Titel: | Angebliche Verbesserungen in der Zubereitung gewisser mehliger Nahrungsmittel, worauf sich John Whiting, M. D. von Kennington in der Grafschaft Surrey, am 3. Mai 1836 ein Patent ertheilen ließ. |
Fundstelle: | Band 65, Jahrgang 1837, Nr. XIV., S. 46 |
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XIV.
Angebliche Verbesserungen in der Zubereitung
gewisser mehliger Nahrungsmittel, worauf sich John Whiting, M. D.
von Kennington in der Grafschaft Surrey, am 3. Mai 1836 ein Patent ertheilen
ließ.
Aus dem Repertory of Patent-Inventions. Mai
1837, S. 267.
Whiting, uͤber die Zubereitung mehliger
Nahrungsmittel.
Meine Erfindung, sagt der gelehrte Patenttraͤger, betrifft die Zubereitung
aller jener Mehlspeisen, welche ein zelliges, leichtes, schwammiges Gefuͤge
bekommen sollen, wie z.B. Brod, Kuchen, leichtes Zwiebak u. dergl. Ihr gemaͤß
soll diese zellige Beschaffenheit nicht durch einen Gaͤhrungsproceß, den ich
fuͤr nachtheilig halte, sondern durch Zubereitung der Nahrungsstoffe mit
einer Saͤure und einem kohlensauren Alkali erzielt werden. Die Saͤure,
deren ich mich bei der Brodbereitung bediene, ist Salzsaͤure; das Alkali ist
kohlensaures Natron, von den Chemikern auch Natron-Sesquicarbonat oder
Bicarbonat genannt. Wenn diese beiden Substanzen in gehoͤrigem
Verhaͤltnisse vermengt werden, so treten folgende Veraͤnderungen ein:
zwei ihrer Bestandtheile verbinden sich zu Kochsalz; zwei verbinden sich zu Wasser,
waͤhrend in Gasform Kohlensaͤure entweicht. Diese leztere hat hier
dasselbe zu leisten, was die bei dem gewoͤhnlichen Gaͤhrungsprocesse
entwikelte Kohlensaͤure leistet: diese Gaͤhrung mag in dem Teige
selbst durch Einwirkung der Luft und Waͤrme entstehen, oder sie mag durch
Zusaz von Ferment oder Gaͤhrungsstoff beguͤnstigt werden.
Ich will nun beispielsweise angeben, auf welche Weise meine Erfindung bei der
Brodbereitung angewendet werden kann. Man vermenge um aus 7 Pfd. Weizenmehl Brod zu
erzeugen je nach dem Gutduͤnken und je nach der Leichtigkeit, welche man dem
Brode zu geben beabsichtigt, 350 bis 500 Gran des oben erwaͤhnten
kohlensauren Natrons mit 2 3/4 Pinten reinen Wassers. Ferner vermenge man in einem gesonderten
Gefaͤße mit 3/4 Pinten Wasser so viel reine Salzsaͤure, als zum
Neutralisiren des angewendeten Natrons noͤthig ist: die erforderliche
Quantitaͤt wird von der Staͤrke oder von dem specifischen Gewichte der
Saͤure und von dem Natrongehalte des angewendeten kohlensauren Natrons
abhaͤngen. Ich habe gefunden, daß auf 350 Gran kohlensauren Natrons 420 bis
560 Gran kaͤuflicher Salzsaͤure noͤthig sind; da jedoch die
Baͤker gewoͤhnlich in der Chemie nicht hinreichend bewandert sind, so
wuͤrde ich ihnen rathen, uͤber die Verhaͤltnisse, in welchen
sie beide Ingredienzien anzuwenden haben, einen Sachverstaͤndigen zu Rathe zu
ziehen. Man theile nun die angegebene Quantitaͤt Mehl genau in zwei gleiche
Theile; dem einen Theil seze man in einem weiten irdenen Gefaͤße nach und
nach und unter Umruͤhren und Abschlagen der Masse mit einem großen
hoͤlzernen Loͤffel oder einem anderen geeigneten Werkzeuge die
Natron-Aufloͤsung zu, damit sie mit dieser einen
gleichmaͤßigen, keine Klumpen oder Knoten enthaltenden Teig bilde. Auf diesen
Teig bringe man, nachdem man vorher alles von den Seiten des Gefaͤßes
abgekrazt und damit vereinigt hat, den zweiten Theil des Mehles, den man durch
rasches, vom Boden aus gefuͤhrtes Umruͤhren und unter
allmaͤhlichem Zusaze der verduͤnnten Saͤure innig damit
verbindet. Den auf diese Weise erzeugten Teig bringe man dann in rohem Zustande auf
ein Brett, auf dem man ihn mit einem Rollholze unter oͤfterem
Zusammenschlagen und Auswalken eine oder zwei Minuten lang abzuarbeiten hat, bis er
ganz gleichfoͤrmig und leicht geworden ist. Dieser Proceß darf
uͤbrigens nicht zu lange fortgesezt werden. Wenn dieß vollbracht ist, so kann
der Teig mit trokenem Mehl geformt und in einzelnen Broden oder Laiben, von denen
jeder von einem halben bis zu anderthalb Pfund Gewicht hat, gebaken werden. Dieses
Baken gelingt in einigen Oefen am besten unter Blechen von jener Form, welche man in
England „London, Coburg oder Coronation loaves“ nennt. Der Bakofen muß
so heiß seyn, daß der Teig rasch aufgeht; jedoch nicht so heiß, daß die Kruste zu
schnell erhaͤrtet, indem das Brod zu viele Feuchtigkeit an sich haͤlt,
wenn es nicht lange genug im Ofen verweilt hat. Der Vermengungsproceß soll an einem
kuͤhlen Orte vorgenommen werden, und das Wasser soll man besonders bei heißer
Witterung so kuͤhl als moͤglich anwenden. Die Quantitaͤt
Kochsalz, welche gebildet wird, wenn man 350 Gran kohlensaures Natron zugesezt hat,
belaͤuft sich auf 280 Gran; man kann daher um das Brod schmakhafter zu machen
in der verduͤnnten Saͤure noch etwas weniges, z.B. 1/2 oder 3/4 Unzen
Kochsalz aufloͤsen, bevor man sie dem Teige beimengt. Nach den oben
angegebenen Mischungsverhaͤltnissen wuͤrde eine halbe Pinte Wasser auf ein Pfund Mehl
kommen; es versteht sich jedoch, daß diese Quantitaͤt je nach der Bindekraft
des Mehles eine verschiedene seyn muß, und daß es immer besser ist, wenn der Teig
lieber etwas zu duͤnn als zu dik ist. Beim Vornehmen der Mischung hat man mit
groͤßter Sorgfalt darauf zu achten, daß eine vollkommene Vereinigung der
Saͤure mit dem Alkali erfolgt, indem sonst das Brod eine Veraͤnderung
der Farbe erleiden wuͤrde.
