Titel: | Betrachtungen über den Einfluß des Sauerstoffs bei der Färbung der Pflanzensäfte und anderer organischer Producte an der Luft; ferner über die Wirkung der schwefeligen Säure als Entfärbungsmittel; von Hrn. F. Kuhlmann. |
Fundstelle: | Band 52, Jahrgang 1834, Nr. XXIX., S. 137 |
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XXIX.
Betrachtungen uͤber
den Einfluß des Sauerstoffs bei der Faͤrbung der
Pflanzensaͤfte und anderer organischer Producte an der Luft;
ferner uͤber die Wirkung der schwefeligen Saͤure als
Entfaͤrbungsmittel; von Hrn. F. Kuhlmann.
Aus den Annales de Chimie et
de Physique. November 1833, S.
291.
Betrachtungen uͤber den Einfluß des
Sauerstoffs bei der Faͤrbung der Pflanzensaͤfte etc.
Wenn die Farbstoffe unter den naͤheren Bestandtheilen der
Pflanzen am meisten die Aufmerksamkeit der Chemiker
beschaͤftigt haben, so geschah dieß deßwegen, weil ihr
Studium theils dazu beitragen konnte, die chemische Theorie
aufzuklaren, welche in dieser Hinsicht noch so
ungenuͤgend ist, theils auch um die
Faͤrbeoperationen zu vervollkommnen, die einen so großen
Einfluß auf die Wohlfahrt unserer Fabriken und unseres Handels
haben.
Eine bedeutende Anzahl von Farbstoffen wird jezt in so großer
Menge verbraucht, daß die Production einiger heut zu Tage in
vielen Laͤndern eine ergiebige Quelle fuͤr den
Akerbau geworden ist, und andere einen wichtigen Handelszweig
bei unseren uͤberseeischen Verbindungen ausmachen. Es ist
jedoch zu bedauern, daß die zahlreichen Untersuchungen, welche
die Chemiker uͤber sie angestellt haben, obgleich sie
uͤber einige derselben schaͤzbare analytische
Resultate lieferten, nur zu wenigen Abaͤnderungen in den
Faͤrbeoperationen fuͤhrten; daß ihre Resultate
bloß als merkwuͤrdige Thatsachen in den chemischen
Lehrbuͤchern aufgefuͤhrt werden, waͤhrend
ihr Einfluß auf die praktischen Verfahrungsarten sehr
unbedeutend war. Wir koͤnnen kaum ein einziges auf
empirischem Wege entdektes Verfahren anfuͤhren, welches
in Folge wissenschaftlicher Untersuchungen abgeaͤndert
worden waͤre. In der That, die geschiktesten Chemiker
haben sich mit der Analyse des Indigos, der Cochenille, des
Krapps, der Faͤrbestoffe des Campescheholzes,
Fernambukholzes etc. beschaͤftigt und gibt es ein
einziges Faͤrbeverfahren, wobei man diese Farbstoffe
anwendet, welches in Folge der theoretischen Resultate, die
diese zahlreichen Arbeiten lieferten, verbessert worden
waͤre? Man muß jedoch gestehen, daß die Verfahrungsarten
in den Faͤrbereien nach und nach einfacher werden; allein
weniger in Folge von Versuchen, die uͤber die
Eigenschaften der reinen Farbstoffe angestellt wurden, als in
Folge der allgemeineren Verbreitung und des Fortschrittes der
chemischen Kenntnisse, welche bei den technischen Operationen
die Anwendung unnuͤzer, oft als schaͤdlich
erkannter Producte, verbannten. Durch die Fortschritte, die die
Chemie in neuerer Zeit machte, entledigtet sich die
Heilkunde einer Menge hoͤchst verwikelter Compositionen,
deren Anwendung oft sogar gefaͤhrlich war, und bisweilen
gelang es auch die wirksamen Substanzen, welche man durch die
Analyse abschied, fuͤr sich zu benuzen, waͤhrend
in der Faͤrberei noch kein reiner Farbstoff angewendet
werden konnte, sey es daß die zur Ausziehung dieser Substanzen
noͤthigen Operationen zu verwikelt und zu kostspielig
sind, oder daß sie nach ihrer Isolirung nicht mehr dasselbe
Verhalten darbieten, wie wenn sie in den Pflanzen oder Thieren,
die sie erzeugten, eingeschlossen sind.
