Titel: | Einiges über Eisenbahnen. Von Hrn. John Herapath Esq. |
Fundstelle: | Band 58, Jahrgang 1835, Nr. I., S. 2 |
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I.
Einiges uͤber Eisenbahnen. Von Hrn.
John Herapath
Esq.
Aus dem Mechanics' Magazine, No. 618. und No.
620.
Herapath, einiges uͤber Eisenbahnen.
Wenn Jemand, sagte ein weiser Mann, in einer Versammlung mit einem guten Vorschlage
auftritt, so treibt der Beifall, der ihm gezollt wird, gewoͤhnlich andere zu
einer Menge von vermeintlichen Verbesserungen und Zusaͤzen, von denen
meistens einer absurder ist, als der andere, so daß der gesunde Verstand, welcher in
dem ersten Vorschlage gelegen war, endlich in der Masse der spaͤter damit in
Verbindung gebrachten Absurditaͤten gaͤnzlich verloren geht. So ging
es denn auch mit den Eisenbahnen; eine guͤnstig ausgefallene Eisenbahn
brachte zu Duzenden Vorschlaͤge zu solchen Bahnen, welche in der Mehrzahl nur
mit Unzufriedenheit und Verlust enden koͤnnen, hervor. So kamen einige auf
Haͤnge-Eisenbahnen (suspension railways);
andere glaubten die Schwankungen der See durch eine Eisenbahn auf Booten zu umgehen;
andere endlich dachten ernstlich daran, zuerst eine Eisenbahn, und dann erst am Ende
eine Stadt zu bauen, welche fuͤr den Verkehr auf der Bahn sorgen sollte.
– Dagegen ist es andererseits noch bejammernswerther, mit welcher
Hartnaͤkigkeit sich viele allem Neuen widersezen. Mein Vater machte es so und
befand sich gut dabei, warum soll ich es nicht auch so machen, hoͤrt man den
einen sagen; unsere Vorfahren wußten nichts von allen diesen Planen, und doch war
die Nation gluͤklich und in einem gedeihlichen Zustande, ruft ein anderer
aus; waͤhrend ein dritter mit Jammer prophezeit, daß es ein sicheres Zeichen
des herannahenden Ruines sey, wenn Neuerer ihre Plane durchsezen, und wenn die gute
alte Ordnung der Dinge umgestoßen wird! Moͤchten doch diese ewigen Bewunderer
der alten Vollkommenheit bedenken, daß viele jener Dinge, deren sie sich
gegenwaͤrtig gar sehr erfreuen, lediglich die Resultate der
Vorschlaͤge und Leistungen fruͤherer Neuerer sind, und daß die
Privatinteressen der allgemeinen Wohlfahrt nachstehen muͤssen. Man lerne,
pruͤfe, denke und uͤberlege, und man wird weder in den einen, noch in
den anderen der beiden erwaͤhnten Fehler verfallen.
Ich erlaube mir nach dieser kurzen Vorbemerkung Einiges uͤber die Principien
des Verkehres auf den Eisenbahnen und uͤber die Bewegungskraft der Locomotivmaschinen
mitzutheilen, was zur allgemeinen Belehrung beitragen duͤrfte.
Von der Zugkraft.
Wenn t die Zugkraft einer Tonne auf einer ebenen Bahn,
und z den Neigungswinkel irgend einer Flaͤche
oder Bahn bezeichnet, so ist t cos. z ± sin. z offenbar die Zugkraft beim Hinan- oder
Hinabsteigen an einer solchen Flaͤche, wo das + fuͤr Ersteres und das
– fuͤr Lezteres gilt. Da nun z in allen
praktisch brauchbaren Eisenbahnen sehr klein ist, waͤhrend t durch Versuche beilaͤufig 1/240 befunden wurde,
so ist die Zugkraft beinahe:
1 ± h/22 . . . . (1)
wobei die Einheit die Zugkraft auf einer horizontalen Bahn,
und h die in Fuß ausgedruͤkte Hohe ist, um welche
die Bahn per Weile steigt.
Von den Kosten des Transportes.
