Titel: | Ansichten verschiedener französischer Fabrikanten über den gegenwärtigen Zustand ihres Industriezweiges in Frankreich, und über die Folgen der Aufhebung des Prohibitivsystemes für ihre Fabriken. |
Fundstelle: | Band 57, Jahrgang 1835, Nr. XII., S. 66 |
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XII.
Ansichten verschiedener franzoͤsischer
Fabrikanten uͤber den gegenwaͤrtigen Zustand ihres Industriezweiges in
Frankreich, und uͤber die Folgen der Aufhebung des Prohibitivsystemes fuͤr
ihre Fabriken.
Im Auszuge aus dem Temps und Moniteur universel.
(Fortsezung von Bd. LVI. Heft 3, S.
234.)
Gegenwaͤrtiger Zustand einiger Industriezweige in
Frankreich.
IV. Ueber die Tuch- und
Wollenwaaren-Fabrikation.
14. Aussagen des Hrn. Chauviteau,
Tuchhaͤndlers in Paris.
Fr. Wohin fuͤhren Sie Tuͤcher aus, und
auf welche Concurrenz treffen Sie dabei? – A. Ich mache Versendungen nach
den Vereinigten Staaten, nach Mexico, nach Buenos-Ayres und in die
Suͤdsee. In den Vereinigten Staaten treffen wir auf die Concurrenz der
Englaͤnder, gegen welche wir in den feinen Tuͤchern aufkommen
koͤnnen; bei den ordinaͤren Tuͤchern hingegen sind die
Englaͤnder im Vortheile, indem sie ihren Tuͤchern mehr Appret und
Glanz geben, und indem sie die Wolle auch mit besserem Erfolge mit Baumwolle zu
meliren wissen. In den leichteren Tuͤchern haben wir daselbst auch die
belgischen Fabrikate zu fuͤrchten. In Mexico sind die Englaͤnder
mehr beguͤnstigt als wir; auch liefern sie die ordinaͤren
Tuͤcher dahin besser, oder wenigstens wohlfeiler als wir. Auch in der
Havannah, wohin sie leichte, sehr stark appretirte Tuͤcher von kurzer
Dauerhaftigkeit senden, weil man daselbst die Kleider nur 3 Monate zu tragen
pflegt, und sie dann den Bedienten uͤberlaͤßt, koͤnnen wir
nicht gegen sie aufkommen. In Rio-Janeiro und in allen heißen Klimaten im
Allgemeinen, fuͤr welche unsere Tuͤcher zu stark und zu fest sind,
waltet dasselbe Verhaͤltniß ob. In Buenos-Ayres koͤnnen wir
so ziemlich die Concurrenz halten, und dieß wuͤrde noch besser gelingen,
wenn man den auf die fremde Wolle gelegten Zoll ermaͤßigte, und unsere
Fabrikanten dadurch unter dieselben Verhaͤltnisse versezte, unter denen
die englischen arbeiten. Dasselbe gilt auch von der Ausfuhr nach den
Suͤdseeinseln. Uebrigens glaube ich, daß, wenn sich unsere Fabrikanten
selbst an Ort und Stelle begeben, und sich von den Beduͤrfnissen und dem
Geschmake dieser Laͤnder uͤberzeugen wuͤrden, unsere
Geschaͤfte nach Außen bedeutend zunehmen muͤßten.
Fr. Sie glauben also, daß wir auf den fremden
Maͤrkten nicht wegen der minderen Guͤte unserer Fabrikate, sondern
hauptsaͤchlich deßhalb nicht mit den Englaͤndern Concurrenz halten
koͤnnen, weil unsere Fabrikate nicht den Localverhaͤltnissen
angepaßt sind? – A. Allerdings; dazu kommt aber auch noch die Fracht, die
auf den englischen Schiffen billiger ist, als auf den franzoͤsischen: ein
Umstand, der bei der ordinaͤren Waare sehr in Anschlag kommt. Uebrigens
darf gerade bei den niederen Qualitaͤten auch durchaus nicht vergessen
werden, daß die Englaͤnder hier auch deßhalb vor uns im Vortheile sind,
weil sie die Rohstoffe wohlfeiler bezahlen, als wir. Unsere feinen
Tuͤcher erhalten allerdings bei der Ausfuhr einen gehoͤrigen
Ruͤkzoll; ja, da er sich nicht auf die 13 1/2 Proc., sondern auf 15 bis
16, und manchmal sogar auf 20 bis 22 Proc. belaͤuft, so koͤnnte er
hier sogar als Aufmunterungspraͤmie betrachtet werden; allein bei den ordinaͤren
Tuͤchern reicht dieser Ruͤkzoll nicht aus, um mit den
Englaͤndern, die Baumwolle mit der Wolle meliren, und die geringere
Fracht zahlen, Concurrenz halten zu koͤnnen. Noch muß ich bemerken, daß
wir nicht auf Speculation, sondern nur auf Auftrag ausfuͤhren; unsere
Committenten sezen uns von den Vorgaͤngen auf den fremden Maͤrkten
in Kenntniß, und sagen uns auch, warum unsere Tuͤcher auf denselben nicht
gesucht sind. Nach den Vereinigten Staaten und der Suͤdsee hat die
Ausfuhr in den lezten Jahren zugenommen; nach den Tropenlaͤndern hingegen
hat sie sich eher vermindert.
