Titel: | Versuche über die Reibung der Eisenbahnwagen und über den Widerstand, den die Luft gegen die im Laufe begriffenen Wagenzüge leistet. Von Hrn. de Pambour. |
Fundstelle: | Band 74, Jahrgang 1839, Nr. III., S. 21 |
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III.
Versuche uͤber die Reibung der
Eisenbahnwagen und uͤber den Widerstand, den die Luft gegen die im Laufe
begriffenen Wagenzuͤge leistet. Von Hrn. de Pambour.Man vergleiche hierüber das polyt. Journal Bd.
LXVII. S. 391, und den Bericht des Hrn. Wood über die Great-Western-Eisenbahn im LXXII. Bde.
unseres Journals. A. d. R.
Aus den Comptes rendus des séances de l'Académie des
sciences 1822, 1839, Deuxième sémestre, No.
6.
Pambour, Versuche uͤber die Reibung der Eisenbahnwagen und
den Widerstand der Luft gegen die Wagenzuͤge.
Ich habe in einer Notiz, welche ich der Akademie in ihrer Sizung vom 26. Decbr. 1837
überreichte, angegeben, wie sich die Reibung der auf den Eisenbahnen laufenden Wagen
oder Waggons ohne irgend ein dynamometrisches Instrument lediglich nach den
Erscheinungen bestimmen läßt, welche bei dem Hinabrollen derselben über zwei auf
einander folgende Schrägflächen oder Rampen zu beobachten sind. Ich war seither im
Stande, dieses Verfahren bei einer nicht unbedeutenden Anzahl von Versuchen, die ich
über den fraglichen Gegenstand anstellte, in Anwendung zu bringen, und erlaube mir
daher in gegenwärtiger Mittheilung die Resultate vorzulegen, zu denen ich sowohl in
Betreff des Widerstandes der Luft gegen die Wagenzüge als auch in Bezug auf die
Reibung der Wagen gelangte.
Die Wirkungen des directen Luftwiderstandes gegen eine ebene Fläche von kaum
merklicher Dike lassen sich nach den bekannten Versuchen Borda's bestimmen. Sie betragen nämlich bei einer Geschwindigkeit von
einem Meter in der Secunde 0,11690 Kilogr. auf den Quadratmeter, oder bei einer
Geschwindigkeit von einem Fuß in der Secunde 0,002225 Pfd. auf den Quadratfuß.
Die auf den Eisenbahnen laufenden Wagenzüge sezen jedoch dem Stoße der Luft keine
derlei Oberfläche entgegen; denn da sie kein ununterbrochenes Ganzes bilden, da sie
eine bedeutende Länge haben, und da die einzelnen Wagen, aus denen sie bestehen, von
verschiedener Länge sind, so ist klar, daß, abgesehen von dem directen
Luftwiderstande gegen den ersten Wagen des Zuges oder vielmehr gegen jenen Wagen,
der die größte Durchschnittsfläche bietet, die Luft auch noch gegen die
verschiedenen auf einander folgenden Unebenheiten der in Bewegung befindlichen Masse
einen Widerstand leisten muß.
Um nun auch für diesen Widerstand ein Maaß zu erhalten, nahm ich am 3. Aug. 1836 in
Begleitung des Hrn. Ed. Wood, Ingenieurs der
Liverpool-Manchester-Eisenbahn, 5 Waggons von verschiedener Höhe,
deren Oberflächen sorgfältig gemessen wurden.
Diese Waggons führte ich an die Schrägfläche von Whiston, deren Profil aus meiner
Abhandlung über die Locomotiven bekannt ist, um sie nach einander über diese vermöge
ihrer Schwere herabrollen, und dann auf ebener Bahn noch so weit fortlaufen zu
lassen, bis sie durch die Reibung und den Widerstand der Luft von selbst zum
Stillstehen kamen. Denselben Versuch wiederholte ich mit sämmtlichen, zu einem Zuge
mit einander verbundenen Wagen. Da die Reibung der Wagen hiebei stets dieselbe
blieb, so war klar, daß, wenn sich bei lezterem Versuche ein größerer Widerstand
ergab, dieser der indirecten Wirkung der Luft gegen die zu einem Zuge verbundenen
Waggons zugeschrieben werden mußte, und daß man also auf diese Weise eine Schäzung
dieser Wirkung erhalten konnte.