Da die Zugkraft fuͤr alle Geschwindigkeiten eine und dieselbe ist, so folgt
hieraus, daß wenn die Last und die Temperatur des Dampfes gleich bleibt, die
Quantitaͤt des verbrauchten Dampfes fuͤr eine gewisse Distanz oder
Entfernung dieselbe seyn wird, welches auch die Geschwindigkeit seyn mag. Folglich
sind die Kosten, welche der Quantitaͤt des verbrauchten Dampfes entsprechen
muͤssen, fuͤr eine bestimmte Distanz, mit welcher Geschwindigkeit sie
auch zuruͤkgelegt werden mag, gleich. Wenn daher l die Last, d die Entfernung und e der Verbrauch ist, so ist e : : l × d. Da nun zwei Maschinen nothwendig sind, wenn unter gleichen
Umstaͤnden eine doppelte, und drei Maschinen, wenn eine dreifache Last
gezogen werden soll, so laͤßt sich schließen, daß der Verbrauch derselben
Maschine, wenn sie eine doppelte oder dreifache Kraft ausuͤbt, nicht
wesentlich, wenn ja in etwas von derselben Regel abweichen wird. Wenn man daher
statt l die Formel (1) multiplicirt mit a 1 sezt, so erhaͤlt man:
e = (1 h/22) ald . . . . (2)
a ist hier eine konstante durch Versuche zu ermittelnde
Groͤße und das Zeichen ∾ ist hier anstatt des Minus gesezt, indem der Verbrauch nie negativ seyn kann. Uebrigens
laͤßt sich diese Formel nicht wohl dem Hinabsteigen uͤber schiefe
Flaͤchen anwenden, besonders wenn deren Fall weniger als 22 Fuß in der Meile
betraͤgt; und zwar 1) wegen des Verlustes an Dampf, der sich beim Absperren
desselben ergibt, und 2) weil man im Allgemeinen die absteigende Geschwindigkeit zu
hemmen pflegt.
Nach den an der Liverpool-Manchester Eisenbahn angestellten Versuchen
betragen, wie mir Hr. Dixon, der gelehrte Ingenieur der
Gesellschaft sagte, die Kosten einer Tonne per Meile
einen halben Penny, obschon es andere Eisenbahnen gibt, an denen sie sich kaum
hoͤher als auf den vierten Theil eines Penny oder auf einen Farthing (3
Pfenn.) belaufen. Wenn daher l die Last in Tonnen, und
d die Entfernung, in Meilen angegeben, ist, so
erhaͤlt man in Pence:
e = (1 + h/22) ld/2 . . . . (3)
Unter irgend anderen Umstaͤnden muß das 2 in den Divisor eines Penny, den die
Transportkosten eben betragen, verwandelt werden.
Von der Geschwindigkeit des Transportes.
Wenn ein Kolben einen halb so großen Flaͤchenraum hat, als ein anderer Kolben,
so muß er sich offenbar mit einer zwei Mal groͤßeren Geschwindigkeit bewegen,
als dieser, wenn er dieselbe Quantitaͤt Dampf von gleicher
Elasticitaͤt und Temperatur verbrauchen soll; seine Kraft wird daher nur halb
so groß seyn, als jene des groͤßeren Kolbens. Es wuͤrde demnach unter
diesen Umstaͤnden eine um die Haͤlfte kleinere Last mit einer doppelt
groͤßeren Geschwindigkeit getrieben werden; und auf gleiche Weise
wuͤrde der dritte und vierte Theil einer Last mit einer drei oder vier Mal
groͤßeren Geschwindigkeit getrieben werden; so daß also im Allgemeinen unter
uͤbrigens gleichen Umstaͤnden die Geschwindigkeit sich umgekehrt wie
die Last verhaͤlt, wenn der Flaͤchenraum des Kolbens wie die Last
wechselt.
Gesezt aber der Kolben und das Feuer bleiben sich gleich, wie groß wuͤrde die
Geschwindigkeit einer doppelt, dreifach und mehrfach groͤßeren Last seyn?
Diese Frage wurde, so viel ich weiß, bisher weder theoretisch, noch praktisch ganz
genuͤgend beantwortet; eine solche Antwort laͤßt sich auch, wie mir
scheint, bei der angenommenen Lehre von der Luft nicht einmal gehoͤrig geben.