Fr. Glauben Sie, daß das gegenwaͤrtig auf den
fremden Tuͤchern lastende Einfuhrverbot ohne Nachtheil fuͤr unsere
Fabriken gegen einen gehoͤrigen Schuzzoll umgetauscht werden
koͤnnte? – A. Ich muß, bevor ich hierauf antworte, wissen, mit
welchem Lande unterhandelt werden soll; denn die Frage gestaltet sich nicht
allen Laͤndern gegenuͤber auf gleiche Weise. Der Handel zwischen
den verschiedenen Voͤlkern soll meiner Ansicht nach in einem
gegenseitigen Austausche verschiedener Gegenstaͤnde von verschiedener
Natur bestehen. Wir koͤnnen in der Havannah gegen Zuker und Caffee, in
Mexico gegen Gold, Silber, Vanille, Indigo, Cochenille etc.; in England gegen
Steinkohlen, Eisen, Kupfer, Zinn etc. tauschen; allein in Industrie
erzeugnissen, wie z.B. bei den Tuͤchern, sehe ich nicht ein, warum man
diese auf unsere Maͤrkte loken sollte, damit wir von ihrer Concurrenz
Schaden leiden. Ich will jedoch auch hierin einen Unterschied machen. In allen
Artikeln, bei denen es hauptsaͤchlich auf den Geschmak und die Arbeit des
Fabrikanten, weniger aber auf den Rohstoff ankommt, haben wir die Concurrenz der
Englaͤnder nicht zu fuͤrchten, so daß wir diese
Gegenstaͤnde selbst ohne Zoll einfuͤhren lassen koͤnnten;
in solchen Artikeln hingegen, die hauptsaͤchlich die Anwendung von
Maschinen und Steinkohlen, so wie große Capitalien erfordern, und zu deren
Fabrikation eine große Menge Rohstoff erforderlich ist, koͤnnen wir
gegenwaͤrtig die Concurrenz noch nicht halten. Ich glaube daher, daß
Frankreich viele Artikel hat, die es mit Vortheil gegen englische Fabrikate
austauschen kann; allein ich glaube nicht, daß sich dieser Austausch auch auf
gleichartige Artikel, die in beiden Laͤndern auf gleiche Weise fabricirt
werden, erstreken koͤnne. Man huͤte sich wohl auch solche Artikel
ohne einen gehoͤrigen Schuzzoll zuzulassen; denn unsere Industrie
wuͤrde zuverlaͤssig sehr darunter leiden, da der Arbeitslohn bei
uns ohne Stoͤrung der Ordnung und der socialen Verhaͤltnisse, und
ohne eine wahre Unmenschlichkeit gegen unsere Arbeiter nicht noch weiter
ermaͤßigt werden kann.
Fr. Wissen Sie, daß die Englaͤnder auf den
fremden Maͤrkten große Anstrengungen machten, um die Oberhand
uͤber uns zu gewinnen? – A. Sie verkauften in Rio-Janeiro
drei Jahre hinter einander verschiedene Waaren mit 25 bis 30 Proc. Verlust, um
sich zu Meistern des Plazes zu machen; nachdem sie diesen Zwek erreicht,
erhoͤhten sie ihre Preise allmaͤhlich wieder, so daß sie
gegenwaͤrtig bedeutende Gewinnste daselbst machen. Eben so verfuhren sie
in der Havannah mit den Tuͤchern. Die Englaͤnder arbeiten mit
groͤßeren Mitteln als wir; sie haben in den fremden Laͤndern
Haͤuser, die ihnen hinreichende Garantien gewaͤhren, indem sie
nicht bloß uͤber große Capitalien verfuͤgen koͤnnen,
sondern indem sie auch in London und Liverpool Buͤrgen haben. Wenn die
englischen Fabrikanten daher zu Hause einen Ueberschuß haben, so senden sie
diesen in voller Sicherheit fort, und entnehmen dafuͤr in London und
in Liverpool Vorschuͤsse. Unsere auswaͤrtigen Niederlassungen
hingegen sind groͤßten Theils in Haͤnden von Personen von geringer
Moralitaͤt, welche nur kleine Capitalien besizen, und schlecht
remittiren. Der franzoͤsische Fabrikant fuͤhrt außerdem nicht
selbst aus, sondern wartet, bis dieser oder jener Speculant ihn aufsucht.
