Titel: | Ueber die Einrichtung der englischen Flachsspinnereien. |
Fundstelle: | Band 72, Jahrgang 1839, Nr. XXIX., S. 110 |
Download: | XML |
XXIX.
Ueber die Einrichtung der englischen
Flachsspinnereien.Wir waren, als wir die lezten Lieferungen des neuen und in vielen Hinsichten sehr
schaͤzbaren Werkes des Hrn. Dr. Ure zur Hand
nahmen, sehr begierig auf den der Behandlung und Verarbeitung des Flachses
gewidmeten Artikel, und hofften darin eine ausfuͤhrliche Beschreibung des
in den neuesten englischen und schottischen Flachsmuͤhlen
eingefuͤhrten Fabricationssystemes zu finden. Da sich der Verf. viel mit
diesem Gegenstande beschaͤftigt und sich auch in seinen beiden
fruͤheren Werken uͤber das englische Fabrikwesen schon mehr oder
weniger ausfuͤhrlich daruͤber verbreitet hatte, so erwarteten wir
hier nichts weniger als eine originelle und gedraͤngte Zusammenstellung
desjenigen, was sich in der Praxis am meisten bewahrt hat, und bei dessen
Verfolgung die englische mechanische Flachsspinnerei auf jene Hoͤhe kam,
auf der sie sich schon dermalen befindet, und auf der sie den Continent ebenso
zu uͤberfluͤgeln droht, wie es die englische Baumwollspinnerei
that. Leider sahen wir uns in unseren Erwartungen getaͤuscht; denn wir
fanden den Hrn. Verf. hier in diesem Fache als einen wahren Plagiarius, indem
er, ohne auch nur mit einem Woͤrtchen eine
Andeutung zu geben, den ganzen Artikel aus der trefflichen Abhandlung
entnahm, welche unser verdiente Karmarsch fuͤr
Prechtl's technologische Encyklopaͤdie
uͤber diesen Gegenstand bearbeitete. Von Anfang bis zu Ende ist diese
Abhandlung woͤrtlich oder im Auszuge uͤbersezt, mit Hinweglassung
dessen, was Karmarsch uͤber das Spinnen mit
der Spindel und mit den verschiedenen Handspinnraͤdern, oder mit
Hinweglassung alles dessen, was darin in Bezug auf die Leistungen der Franzosen,
und namentlich des wakern Girard gesagt ist. Sogar
die Beschreibungen einiger der in England patentirten Maschinen sind mehr nach
den von Karmarsch gegebenen Erlaͤuterungen
derselben, als nach den englischen Patentspecificationen gehalten. Den Schluß
machen Bemerkungen uͤber das Nezen des Flachses beim Spinnen, die
woͤrtlich aus der von dem Verf. herausgegebenen Philosophy of Manufactures, S. 222 bis S. 226 abgedrukt sind. Mit
Ausnahme dieses Abdrukes und mit Ausnahme der Darstellung der inneren
Einrichtung einer englischen Flachsspinnerei, die wir hier fuͤr unsere
Leser ausziehen, findet man in dem ganzen Artikel nur noch folgende
Zusaͤze zu der Abhandlung unseres Karmarsch.
Bei den Vorrichtungen zum Brechen und Zurichten des Flachses die Beschreibung
der im Jahre 1819 von Bundy erfundenen Maschine
(polytechn. Journal Bd. II. S. 290)
beigefuͤgt. Bei den Hechelmaschinen ist das im Jahre 1833 dem Hrn.
Evans ertheilte
Patent (polyt. Journal Bd. L. S. 265) im
Auszuge gegeben. Bei den Flachsspinnmaschinen ist das Patent der HHrn. Westley und Lawson vom J. 1833 (polyt. Journal Bd. LII. S. 434), auf welches von Karmarsch nur hingewiesen wird, ausfuͤhrlicher
gegeben, und endlich auch das Patent der HHrn. Hope und Dewhurst
vom J. 1835 (polyt. Journal Bd. LXII. S.
162), welches Karmarsch noch nicht bekannt
seyn konnte, beigefuͤgt. Wenn demnach Hr. Ure wirklich das angegeben hat, was in
den dermaligen Flachsspinnereien Englands als das Beste und Zwekmaͤßigste
betrachtet wird, und wonach man daselbst arbeitet, so ist dieß dem deutschen
Publicum aus der Abhandlung unseres Karmarsch und aus
dem polyt. Journal vollkommen bekannt. Denn die besten Maschinen sind hienach
die Flachshechel-Zurichtmaschinen von Wordsworth (polyt. Journal Bd. LV.
S. 109), von James Kay (polyt. Journal Bd. XXVI. S. 317) und von Evans; die Flachsvorspinnmaschinen von Wordsworth (polyt. Journal Bd. L. S. 345); die Maschine der HHrn.