Ich will jedoch versuchen diese Aufgabe physikalisch nach dem einzigen
verstaͤndigen Principe, welches ich mir denken kann, und nach den Gesezen
fuͤr die luftfoͤrmigen Koͤrper, die ich vor 14 Jahren in den
Annals of Philosophy aufstellte und durch Versuche
nachwies, zu loͤsen. Ich muß uͤbrigens bemerken, daß indem ich von der
Nichtigkeit des erwaͤhnten Principes nicht ganz uͤberzeugt bin, ich
diese Loͤsung nicht als vollkommen hergestellt gebe; ich wuͤrde sehr
erfreut seyn, wenn man dieselbe durch Versuche erproben wuͤrde, und glaube,
daß man hiebei auf keine großen Irrthuͤmer stoßen wuͤrde.
Das erwaͤhnte Princip ist folgendes: Die Zahl der Dampftheilchen, welche in
jedem Momente ausgestoßen und in die Temperatur des Dampfes gezogen werden, steht immer mit der
Waͤrme, welche das Feuer in gleicher Zeit an das Wasser abgibt, im
Verhaͤltnisse.
Wenn daher die mitgetheilte Waͤrme gleichmaͤßig ist, und N die Zahl der in jedem Momente ausgestoßenen Theilchen,
T die wahre Temperatur derselben bezeichnet, so ist
NT eine gleichbleibende oder constante
Quantitaͤt. Wenn aber E die Elasticitaͤt
des Dampfes und n die in einem gegebenen Raume
enthaltene Anzahl seiner Theilchen ist, so erhaͤlt man nach der achten
Proposition in den Annals of Philosophy, Mai 1821, S.
345 E : : nT². Und
wenn V die Geschwindigkeit des Kolbens ist, so
verhaͤlt sich nV offenbar wie die Zahl der
Dampftheilchen, welche in jedem Augenblike ausgetrieben werden. Hieraus folgt, daß
nV : : N und TnV : : NT eine
constante Groͤße ist. Demnach ist nach Cor. 2.
Prop. 1. S. 98 der Annals of
Philosophy August 1821:
E : : nT² : : 1/TV × T²
: : T/V : : √(F + 448)/V, wobei F die Temperatur nach Fahrenheit ist. Da aber die
Elasticitaͤt E sich wie die Last oder die
Zugkraft, und V wie die Geschwindigkeit der Maschine
verhaͤlt, so ergibt sich:
(1 + h/22) lV : : √(F +
448) . . . (4)
Da nun aber, wenn die Elasticitaͤt des Dampfes bei seiner gehoͤrigen
Spannung verdreifacht wird, das rechte Glied dieser Gleichung beilaͤufig nur
um 5 Proc. zunimmt, so kann man dieses Glied fuͤr alle praktischen Zweke als
ein constant bleibendes betrachten, wornach sich also die Geschwindigkeit des
Transportes, unter uͤbrigens ganz gleichen Umstaͤnden, umgekehrt wie
die Last und die Zugkraft verhalten wurde.
Wir besizen demnach drei Vergleichungsregeln, welche so einfach und genau sind, als
sie es meiner Ansicht nach bei dem gegenwaͤrtigen Stande unseres Wissens seyn
koͤnnen.
1) Die Zugkraft betraͤgt an einer schiefen Flaͤche, die sich per Meile um h Fuß gegen den
Horizont neigt, per Tonne aufwaͤrts 9 (1 + h/22) und abwaͤrts 9 (1 – h/22), wobei die Zugkraft per Tonne auf einer horizontalen Bahn zu 9 Pfunden angenommen ist.
2) Die Transportkosten einer Tonne per Meile betragen in
Pence ausgedruͤkt: aufwaͤrts 1/2 (1 + h/22) oder abwaͤrts 1/2 (1 ∾ h/22), wobei angenommen ist, daß
der Dampf jederzeit als bewegende oder retardirende Kraft wirkt.