Die Verbesserung unserer Verfahrungsarten beim Faͤrben
wird hauptsaͤchlich dadurch verzoͤgert, daß wir
keine sichere Theorie uͤber die Befestigung der Farben
und ihre Entwikelung haben. Ich sage uͤber ihre
Entwikelung, denn wer immer die Farbstoffe ein wenig studirt
hat, muß bemerkt haben, daß die Entwikelung der Farben beim
Faͤrben verschiedenen Umstaͤnden untergeordnet
ist, die ihre Nuancen mehr oder weniger abaͤndern, und
daß manches Farbematerial, von dem man glauben sollte, daß es
gar keinen Farbstoff enthaͤlt, die sattesten und
mannigfaltigsten Farben liefert. Man koͤnnte fragen, ob
der Krapp wirklich die so glaͤnzende rothe Farbe
enthaͤlt, welche durch die zahlreichen Operationen des
Oehlens und den Mordant (Alaun) auf den Geweben befestigt wird;
ob die rothe Farbe, die der Krapp liefert, nicht das Resultat
einer Veraͤnderung ist, welche die Bestandtheile dieser
Wurzel in Gegenwart der physischen und chemischen Agentien
erleiden, unter deren Einfluß das Faͤrben Statt findet.
Ueber diese Frage kann kein Zweifel mehr obwalten, wenn man
bedenkt, wie sich die Farbe des Krapps nach der Beschaffenheit
der angewandten Beizen aͤndert; sie ist anfangs gelb,
wird durch Alaunerdesalze roth und durch Eisensalze violett.
Laͤßt man auf tuͤrkischroth gefaͤrbte
Baumwolle und auf solche, die mittelst Eisenbeize violett
gefaͤrbt ist, Aether wirken, so erhaͤlt man, indem
sich ein Theil der Farbe aufloͤst, in beiden
Faͤllen eine gelb gefaͤrbte Fluͤssigkeit,
die mit dem Alaunerde- oder Eisensalz weder das Roth noch
das Violett liefert, welche auf der Baumwolle befestigt waren;
und doch sind dieselben Elemente vorhanden, aber nicht mehr
unter den naͤmlichen Umstaͤnden, wie beim
Faͤrben.
Der Farbstoff des Krapps, welcher in der Wurzel gelb ist,
veraͤndert seine Farbe nach den Substanzen, womit er in
Beruͤhrung gebracht wird und nach den Umstaͤnden,
unter welchen diese Beruͤhrung Statt findet; oder mit
anderen Worten, nach dem chemischen Agens, womit er sich mehr
oder weniger leicht verbindet.
Dieselbe Erscheinung zeigt sich bei den meisten anderen
Farbstoffen. Die Cochenille gibt, wenn sie durch einige saure
Salze befestigt wird, scharlachrothe Farben; mit dem
Alaun, welcher ebenfalls sauer reagirt, gibt sie eine
carmesinrothe Farbe. Die Boraxsaͤure wirkt auf die
Farbstoffe der Cochenille, des Campesche- und
Fernambukholzes wie ein alkalisches Oxyd. Das Zinnoxyd, obgleich
mit uͤberschuͤssigem Kali verbunden, wirkt auf die
Farbe des Campescheholzes wie eine Saͤure,
waͤhrend ein sauer reagirendes Zinnoxydulsalz mit diesem
Farbematerial aͤhnliche Farben liefert, wie die
alkalischen Basen.
