Titel: | Ueber den Dampfverbrauch in Runkelrübenzuker-Fabriken. Von Hrn. Schubarth. |
Autor: | Schubarth |
Fundstelle: | Band 70, Jahrgang 1838, Nr. XI., S. 63 |
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XI.
Ueber den Dampfverbrauch in
Runkelruͤbenzuker-Fabriken. Von Hrn. Schubarth.
(Als Nachtrag zur vorhergehenden Abhandlung, a. a.
O. S. 119.)
Schubarth, uͤber den Dampfverbrauch in
Runkelruͤbenzuker-Fabriken.
1) Bei gut construirten Hochdrukmaschinen, bei welchen der Nuzeffect nicht durch
Bewegung von verschiedenen Pumpen, als z.B. Saft- und Wasserpumpen
fuͤr die Anstalt etc., vermindert wird, reicht 1 Pferdekraft hin, um in 24
Stunden 10000 Pfd. Runkelruͤben zu waschen, zu zerreiben und zu pressen, also
um den Saft aus obigem Runkelruͤbengewichte zu gewinnen.
2) 10000 Pfd. Runkelruͤben geben, den Saftgewinn zu 80 Proc. angenommen, 8000
Pfd. Saft.
Um diese 8000 Pfd. Saft auf Zuker zu verarbeiten, findet ein Dampfverbrauch zu
folgenden Operationen Statt:
a) Um 8000 Pfd. Saft behufs der
Defecation von 0 auf 80° R. zu erwaͤrmen;
b) um 8000 Pfd. – 8000/16 =
7500 Pfd. defecirten Saft von 40 auf 80° R. behufs der Abdampfung zu
bringen;
c) um 7500 Pfd. defecirten Saft von
6,5 auf 22° B. abzudampfen, wobei, nach der Tabelle des Hrn. Treviranus,
nahe 2216 Pfd. Saft uͤbrig bleiben, also 7500 – 2216 = 5284 Pfd.
Wasser verdampft werden muͤssen;
d) um 2216 Pfd. abgedampftes und
durch Kohle filtrirtes Klaͤrsel, dessen Waͤrmecapacitaͤt,
nach der Schaͤzung, auf 0,855 derjenigen des Wassers angenommen werden
soll, von 0 auf 80° R. zu erwaͤrmen;
e) dasselbe von 22 auf 44° B.
einzukochen, wodurch 1108 Pfd. Zukermasse erhalten und also 1108 Pfd. Wasser in
Dampf verwandelt werden muͤssen. Endlich
f) da bei einer Kochung auf
44° B. nur 40 Proc. Syrup vom ersten Producte ablaufen, so bleiben noch
443 Pfd. Syrup, welcher, mit einem gleichen Gewichte Wasser verduͤnnt,
ein Klaͤrsel von 22° B. liefert. Dasselbe muß zwei Mal von 0 auf
80° R. erwaͤrmt und dann noch aus demselben 443 Pfd. Wasser
verdampft werden.
Ehe wir auf eine Berechnung dieser einzelnen Posten eingehen, schiken wir folgende
allgemeine Saͤze voraus.
Eine Berechnung des zu den Operationen der Defecation, des Abdampfens und Kochens
noͤthigen Dampfes laͤßt sich nur dann mit einer noͤthigen
Sicherheit anlegen, wenn man von einer directen
Ruͤkfuͤhrung des in den Dampfroͤhren condensirten Wassers in
den Dampfkessel, wie z.B. bei dem Pecqueur'schen Systeme,
ausgeht. Im entgegengesezten Falle kann man leicht durch Rechnung beweisen, daß bei
der zeither uͤblichen Weite der Dampfzuleitungsroͤhren zu den
einzelnen, durch Dampf zu erwaͤrmenden Apparaten, lezteren bei einem nur
geringen Unterschiede in der Spannung des Dampfes im Dampfkessel und dem
Wassersammler (Retour d'eau) weit mehr Dampf
zugefuͤhrt wird, als dieselben, selbst im guͤnstigsten Falle, zu
condensiren vermoͤgen. Der Unterschied in der Dampfspannung wird im
Wassersammler durch die Form desselben, Abkuͤhlung von Außen, von der Anzahl
der Speisungen des Dampfkessels u.a.m. bedingt, ist so variabel, daß man kein
annaͤherndes Mittel aufstellen, also auch den Dampfverbrauch in den Apparaten
selbst mit Sicherheit nicht feststellen kann.