Ich gebe in folgender Tabelle, in der die Resultate dieser Versuche enthalten sind,
das Gewicht jedes einzelnen Waggons, so wie auch die Oberfläche an, die jeder
derselben dem Stoße der Luft entgegensezte. Bei dem sechsten Versuche, der mit den
zu einem Zuge verbundenen Wagen angestellt wurde, ist für die in der achten Columne
angeführte Oberfläche zuerst die Oberfläche des höchsten Waggons, und sodann eine
Oberfläche angegeben, welche für die 5 Waggons zusammen eine Reibung gibt, die der
Summe der Reibungen der einzelnen Waggons gleichkommt. Die übrigen Columnen
enthalten die Umstände, unter denen der Versuch Statt fand, und bestimmen mithin die
Reibung nach der früher von mir gegebenen Formel. Die Waggons findet man schon in
meiner Abhandlung über die Locomotiven beschrieben.
Versuche über den Widerstand der Luft,
Textabbildung Bd. 74, S. 22
Nummer des Versuches; Verzeichnung
des Wagenzuges; Gewicht des Wagenzuges; Höhe des Gefälles an der ersten
Schrägfläche; Distanz, welche auf der ersten Fläche durchlaufen wurde; Höhe des
Gefälles an der zweiten Schrägfläche; Dem Luftstroße dargebotene Oberfläche;
Reibung der Waggons per Tonne; Totalreibung des Wagenzuges; Waggon; Tonn; Fuß;
Quadratf.; Pfd.
Hiemit ist in dem sechsten Versuche gesagt, daß die Oberfläche des höchsten Wagens 77
Quadratfuß hatte; daß jedoch, um die aus diesem Versuche abgeleitete Reibung mit der
Reibung, die sich bei den 5 vorhergehenden Versuchen ergab, in Einklang zu sezen,
die dem Luftstoße ausgesezte Oberfläche zu 103 Quadratfuß angenommen werden muß.
Außer der Oberfläche des den größten Durchschnitt darbietenden Wagens kam daher noch
auf jeden der übrigen Waggons des Zuges eine Fläche von 6,5 Quadratfuß, auf welche
die Luft gleichfalls ihre Wirkung ausübte; und da die Oberfläche der vier übrigen
Waggons im Mittel 45 Quadratfuß betrug, so erhellt, daß sie, obschon sie sich in der
Mitte des Wagenzuges befanden, dennoch auf dem siebenten Theile ihrer wirklichen
Oberfläche dem Widerstande der Luft ausgesezt waren.
Auf den Bahnen, die nur 5 Fuß Spurweite haben, beträgt die Oberfläche des den größten
Durchschnitt darbietenden Waggons gewöhnlich 70 Quadratfuß, und die Oberfläche der
dazwischen befindlichen Wagen im mittleren Durchschnitte beiläufig 40 Quadratfuß. Es
ist daher leicht, den Luftwiderstand zu bemessen, und zwar sowohl jenen gegen die
directe Oberfläche des Wagenzuges, als auch jenen gegen die directe oder indirecte
Oberfläche, wenn diese nach den angegebenen Versuchen berechnet wird.
Wendet man die eine oder die andere Methode auf den Versuch VI oder auf jene
Versuche, die ich in der ersten Ausgabe meiner Abhandlung über die Locomotiven im
Jahre 1835 bekannt machte, an, so ergeben sich folgende Resultate:
Versuche über die Reibung der in Zügen verbundenen
Waggons.
Textabbildung Bd. 74, S. 24
Nummer des Versuches; Verzeichnung
des Wagenzuges; Gewicht des Wagenzuges; Höhe des Gefälles an der ersten
Schrägfläche; Auf der ersten Schrägfläche durchlaufene Distanz; Höhe des
Gefälles an der zweiten Schrägfläche; Auf der zweiten Schrägfläche durchlaufene
Distanz; Directe, dem Luftstoße dargebotene Oberfläche; Gesammtreibung des
Wagenzuges; Reibung der Waggons per Tonne; Directe und indirecte, dem Luftstoße
dargebotene Oberfläche; 5 mit Gütern befrachtete Waggons; 5 mit Baksteinen
befrachtete Waggons; 5 deßgl.; 10 befrachtete Waggons und 1 Convoi; 14
befrachtete Waggons; 19 deßgl.; 24 deßgl. und 1 Convoi; 7 Waggons, 1 Convoi und
die Maschine Leeds (Reibung 84 Pfd., Gew. 7,07 Ton., welches nicht in jenem des
Wagenzuges mit begriffen ist); 17 Waggons, 1 Convoi u. die Maschine Fury
(Reibung 83 Pfd., Gew. 8,20 T., welches nicht in jenem des Wagenzuge mit
begriffen ist); 20 Waggons, 1 Convoi u. die Maschine Vulcan (Reibung 100 Pfd.,
Gew. 8,34 T., welches nicht in jenem des Wagenzuges mit begriffen ist); Wagen;
Tonn; Fuß; Quadrf.; Pfd.
