Titel: | Ueber Zukergewinnung aus getrokneten und gepülverten Runkelrüben. |
Fundstelle: | Band 65, Jahrgang 1837, Nr. LXXXIII., S. 377 |
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LXXXIII.
Ueber Zukergewinnung aus getrokneten und
gepuͤlverten Runkelruͤben.
Ueber Zukergewinnung aus getrokneten
Runkelruͤben.
Hr. Kanzleirath Schoder in
Ludwigsburg hat sein Verfahren bei Darstellung der Ruͤbenzuker dem
koͤnigl. wuͤrtembergischen landwirthschaftlichen Verein mitgetheilt,
welcher es in seinem Correspondenzblatt 1837, Bd. XI. S. 160 bekannt machte, woraus
wir dasselbe entnehmen.
Behandlung der Ruͤben bis zu deren Verwandlung in
Pulver.
Die Ruͤben werden durch Schaͤlen von ihrer
Haut bis auf das Fleisch hin befreit, was durchaus nicht fuͤr schwierig
angesehen werden darf, indem diese Arbeit sehr schnell geht; da aber von derselben
sehr viel fuͤr den Erfolg abhaͤngt, so thut man wohl, ihr volle
Aufmerksamkeit zu schenken.
Bekanntlich enthaͤlt die aͤußere und selbst noch die innerste
unmittelbar uͤber dem Fleisch liegende Haut der Ruͤben die Farbtheile,
Extractivstoff und uͤberhaupt Theile, die nicht zu dem Zukergehalt der
Ruͤben gehoͤren und deßwegen auch auf die vollstaͤndige und
reine Gewinnung desselben nur unguͤnstig einwirken koͤnnen; man glaube
deßwegen auch nicht, daß man durch die Entfernung der aͤußeren Theile der
Ruͤben, die nebendem auch noch mechanische Hindernisse fuͤr die
Saftgewinnung darbieten, an Zukersaft verliere, man lasse vielmehr gedachte Theile
dem landwirthschaftlichen Gebrauche, d.h. der Stallfuͤtterung, der sie auch
ihrer Eigenschaften wegen angehoͤren, anheimfallen, wodurch fuͤr
beiderlei Zweke nur gewonnen werden kann.
Sind nun die Ruͤben ganz rein geschaͤlt (es gilt dieß auch von der
weißen schlesischen Ruͤbe in derselben Ausdehnung), so werden sie gewuͤrfelt geschnitten, was mit sogenannten
Wurzelmessern sehr beschleunigt wird (man hat in neuerer Zeit auch Maschinen hiezu);
hierauf laͤßt man sie erst bei gelinder Waͤrme etwas abwelken und
bringt sie sodann auf Baͤkerofen oder in besondere Doͤrreinrichtungen,
um bei staͤrkerer Hize ganz gedoͤrrt zu
werden.
Unmittelbar hierauf, nachdem sie von der Doͤrre kommen, werden sie in ein mehlartiges Pulver verwandelt, wozu man sich im Großen
der Mahleinrichtungen, wie z.B. der vertikalen Mahlsteine in Oehlmuͤhlen u.
dergl. bedienen kann, wobei uͤbrigens zu beachten ist, daß dieses
Geschaͤft nicht an feuchtem Orte vorgenommen wird, so wie die
gedoͤrrten Ruͤben uͤberhaupt troken gehalten und vor Feuchtigkeit
geschuͤzt werden muͤssen. Werden sie als getroknet verschikt, so muß
dieses mit der Vorsicht geschehen, daß sie nicht feucht werden.
Das Pulver muß, wenn das Reinigen der Ruͤben
mittelst des Schaͤlens, das Doͤrren derselben und das Mahlen mit
Sorgfalt vorgenommen worden ist, so daß keine Unreinlichkeit sich mehr beimischen
konnte, ganz hell aussehen, und je mehr dieses der Fall ist, desto reinerer und
klarerer Saft wird gewonnen, daher die moͤglichst reine Gewinnung des Pulvers
eine Hauptbedingung fuͤr guten Erfolg ist.