Gehen wir dagegen von Apparaten mit directem
Ruͤkflusse des Wassers aus; nehmen wir an, daß der Dampf im Dampfkessel die
noͤthige Spannung besize, und so viel Brennmaterial verbrannt werde, um die
Spannung des nacherzeugten Dampfes stets gleich zu erhalten und die zum Verbrauch
noͤthige Menge Dampf zu erzeugen; ferner daß die Summe der sensibeln und
latenten Waͤrme im Wasserdampf eine constante Groͤße bilde,
naͤmlich 640° nach Celsius's Scale betrage,
also daß 1 Pfd. Wasserdampf 640 Waͤrmeeinheiten enthalte (Dampf von
100° C. hat 540° latente. Dampf von 120° C. dagegen nur
520° latente Waͤrme), so muͤssen, wenn die Fluͤssigkeit
in einem Apparate auf 100° C. warm angenommen wird, 540
Waͤrmeeinheiten dieser lezteren zugebracht werden, damit sie Dampfe von
100° C. sensibler Waͤrme bilden koͤnne. Es muß hienach also jedes Pfund Wasserdampf genau ein Pfund kochendes Wasser aus
der Fluͤssigkeit in Dampf verwandeln.
Ganz derselbe Fall findet Statt, wenn die zu verdampfende waͤsserige
Fluͤssigkeit (Aufloͤsung von Zuker, Salzen in Wasser) einen
hoͤheren Siedepunkt als Wasser besizt, z.B. 120° C. Angenommen, sie
sey auf 120° erhizt, so bedarf sie, um sich in Dampf zu verwandeln, nur noch
520 Waͤrmeeinheiten (120 + 520 = 640, wie stehend). Daher wird ganz
nothwendig auch das aus den zur Erwaͤrmung verbrauchten Daͤmpfen sich
condensirende Wasser eine Temperatur von 120° C. behalten, da die
Daͤmpfe von der Summe ihrer Waͤrmeeinheiten nur 520, statt sonst 540,
abzugeben noͤthig hatten.
Hieraus wird zur Genuͤge einleuchten, daß unter allen. Umstaͤnden, bei directem
Ruͤkflusse des Wassers nach dem Dampferzeuger, und ganz abgesehen von irgend
einem Waͤrmeverluste, 1 Pfd. Wasserdampf des Dampfkessels 1 Pfd. Wasser in
den Apparaten verdampfen muß. Der Nuzeffect des Dampfes ist
also beim Kochen wie beim Abdampfen ganz gleich; er koͤnnte
fuͤr die erstere Operation nur dadurch etwas hoͤher erscheinen, daß
die Fluͤssigkeit, um zu kochen, uͤber 100° C., zulezt bis auf
120° C. erhizt werden muß. Beruͤksichtigt man aber dabei, daß ihre
Waͤrmecapacitaͤt geringer ist, als die des Wassers (angenommen
– 0,855 : 1,0), so ergibt sich, daß die zur Erhizung des Saftes auf
120° erforderliche Menge Dampf nur 0,855 derjenigen seyn duͤrfte,
welche zur Erhoͤhung der Temperatur eines gleichen Gewichtes reinen Wassers
erforderlich gewesen waͤre. Dieß wuͤrde dann eher einen um ein Weniges
groͤßeren als einen geringeren Nuzeffect des Dampfes beim Kochen, im
Vergleiche mit dem Abdampfen, ergeben.
Fuͤr alle Operationen des bloßen Erwaͤrmens, wie z.B. bei der
Defecation, vor dem Abdampfen und Kochen ist 1 Pfd. Dampf erforderlich, um 5,4 Pfd.
Wasser von 0 auf 100° C. zu bringen.
Berechnet man nun, von den vorstehenden Praͤmissen ausgehend, das zum Betrieb
der Operationen a bis f
erforderliche Dampfquantum, so wuͤrde man ein Resultat erhalten, welches in
der Wirklichkeit nicht ausreicht, indem unabweisbar ein Dampfverlust Statt findet.
Dieser Verlust ist bedingt: 1) durch die Ausstrahlung und das
Waͤrmeleitungsvermoͤgen der Dampfroͤhren, 2) der Apparate und
die Waͤrmeausstrahlung der in denselben enthaltenen Fluͤssigkeiten, 3)
durch die zum Erwaͤrmen der Apparate erforderliche Waͤrmemenge. Dieser
Waͤrmeverlust ist aber so sehr von localen Verhaͤltnissen
abhaͤngig, daß er sich nicht wohl a priori, auch
nur annaͤherungsweise, festsezen laͤßt. Vergleicht man aber das
Resultat einer nach obigen Praͤmissen angestellten Berechnung des
Dampfverbrauchs mit den Ergebnissen gut angelegter Dampfapparate, so ergibt sich ein
Coefficient, von welchem man bei der Berechnung fuͤr zu machende Anlagen wird
Gebrauch machen koͤnnen.
Wir gehen nun zu einer Berechnung des Dampfverbrauchs bei den einzelnen Operationen
uͤber.