Fr. Hatten die Englaͤnder zu der Zeit, von der
Sie sprachen, nicht bei dem Einfuhrzolle in Brasilien einen Nachlaß von 7 1/2
Proc.? – A. Allerdings; dieser Unterschied wurde jedoch durch den
hoͤheren Preis, den man den franzoͤsischen Tuͤchern wegen
ihrer groͤßeren Guͤte und schoͤneren Farbe gestattete,
aufgewogen. Ich muß noch ein Mal wiederholen, daß sich unsere Ausfuhr verdoppeln
wuͤrde, wenn unsere Fabrikanten den Geschmak und die Gebraͤuche
der fremden Laͤnder mehr beruͤksichtigen wuͤrden, und wenn
wir groͤßere Capitalien besaͤßen, so daß wir auswaͤrts
Comptoirs errichten koͤnnten.
Fr. Sie sagten, daß die Englaͤnder Baumwolle
unter die Wolle ihrer Tuͤcher mengen; geschieht dieß offen und mit
Gestaͤndniß? – A. Man bemerkt die geringe Quantitaͤt
Baumwolle, welche unter die Wolle gemengt wird, am Ende immer. In England, und
namentlich an der Graͤnze von Schottland, sind Fabriken, welche nur
fuͤr die Colonien fabriciren; und zwar groͤßten Theils leichte
Wollenzeuge, zu denen auch etwas Baumwolle genommen wird. Eben so verfertigt man
daselbst Calicos, welche bloß auf den Glanz gemacht sind, und die in den
Tropenlaͤndern starken Absaz haben. Die Pflanzerinnen tragen diese Zeuge
einige Tage lang und schenken sie dann den Negerinnen. Unsere Fabrikanten ließen
sich wohl durch nichts bestimmen, Waaren von so geringer Qualitaͤt zu
liefern, und zwar um so weniger als 3/4 ihrer Fabrikate im Inlande verbraucht
werden.
Fr. Glauben Sie, daß das Einfuhr-Verbot durch
einen hinreichend hohen Schuzzoll ersezt werden koͤnnte? – A. Bei
den feinen, so wie bei den mit Seide melirten Zeugen haben wir die fremde
Concurrenz nicht zu fuͤrchten; allein bei den ordinaͤren Waaren
muͤssen unsere Fabrikanten so lange geschuͤzt seyn, bis sie sowohl
in Hinsicht auf die Rohstoffe, als in Hinsicht auf die Maschinen und das
Brennmaterial unter denselben Verhaͤltnissen arbeiten koͤnnen, wie
die Englaͤnder. Ich bemerke schließlich nur noch, daß ich nicht darauf
vorbereitet war, mich uͤber die Ausfuhr der Wollenzeuge speciell zu
erklaͤren. Da sich mein Commissions-Handel uͤber alle Arten
von Waaren erstrekt, so fasse ich meine Ansichten im Allgemeinen folgender Maßen
zusammen. 1) Freier Handel fuͤr alle Artikel, die nur Handarbeit, guten
Geschmak und Reichthum erfordern. 2) Niedrige oder gar keine Schuzzoͤlle
fuͤr die feinen oder mit Seide melirten Zeuge, so wie fuͤr die
gestikten Zeuge und Modewaaren. 3) Schuzzoͤlle fuͤr jene Artikel,
zu deren Fabrikation Maschinen, Steinkohlen, große Capitalien und eine große
Menge von Arbeitern in einer Fabrik erforderlich sind. 4) Diese
Schuzzoͤlle sollen die von jedem Industriezweige geforderten seyn; allein
sie sollen gleich anfangs um 5 Procent, und dann allmaͤhlich von 5 zu 5
Jahren vermindert werden. 5) Bedeutende Herabsezung der Zoͤlle auf die
Maschinen, die Rohstoffe, das Eisen, das Kupfer, das Zinn, das Holz, die
Steinkohle, die Wolle, den Hanf etc. 6) Diese Herabsezung duͤrfte jedoch
keine solche seyn, daß unsere Landwirthe und Producenten im Inneren dadurch zu
Grunde gerichtet wuͤrden, doch muͤßte sie wirksam und von 5 zu 5
Jahren noch mehr reducirbar seyn. Endlich muͤßte man den Austausch der Producte der
fremden Laͤnder gegen unsere Landes- und
Industrie-Erzeugnisse erleichtern; aus England sollte man Eisen, Kupfer,
Zinn, Steinkohlen und Maschinen; aus den Vereinigten Staaten Baumwolle,
Potasche, Tabake etc.; aus Cuba und Brasilien Zuker, Caffee, Tabak etc.; aus
Mexico, Columbien, Peru, Buenos-Ayres und der Suͤdsee Gold und
Silber, Indigo, Cochenille, Kupfer, Haͤute, Haare, Wollen,
Hoͤrner, Baumwollen, Cacao, China, Farbhoͤlzer, etc. etc.; aus
Spanien Wollen, Weine, Blei, Oehle, Queksilber, Eisen, Mehl etc. zulassen.