Das Fernambukholz, welches orangegelb ist, gibt mit Wasser zuerst
rothe, dann orangefarbige Aufloͤsungen; durch Alaun oder
Kalk befestigt, gibt sein Farbstoff carmesin- oder
weinrothe Farben; durch Zinnchlorid wird er lebhaft roth, etwas
in Orange siechend.
Das Campescheholz, welches mitten in den Scheiten orangefarbig
ist, wird in Beruͤhrung mit Luft und Wasser violett; beim
Faͤrben erhaͤlt man damit unter dem Einfluß der
Saͤuren Orange, mit Alaun Violett und durch die
Verbindung seines Farbstoffes mit Kupferoxyd Blau. Hieraus muß
man schließen, daß die Farben meistentheils das Resultat mehr
oder weniger bestaͤndiger chemischer Verbindungen sind
und daß das Farbematerial in der Regel die Farbe, welche es bei
den Farbeoperationen liefert, nicht ganz gebildet
enthaͤlt.
Wenn wir ferner bedenken, wie leicht die Farben sich
abaͤndern; daß die scharlachrothe Farbe von Cochenille
durch kochendes Wasser veraͤndert wird; daß die
Krappfarben, nachdem sie mittelst der oͤhligen Beizen
befestigt wurden, den Saͤuren unmittelbar nach dem
Faͤrben nicht ganz so gut widerstehen, wie nach den
Operationen des Avivirens und Rosirens, so muͤssen wir
vermuthen, daß der Farbstoff eines Faͤrbematerials
meistens den verschiedenen Reactionen, welche noͤthig
sind, um ihn rein auszuscheiden, nicht unterzogen werden kann,
ohne selbst mehr oder weniger große Veraͤnderungen zu
erleiden, wodurch sich das Mißlingen einiger Versuche
erklaͤrt, die in der Absicht angestellt wurden, diese
Farbstoffe in reinem Zustande beim Faͤrben anzuwenden.
Nicht durch die Ausscheidung des schon veraͤnderten
Farbstoffes koͤnnen wir zu einer schnellen
Vervollkommnung der Faͤrbemethoden gelangen, sondern
vielmehr durch ein gruͤndliches Studium der
Veraͤnderungen, welche der Farbstoff, so wie er im
Faͤrbematerial existier, erleiden kann. Ich glaubte daher
auf den anfaͤnglichen oder Normalzustand der Farbstoffe
in den Pflanzen oder Thieren selbst meine Aufmerksamkeit richten
zu muͤssen; die Kenntniß der Veraͤnderungen,
welche diese Stoffe durch die Einwirkung der Luft, des Wassers
und der verschiedenen chemischen Agentien erleiden, kann uns
allein zu einer genuͤgenden Erklaͤrung der
mannigfaltigen Erscheinungen in den Faͤrbereien
fuͤhren. Ich wurde auf diesem experimentellen Wege durch
einzelne Thatsachen, die schon von mir beobachtet wurden und
durch Resultate, die ich selbst entdekte, geleitet.
Seit den vortrefflichen Untersuchungen der HH. Chevreul, Berzelius und Liebig uͤber den Indigo sollte
man uͤber das Blaufaͤrben eine ganz sichere
Theorie haben. Der Indigo kommt durch die Beruͤhrung mit
Koͤrpern, welche den Sauerstoff begierig anziehen und ihm
einen Theil desselben entziehen, in einen Zustand
vollstaͤndiger Entfaͤrbung. Bei dem Faͤrben
werden die Gewebe in eine Aufloͤsung entfaͤrbten
Indigos getaucht; der Indigo absorbirt dann in Beruͤhrung
mit der Luft den Sauerstoff, welcher ihm entzogen worden war,
wird dadurch in Wasser unaufloͤslich und erhaͤlt
seine blaue Farbe wieder. Das Gewebe, auf welchem diese Reaction
Statt findet, wird dadurch gleichfoͤrmig blau
gefaͤrbt. Diese sehr genuͤgende Erklaͤrung
ist eben so gut auf die kalten Kuͤpen anwendbar, in
welchen der Indigo durch Eisenoxydul reducirt wird, als auf
diejenigen, welche man mit einer Aufloͤsung von
Zinnoxydul oder Schwefelarsenik in Alkali ansezen
koͤnnte. In den warmen Kuͤpen, z.B. den
Potaschekuͤpen scheint die Desoxydation des Indigos durch
einen verwikelteren Proceß bewirkt zu werden, der sich jedoch
leicht begreifen laͤßt, indem nothwendig Sauerstoff
gegenwaͤrtig seyn muß, um in den vorhandenen organischen
Substanzen eine lebhafte Gaͤhrung zu entwikeln; ich
glaube, daß sich besonders auch in den Waid- und
Urinkuͤpen ein wenig schwefelwasserstoffsaures Ammoniak
bildet, das des oxydirend wirkt.