Zu a. Um 8000
Pfd. Saft behufs der Defecation von 0 auf
100° C. zu erwaͤrmen, ist an Dampf
erforderlich 8000/5,4 =
1481,4
Pfd.
Transport
1481,4
Pfd.
Zu b. Um 7500
Pfd. defecirten Saft von 50 auf 100° C.
zu bringen, 7500/5,4.2 =
694,4
–
Zu c. Um 5284
Pfd. Wasser in Dampf zu verwandeln
5284,0
–
Zu d. Um 2216
Pfd. Klaͤrsel, oder 2216 × 0,855
= 1895 Pfd. Wasser, von 0 auf 100° C. zu
bringen, 1895/5,4 =
350,9
–
Zu e. Um 1108
Pfd. Wasser zu verdampfen
1108,0
–
Zu f. Um 886
Pfd. Klaͤrsel zwei Mal von 0 auf
100° C., oder 1515 Pfd. Wasser von 0 auf
100° zu erwaͤrmen, 1515/5,4
=
280,5
–
und um 443 Pfd. Wasser zu verdampfen
443,0
–
–––––––––
Summa
9642,2
Pfd.
Es sind also um 8000 Pfd. Saft zu erstem und zweiten Producte mit Dampfheizung zu
verarbeiten, obiger Rechnung zufolge, 9642,2 Pfd. Dampf erforderlich.
Nimmt man an, daß 1 Pfd. Steinkohlen 5 Pfd. Dampf erzeugt, so waͤren, um 8000
Pfd. Saft zu verarbeiten, 1928 Pfd. Steinkohlen noͤthig, oder 17,52 preuß.
Scheffel, den Scheffel zu 110 Pfd. gerechnet. Nach bekannten Erfahrungen kann man
bei vortheilhaften Einrichtungen mit 1 Hect. Steinkohlen 3 1/2 Hect. Saft, also mit
94,40 Kilogr. Steinkohlen (das Hectoliter nach S. 56 zu 0,944 metrische Centner
gerechnet) 368,55 Kilogr. Saft von 7 1/2° B. verarbeiten. Nach diesem
Verhaͤltnisse waͤren zu 8000 Pfd. Saft 2049 Pfd. Steinkohlen
erforderlich, oder 18,62 Scheffel. Es hatte folglich die von 1 Pfd. Steinkohlen
erzeugte Dampfmenge groͤßer als 5 Pfd. seyn muͤssen, sollte obige
theoretische Rechnung mit der Erfahrung uͤbereinstimmen, oder richtiger,
leztere erfahrungsmaͤßige Menge Steinkohlen hat, verglichen mit der
vorstehend berechneten den Sicherheitscoefficienten fuͤr den
Waͤrmeverlust vertreten. Dieß muß um so mehr als der Wahrheit nahe kommend
betrachtet werden, als in Frankreich mit 1 Hect. Steinkohlen selbst 4 Hect. Saft
verarbeitet worden seyn sollen.
Werden die oben erwaͤhnten 10000 Pfd. Runkelruͤben in 24 Stunden
verarbeitet, und 1 Pfd. Dampf in der Minute gleich einer Pferdekraft angenommen, so
muͤssen die zur Verarbeitung von 10000 Pfd. Runkelruͤben
noͤthigen Kessel eine Kraft = 9642/24.60 = 6,695 Pferdekraͤften
ausuͤben.
Was endlich 3) die Erwaͤrmung der Boͤden betrifft, so liegt wiederum
die Erfahrung vor, daß mit dem abgehenden Dampfe der Hochdrukmaschinen der zum
Betrieb noͤthige Bodenraum gerade geheizt werden kann, wenn man sich nur auf
die Erzeugung von Rohzuker beschraͤnkt. Je groͤßer der
taͤgliche Betrieb ist, desto groͤßer werden die Bodenraͤume
seyn muͤssen, eine desto groͤßere Betriebskraft ist dann aber auch
noͤthig, was auf ein directes Verhaͤltniß schließen laͤßt.
Wird nun schließlich der gesammte Dampfverbrauch summirt, so erhaͤlt man eine
Summe von 7,695, also nahe 7 3/4 Pferdekraft fuͤr 10000 Pfd.
Runkelruͤben. Beruͤksichtigt man jedoch, daß das Wasser, welches aus
dem Dampfe der Maschine condensirt wurde, und dem Dampfkessel zufließt, nicht eben
heiß in den lezteren gelangt, ferner, daß Mehr Kesselraum vorhanden seyn muß, um die
Kessel eines Theils nicht immer aufs Aeußerste zu benuzen, anderen Theils, um alle
uͤbrigen Verluste auszugleichen, so ist eine Zugabe von etwa 30 Proc. nicht
zu viel. Es ergaͤbe sich dann endlich fuͤr je 1000 Pfd.
Runkelruͤben 1 Pferdekraft.