Sollten sich unsere Colonien hiebei beeintraͤchtigt fuͤhlen, so
mache man ihre Haͤfen frei, wo dann auch sie rasch emporbluͤhen
werden.
15. Aussagen des Hrn.
Lefebvre-Duruflé, Tuchfabrikanten in Elbeuf.
Ich habe zu dem, was meine Vorgaͤnger in Hinsicht auf die Statistik und
die Handelskrisen der Fabriken von Elbeuf angaben, nichts beizufuͤgen,
und will mich dafuͤr uͤber einige andere Punkte verbreiten. Ich
kenne die belgische Fabrikation nicht genau, weil ich sie nicht an Ort und
Stelle studirte; wohl aber kenne ich die englische, aus meinen in den J. 1828
und 1829 unternommenen Reisen. Die englische Tuchfabrikation hob sich damals
außerordentlich; denn die englischen Fabrikanten sahen voraus, daß der Zoll von
33 Procent, den man damals in Frankreich auf die Einfuhr der Wollen legte, und
der durch die Ausfuhrpraͤmie bei weitem nicht ausgeglichen wuͤrde,
den franzoͤsischen Tuͤchern, die auf vielen Maͤrkten einen
wesentlichen Vorzug vor den englischen voraus hatten, bedeutenden Schaden
bringen muͤßten. Die Englaͤnder kamen unter vielen anderen
Verbesserungen, die sie ihren Anstrengungen verdankten, zu jener Zeit, auch auf
den sogenannten unzerstoͤrbaren Appret, der uns beinahe unsere
schoͤnen und ausgedehnten Verbindungen mit Italien entrissen
haͤtte, und der mich hauptsaͤchlich zu meinen Reisen in England
veranlaßte. Ich verpflanzte diese und mehrere andere Erfindungen nach
Frankreich, wuͤßte aber nicht, daß die Englaͤnder seither andere
wesentliche Fortschritte gemacht haͤtten. Ich habe bei Gelegenheit meiner
Reisen die englische mit der franzoͤsischen Industrie verglichen, und
erlaube mir das Resultat meiner Forschungen vorzulegen; doch muß ich als
allgemeine Bemerkung vorausschiken, daß der Vergleich beim normalen Zustande der
Industrie immer ganz anders ausfaͤllt, als im Falle einer Krisis. Ich
will zuerst mit einem Vergleiche des normalen Zustandes beginnen.
Schon meine Vorgaͤnger haben ausfuͤhrlich beruͤhrt, welche
Vortheile England in Hinsicht auf die Steinkohlen, das Gußeisen, das Eisen, die
Maschinen, die Leichtigkeit der Communicationen, die Superioritaͤt der
industriellen Bevoͤlkerung, den Ueberfluß an Capitalien, den niedrigen
Zinsfuß, die Zuverlaͤssigkeit und das laͤngere Bestehen der
Handelsverbindungen vor Frankreich und allen uͤbrigen Laͤndern
voraus hat. Ich habe hiezu nichts weiter zu erinnern, sondern will nur noch
einzelne Localverhaͤltnisse beruͤhren.