Hr. Chevreul hat bei seiner
Untersuchung des Campescheholzes gefunden, daß das
Haͤmatin (der reine Farbstoff desselben) nur aus den
orangefarbig gebliebenen Theilen des Holzes leicht erhalten
werden kann und bemerkt, daß dieser Farbstoff unter dem
Einflusse der Alkalien den Sauerstoff begierig anzieht und sich
also schnell veraͤndert.
Bei manchen Gelegenheiten konnte ich die
Farbenveraͤnderungen, welche verschiedene Pflanzenstoffe
an der Luft erleiden, beobachten.
1) Ich habe mich durch meine Versuche nicht uͤberzeugen
koͤnnen, daß die braune oder schwarze Farbe, welche das
Kautschuk, so wie wir es meistens erhalten, besizt, von darin
vorkommender Kohle herruͤhrt, wie einige Schriftsteller
behaupten; ich glaube vielmehr, daß die Faͤrbung des
Saftes der jatropha elastica nur
durch die Luft bewirkt ist.
2) Ich habe oft bemerkt, daß das Fernambuk- und
Campescheholz, welche innen orangefarbig sind, in
Beruͤhrung mit Luft, und besonders mit feuchter
Violettroth werden.
3) Die gruͤne Rinde oder die Fruchthuͤlle des
Nuͤsse faͤrbt sich in
Beruͤhrung mit der Luft schwarz, ohne daß eine faule
Gaͤhrung Statt faͤnde.
4) Die Kartoffelblatter und besonders die Blaͤtter und
Schoten der Puffbohnen werden schnell schwarz, wenn man sie an
der Luft austroknet.
5) Jedermann hat schon beobachtet, daß das Mahagoniholz und viele
andere Hoͤlzer sich in Beruͤhrung mit der Luft
immer staͤrker faͤrben und daß neue Moͤbeln
anfangs meistens blaͤsser sind, als wenn sie
laͤngere Zeit mit der Luft in Beruͤhrung
waren.
6) Der Runkelruͤbensaft wird in Beruͤhrung mit der
Luft in einigen Minuten schwaͤrzlich. Das
Kartoffelfleisch zeigt diese Eigenschaft auch in
merkwuͤrdigem Grade. Ich glaube, daß alle diese
Veraͤnderungen, welche man noch nicht genuͤgend
erklaͤren konnte oder einer anfangenden Zersezung
zuschrieb, das Resultat einer einzigen und derselben Reaction
seyn muͤssen.
Fourcroy hatte schon bemerkt, daß
gewisse Pflanzensaͤfte die Eigenschaft haben, sich zu
oxydiren und dieselben in eine gemeinschaftliche Classe, die des
Extractivstoffes, gebracht. Ich glaube, daß der Sauerstoff in
allen diesen Faͤllen das faͤrbende Princip oder
die Ursache der Farbenentwikelung ist. Diese Ansicht wird durch
folgende Versuche vollstaͤndig bestaͤtigt.
a) Frisches Runkelruͤbenmark
wurde in zwei Flaschen gebracht, wovon die eine Sauerstoff und
die andere Kohlensaͤure enthielt: in Beruͤhrung
mit dem Sauerstoff faͤrbte es sich allmaͤhlich und
in der Kohlensaͤure blieb es farblos.