Westley und Lawson, und die Maschine der HHrn. Hope und Dewhurst. Es fragt sich demnach nur, ob Hr. Ure mit den englischen Flachsspinnereien wirklich
vertraut ist, und ob er das, was er wußte, auch aufrichtig bekannt machte. Bei
dem Plagiat, welches er sich hier erlaubte, moͤchte in lezterer Hinsicht
eben kein sehr großes Vertrauen in ihn zu sezen seyn; denn so ehrenvoll es
fuͤr uns Deutsche ist, daß ein Englaͤnder in einem Werke, welches
in England noch alles Lob geerntet hatte, uͤber die Behandlung des
Flachses in allen Stadien nichts Besseres zu sagen wußte, als was ein Deutscher
hieruͤber in einer deutschen Encyklopaͤdie bekannt machte, ebenso
wenig Ehre duͤrfte dem engl. Verf. die gaͤnzliche Verschweigung
der Quelle, aus der er so reichlich schoͤpfte, bringen.A. d. R.
Aus Dr. Ure's Dictionary of arts, manufactures and
mines.
Mit Abbildungen auf Tab.
III.
Ueber die Einrichtung der englischen Flachsspinnereien.
Wir wollen hier, sagt Hr. Dr.
Ure am Schlusse des im angefuͤhrten Werke dem
Flachse gewidmeten Artikels, in einigen Umrissen die Einrichtung der wichtigsten
Saͤle einer dermaligen Flachsmuͤhle zeigen.
Fig. 14 ist
ein der Zubereitung des Werges gewidmeter Saal, in welchem man folgende Maschinerien
bemerkt. A die sogenannte Lap- oder
Wikelmaschine. B eine Vorkraze (breaker card) von 4 Fuß. C eine dergleichen
von 3 Fuß 6 Zoll. D eine Feinkraze (finisher card) von 3 Fuß mit drei sogenannten Wokern.
E die zweite Band- oder Ziehmaschine (second drawing) fuͤr geschnittenes Werg (cut tow), 5 Koͤpfe (heads). F die erste Bandmaschine (first drawing) fuͤr geschnittenes Werg, 4
Koͤpfe. G die Vorspinnmaschinen fuͤr
geschnittenes Werg, zu 32 Spindeln. H die Vorkraze von 4
Fuß. I die Feinkraze von 4 Fuß. K die erste Bandmaschine fuͤr langes Werg (long tow), 3 Koͤpfe. L die zweite
Bandmaschine fuͤr langes Werg, 4 Koͤpfe. M
die Vorspinnmaschinen fuͤr langes Werg, zu 4 Spindeln.
Fig. 15 ist
ein der Zubereitung des Werges gewidmeter Saal, worin A
die erste Bandmaschine fuͤr geschnittenen Flachs (cut
line); B die zweite derlei Maschine, 4
Koͤpfe; C die dritte, 5 Koͤpfe; D die Vorspinnmaschinen fuͤr geschnittenen
Flachs, jede zu 32 Spindeln; E die erste Bandmaschine
fuͤr langen Flachs (long line); F die zweite derlei Maschine, jede zu 4 Koͤpfen;
G die dritte, jede zu 4 Koͤpfen; H die Vorspinnmaschinen fuͤr langen Flachs, jede
zu 16 Spindeln.
Fig. 16 zeigt
die Einrichtung eines Spinnsaales.
I. Der Flachszubereitungssaal enthaͤlt:
1) Die Hechelmaschinen (heckling machines) mit den
Hecheln;
2) die Flachsausbreiter (line spreaders) oder die ersten
Bandmaschinen;
3) die zweiten Bandmaschinen (frames for the second
drawing), jede zu 3 Koͤpfen;
4) die dritten Bandmaschinen (frames for the third
drawing), jede zu 4 Koͤpfen;
5) die Vorspinn- oder Lokenmaschinen (roving
frames), jede zu 16 Spindeln;
6) die sogenannten Sparefallers fuͤr die erste Bandmaschine mit Hecheln (gills);
7) die Sparefallers fuͤr die zweite und dritte Bandmaschine mit Hecheln;
8) dieselben fuͤr die Vorspinnmaschine.
II. Der zum Zurichten des geschnittenen Flachses bestimmte Saal enthaͤlt:
1) Hechelmaschinen (excentrische);
2) die Schneid- oder Brechmaschine (cutting or breaking
machine);
3) die Flachsausbreiter oder ersten Bandmaschinen;
4) die zweiten Bandmaschinen, jede zu 4 Koͤpfen;
5) die dritten Bandmaschinen, jede zu 5 Koͤpfen;
6) die Regulator-Vorspinnmaschinen (frames for
regulator roving), jede zu 32 Spindeln;
7) Sparefallers mit Hecheln fuͤr die ersten Bandmaschinen;
8) deßgleichen fuͤr die zweiten und dritten Bandmaschinen;
9) deßgleichen fuͤr die Vorspinnmaschinen.