3) Die Geschwindigkeit ist, wenn sie auf einer horizontalen Bahn 30 engl. Meilen in
der Stunde betraͤgt:
30
––––
1
+
h/22
Diese Formel laͤßt sich uͤbrigens nur dann auf das Hinabsteigen
anwenden, wenn die Senkung sehr gering ist; denn betruͤge sie z.B. 22 Fuß in
der Meile, so wuͤrde die Geschwindigkeit hier unendlich erscheinen, indem die
Gravitation hier Alles thaͤte, so daß der fortzuschaffende Gegenstand als
nichts erschiene.
Ich habe, damit man die Tauglichkeit und Wohlfeilheit irgend einer Eisenbahnlinie
leichter erforschen kann, folgende Tabelle berechnet. Die lezte ihrer Columnen
erhielt ich durch Multiplication der dritten mit 30; die weiteren Decimalen sind
nicht in Anschlag gebracht, doch duͤrfte dieß fuͤr alle praktischen
Zweke genuͤgen.
Steigung per Meile
in Fuß
Zugkraft p.
Tonne in Pfunden.
Theile einer Last.
Kosten einer Tonne p. Meile in
Pence.
Geschwindigkeit p.Zeitstunde in engl.
Meilen.
0
9,00
1,00
0,500
30,0
2
9,82
0,92
0,545
27,6
4
10,64
0,85
0,591
25,5
6
11,45
0,79
0,636
23,7
8
12,27
0,73
0,682
21,9
10
13,09
0,69
0,727
20,7
12
13,91
0,65
0,773
19,5
14
14,73
0,61
0,818
18,3
16
15,55
0,58
0,864
17,4
18
16,36
0,55
0,909
16,5
20
17,18
0,52
1,955
15,6
22
18,00
0,50
1,000
15,0
24
18,82
0,48
1,045
14,4
26
19,64
0,46
1,091
13,8
28
20,45
0,44
1,136
13,2
30
21,27
0,42
1,182
12,6
32
22,09
0,41
1,227
12,3
34
22,91
0,39
1,273
11,7
36
23,73
0,38
1,318
11,4
38
24,55
0,37
1,364
11,1
40
25,36
0,35
1,409
10,5
45
27,41
0,33
1,523
9,9
50
29,45
0,31
1,636
9,3
55
31,50
0,29
1,750
8,7
60
33,55
0,27
1,864
7,1
Von der Triebkraft der Locomotiv-Maschinen oder
Dampfwagen.
Jedermann weiß, daß das Bewegungsprincip der Dampfwagen in der Wirkung des Dampfes
auf den Kolben, wodurch die Raͤder umgedreht werden, und in dem Widerstande
der Materialien, auf denen die Raͤder hinrollen, gegen das Glitschen der
Raͤder beruht. Es
ist das Vorherrschen der Dampfkraft vor diesem Widerstande, welches die
fortschreitende Bewegung erzeugt, und der Betrag dieses Widerstandes ist es, welcher
das Gewicht, welches gezogen werden kann, bestimmt. Die Reibung, dieser große Feind
der Vollkommenheit unserer Maschinen und der Stein des Anstoßes fuͤr die
Erfinder des Perpetuum mobile, wird hier also unser
großer Helfershelfer; denn ohne Reibung wuͤrde die beinahe
allmaͤchtige Dampfkraft zur Dampffahrt dennoch beinahe werthlos seyn.
Der Betrag dieser Reibung oder das Einbeißen (bite) der
Raͤder, wie ich es besser nennen will, steht zwischen gleichen Materialien
mit den Gewichten im Verhaͤltnisse. Nach einigen Versuchen, welche an der
Eisenbahn von Runcorn und St. Helens angestellt wurden, und denen ich beiwohnte,
betraͤgt diese Art von Reibung bei einem mittleren Zustande der Schienen
beilaͤufig 1/10 des Totalgewichtes. Eine Maschine von 10 Tonnen wird also,
wenn sie gehoͤrig mit Dampf gespeist wird, einen horizontalen Trieb von 10
× 1/10 = 1 Tonne ausuͤben, vorausgesezt, daß saͤmmtliche
Raͤder von dem Dampfe in Bewegung gesezt werden oder zusammengekuppelt sind.
