Titel: | Ueber Avery's rotirende Dampfmaschine. Von Hrn. John Ruthven in Edinburgh. |
Fundstelle: | Band 67, Jahrgang 1838, Nr. XLII., S. 169 |
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XLII.
Ueber Avery's rotirende Dampfmaschine. Von Hrn. John Ruthven in
Edinburgh.Der Artikel, den wir hier geben, dient hauptsaͤchlich zur Constatirung der
praktischen Anwendung dieser Maschine in Europa, wo dieselbe bisher nur auf
Gegner stieß. Man vergleiche uͤber deren Bau und deren angebliche
Leistungen das Polyt. Journal Bd. LIX. S.
81, und Bd. LXII. S. 442. A.
d. R.
Aus dem Scotsman im Mechanics' Magazine, No. 747, S. 139.
Ueber Avery's rotirende Dampfmaschine.
Ich habe nach Hrn. Avery's System, auf welches Hr.
Alexander Craig fuͤr Schottland ein Patent nahm,
eine rotirende Dampfmaschine von 15 Pferdekraͤften gebaut, und bediene mich
ihrer seit einiger Zeit taͤglich mit dem besten Erfolge. Da die Ansichten
uͤber diese Maschine sehr getheilt sind, und da in Hinsicht auf deren Princip
sowohl. als auch in Hinsicht auf deren Kraft eben so viele Vorurtheile als
Unkenntniß herrschen und wohl auch absichtlich verbreitet werden: und zwar von
Leuten, die sie nie arbeiten sahen, so halte ich es fuͤr ganz geeignet, eine
allgemein verstaͤndliche Beschreibung derselben zur Kenntniß des Publicums zu
bringen.
Der Dampf wird an dieser Dampfmaschine, wie an allen uͤbrigen in einem Kessel
erzeugt, und in einer Roͤhre in eine hohle Achse, an der zwei Arme befestigt
sind, geleitet. Aus dieser Achse gelangt er durch Oeffnungen in die beiden Arme, die
gleichfalls hohl sind, und an deren Enden sich Oeffnungen befinden, durch die der
Dampf unter rechten Winkeln mit den Armen austreten kann. Die Achse laͤuft
durch ein eisernes Gehaͤuse, in welchem die Arme umlaufen, und welches den
aus diesen austretenden Dampf aufnimmt. Am Grunde des Gehaͤuses wird der aus
den Armen ausgetretene Dampf von einer großen Roͤhre aufgenommen und in
dieser abgeleitet. An dem einen Ende der Achse ist, nachdem dasselbe durch das
Gehaͤuse hinaus
gedrungen, eine Rolle aufgezogen, und uͤber diese, so wie uͤber eine
uͤber ihr befindliche große Trommel ist ein Laufband geschlungen. Auf diese
Weise wird also die Kraft erzielt und regulirt. Der Dampf gelangt direct vom Kessel
her in die hohle Achse und deren Arme, und erzeugt beim Entweichen aus diesen eine
rotirende Bewegung, aͤhnlich jener eines Feuerrades.
Die Einfachheit dieser Einrichtung und die Gleichfoͤrmigkeit der Kraft sowohl
als der Bewegung unterliegt keinem Zweifel. Die neue Maschine ist daher fuͤr
alle jene Zweke, die eine vollkommen gleichmaͤßige Bewegung fordern, wie z.B.
fuͤr die Baumwollspinnerei, von unschaͤzbarem Werthe; und wenn ja noch
etwas noͤthig waͤre, um dieselbe moͤglichst bald in allgemeine
Anwendung zu bringen, so ist es deren niedriger Preis, der in vielen Faͤllen
um die Haͤlfte geringer ist, als jener anderer Dampfmaschinen von gleicher
Kraft. Die Maschine geraͤth uͤberdieß nicht leicht in Unordnung, und
erfordert daher wenige Reparaturen; es geht dieß so weit, daß die neue Maschine in
wenigen Jahren beinahe auf nichts zu stehen kommt, wenn man dagegen die Reparaturen
in Anschlag bringt, die selbst die beste Kolbenmaschine innerhalb dieser Zeit
veranlaͤßt haben wuͤrde. Nicht minder zu beruͤksichtigen ist
endlich auch die bedeutende Ersparniß an Brennmaterial.
Ich erlaube mir nun einige Bemerkungen uͤber das, was zu der allgemein
verbreiteten irrigen Ansicht uͤber das Princip dieser Maschine Anlaß gegeben
haben duͤrfte. Man behauptet naͤmlich, sie erhalte ihre Kraft durch
die Reaction des aus den Armen austretenden Dampfes auf die Luft. Waͤre dieß
der Fall, so wuͤrde allerdings auch ich die Maschine fuͤr kraftlos
halten; allein diese Idee ist gaͤnzlich irrig. Es findet keine solche
Reaction Statt, sondern die Arme werden durch die directe Kraft des im Kessel
erzeugten Dampfes getrieben, und unterliegen keiner Reaction von Seite der Luft.