III. Der zum Zurichten von langem oder ungeschnittenem Flachswerg bestimmte Saal
enthaͤlt:
1) Die Lapmaschine;
2) die Vorkrazen (breaker cards) von 4 Fuß
Durchmesser;
3) die Feinkrazen (finishing cards) von gleichem
Durchmesser;
4) die ersten Bandmaschinen, jede zu 3 Koͤpfen;
5) die zweiten Bandmaschinen, jede zu 3 Koͤpfen;
6) die Vorspinnmaschinen, jede zu 16 Spindeln;
7) die Sparefallers mit Hecheln fuͤr die ersten und zweiten Bandmaschinen;
8) deßgleichen fuͤr die Vorspinnmaschinen.
IV. Der zum Zurichten von geschnittenem Flachswergs bestimmte Saal
enthaͤlt:
1) Die Lapmaschine;
2) die ersten Vorkrazen von 4 Fuß Durchmesser;
3) die zweiten Vorkrazen von 3 Fuß 6 Zoll Durchmesser;
4) die Feinkrazen mit 8 Wokern (wockers);
5) die ersten Bandmaschinen, jede zu 4 Koͤpfen;
6) die zweiten Bandmaschinen, jede zu 5 Koͤpfen;
7) die Regulator-Vorspinnmaschinen, jede zu 32 Spindeln;
8) die Sparefallers mit Hecheln fuͤr die ersten und zweiten Bandmaschinen;
9) deßgleichen fuͤr die Vorspinnmaschine.
V. Die zum Spinnen des Flachses und Werges bestimmten Saͤle enthalten
Spinnmaschinen mit einer Spindelzahl, welche der Anzahl obiger
Vorbereitungsmaschinen und mithin der Quantitaͤt und Qualitaͤt des zu
erzeugenden Flachsgarnes entspricht.
VI. Die fuͤr die verschiedenen Geraͤthe und Werkzeuge bestimmten
Raͤume.
Hiezu habe ich noch folgende erlaͤuternde Bemerkungen anzufuͤgen:
Der lange oder ungeschnittene Flachs wird in Garn versponnen, wovon im Durchschnitte
30 Gebinde (leas) auf das Pfund gehen.
Jede Hechelmaschine liefert im Durchschnitte taͤglich 4 1/2 Cntr., wovon 200
Pfd. Flachs und 266 2/3 Pfd. Werg. Mit drei Maschinen erhaͤlt man also in
Summa 600 Pfd. Flachs und 800 Pfd. Werg.
Obige Aufzaͤhlung enthaͤlt drei Flachs-Zubereitungssysteme, von
denen jedes besteht aus:
einem Flachsausbreiter (line spreader) oder einer ersten
Bandmaschine;
einer ersten Bandmaschine zu 3 Koͤpfen; einer zweiten deßgleichen, jede zu 2
Wiklern;
einer deßgleichen zu 4 Koͤpfen; einer dritten deßgleichen, deßgleichen;
zwei Vorspinnmaschinen von 32 Spindeln, welche ungefaͤhr 640 Spinnspindeln zu
versehen im Stande sind;
einem fuͤr Zufaͤlle bereit gehaltenen Flachsausbreiter.
Obige Aufzaͤhlung enthaͤlt drei Systeme fuͤr die Zubereitung von
ungeschnittenem Werge, und jedes dieser Systeme besteht aus:
einer Vorkraze;
zwei Feinkrazen;
einer ersten Bandmaschine mit 3 Koͤpfen, jeden zu 4 Wiklern;
einer zweiten Bandmaschine mit 4 Koͤpfen, jeden zu 4 Wiklern;
2 1/3 Vorspinnmaschinen zu 37 Spindeln, welche ungefaͤhr 660 Spinnspindeln zu
versehen im Stande sind;
einer Lapmaschine, welche fuͤr 2 oder 3 Systeme hinreicht;
einer Feinkraze fuͤr außerordentliche Faͤlle.
Die Aufzaͤhlung enthaͤlt 2 Systeme von Hechelmaschinen fuͤr
geschnittenen Flachs, von denen eines aus 8 oder 10 Maschinen besteht; fuͤr
groͤbere Arbeit sind 8 nach einander immer feinere und feinere Maschinen
genuͤgend; fuͤr die feinsten hingegen sind 10 bis 12 erforderlich.