Wenn daher, wie es allgemein angenommen ist, die rollende Reibung auf Eisenbahnen
1/240 der Last betraͤgt, so wird das Gewicht, welches eine Dampfmaschine von
10 Tonnen mit Einschluß ihres eigenen Gewichtes auf einer horizontalen Bahn ziehen
kann, 240 Tonnen betragen; oder jede Maschine kann auf den arbeitenden
Raͤdern 1/10 – 1/240 = 24faches Gewicht ziehen. Es duͤrfte
jedoch vielleicht mehr genuͤgen, wenn dieß in allgemeinen Ausdruͤken
gegeben und der Betrag des Einbeißens aus den oben angefuͤhrten Versuchen
gezeigt wuͤrde.
Gesezt es sey b das Einbeißen auf einer horizontalen
Bahn; t die Zugkraft auf einer solchen; z der Neigungswinkel irgend einer Flaͤche oder
Bahn; w das Gewicht an den arbeitenden Raͤdern
und W das Gewicht der Last und der Maschine, so ist bw = dem Totaleinbeißen oder der Zugkraft, wenn
die Maschine auf einer horizontalen Bahn ihr Hoͤchstes leistet; und bw
cos. z = dieser Kraft auf einer schief geneigten Bahn.
Wt hingegen ist = der durch die rollende
Reibung bedingten Zugkraft auf einer horizontalen Bahn und Wt
cos. z = jener auf einer schief geneigten
Flaͤche. Zaͤhlt man hiezu also die Wirkung der Gravitation W sin. z, welche die Last uͤber die schiefe
Flaͤche hinabtreibt so ist die Summe Wt
cos. z +W sin. z die
Zugkraft, welche erforderlich ist, um auf der schiefen Flaͤche die Bewegung
zu unterhalten und folglich:
bw cos. z = W (t cos. z ± sin z) . .
. . (5)
Wenn man nun die Neigung zu 1 in 23 oder beinahe zu 230 Fuß in der Meile annimmt, so
wird, wenn man cos. z = 1 sezt, der Irrthum geringer als
1 in 1000 seyn, so daß man diese Formel fuͤr alle praktischen Zweke
fuͤglich auf folgende Formel reduciren kann:
bw = W (t + sin z) . . . . (6)
Wenn man irgend eine von diesen vier Quantitaͤten kennt, so kann die
fuͤnfte gefunden werden. Das groͤßte Multiplum des auf den arbeitenden
Raͤdern ruhenden Gewichtes, welches auf einer horizontalen Flaͤche in
Bewegung erhalten werden kann, ist W/w = b/t; und die groͤßte Neigung, welche hinangestiegen werden kann,
laͤßt sich daraus finden, daß sin. z = w/W b – t.
Im Allgemeinen schaͤzt man auf einer horizontalen Bahn die Zugkraft auf 9 Pfd.
per Tonne; Hr. Dixon
sagte mir jedoch, sie naͤhere sich mehr 10 Tonnen. Wenn man daher 9 1/3 Pfd.
annimmt, woraus sich das gewoͤhnlich angenommene 1/240 ergibt, so kann es
nicht weit gefehlt seyn. Nach diesen Daten wird folgender Versuch, welcher am 11.
April 1834 an der Runcorn und St. Helens Eisenbahn angestellt wurde, Mittel zur
Bestimmung des Werthes des Einbeißens an die Hand geben. Die mit dem Namen
„der Director“ belegte Maschine von 9 3/4 Tonnen und mit
verkuppelten Raͤdern, an welche ihr Munitionskarren mit 3 1/2 Tonne und zwei
Kohlenwagen zu 13 1/2 Tonne angehaͤngt war, fuhr in einer geringen Entfernung
von dem Anfange einer schiefen Flaͤche ab, welche am Grunde eine Steigung von
1 in 30, und gegen den Scheitel hin eine Steigung von 1 in 26 hatte. Auf der
Maschine befanden sich zwei Personen, und auf dem Proviantwagen war ich nebst zweien
anderen Personen. Einer der Arbeiter hielt das Austrittsventil fest nieder, und
dadurch waren wir im Stande langsam, und offenbar mit dem Maximum der Anstrengung
den Scheitel zu erreichen. Wenn wir die angegebenen Gewichte, so wie die Neigung als
richtig annehmen, so ergab sich demnach W = 9 1/4 + 3
1/2 + 13 1/2 = 26 3/4, w = 9 3/4, sin. z = 1/26, und t wie fruͤher =
1/240; folglich war
b = 26,75/9,75 (1/240 + 1/26) = 1/8,55.