Zu dem Doͤrren der Ruͤben taugen auch die
Malzdoͤrren, Ziegelofeneinrichtungen, nicht minder die Obstdoͤrren,
wenn deren Schubladen, im Falle solche nicht ganz enge mit Staͤben
zusammengefuͤgt waͤren, mit Papier ausgelegt werden.
Gewinnung des Saftes aus diesem
Ruͤbenpulver.
Um dieses zu bewerkstelligen, hat man eine Dampfvorrichtung noͤthigDer Versuch, den Zuker in dem Ruͤbenpulver durch unmittelbare
Beimischung des lezteren mit Wasser oder durch Infusion auszuziehen,
entsprach nicht, daher dieses auch nicht empfohlen werden kann., die uͤbrigens mit jedem Kessel hergestellt werden kann. Man richtet
in einen solchen Kessel einen seiherartigen Senkboden, der etwa eine Hand hoch
uͤber dem Wasser eingehaͤngt werden kann; es koͤnnte dieser
Zwek auch durch ein weiteres Geflecht, als die Oeffnungen des Seihers sind, erreicht
werden; selbst einige eingespannte, starke Staͤbe von Holz oder Eisen
wuͤrden es thun. Auf diesen Senkboden oder eine solche Vorrichtung breitet
man das Preßtuch (das von Haaren oder Leinengarn seyn kann) aus und bringt das
Pulver in der Menge darauf, als es die Presse gestattet, nachdem bereits der Kessel
bis eine Hand hoch unter dem Senkboden mit Wasser angefuͤllt worden ist. Der
Kessel wird sofort mit einem zum bequemen Oeffnen gerichteten Dekel geschlossen und
so gefeuert, daß das Wasser stets stark siedet. Die Daͤmpfe steigen durch das Tuch in das Pulver, das
anfaͤnglich ganz in eine klebrige Masse verwandelt wird; es darf
uͤbrigens dieses nicht irre machen, denn nach einiger Zeit, binnen welcher
die Masse einige Mal umgeruͤhrt werden muß, wird sie griesig oder ganz
kleinkoͤrnig, was nun immer schneller und mehr zunimmt. Ist nun dieselbe von
diesem Zustand durchdrungen, so ist es Zeit, die Masse auf die schon parate, mit
Kupfer oder weißem Blech, das in die Preßablaufroͤhre einmuͤndet,
ausgeschlagene Presse zu bringen.
Das Tuch wird gehoͤrig eingeschlagen, zwischen
Weidengeflechte gelegt,
sodann die Presse angezogen und das allmaͤhliche
Zuziehen derselben mit der erforderlichen Behutsamkeit und Kraft bewerkstelligt. Zum
Unterstellen eignen sich die Klaͤrkessel oder besondere blechene oder
kupferne Gefaͤße.
Der Saft fließt ganz klar und durchsichtig ab, und hat
eine Consistenz von 12° nach B.
Waͤhrend des Pressens wird wieder eine Partie
Pulver zu gleicher Behandlung auf den Kessel gebracht und jeden Tag so fortgefahren,
bis man mit dem fuͤr denselben bestimmten Pulverquantum zu Ende ist.
Angenommen, man haͤtte z.B. (auf einen Saͤker, deren man aber mehrere
zumal unter die Presse bringen kann, berechnet) an einem Tage 5 Ctnr. dieses Pulvers
verarbeitet, so ist dieses eine Arbeit, wodurch man den consistenten Saft von
ungefaͤhr 40 bis 50 Ctnr. Ruͤben gewonnen hat.
Der Preßkuchen wird, wenn es noͤthig ist, nach
seiner Wiederzerreibung zu Pulver noch ein Mal der wiederholten Behandlung
unterworfen, bis aller Saft ausgezogen ist.
Die Kuchen werden, wie die Ruͤkstaͤnde der
frischen Ruͤben, auch als Viehfutter benuzt. Es ist nicht daran zu zweifeln,
daß der Ruͤkstand von dem Ruͤbenpulver sich auch noch zur
Papierfabrication eignet.
Zur Behandlung mit Dampf dient besonders auch der von mir
erfundene Apparat zur Gewinnung des Zukersaftes ohne Pressen, wobei der Dampf
mittelst Roͤhren durch die Oberflaͤche des in das Dampfgefaͤß
gebrachten Pulvers in dasselbe geleitet wird, und ich moͤchte diesem, wo eine
aͤhnliche Einrichtung vorhanden ist, den Vorzug geben.