Ich muß bemerken, daß man die Kohlensaͤure und das Natron auch noch in anderen
chemischen Verbindungen als in den hier angegebenen zu demselben Zweke benuzen kann:
vorausgesezt, daß auf diese Weise eine hinlaͤngliche Menge Gas ausgetrieben
werden kann, und daß eine neutrale Verbindung der Saͤure mit dem Alkali,
naͤmlich Kochsalz, dabei erzeugt wird. Ich beschraͤnke mich keineswegs
einzig und allein auf die oben angegebene Vermischungsmethode; denn auch diese
laͤßt sich mannigfach abaͤndern, wenn nur eine Neutralisation der
angewendeten Ingredienzen, naͤmlich die Erzeugung von Kochsalz erfolgt, und
wenn das Brod die gehoͤrige zellige und leichte Textur oder Beschaffenheit
erhaͤlt.
Wenn man mit Mehl, Eiern, Milch, Butter, Zuker und Gewuͤrzen verschiedene
leichte Kuchen bereiten will, so kann man diese Ingredienzen mit einem Theil des
Mehles vermengen, bevor man diesem das Alkali zusezt. Die weitere Behandlung des
Teiges bleibt dieselbe, nur muß man ihm durch Zusaz von Mehl und durch Anwendung von
Druk nach der gewoͤhnlichen Weise einen hoͤheren Grad von Steifheit
geben.
Roggen-, Hafer- und Gerstenmehl lassen sich, wenn sie mit etwas
Weizenmehl vermengt worden sind, nach demselben Verfahren zur Broderzeugung
verwenden; auch kann man das Weizenmehl mit Reismehl oder mit Kartoffeln, die jedoch
dem Gewichte nach nicht uͤber den dritten Theil des Weizens betragen
duͤrfen, versezen, obschon das Brod am besten ausfaͤllt, wenn man nur
Weizenmehl allein anwendet.
Ich weiß sehr wohl, daß man schon fruͤher bei der Bereitung einiger mehliger
Nahrungsmittel kohlensaures Natron, kohlensaures Ammoniak und kohlensaure
Bittererde, so wie auch Saͤuren benuzte. Ich dehne daher meine
Patentanspruͤche keineswegs auf die Anwendung solcher Substanzen im
Allgemeinen aus, sondern beschraͤnke mich auf die Zubereitung schwammiger
Speisen aus Mehl mit einer Saͤure und einem an Kohlensaͤure gebundenen
Alkali ohne Mitwirkung der Gaͤhrung.Das hier beschriebene Patentverfahren des Hrn. Doctors der Medicin scheint
uns eine neue Zugabe zu dem großen Register der Irrthuͤmer, in welche
gelehrte
Herren in technischen Gegenstaͤnden so leicht verfallen, zu liefern.
Wenn es auch moͤglich waͤre, auf die hier angegebene Weise in
dem Teige eine vollkommene Verbindung und gegenseitige Neutralisation der
angewendeten Saͤure und des Alkalis zu erzielen, und dadurch die
Nachtheile zu beseitigen, die nothwendig fuͤr die Gesundheit
entstehen muͤßten, wenn ungebundene Saͤure in einem
taͤglichen Hauptnahrungsmittel in den menschlichen Koͤrper
kaͤme; so wird das nach der angegebenen Methode bereitete Brod doch
nie den angenehmen Geschmak und die Verdaulichkeit besizen, welche gut
gegohrenem Brod eigen ist. Der gelehrte Hr. Doctor scheint uns eine
gaͤnzliche Unkunde dessen, was bei dem Gaͤhrungsprocesse
vorgeht, zur Schau zu legen, wenn er behauptet, dieser habe gar keinen
anderen Zwek als den, das Brod zellig zu machen, und wenn er glaubt, dieser
Zwek koͤnne eben so gut durch irgend eine kuͤnstliche
Gasentwikelung auch erreicht werden.A. d. R.