Wenn wir aber annehmen, daß die beiden Kohlenwagen nur 10 Tonnen hatten, wie ich mich
denn auch spaͤter uͤberzeugte, daß es wirklich der Fall war, so ist
W = 23 1/2 und b =
1/9,84 oder in runden Zahlen = 1/10, welches, wie ich glaube, eine richtige
Schaͤzung des Einbeißens ist. Mit ihr stimmt naͤmlich ziemlich genau
auch noch ein anderer Versuch, welcher an der schiefen Flaͤche von Sutton mit
der Maschine „der Aetna,“ und mit dem beruͤhmten
„Sampson,“ der 9 Tonnen 17 Centner wog und verkuppelte
Raͤder hatte, angestellt wurde. Diese Maschine zog einst 223 Tonnen mit einer
Geschwindigkeit von 12 Meilen in der Zeitstunde von Liverpool nach Manchester. 9
Tonnen 17 Centner × 24 = 236 1/2 Tonne, und zieht man hievon 10 Tonnen als
das Gewicht der Maschine ab, so bleiben 226 1/2 Tonne als Last: eine Summe, welche
nur um 3 2/3 Tonne von dem abweicht, was die Maschine wirklich zog. Wenn daher W = w, so erhaͤlt man
sin. z = b – t = 1/10 – 1/240 = 23/240 = beinahe 1/10 1/2;
d.h. das Maximum der Neigung, welches eine Locomotiv-Maschine ohne
angehaͤngtes Gewicht mir verkuppelten Raͤdern und bei einem mittleren
Zustande der Schienen hinaussteigen kann, ist eine Steigung von beilaͤufig 1
in 10 1/2.
Das Einbeißen wechselt jedoch mit der Witterung und dem Zustande der Schienen gar
sehr. Im Allgemeinen ist die obere Flaͤche der Schienen mit einer
duͤnnen Schichte uͤberzogen, welche aus Staub und Eisenoxyd besteht,
und welche bei trokenem Wetter so geglaͤttet aussieht wie jene Stellen, an
denen Pferde auf dem Steinpflaster ausglitten, und welche auf den ersten Blik den
Raͤdern der Maschine nur wenig Halt darzubieten scheinen. Bei trokener
Witterung ist dieser Ueberzug hart und fest; und obschon ich vermuthe, daß das
Einbeißen dann nicht so bedeutend ist, so ist die rollende Reibung unter diesen
Umstaͤnden, indem die Oberflaͤche der Schienen sehr glatt ist,
wahrscheinlich auf dem Minimum, wodurch wohl die Differenz ausgeglichen und bewirkt
wird, daß unter diesen Umstaͤnden der Betrieb der Bahn so gut ist. Bei sehr
nasser Witterung wird dieser Ueberzug beinahe gaͤnzlich weggewaschen oder so
verfluͤssigt, daß die Oberflaͤche der Schienen und der Raͤder
unmittelbar mit einander in Beruͤhrung kommen, wodurch wahrscheinlich das
Einbeißen und auch die Reibung etwas vermehrt werden duͤrften. Durch
Zusammenwirken dieser Umstaͤnde mag es kommen, daß die Fahrten bei sehr
nasser und sehr trokener Witterung beinahe gleich gut von Statten gehen. Wenn
dagegen der Ueberzug nur etwas feucht geworden ist, so daß seine Zaͤhheit nicht
gaͤnzlich aufgehoben worden ist, so wird er zwischen den Raͤdern und
den Schienen eine Reihe von fettartigen Walzen bilden, welche das Einbeißen
vermindern, und indem sie dem Druke nachgeben, der Bewegung der Raͤder
fortwaͤhrend ein Hinderniß entgegensezen und somit die rollende Reibung des
Wagenzuges erhoͤhen. Daß die Kraftaͤußerung der Maschinen hiedurch
sehr beeintraͤchtige, und die Geschwindigkeit des Wagens mithin vermindert
werden muß, erhellt von selbst; ja man sagte mir, daß die Wagen auf diese Weise beim
Hinabsteigen uͤber die schiefen Flaͤchen sogar bis zum Stillstehen
kamen. Ich selbst sah ein Mal, wo es nur etwas wenig geregnet hatte, zwei Maschinen
mit 17 angehaͤngten Lastwagen uͤber die schiefe Flaͤche von
Whiston mit einer Geschwindigkeit von kaum 3 engl. Meilen per Stunde hinankriechen; und haͤtten nicht zwei Maͤnner,
welche auf den vorderen Armen der ersten Maschine saßen, bestaͤndig vor der
Maschine her Sand auf die Schienen gestreut, so haͤtte sich der Zug
wahrscheinlich gar nicht bewegt. Ich uͤberzeugte mich auch oͤfter, daß
sich die Zuͤge des Morgens, bevor der Thau verschwunden war,
fortwaͤhrend bedeutend langsamer und mit groͤßerer Schwierigkeit
bewegten, als spaͤter am Tage; der Unterschied in der Zeit belief sich auf
eine Viertelstunde und selbst auf 20 Minuten, obschon die Lasten beinahe ganz gleich
waren, und obschon der langsamere Zug von Liverpool nach Manchester fuhr, was
bekanntlich leichter ist, als die Fahrt von Manchester nach Liverpool.