Leeds ist in Hinsicht auf Steinkohlen so gut gelegen, daß es mit den durch Wasser
betriebenen Wollenwaarenfabriken im Gloucestershire auf eine fuͤr leztere
sehr nachtheilige Weise in Concurrenz tritt, und daß leztere wegen ihres
reineren Wassers und klareren Himmels nur noch in farbigen Tuͤchern gegen erstere etwas
im Vortheile sind. Was die Superioritaͤt der industriellen
Bevoͤlkerung betrifft, so haben zwar die Franzosen nicht weniger
Geschiklichkeit, Geist, Lebhaftigkeit und natuͤrliche Anlagen, als die
Englaͤnder; allein es fehlt ihnen an Geduld, und an Eigenliebe; sie
gewoͤhnen sich nicht so leicht daran regelmaͤßig immer und ewig
einen und denselben Gegenstand zu verfertigen; und sind endlich auch noch in
industrieller Erziehung gegen England zuruͤk. Diese leztere, welche in
Frankreich erst im Entstehen ist, waͤhrend sie in England schon lange die
schoͤnsten Fruͤchte traͤgt, liefert der Industrie und dem
Handel eine mehr aufgeklaͤrte und mit mehr Kenntnissen bereicherte
Bevoͤlkerung, als sie uns zu Diensten ist. Ein Beispiel mag
genuͤgen. Ich fand in einer englischen Elementarschule die synoptische
Tabelle aufgehaͤngt, welche die HH. Lang und
Bétancourt ihrer Abhandlung uͤber
den Maschinenbau beigaben. Diese Tabelle, in der alle Mittel, die uns zur
Mittheilung von Bewegung zu Gebot sind, zusammengestellt sind, wird dort in den
Schulen erlaͤutert, waͤhrend sie bei uns nur wenigen Mathematikern
von Fach bekannt ist! Wo der industrielle Unterricht um so viel weiter gediehen
ist, als bei uns, muß nothwendig auch die Fabrikation im Vortheile seyn. Dazu
kommt aber auch noch, daß jeder junge Mensch in den Fabriken oder bei den
Handelshaͤusern Englands, eine Lehrzeit von 7 Jahren bestehen muß; und
daraus folgt, daß der englische Arbeiter weit weniger Beaufsichtigung bedarf,
als der franzoͤsische; und daß ersterer Fabrikant seine Anstalt weit
leichter dirigirt, als der franzoͤsische, dem zwar auch sehr geschikte,
aber praktisch nicht genug erfahrene, junge Leute zu Gebot stehen. Als Beweis
hiefuͤr fuͤhrte man mir mehrere Male an, daß sich ein englischer
Fabrikant nicht selten fuͤr ein und zwei Jahre lang vom Hause entfernen
kann, ohne daß seine Geschaͤfte dabei leiden; und daß er die
Hauptdirection dabei fortwaͤhrend schriftlich zu fuͤhren im Stande
ist. Unsere industrielle Erziehung ist noch lange nicht so weit; allein auch wir
sind gluͤklicher Weise im Fortschreiten.
Die Englaͤnder haben bekanntlich weit sicherere und laͤnger
bestehende Handelsverbindungen als wir, so daß wir in dieser Hinsicht
unmoͤglich mit ihnen Concurrenz halten koͤnnen. Sie haben dieß
nicht nur ihren vielen Colonien zu verdanken, die ihnen uͤberall große
Absazwege eroͤffnen, sondern auch dem Umstande, daß die Soͤhne der
englischen Fabrikanten gewoͤhnlich in allen Weltgegenden Niederlassungen
bilden, und eigentlich die Agenten der vaͤterlichen Haͤuser
werden.
Obschon nun mehrere dieser Vortheile, welche England vor uns voraus hat, keine
mathematische Abschaͤzung zulassen, so suchte man dieselben doch durch
eine Zahl zu repraͤsentiren, und diese betraͤgt meines Wissens
nach nicht unter 6 bis 7 Procent. Dazu muß aber noch der Nachtheil gerechnet
werden, unter welchem wir in Frankreich, Dank sey es unserem Handelssysteme,
arbeiten. Wie groß dieser Nachtheil ist, geht daraus hervor, daß nach einer sehr
gewissenhaft entworfenen Tabelle des Hrn. Patey die
Wollenwaarenfabrikation bei dem auf die Wolle gelegten Zoll von 33 Procent in
Frankreich mit einer Auflage von 17 1/2 Procent belastet war, waͤhrend
nur eine Ausfuhrpraͤmie von 13 1/2 Procent gestattet wurde. Seit der
Verminderung des Einfuhrzolles der fremden Wollen mag diese Auflage auf 13 bis
14 Procent gesunken seyn; allein dennoch bewirkt sie mit Einschluß der oben
erwaͤhnten 6 bis 7 Procent, daß der Gestehungspreis der englischen
Tuͤcher um 20 bis 21 Procent niedriger ist, als jener der franzoͤsischen; und
daß wir, ungeachtet der Ausfuhrpraͤmie oder der
Ruͤkverguͤtung von 13 Procent, selbst im Auslande noch mit einem
Nachtheile von 6 bis 7 Procent auftreten. Und wenn dieses unguͤnstigen
Verhaͤltnisses des Gestehungspreises ungeachtet dennoch jaͤhrlich
fuͤr 18 Mill. Fr. franzoͤsischer Tuͤcher ausgefuͤhrt
werden, so ruͤhrt dieß bloß davon her, daß einige Nachbarlaͤnder
der Gewohnheit und Bequemlichkeit wegen ihre Tuͤcher fortwaͤhrend
von uns beziehen; daß die franzoͤsischen Moden so großen Einfluß
uͤben, daß die Farben der franzoͤsischen Tuͤcher besser
sind; daß man auf manchen Maͤrkten noch fortwaͤhrend eine solide
Waare hoͤher schaͤzt, als eine, die bloß auf den Glanz berechnet
ist; und daß der Fabrikant bei Krisen gezwungen ist, manchmal mit Nachtheil zu
verkaufen.