Nach den in dieser Tabelle aufgeführten Resultaten ergibt sich, daß, wenn man den
indirecten Widerstand, den die Luft gegen die Wagenzüge leistet, so hoch annimmt,
wie er sich den sechs ersten Versuchen gemäß berechnet, die Reibung der Waggons, sie
mögen isolirt oder mit einander zu einem Zuge verbunden seyn, zu 5 Pfd. per Tonne gerechnet werden muß; daß man aber, wenn man
bloß den directen Widerstand der Luft gegen die Durchschnittsfläche des Wagenzuges
in Anschlag bringt, die Reibung der zu einem Zuge verbundenen Waggons zu 7 Pfd. per Tonne annehmen muß. Welche von diesen beiden
Berechnungen man übrigens einschlagen mag, so gelangt man, was den Gesammt widerstand des Wagenzuges betrifft, beinahe zu
einem und demselben Resultate. Dieß ergibt sich auch wirklich bei der Bestimmung der
beiden gegebenen Größen; und dasselbe findet sich auch, wenn man den Widerstand für
die Lasten und die Geschwindigkeiten, welche auf den Eisenbahnen einander
entsprechen, aufsucht. Indem ich gegen 120 Versuche, welche sämmtlich in der neuen
Ausgabe meiner Abhandlung über die Locomotiven angedeutet werden sollen, diesem
Calcul unterstellte, ergab sich mir nur bei den größten und den geringsten
Geschwindigkeiten eine Differenz, welche nicht unbeachtet hätte bleiben dürfen.
Es kommt übrigens zu bemerken, daß bei dem Versuche VI, der oben zur Bestimmung des
indirecten Luftwiderstandes gedient hat, die Triebkraft der Bewegung oder das
Gewicht des Wagenzuges im Mittelpunkte des Zuges angebracht war, während der
Hauptstoß der Luft von Vorne oder auf den ersten Wagen wirkte. Die Waggons wurden
demnach während ihrer Bewegung gegen einander getrieben, wodurch sie aus den rechten
Winkeln, die sie mit der Bahnlinie zu bilden hatten, kamen, und wodurch nothwendig
die Reibung derselben gesteigert wurde. Eine ähnliche, jedoch minder ausgesprochene
Verrükung findet auch bei dem gewöhnlichen Laufe der zu einem Zuge verbundenen
Waggons Statt, indem dieselben hiebei eine Wellenlinie durchlaufen und von einer
Schiene der Bahnlinie gegen die andere geschleudert werden. Um mit voller
Genauigkeit zu rechnen, müßte daher die Reibung der in einem Zuge verbundenen
Waggons etwas weniges höher, und der indirecte Widerstand der Luft etwas weniges
niedriger in Anschlag gebracht werden.
Da ich in der Annahme der Reibung zu 5 Pfd. per Tonne um
so weniger voreilig seyn wollte, als diese Annahme von den bisher allgemein hierüber
gehegten Ansichten bedeutend abweicht, so entschied ich mich lieber dafür, diese
Reibung für die in Zügen verbundenen Waggons zu 7 Pfd. per Tonne anzunehmen, wobei der Widerstand der Luft gegen die
Durchschnittsoberfläche allein in Rechnung gebracht ist. Ich gab dieser Annahme den Vorzug, weil ich
glaubte, daß sie weniger bestritten werden kann, und daß man bei ihr weniger Gefahr
lauft, bei den größten, mit den Locomotiven erreichbaren Geschwindigkeiten in
Irrthümer zu verfallen. Da ich jedoch so eben hörte, daß auch andere Ingenieurs so
gut wie ich und bei Einschlagung anderer Versuchsmethoden gleichfalls fanden, daß
die den Waggons eigene Reibung zu 5 Pfd. per Tonne
angeschlagen werden könne, so glaubte ich, meine Resultate und die Wege, auf denen
ich zu denselben gelangte, bekannt machen zu müssen. Ich bemerke nur noch, daß meine
Versuche bis zum August 1836 zurükgehen; daß ich die bei ihnen befolgte Art der
Berechnung bereits in der am 26. Dec. 1837 gehaltenen Sizung der Akademie vorlegte,
und daß ich Hrn. Arago schon im März 1838 bei Gelegenheit
des Berichtes, den er damals der Kammer über die französischen Eisenbahnen
erstattete, den Betrag der Reibung an den Waggons zu 5 Pfd. per Tonne angab.