Man wird mich entschuldigen, daß ich so viel uͤber diesen Gegenstand sagte;
allein er ist es, der zunaͤchst nach der Verbesserung der Maschinen am
meisten Beruͤksichtigung erheischt; denn es waͤre schmachvoll, wenn
ein etwas starker Thau, ein Regen, der kaum den Staub zu loͤschen im Stande
ist, oder einige Schneefloken, die im Augenblike, in welchem sie zu Boden fallen,
auch schon wieder schmelzen, eine der groͤßten Erfindungen der neueren Zeit
beeintraͤchtigen sollten. Ich glaube nicht, daß es so schwer seyn
duͤrfte ein Mittel ausfindig zu machen, durch welches sich dieser Uebelstand
beseitigen ließe; sollte ich je bei dem Baue einer neuen Eisenbahn betheiligt
werden, so wuͤrde ich ein solches Mittel versuchen, ausgenommen es
waͤre bis dahin schon ein besseres, als ich es im Sinne habe, in Anwendung
gebracht.
Aus dem Gesagten erhellt, daß das erste Princip der Dampfwagenfahrt oder Locomotion
in dem Einbeißen der Raͤder in die Schienen gelegen ist. Wenn dieses
Einbeißen nicht groͤßer ist, als die Zugkraft, so wird die Dampfkraft
vergebens verschwendet; die Raͤder werden herumglitschen, und es kann
entweder keine Bewegung erzeugt oder keine unterhalten werden. Es duͤrfte in jedem Falle besser
seyn, wenn das Einbeißen etwas staͤrker ist, als es gerade noͤthig
ist, besonders da die Kosten, welche dadurch erzeugt werden, daß eine oder ein Paar
Tonnen mehr fortgeschafft werden muͤssen, unbedeutend sind, und gewiß in dem
Baue der zum Zuge gehoͤrigen Wagen hereingebracht werden koͤnnen. Ich
kenne die Einwendungen, welche man gegen schwere Maschinen machte und machen kann,
sehr wohl; allein, wo es sich um Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Maschinen
handelt, bleibt nicht viel zu waͤhlen uͤbrig. Ich fuͤr meinen
Theil wuͤrde den Schienen lieber eine groͤßere Staͤrke geben,
und zwar um so mehr, als hiedurch bei der geringen Abnuͤzung der Schienen
deren Anschaffungskosten nicht so gar bedeutend erhoͤht werden
wuͤrden.
