgende Weise verfahren: Hr. Castel versperrte
seinen Canal von 0,74 M. Breite und 0,50 M. Tiefe durch eine Kupferplatte mit drei
in gleicher horizontaler Linie stehenden rechtwinkeligen Oeffnungen von 0,10 M.
Breite, 0,06 M. Höhe und 0,08 M. Zwischenraum. Die Resultate dieser Versuche zeigt
uns nachfolgende Tabelle. Dabei ist noch zu bemerken, daß A,
B, C die drei Oeffnungen, B die mittlere,
bezeichnen, und daß die größte Genauigkeit während der Experimente beobachtet
wurde.
Textabbildung Bd. 85, S. 193
Bezeichnung der Oeffnungen, wie
zusammen in Anwendung kamen; Druk in Meter; Dauer des Ausflusses nach Secunden;
Quantität des ausgeflossenen Wassers in Liter; für die bezeichnete Oeffnung
allein; im Durchschnitt; Coefficienten; für jede Oeffnung allein; im Mittel
Man sieht hieraus, daß, der Behauptung von Lespinasse
entgegen, zwei und drei Oeffnungen ziemlich genau das Doppelte und Dreifache der
Ausflußmenge einer einzigen allein liefern.
Die sehr geringe Vermehrung des Ausflusses beim Oeffnen zweier und besonders dreier
Mündungen, welche man durch Vergleichung der Coefficienten der lezten Colonne
– wo Alles auf gleichen Flächenraum und denselben Druk reducirt ist –
wahrnimmt, beruht aus einer unserem Gegenstande fremden, übrigens wohlbekannten
Ursache. Je mehr offene Ausflußmündungen vorhanden sind, desto mehr Wasser strömt in
den Canal und gelangt mit desto größerer Schnelligkeit zu den Oeffnungen. Demnach
fließt dasselbe nicht nur durch die Kraft des gewöhnlichen Drukes, sondern auch
durch die Kraft des Drukes aus, welcher durch das schnell ankommende Wasser erzeugt
wird. Abgesehen also von dieser Vermehrung, und wenn man bedenkt, daß in dem
angewendeten Apparate, wo Alles unter den Augen des Beobachters war, durchaus kein
unbeachteter Umstand auf die Resultate Einfluß gehabt habe, kann als gewisses
Ergebniß angenommen werden: „Daß die durch eine und
dieselbe Oeffnung ausströmende Wassermenge genau dieselbe bleibt, diese
Oeffnung möge allein oder in Gemeinschaft mit benachbarten den Ausfluß
erzeugen.“
Man könnte allerdings einwenden, daß der hier in Anwendung gebrachte Druk nur 0,14
M., der am Canal du Midi aber 2,00 M. und 4,00 M. betrug. Diesen Einwurf
voraussehend, hatte Hr. Castel zu seiner ferneren
Ueberzeugung an einer der Röhrungen des Experimentalbehälters eine mit zwei
Oeffnungen E und F versehene
Platte angebracht. Die Dimensionen von E betrugen 0,0503
und 0,0300 M., die von F 0,0504 und 0,0304. Der Druk war
ungefähr 1,00 und 2,00 M. Die durchschnittlichen Resultate waren folgende:
Textabbildung Bd. 85, S. 194
Bezeichnung der Oeffnungen; Druk in Meter; Zeit des Ausflusses nach Secunden; Ausflußmenge in Liter; für die genannten Oeffnungen
allein; im Durchschnitt; Coefficienten; für die einzelne Oeffnung; im
Mittel
Auch hier unter einem Druk von 1,00 und 2,00 M. war wie bei dem von 0,14 M. der
Ausfluß beider Oeffnungen ziemlich das Doppelte, und man hat als Coefficient stets
0,62 erhalten, mit sehr geringer Vermehrung, welche der oben erwähnten Ursache
zuzuschreiben ist.
Man kann ferner durchaus nicht als Grund seiner Zweifel sich auf die Verschiedenheit
der Größe der hier angewandten Oeffnungen und der der Schleußenthore berufen.
Hundert Erfahrungen beweisen, daß der Abfluß denselben Gesezen folgt in der einen
wie in der anderen.
Als lezte Einwendung endlich könnte die Bemerkung gemacht werden, daß die von Castel angewendeten Oeffnungen alle in einer und
derselben Fläche lagen, was bei den unter einem Winkel von 120–140°
zusammenstoßenden Schleußenflügeln der Fall nicht sey. Die aus diesen gehenden
Strömungen coinciren, sie vereinigen sich und drängen sich zurük, und folglich
fließt weniger Wasser aus. – Ein solcher Grund, nämlich das Zurükdrängen der
flüssigen Strahlen gegen die Mündungen, ist aber nicht annehmbar. Die Strahlen
treffen sich unter einem spizen Winkel von 40–60° und ihre
Wechselwirkung könnte die Wassertheilchen nicht gegen die Mündung zurükkehren
machen; sie würde vielmehr eine schnelle Entfernung herbeiführen. Uebrigens
antwortet hier noch die Erfahrung auf eine directe und positive Weise.
Im Jahre 1838 machte Castel in seinem Canale abermals
Versuche hierüber. Er versperrte ihn durch eine in der Mitte unter einem Winkel von
140° gebrochene Platte. In derselben befanden sich vier gleiche Mündungen A, B, C, D von 0,10 M. Breite und 0,06 M. Höhe; sie waren in
symmetrischer Lage, zwei auf jeder Seite und in einem Zwischenraume von 0,05 M. von
einander angebracht. Die der Mitte oder dem Winkel zunächst liegenden beiderseitigen
zwei Oeffnungen hatten von demselben einen Abstand, welcher 0,07 M. betrug, so daß
A und D sich in ziemlich
gleicher Lage mit den Schleußenöffnungen am Canal du Midi befanden. Bei jeder dieser
Mündungen und bei jeder ihrer Combinationen machte Castel
drei Versuche. Wir theilen das durchschnittliche Resultat derselben hier mit.