Ich will nun auch fuͤr den Fall einer entstehenden Handelskrisis einen
aͤhnlichen Vergleich anstellen. Man hat in dieser Hinsicht viel von
industriellen Verbindungen gesprochen, und behauptet, die Englaͤnder
wuͤrden selbst ein Opfer von 500 Mill. Fr. nicht scheuen, um unsere
Fabriken zu Grunde zu richten. Ich glaube, daß man sich hieruͤber viele
unnoͤthige Furcht gemacht hat, und daß das Ganze ein Hirngespinnst seyn
duͤrfte. Etwas ganz Anderes hingegen ist es mit den Handelskrisen, die in
England beinahe alle drei Jahre eintreten, und die, wie ich mich
uͤberzeugt habe, durch industrielle Ueberfuͤllung oder eine Art
von Vollbluͤtigkeit bedingt sind. Die englischen Fabriken erzeugen
naͤmlich im ersten Jahre gewoͤhnlich so viel, als der Absaz
betraͤgt, wenn dieser lebhaft ist; im naͤchsten Jahre zeigt sich
etwas uͤberschuͤssiges Fabrikat, und im dritten ist der Ueberfluß
schon so groß, daß ein Verkauf mit Verlust eintreten muß. Wenn wir uns daher in
diesen kritischen Momenten mit den Englaͤndern in Concurrenz sezen
wuͤrden, so koͤnnten wir, obschon auch wir diesen Krisen, die bei
uns nur in laͤngeren Zeitraͤumen und von minderer Heftigkeit
eintreten, nicht ganz fremd sind, dennoch nur zum Schaden der Industrie und des
Handels mit ihnen wetteifern. In England herrscht ein Drang zu produciren und
ein Speculationsgeist, der bei uns in Frankreich nicht zu finden ist; die
Englaͤnder sind in ihren Unternehmungen weit kuͤhner als wir; beim
Mißlingen derselben aber auch viel nachsichtiger. Ich kann uͤbrigens den
Unterschied, der sich in Zeiten der Krisis zwischen der franzoͤsischen
und englischen Industrie ergeben wuͤrde, nicht durch Zahlen andeuten,
indem sich nicht ermitteln laͤßt, wie weit der Ueberschuß der Erzeugung
gehen koͤnnte; ich begnuͤge mich auf die daraus erwachsenden
Gefahren aufmerksam zu machen. Denn ein solcher Ueberschuß macht alle
Combinationen und Berechnungen zu Schanden; er erzeugt eine Erscheinung, der die
Staatsoͤkonomie einst noch ein eigenes Capitel zu widmen hat, und denn
Einfluß und Wirkungen noch genauer zu studiren sind. Frankreich befindet sich in
Hinsicht auf diese Krisen noch in einer gluͤklichen Inferioritaͤt
gegen England; wollte man uns auch hierin mit unseren Nachbarn in Concurrenz
sezen, so wuͤrde uns dieß in eine Reihe von Katastrophen und
Ungluͤksfaͤllen, deren Ende gar nicht abzusehen waͤre,
versezen. Ich behaupte uͤbrigens nicht, daß diese Krisen in England genau
alle drei Jahre eintreten; sondern ich will damit nur sagen, daß dieß so der
gewoͤhnliche Gang ist, wie ich mich selber in den Jahren 1828 und 1829
uͤberzeugte, wo ich im ersteren die hoͤchste Wohlfahrt, und in
lezterem das groͤßte Elend in den englischen Tuchfabriken fand. Auch
behaupte ich nicht, daß alle Fabriken von dergleichen Ereignissen betroffen
werden; sondern es gibt viele so gewandte, so gluͤkliche oder an
Huͤlfsmitteln so reiche Fabrikanten, daß sie allen groͤßeren Verlusten entgehen. Die
Wirkung der Krisen auf die Preise ist nach Zeit und Umstaͤnden und auf
verschiedenen Maͤrkten sehr verschieden; manchmal wird um den
Gestehungspreis, manchmal mit 5, 10, 15, 20 und selbst 25 Procent Schaden
verkauft. Der Grad des Verlustes laͤßt sich unmoͤglich bestimmen,
so wenig als die Groͤße des Gewinnes; und ebensowenig laͤßt sich
behaupten, daß der Verlust jedes Mal ein allgemeiner ist. Unter den englischen
Kaufleuten befinden sich viele hoͤchst gewandte und vorsichtige, die ihre
Geschaͤfte einziehen, wenn sie das Herannahen einer Krisis voraussehen;
dafuͤr gibt es aber auch sehr viele, die auf schwachen Fuͤßen
stehen und die sehr tollkuͤhn sind, und diese werden dann
gewoͤhnlich die Opfer; auf sie faͤllt der groͤßte Theil des
Verlustes zuruͤk, obschon natuͤrlich der ganze Industriezweig
durch derlei Erschuͤtterungen sehr leidet.