Aus dem Gesagten ergibt sich eine fuͤr den Bau der Eisenbahnen hoͤchst
wichtige Schlußfolgerung, welche sonderbar genug bei mehreren der in Vorschlag
gebrachten Bahnen gaͤnzlich uͤbersehen wurde. Ich meine
naͤmlich hiemit, daß die hauptsaͤchlichsten und die mittleren Punkte
einer Eisenbahn hoͤher liegen sollen, als die allgemeine Bahnlinie, damit von
jedem Ruhepunkte aus mit einem Abhange begonnen wird. Auf diese Weise wird durch
Mitwirkung der Schwerkraft beim Abfahren schneller die volle Geschwindigkeit
erzielt, waͤhrend es beim Ankommen eben so vortheilhaft seyn duͤrfte,
wenn die Geschwindigkeit vorher etwas ermaͤßigt wuͤrde. Da die
Maschinen beim Abfahren immer mehr zu arbeiten und zu leisten haben, als an irgend
einem anderen Theile der Fahrt, so ist es sowohl in Hinsicht auf Ersparniß, als in
Hinsicht auf Geschwindigkeit am besten, wenn man ihnen hier zu Huͤlfe kommt.
An der Liverpool-Manchester-Eisenbahn ist dieser Zwek vollkommen
erreicht, obschon ich nicht weiß, ob es absichtlich oder bloß zufaͤllig
geschehen ist.
Noch ein anderer Punkt, welcher sich aus meiner Ansicht uͤber die
Notwendigkeit eines reichlichen Einbeißens ergibt, und der kaum von geringerer
Wichtigkeit ist, ist der, den Dampf auf saͤmmtliche Raͤder wirken zu
lassen, anstatt auf zwei, wie dieß gewoͤhnlich zu geschehen pflegt. An
einigen Maschinen sind die beiden hinteren Raͤder an der Achse befestigt, und
auf zwei Winkelhebel dieser lezteren wirken in senkrechten Flaͤchen von den
Kolben her fuͤhrende Stangen. An anderen Maschinen gehen von jedem hinteren
Rade an sein entsprechendes vorderes Rad starke Stangen, so daß alle vier
Raͤder zusammengekuppelt sind, und also saͤmmtlich auf der Bahn
arbeiten. Ueber diese beiden Methoden nun herrscht unter den Praktikern eine
bedeutende Meinungsverschiedenheit. Hr. Dixon und Hr. Robert von Manchester aͤußerten sich gegen mich zu
Gunsten der nicht
verbundenen Raͤder; einer derselben glaubt, daß sich zusammengekuppelte oder
verbundene Raͤder nicht so gut zu schnellen Fahrten eignen, als wie
verbundene, und beide sind der Ansicht, daß erstere weit leichter in Unordnung
gerathen. Dagegen behaupten andere, und darunter einer, welcher mehrere Maschinen
fuͤr die Liverpool-Manchester-Eisenbahn lieferte, daß die
zusammengekuppelten Raͤder einen entschiedenen Vortheil vor den unverbundenen
hatten. Hr. Dixon machte mir eine Bemerkung, welche, da
sie aus seinem zahlreichen Vorrathe praktischer Kenntnisse und Erfahrungen
entspringt, alle Aufmerksamkeit verdient. Er glaubt naͤmlich, daß die
unverbundenen Raͤder zum Behufe einer raschen Bewegung so viele Kraft
besizen, als bei unserem gegenwaͤrtigen Zustande der Dampfmaschinen Dampf
dafuͤr geliefert werden kann. Dieß zugegeben, so fraͤgt sich's, ob es
nicht gut waͤre das Gewicht der Maschine so zu vermindern, daß die Schienen
von der großen, auf sie wirkenden Gewalt befreit wuͤrden, und den Dampf auf
alle vier Raͤder wirken zu lassen, ohne daß jene Beschaͤdigung,
uͤber welche man sich so sehr beklagt, dadurch erzeugt wird. Ich weiß zwar
nicht, ob man schon folgende Methode versucht hat; allein es scheint mir, daß wenn
die vordere und hintere Achse an ihren Schultern mit starken Fuͤhrern (carriers) verkuppelt waͤren, die auf einen an dem
inneren Umfange eines jeden Rades angebrachten Bolzen wirken wuͤrden, die
Raͤder sich wie andere Wagenraͤder frei um ihre Achsen drehen
koͤnnten, wodurch nicht nur viel von der Gewalt vermieden werden
wuͤrde, welche nothwendig einwirken muß, wenn die Raͤder unbeweglich
an einander und an ihre Achsen geschirrt sind, sondern wobei gewiß auch jedes Rad
seinen Antheil an der Gesammtleistung bekommen wuͤrde.