Weitere Behandlung des Saftes.
Der so gewonnene Saft wird erhizt, mit Kalkmilch versezt,
bis zum Sieden gebracht und in diesem so lange erhalten, bis er klar, wie der
reinste Wein aussieht, worauf er vom Feuer gethan wird.
Nach dem Erkalten, wenn sich der Niederschlag gesezt hat und der Saft dadurch ganz
geklaͤrt ist, wird derselbe auf das Filter gebrachtMan duͤrfte auch das Klare abgießen und nur das Uebrige auf das Filter
bringen. und kann von diesem aus sogleich bis zum Krystallisationspunkte eingedikt
werden, da man das ganze Verfahren von der Gewinnung des frischen
Ruͤbensaftes bis zum Einkochen auf 12° B., beides einschließlich, und damit
auch die nachtheiligen Einwirkungen von Temperatur und Behandlung uͤber diese
ganze Periode abgeschnitten hat.
Jene Klaͤrung oder Scheidung mit Kalkmilch ist immerhin noͤthig, um der Entfernung des
Eiweißstoffes und der sich bildenden Saͤure willen.
Der Niederschlag soll aͤpfelsaurer Kalk seyn; der Eiweißstoff sondert sich
hauptsaͤchlich im Schaume ab, wiewohl solcher auch dem Niederschlag
anklebt.
Das Ausziehen des Zukers aus dem Ruͤbenpulver mit Alkohol koͤnnte
moͤglicherweise auch die Behandlung mit Kalk vollends entfernen, allein noch
wissen wir nicht, ob diese Methode im Großen zuverlaͤßig oder entsprechend
ist, abgesehen davon, daß sie vor allem wegen des Wiederabscheidens des Alkohols
umstaͤndlicher und kostspieliger seyn duͤrfte.
Mit dem oben beschriebenen Verfahren ist aber Manches erreicht, was auch im Großen
Anwendung und Anerkennung finden duͤrfte, denn
1) ist die Procedur des Einkochens sehr abgekuͤrzt,
2) ist man mit der Zukerbereitung nicht allein an die Zeit vom Oktober bis Januar
gebunden, ohne an dem Zukergehalt der Ruͤben zu verlieren, weil
3) diese sogleich aus dem Boden heraus zum Doͤrren und Mahlen in Behandlung
genommen werden koͤnnen, also an einen Verlust an Zukergehalt nicht zu denken
ist;
4) koͤnnen die Ruͤben im getrokneten Zustande von Ferne her fuͤr
Fabriken bezogen werden, waͤhrend die Abfaͤlle dem Landmanne, der die
Ruͤben baut, zur Benuzung bleiben, der die Ruͤben selbst
schaͤlen, troknen und in lezterem Zustande verwerthen kann.
Bemerkungen.
Hinsichtlich des Kalkes muß gesorgt seyn, daß man ihn stets in
kohlensaͤurefreiem Zustande hat, und der Bedarf unmittelbar von dem Ofen
wegbezogen, sogleich hermetisch verschlossen aufbewahrt wird, da, wenn er schon
wieder Kohlensaͤure an sich gezogen hat, der Erfolg unzuverlaͤßig ist;
auch daß der Saft, im Augenblik der Beimischung der Kalkmilch, in dem
gehoͤrigen Hizgrade sich befinde.
Die zum Filtriren zu gebrauchenden thierischen Kohlen (Beinschwarz) muͤssen
vom Staube frei und rein gekoͤrnt seyn; der Aufguß des zu filtrirenden Saftes
geschieht kalt.
Sind jene Kohlen mehr Pulver, so vermischt sich dieses mit dem Safte und ist dieser
gar noch warm aufgegossen worden, so wird er in eine zaͤhe, schwarze Masse verwandelt, aus der
er nicht wohl mehr brauchbar abzuscheiden ist.
Bei meinem oben beschriebenen Verfahren wird es an mehrfach aufgelegtem Flanell mit
duͤnner Zwischenlage thierischer Kohle zur vollstaͤndigen Reinigung
des Saftes auch im Großen, genuͤgen.