Textabbildung Bd. 85, S. 195
Namen der bei jedem Versuche
gebrauchten Oeffnungen; Druk in Meter; Dauer des Ausflusses nach Sekunden;
Ausflußmenge; im Einzelnen Liter; durchschnittlich Liter; Coefficient; für die
einzelne Oeffnung; im Mittel
Da die Oeffnungen gleich waren und die Facta hier constatirt sind, so sieht man auf
die deutlichste Weise den Abfluß im Verhältniß der Zahl der Oeffnungen sich
vermehren (die aus oben angeführtem Grunde sich ergebende Zunahme abgerechnet), und
es ergibt jede von ihnen dasselbe Product, so wie auch der Coefficient stets 0,62
bleibt.
Die sämmtlichen von Hrn. Castel vorgenommenen Versuche
heben alle Zweifel und lösen alle Fragen über den Ausfluß des Wassers durch
benachbarte Oeffnungen.
Daß Lespinasse bei feinen zweimal wiederholten Versuchen
ein diesem entgegengeseztes Resultat erhielt, hat wahrscheinlich seinen Grund in
einem besonderen und unbemerkt gebliebenen Umstande, wie z.B. ein Hinderniß in der
Oeffnung seines zweiten Schleußenflügels, wodurch eine Verminderung des Productes
erzeugt wurde.
Was übrigens die Versuche von Pin betrifft, so ist ihre Genauigkeit zu bezweifeln, da wir weder die
näheren Details noch irgend eine Bürgschaft haben. Man kann dieß um so mehr mit
Gewißheit sagen, da d'Aubuisson die Schleußen, welche den
Pin'schen Versuchen unterworfen waren, selbst noch
einmal näher prüfte. Es reichte zu dem Zwek hin, die Zeit zu beobachten, welche die
Schleußenkammer braucht, um sich zu füllen, und zwar erstens, wenn man nur einen
Flügel öffnet, dann den anderen und endlich beide zugleich. Er wählte die am
äußersten Ende der Stadtpromenade gelegene Bayard-Schleuße, deren Plan man in
l'Histoire du canal du Midi pl. XI. findet. Einige
vorläufige Versuche zeigten, daß 10 Secunden sowohl für das gänzliche Aufziehen als
auch Niederlassen der Schleußenflügel nöthig waren, und daß das Wasser in der oberen
Schleußenkammer (es gibt deren hier zwei) um 2,10 M. stieg, ehe sein Niveau die
Schwelle der Flügel vom oberhalb liegenden Schleußenthor erreichte. Beim Beginn der
eigentlichen Versuche wurde das stromabwärts liegende Schleußenthor gänzlich
geöffnet, so daß das zweite Bassin einen Theil des unteren Gerinnes ausmachte. Die
erste Schleußenkammer war leer und am einen Ende durch das obere, am anderen durch
das mittlere Schleußenthor geschlossen. Ein in Centimeter eingetheilter Maaßstab war
an einer der inneren Wände angebracht. Das Niveau des oberen Gerinnes stand auf 1,95
M. über der Oeffnung des oberen Schleußenthors, und dieß war der Druk, unter welchem
der Abfluß geschehen sollte. Hierauf hob man einen der Schleußenflügel, das Wasser
trat ein und erhob sich bis zu einer gewünschten Höhe; alsbald wurde das Thor
geschlossen und nachdem die Oberfläche des Wassers ruhig war, fand man, daß sie sich
erhoben hatte auf 2,03 M.
Die Dauer des
Ausflusses wurde mittelst einer Viertelsecundenuhr angezeigt und
betrug Nachdem das Bassin oder die Kammer
geleert undder zweite Schleußenflügel gehoben worden, stiegdas
Wasser wieder zu seiner vorigen Höhe (2,03 M.) in
176180
178''
Alsdann machte man
den Versuch mit beiden Schleußenflügelnzugleich und das Niveau
erreichte seinen vorigen Höhenstand in Eine
Wiederholung dieser lezten Beobachtung gab
89,8 88,6
89,2
Demnach erhielt man in ungefähr halb so wenig Zeit durch Oeffnen beider Flügel
dieselbe Ausflußmenge, als man erhielt bei einer Oeffnung.
Nach allem hier Mitgetheilten ist es gewiß, daß: wenn in der
Wand eines Wasserbehälters, sie mag in einer oder mehreren Ebenen liegen, sich
zwei oder mehrere Ausflußöffnungen befinden, so ist die Quantität des aus jeder von ihnen
fließenden Wassers stets dieselbe, sie mögen allein oder zusammen den Ausfluß
befördern.
Haben daher sämmtliche Mündungen über ihrem Centrum dieselbe Wasserhöhe H' und bezeichnet S die
Summe ihrer Flächenräume, so erhält man den Gesammtausfluß durch die Formel
0,62 S √2gH' oder 2,75 S √H'.
Man hat früher allerdings angenommen, daß es so seyn müsse, aber die Meinung war in
dieser Beziehung auf Abwege gerathen und der wirkliche Thatbestand wurde nur durch
die hier vorgelegten Versuche erst bewiesen.