Titel: | Einiges über die Ursachen der Explosionen der Dampfkessel. Von Hrn. John Seaward. |
Fundstelle: | Band 70, Jahrgang 1838, Nr. XXXVI., S. 162 |
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XXXVI.
Einiges uͤber die Ursachen der Explosionen
der Dampfkessel. Von Hrn. John
Seaward.
Aus dem Mechanics' Magazine, No. 786, S.
373.
Seaward, uͤber die Ursachen der Explosionen der
Dampfkessel.
Es hat sich in neuester Zeit haͤufig die Ansicht verbreitet, daß die vielen
Explosionen der Hochdruk-Dampfkessel großen Theils einer Entzuͤndung
der innerhalb der Kessel selbst erzeugten explodirbaren Gase zugeschrieben werden
muͤsse. Ich habe diesem hoͤchst wichtigen Gegenstande seit
laͤngerer Zeit meine ganze Aufmerksamkeit zugewendet, und bin durch meine
Beobachtungen und Forschungen zu dem Resultate gekommen, daß dieser Ansicht kein
genuͤgender und fester Grund untergelegt werden kann. Ich erlaube mir daher
einige wenige Bemerkungen hieruͤber vorzulegen, waͤre es auch nur, um
tuͤchtige Maͤnner zu weiteren Forschungen zu veranlassen.
Daß unter gewissen Umstaͤnden innerhalb der Kessel durch Ueberhizung der
Kesselwaͤnde und Zersezung des Wassers durch diese Wasserstoffgas erzeugt
werden koͤnne, ist eine allgemein zugestandene Thatsache. Allein diese
Umstaͤnde koͤnnen meiner Meinung nach nur sehr selten eintreten; und
die Wirkung kann selbst in diesem Falle nur eine sehr unbedeutende seyn. Wenn sich
dieses Gas naͤmlich in irgend einer bedeutenden Menge erzeugen
koͤnnte, so muͤßte sich dieß alsogleich durch eine sehr bemerkbare
Einwirkung auf den Gang der Maschinen kund geben. Diese Wirkung habe ich aber weder
selbst je beobachtet, noch wuͤßte ich, daß irgend eine Autoritaͤt eine
auf sie bezuͤgliche Thatsache angegeben haͤtte. Ich bemerke dieß um so
mehr, als ich gleich anderen oft Gelegenheit hatte Kessel zu sehen, an denen ein
Theil des inneren Feuerzuges oder der Platten der Feuerstelle zum Rothgluͤhen
gekommen war.
Es ist ganz gewiß, daß, selbst wenn eine bedeutende Menge Gas erzeugt wird, dasselbe
mit dem Dampfe so rasch durch die Cylinder oder durch die
Dampf-Auslaßroͤhre fortgefuͤhrt werden muß, daß sich nie eine
große Menge davon in dem Kessel ansammeln kann. An den Hochdruk-Dampfkesseln,
die allein den Gefahren der Explosionen ausgesezt sind, ist der fuͤr den
Dampf bestimmte Raum so beschraͤnkt, daß die ganze in dem Kessel enthaltene
Dampfmasse wenigstens alle 8 Secunden oder 7 bis 8 Mal in der Minute
fortgefuͤhrt und
wieder neu erzeugt wird. Da nun das Gas mit dem Dampfe fortgefuͤhrt wird, so
ist klar, daß dasselbe entweder in großem Uebermaaße erzeugt werden muß, oder daß
die in dem Kessel enthaltene Quantitaͤt desselben nur sehr klein seyn
kann.
Angenommen jedoch, daß Wasserstoffgas im Kessel enthalten ist, wie laͤßt sich
das gleichzeitige Vorhandenseyn von Sauerstoffgas, welches zur Erzeugung des
explosionsfaͤhigen Gemenges so nothwendig ist, erklaͤren? Einige
nehmen zwar an, daß dieses Gas dem Kessel von Außen, aus der atmosphaͤrischen
Luft zugefuͤhrt wird; allein diese Annahme ist ganz unhaltbar. Andere nehmen
an, daß sich innerhalb des Kessels auch Sauerstoffgas erzeuge, und zwar durch
Desoxydirung eines Theiles der vorher oxydirt gewesenen Metallplatten: eine Ansicht,
welche ebenso schwer zu begreifen ist, wie erstere; denn die Oxydirung und
Desoxydirung muͤßten entweder gemeinschaftlich von Statten gehen, oder die
eine muͤßte aufhoͤren, bevor die andere beginnt. In lezterem Falle ist
gewiß, daß alles Wasserstoffgas aus dem Kessel entwichen seyn wird, bevor sich
Sauerstoffgas zu bilden beginnt; im ersteren dagegen muͤßte vorausgesezt
werden, daß unter denselben Umstaͤnden und mit denselben Mitteln gleichzeitig
zwei einander entgegengesezte Operationen hervorgerufen werden: ein Factum, welches
beinahe an das Wunderbare graͤnzen duͤrfte, obschon es vielleicht
dennoch im Bereiche der chemischen Verwandtschaften gelegen seyn koͤnnte.
Wenn aber auch wirklich beide Gase gleichzeitig und in einer zur Erzeugung der
explodirbaren Mischung hinreichenden Menge im Kessel entbunden werden sollten, was
wuͤrde dann geschehen? Das Gas wuͤrde gewiß durch den Wasserdampf so
sehr verduͤnnt werden, daß sich nichts anderes erwarten ließe, als daß es die
Faͤhigkeit zu explodiren verliert und ganz unschaͤdlich wird.
Abgesehen von diesen Betrachtungen, welche der Annahme, daß Dampfkesselexplosionen
durch Gase bewirkt werden koͤnnen, im Wege stehen, haben wir aber noch eine
Thatsache, welche, wie mir scheint, die ganze Hypothese, wie sinnreich sie auch seyn
mag, gaͤnzlich umwirft, und deutlich beweist, daß dergleichen
Ungluͤksfaͤlle nicht den Explosionen von Gasgemischen zugeschrieben
werden koͤnnen. Diese Thatsache ist, daß in der zahlreichen Classe der Kessel
mit niederem Druke sowohl eine Explosion, als ein Einsinken zu den
unerhoͤrten Dingen gehoͤrt, waͤhrend beides an den Kesseln mit
hohem Druk haͤufig vorkommt; und doch ist es gewiß, daß sich in ersteren
Kesseln ebenso Gase erzeugen koͤnnen, wie in lezteren. Die Platten der
Feuerstellen und Feuerzuͤge der Kessel mit niederem Druke, sind dem
Uebelstande, zum Rothgluͤhen zu kommen, ebenso ausgesezt, und bei dem großen
Rauminhalte dieser Kessel muͤßten sie nothwendig eine groͤßere Menge enthalten; und
dessen ungeachtet hoͤrt man nichts von Explosionen solcher Kessel!