Titel: | Ueber eine Verbesserung an dem Spinnrade des Hrn. Lebec zu Paris, rue des Bon Enfans, No. 22. |
Fundstelle: | Band 52, Jahrgang 1834, Nr. LXII., S. 334 |
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LXII.
Ueber eine Verbesserung an
dem Spinnrade des Hrn. Lebec zu Paris,
rue des Bon Enfans, No.
22.
Aus dem Bulletin de la
Société d'encouragement. Novbr. 1833,
S. 377.
Mit Abbildung auf Tab. V.
Verbesserung an Lebec's Spinnrade.
Als wir in einem fruͤheren HeftePolytechn. Journal Bd.
XLIX. S. 406. eine Beschreibung und Abbildung des neuen Spinnrades des
Hrn. Lebec mittheilten, schwiegen wir
von der Wirkung der Feuchtigkeit, welche die Spinnerinnen, indem
sie die Finger, mit denen sie spinnen, mit Speichel benezen, auf
den Flachs oder Hanf einwirken lassen. Hr. Lebec hat, wie viele andere vor ihm, erkannt, daß
dieses alte Verfahren, dessen sich die Spinnerinnen bedienen,
nicht nur das Spinnen erleichtert, sondern daß der Faden dadurch
auch glatter und regelmaͤßiger wird, obschon es
natuͤrlich die Arbeiterinnen so erschoͤpft, daß
sie ihre Arbeit von Zeit zu Zeit aussezen muͤssen. Kaltes
Wasser, und selbst ein etwas gummihaltiges Wasser, welches man
statt des Speichels anwendete, konnte den Speichel durchaus
nicht ersezen, indem es hauptsaͤchlich die Waͤrme
und die Klebrigkeit dieses lezteren sind, welche den Faden so
biegsam und geschmeidig erhalten. Hr. Lebec versuchte, nachdem er uͤber die
Moͤglichkeit, den Speichel durch ein einfaches,
genuͤgendes und wohlfeiles Mittel zu ersezen nachgedacht
hatte, einen Strom Wasserdampf in den an seinem fliegenden Roken
angebrachten Flachs zu leiten, und gelangte hiebei zu den
guͤnstigsten Resultaten. Er fand, daß der Dampf, indem er
sich auf dem Flachse verdichtet, nicht nur dieselbe Wirkung wie
der Speichel hervorbringt, sondern daß er auch den im Flachse
enthaltenen Gummi erweicht, so daß die gesponnenen Faden aus
einer groͤßeren Menge naͤher an einander liegender und besser gedrehter Fasern bestehen, und daß
folglich bei diesem Verfahren keine sogenannten hohlen Zeuge
erzeugt werden.
Die Commission der mechanischen Kuͤnste, der Hr. Lebec seine neue Erfindung vorlegte,
zweifelt zwar nicht an dem vollkommenen Gelingen derselben,
behaͤlt sich aber ihr Urtheil so lange vor, bis mehrere
Versuche im Großen damit angestellt seyn werden. Der Apparat,
dessen sich Hr. Lebec bedient, ist
indessen folgender.
Fig. 30 ist ein Seitenaufriß des fruͤher
beschriebenen fliegenden Rokens mit seinen Kaͤmmen, und
mit einer Quantitaͤt Flachs, die gesponnen werden soll,
beladen.
Fig. 31 ist ein Aufriß und ein senkrechter
Durchschnitt des blechernen Waͤrmgefaͤßes, in
welchem die Lampe, die zum Erhizen des kleinen Dampfkessels
dient, aufgehaͤngt ist.
Fig. 32 zeigt diese Lampe im Aufrisse und im
Grundrisse.
a ist ein Traͤger oder eine
Stuͤze, welche mittelst zweier Schrauben an dem Sokel A des Spinnrades befestigt, und mit
einem Haken versehen ist, an welchem das kleine
Waͤrmegefaͤß b,
welches aus Eisenblech besteht, und oben durchloͤchert
ist, aufgehaͤngt wird.
c ist eine kleine, nach dem Systeme
Locatelli's gebaute Lampe, die
mit zwei vierekigen Dochten versehen, und im Grunde des
Waͤrmegefaͤßes angebracht ist.
d ist ein kleiner Dampfkessel,
welcher auf drei innerhalb des Waͤrmegefaͤßes
angebrachten Brazen ruht.
e, eine messingene, auf den Dekel
des Dampfkessels geloͤthete Roͤhre, die gegen den
Flachs hin laͤuft, und aus deren Ende f der Dampf entweicht.
g, ein Schraubenring, auf welchem
die Roͤhre ruht.
h, eine mit einem Stoͤpsel
verschlossene Oeffnung, durch welche man Wasser in den
Dampfkessel gießen kann, ohne daß man den Dekel abzunehmen
braucht.
Wir muͤssen hier als Nachtrag zu dem fruͤher
mitgetheilten Berichte uͤber den Spinnapparat des Hrn.
Lebec eine sehr wichtige
Bemerkung, die Hr. Graf de Perrochel
dem Erfinder machte, beifuͤgen. Der verdiente und von
hohem Sinne fuͤr Industrie begabte Hr. Graf bemerkte
naͤmlich, daß wenn man die Flachsfasern an ihren Enden
ergreift, wie es in den Spinnmaschinen geschieht, dieß wohl
fuͤr die Batist-, Spizen- und
Schleiertuchfaͤden, keineswegs aber zur Erzeugung von
Kettenfaͤden fuͤr Leinwand, die in ihrer ganzen
Laͤnge gleiche Staͤrke besizen muͤssen,
geeignet ist. Die Spinnerinnen erreichen diesen Zwek dadurch,
daß sie den Flachs so an ihren Roken auffielen, daß sie die
Fasern beim Spinnen in der Mitte fassen: der Flachs hat
naͤmlich in der Mitte seine groͤßte und an den Enden nur eine geringe Staͤrke, so daß diese Enden
mithin so viel als moͤglich gekruͤmmt und gebogen
und nach Ruͤkwaͤrts gerichtet seyn muͤssen.
Hr. Lebec hat sich diese praktische
Bemerkung zu Nuzen gemacht; er bringt den Flachs nun zu 2/3 auf
1/3 gebogen in die Kamme und Buͤrsten seines Apparates,
und zwar so, daß der Bug hoͤchstens um einen Zoll
uͤber die Kaͤmme herausragt. Der Faden, den er auf
diese Weise mit seinem Spinnrade spinnt, hat alle die
Staͤrke und Festigkeit, die ein Kettenfaden haben
muß.