In Bezug auf die Ausfuhr unserer Tuͤcher muß ich bemerken, daß wir mit
Ausnahme von Italien und Piemont, wo man unsere Fabrikate ihrer
Soliditaͤt wegen noch fortwaͤhrend schaͤzt, keine
bestimmten Absazwege haben, und daß wir, bloß um ein ausgedehnteres
Geschaͤft betreiben zu koͤnnen, zufrieden sind, wenn wir von dem
Auslande unsere Gestehungspreise ersezt bekommen. Nach Brasilien und den
Vereinigten Staaten machen wir auch Geschaͤfte, die jedoch keinen guten
Fortgang hatten; nach dem uͤbrigen Suͤdamerika machen wir beinahe
gar keine Geschaͤfte, indem wir keine Comptoirs daselbst besizen.
Was die Frage betrifft, ob die Einfuhr der englischen und belgischen
Tuͤcher gegen einen Schuzzoll freigegeben werden kann, ohne der
franzoͤsischen Fabrikation dadurch zu schaden, so glaube ich,
laͤßt sich hierauf ebensogut mit Ja, als mit Nein antworten. Die erste zu
stellende Frage waͤre meiner Ansicht nach die: ob sich ein wirksamer und
wirklicher Schuzzoll ermitteln und einfuͤhren laͤßt? Mir scheint
dieß sehr schwer. Denn wuͤrde man den Zoll nach dem Werthe der Waare
reguliren, so frage ich, was man wohl von den Mauthbeamten fuͤr eine
Schaͤzung erwarten koͤnne, wenn schon die gewandtesten
Tuchhaͤndler von Paris erklaͤrten, sie seyen nicht im Stande ein
Tuch jedes Mal bis auf 15 Procent seines Werthes abzuschaͤzen? Und wollte
man den Zoll nach dem Gewicht bestimmen, so wuͤrden die feineren
Tuͤcher zum Nachtheile der groͤberen beguͤnstigt, und der
Reiche folglich auf Kosten des Aermeren bevorzugt seyn. Nicht weniger
Schwierigkeit haͤtte es ein Mittel ausfindig zu machen, um den Zoll
sowohl nach dem Gewichte, als nach dem Werthe zu bestimmen. – Die zweite
Frage ist die: zu welchem Zweke soll das Einfuhrverbot in einen Schuzzoll
umgewandelt werden? Wenn man uns damit, wie man sagt, bloß aus dem
schmaͤhlichen Geleise des Prohibitivsystemes und aus der damit
verbundenen Schande reißen will, so ruͤhrt mich dieß sehr wenig; denn ich
sehe darin keine Gruͤnde von commerciellem Interesse; und wo ich bei
Gegenstaͤnden dieser Art, die sich nicht mit schoͤnen Phrasen
abthun lassen, keine solchen Gruͤnde sehe, halte ich sie nicht
fuͤr geeignet. Man sagt ferner, daß man dieses System aufgeben wolle, um
unsere Fabrikanten anzuspornen sich mit demselben Interesse ihrer Capitalien zu
begnuͤgen, welches die Englaͤnder ziehen. Allein ich
fuͤrchte sehr, daß man sie durch die vorgeschlagene Maßregel, wenn sie
nicht mit anderen Hand in Hand geht, eher fuͤr eine Zeit lang
zuruͤkhalten, als anspornen wird. Sedan, Louviers und Elbeuf haben in den
lezten 20 Jahren ein Capital von 260 Millionen auf ihre Fabriken und die
Verbesserung ihrer
Maschinen verwendet; wie kann man daher sagen, wir haͤtten nicht genug
Opfer fuͤr die Fortschritte unserer Industrie gebracht? Wenn man glaubt,
man koͤnnte hierdurch den Zinsfuß in Frankreich ebensoweit
herabdruͤken, wie er in England steht, so irrt man sehr; denn beide
Laͤnder sind in Hinsicht auf die Menge von Capitalien unendlich weit von
einander verschieden. Die franzoͤsischen Capitalisten wuͤrden ihre
Summen wahrscheinlich ganz aus der Industrie zuruͤkziehen, und sie dem
auf festerer Basis beruhenden Akerbaue oder irgend einer anderen Unternehmung