Jedes System erzeugt taͤglich zwischen 2 und 300 Pfund rohen Flachs, welcher
im Durchschnitte in 170 Pfd. Flachs und 280 Pfd. Werg getheilt wird. Dieß wird
beilaͤufig zur Speisung des fuͤnften, in der Aufzaͤhlung
enthaltenen Systemes genuͤgen. Dieses System besteht aus:
einem Flachsausbreiter oder einer ersten Bandmaschine;
einer zweiten Bandmaschine zu 4 Koͤpfen, jeden zu 4 Wiklern;
einer dritten Bandmaschine zu 5 Koͤpfen, jeden zu 4 Wiklern;
einer Vorspinnmaschine zu 32 Spindeln, welche beilaͤufig 480 Spinnspindeln
versehen.
Die Aufzaͤhlung enthaͤlt 2 Systeme von Zubereitungsmaschinen
fuͤr geschnittenes Flachswerg, und jedes dieser Systeme besteht aus:
zwei zweiten Vorkrazen;
vier Feinkrazen;
vier ersten Bandmaschinen zu 4 Koͤpfen, jeden zu 4 Wiklern;
vier zweiten Bandmaschinen zu 5 Koͤpfen, jeden zu 4 Wiklern;
vier Regulator-Vorspinnmaschinen mit 128 Spindeln, welche gegen 1800
Spinnspindeln versehen.
Eine erste Vorkraze und eine Lapmaschine reichen fuͤr zwei oder drei Systeme
aus. Als summarische Uebersicht ergibt sich hieraus:
Langer oder ungeschnittener Flachs 3
Systeme zu 640 Spindeln
= 1920
Langes oder ungeschnittenes Werg 3 Systeme
zu 660 Spindeln
= 1980
––––––
3900
Geschnittener Flachs 5 Systeme zu 480
Spindeln
= 2400
Geschnittenes Werg 2 Systeme zu 1800
Spindeln
= 3600
––––––
6000
–––––
Summa der Spinnspindeln
9900
3900 Spindeln geben, 30 Gebinde Garn auf das Pfund gerechnet, taͤglich 9
Gebinde auf die Spindel mit beilaͤufig 1400 Pfd. Abfall.
6000 Spindeln geben, 100 Gebinde Garn auf das Pfund gerechnet, taͤglich 6
Gebinde auf die Spindel mit beilaͤufig 450 Pfd. Abfall.
Die Production belaͤuft sich also woͤchentlich:
an Garn, wovon 30 Gebinde auf das
Pfund gehen, auf beilaͤufig
1050
Boles zu 9 Schill
472 Pfd.
St. 10
Sch. 0 D.
an
Garn, wovon 100 Gebinde
auf
das Pfd. gehen, auf beilaͤufig
1080
–
486 –
– 0
– 0 –
––––––
––––––––––––––––––––––
Summa 2130
958 Pfd.
St. 10
Sch. 0 D.
Die
Kosten dagegen sind:
an woͤchentlichem
Arbeitslohn, an Abgaben
150 Pfd. 0 Sch. 0 D.
am Preise des Flachses
400 –
0 – 0 –
an woͤchentlichen Ausgaben
40
– 0
– 0 –
an Interesse von 60,000
Pfd. St. zu 10 Proc.
120 –
0 – 0 –
–––––––––––––––
710 –
– 0
– 0 –
––––––––––––––––––––––
Bleibt woͤchentlicher Gewinn
248 Pfd.
St. 10
Sch. 0 D.
Die fuͤr das Flachsgarn fuͤr ganz Großbritannien angenommenen Maaße
sind:
Ein Gebind (lea) Flachsgarn von Leeds ist
= 300 Yards
Eine schottische Spindel (spindle scotch)
= 38 Gebinden
= 11400 Yards.
Ein Rand (rand)
= 6
–
= 1800 –
Ein Duzend (dozen) hat 12 Rands
= 72
–
= 21600 –
Wenn das Garn nach Nummern gerechnet wird, so bezieht sich dieß auf die Zahl der
Gebinde, welche auf ein Pfund gehen, so wie bei der Baumwolle darunter die Zahl der
Straͤhne von 840 Yards, die auf das Pfund gehen, verstanden ist.
Die Einfuhr an Flachs und Werg oder an Codilla von Hanf und Flachs zu einem Zoll von
1 D. auf den Centner belief sich fuͤr ganz Großbritannien in folgenden Jahren
nach dem Gewichte auf:
1834.
1835.
1837.
1838.
811,722 Pfd.
740,814 Pfd.
1,529,116 Pfd.
1,002,256 Pfd.
Verbraucht wurde:
794,272 Pfd.
728,143 –
1,532,059 –
1,002,408 –
Der declarirte Werth der ausgefuͤhrten Leinenfabricate, mit Einschluß des
Flachsgarnes, belief sich auf:
3,208,139 Pfd. St.
3,645,097 Pfd. St.
2,613,298 Pfd. St.