Nehmen wir einen gewoͤhnlichen Waagbalken, in dessen beide Waagschalen ein
Gewicht von einem Pfunde gebracht ist> so wird sich zeigen, daß, wenn man dieses
Gewicht aus der einen Waagschale entfernt, die andere Waagschale mit der Kraft, die
durch das auf ihr befindliche Pfundgewicht erzeugt wird, und ohne alle Reaction von
Seite der Luft herabsinkt. Ganz derselbe Fall ist es nun mit der Kraft des an den
Enden der hohlen Arme austretenden Dampfes. Um einigen meiner Freunde zu beweisen,
daß durch das Zusammentreffen des entweichenden Dampfes mit der Luft keine Reaction
entstehe, loͤthete ich an das Ende des Armes in geringer Entfernung von
seiner Oeffnung eine Metallplatte, und zwar so, daß der Dampf die Platte treffen
konnte. Man haͤtte meinen koͤnnen, daß die Bewegung der Arme auf diese Weise
verhindert, oder vielmehr, daß der Arm durch die Kraft des Dampfes in
entgegengesezter Richtung bewegt werden wuͤrde; dem war jedoch nicht so,
sondern der Arm bewegte sich mit der Platte so gut, wie ohne diese. Ich machte
denselben Versuch auch mit der sogenannten Barker'schen
Muͤhle, und erhielt dieselben Resultate: zum deutlichen Beweise, daß weder in
dem einen, noch in dem anderen Falle durch das Treffen gegen die Luft eine Reaction
oder ein Widerstand oder eine Kraft erzeugt wird. Ohne jedoch in weitere
theoretische Entwikelungen einzugehen, schließe ich mit der Bemerkung, daß factisch
hergestellt ist, daß die von mir gebaute rotirende Maschine wirklich die
gewuͤnschte Kraft besizt, und mit ihr arbeitet, wie sich Jedermann davon
uͤberzeugen kann.
Anhang.
Hr. Alexander Craig in Edinburgh Carlton Street, Nr. 6,
der Besizer des Patentes fuͤr Schottland, bemerkt zu obigem Artikel, daß er
auf die fragliche Sache erst einging, nachdem er sich in Amerika bei Hrn. Avery persoͤnlich von den Vorzuͤgen seiner
Maschine uͤberzeugt habe, und daß er Hrn. Ruthven
aus New-York, der in den Werkstaͤtten des Erfinders Alles aufs
Genauste studirt hatte, mit sich nahm, um den Bau der Maschine in England zu leiten.
Nach seinen Angaben fangen diese rotirenden Dampfmaschinen nun an in den Vereinigten
Staaten allgemein in Anwendung zu kommen; besonders haͤufig trifft man sie
dermalen schon im Mississippithale, wo man mit der Ertheilung der sogenannten
hydraulischen Privilegien ziemlich karg ist. Abgesehen daß die Anschaffungskosten
einer rotirenden Maschine beinahe um die Haͤlfte geringer sind, als jene
einer Kolbenmaschine, ergibt sich bei ersterer auch noch eine bedeutende Ersparniß
in der Beaufsichtigung und Unterhaltung, da die rotirende Maschine nicht der
Beaufsichtigung durch einen Maschinisten bedarf, und da sie wegen der Einfachheit
ihres Mechanismus nicht so leicht in Unordnung geraͤth. Er sah in
New-York eine solche Maschine, welche zwei Jahre lang ununterbrochen
gearbeitet hatte, keiner Reparatur bedurfte und noch wie neu aussah. Die Ersparniß
an Brennmaterial ist gleichfalls bedeutend; nur braucht man wegen der Art der
Kessel, deren man sich in Amerika bedient, einen Schornstein von 18 bis 20 Fuß
Hoͤhe. Nachdem der Dampf die rotirende Maschine getrieben, erhizt er auch
noch das Wasser, welches zur Speisung des Kessels dient, gleich wie er auch zum
Kochen, Waschen und anderen haͤuslichen Zweken benuzt werden kann; z.B. zum
Anbruͤhen des Futters fuͤr das Vieh. Die Maschine eignet sich daher
auch trefflich fuͤr groͤßere Landwirthe, die dieselbe zum Dreschen benuzen koͤnnen.
Jeder Arbeiter kann sie bedienen, und sie leidet nicht den geringsten Schaden, wenn
sie auch Tags und Wochen stillsteht.