zuwenden, wenn ihnen erstere nicht mehr ein solches Interesse abwerfen
wuͤrde, daß sie gegen die bei der Ausbreitung von Industriezweigen
haͤufig vorkommenden Wechselfaͤlle gesichert sind. – Von
diesen beiden Gesichtspunkten aus betrachtet, erscheint mir also die Ersezung
des Einfuhrverbotes durch einen Schuzzoll als unnoͤthig. Wuͤrde
man uns hingegen sagen: Wir versprechen Euch alle Ungleichheiten zwischen dem
franzoͤsischen und englischen Handelssysteme, in so fern es
moͤglich ist, durch Aufhebung der Zoͤlle auf die Rohstoffe: wie
Wolle, Farbstoffe, Eisen, Steinkohlen etc., zu beseitigen; und wir wollen Euch
fuͤr jene Ungleichheiten, die sich nicht beseitigen lassen, einen richtig
bemessenen, wirksamen und sicheren Schuzzoll bewilligen, so wuͤrde ich
keinen Anstand nehmen, mich sogleich fuͤr eine solche Maßregel
auszusprechen; vorausgesezt, daß fuͤr das ganze Land kein Nachtheil
daraus erwuͤchse. Nur unter dieser Voraussezung kann nach meiner
Ueberzeugung ein Industriemann, wie liberal er auch gesinnt seyn mag, und mit
welchem Eifer er auch fuͤr die Handelsfreiheit erfuͤllt seyn mag,
von dem Prohibitivsysteme auf Seite des Systemes der Schuzzoͤlle
uͤbertreten. Mein System ist: Schuz gegen alle natuͤrlichen
Ungleichheiten, und vollkommene, gaͤnzliche Freiheit in Hinsicht auf alle
jene Ungleichheiten, die durch die Fortschritte der Industrie bedingt sind.
Zugleich wuͤrde ich aber auch verlangen, daß uns die Regierung alle
fremden Maͤrkte oͤffnete; die Unterhandlungen mit England und
Belgien koͤnnen uns unmoͤglich genuͤgen, denn in diesen
beiden Staaten sind uns gerade die Maͤrkte am unguͤnstigsten.
Wollte man von unserer Seite ein freies Handelssystem einfuͤhren, ohne
daß man gewiß waͤre, daß die anderen Staaten uns mit gleicher
Beguͤnstigung entgegenkaͤmen, so wuͤrden wir nur den
Nachtheil, und das Ausland nur den Vortheil einer solchen Maßregel ziehen.
Ein Schuzzoll von 21 Proc. wuͤrde uns weit weniger gegen alle Gefahren der
fremden Einfuhr schuͤzen, als wir geschuͤzt waͤren, wenn
man uns in Stand sezte, im Vergleiche mit den Englaͤndern nur mit einem
Schuzzolle von 6 bis 7 Proc. fabriciren zu koͤnnen. Selbst ein Schuzzoll
von 30 bis 35 Proc. wuͤrde uns nicht sicher stellen, weil dann, welche
Maßregel man auch ergreifen moͤchte, besonders zu den Zeiten der Krisen
in England, große Quantitaͤten Tuͤcher fuͤr eine
Schmuggelpraͤmie von 20 bis 25 Proc. eingefuͤhrt werden
wuͤrden. Allerdings wird gegenwaͤrtig selbst waͤhrend der
Krisen beinahe gar kein englisches Tuch eingeschmuggelt; allein dieß
ruͤhrt nur davon her, weil der Verkauf beim Bestehen des Einfuhrverbotes
so unsicher ist, daß sich unsere franzoͤsischen Kaufleute nicht damit
abgeben wollen.
Im Allgemeinen waͤre es freilich das beste Mittel zur Erweiterung des
Verkehres, wenn sich die fremden Staaten bewegen ließen, unsere Producte
zuzulassen, und wenn wir dagegen die ihrigen aufnehmen wuͤrden; allein
andererseits koͤnnen wir unseren Absaz nur dann erweitern, wenn wir uns
an Voͤlker wenden, die unserer Fabrikate beduͤrfen, und nicht an
solche, die unter
Umstaͤnden leben, unter denen sie besser und wohlfeiler erzeugen
koͤnnen als wir.
(Fortsezung folgt.)