Runkelruͤbenmark, welches in Beruͤhrung mit der
Luft schwaͤrzlich geworden war, entfaͤrbte sich in
Beruͤhrung mit Zinnoxydul.
b) Das Kartoffelmark wird an der
Luft in sehr kurzer Zeit schwaͤrzlich und noch schneller
im Sauerstoff; Zinnoxydul und Eisenoxydul machen es wieder
farblos.
c) Der Saft der Staͤngel und
Blaͤtter der Kartoffeln und Puffbohnen braͤunt
sich allmaͤhlich durch Absorption von Sauerstoff und nur
dadurch allein.
d) Die Fluchthuͤlle der
Nuͤsse schwaͤrzt sich in Beruͤhrung mit der
Luft durch deren Sauerstoff. Diese Faͤrbung tritt nicht
ein, wenn man sie außer Beruͤhrung mit der Luft
aufbewahrt.
e) Der milchige Saft der
Artischoken, der Saft des Schmakholzes werden an der Luft und
durch Oxydation mittelst Chlorkalk braun.
f) Der Saft verschiedener
Schwammarten erhaͤlt an der Luft mannigfaltige Farben,
bald blaue, bald schwarze.
Aus diesen Thatsachen mußte ich schließen, daß unter vielen Umstaͤnden die Pflanzensaͤfte durch die
Beruͤhrung der Luft eine Veraͤnderung in ihrer
Zusammensezung erleiden und daß die Absorption des Sauerstoffs
sich besonders durch die Entwikelung der Farbstoffe
offenbart.
Die unten folgenden Resultate, welche nur eine Folge der so eben
angegebenen theoretischen Principien sind, lassen sich
unmittelbarer auf das Studium der eigentlichen Farbstoffe
anwenden.
A. Eine Lakmusinfusion, mehrere
Monate lang in einer luftdicht verschlossenen Flasche
aufbewahrt, verlor ihre blaue Farbe und die Fluͤssigkeit
nahm eine falbe Farbe an. Als man die Flasche oͤffnete,
roch sie nach Schwefelwasserstoff, die Luft drang heftig in sie
ein und sobald sie mit der Lakmusaufloͤsung in
Beruͤhrung war, nahm diese wieder eine eben so lebhafte
und intensive blaue Farbe an, als sie vor der Entfaͤrbung
hatte.
B. Als man eine
Lakmusaufloͤsung in einem verschlossenen Gefaͤße
einige Minuten lang mit Eisenoxydul (durch Zersezung von
Eisenvitriol mit Kali bereitet) schuͤttelte, verschwand
die blaue Farbe und die Fluͤssigkeit wurde falbgelb. Der
Schaum, welcher durch dieses Schuͤtteln entsteht, wird in
Beruͤhrung mit dem noch ruͤkstaͤndigen
Sauerstoff blau; aber nach laͤngerem Schuͤtteln
bleibt dieser Schaum weiß.
Sobald eine Blase Sauerstoff in diese entfaͤrbte
Aufloͤsung dringt, nimmt sie ihre anfaͤngliche
Farbe wieder an, welche sie durch Schuͤtteln mit
Eisenoxydul wieder verliert.
C. Eine Lakmusinfusion wurde in
einer luftdicht verschlossenen Flasche mit einer
Aufloͤsung von schwefelwasserstoffsaurem Ammoniak
vermischt, in welcher ein Theil der Basis mit Salzsaͤure
gesaͤttigt worden war, jedoch so, daß die
Fluͤssigkeit noch alkalisch reagirte. Nach Verlauf von
einigen Minuten verschwand die blaue Farbe, wurde aber durch
Zutritt von Luft oder Sauerstoff schnell wieder hergestellt.
D. Lakmusinfusion wurde durch
Vermischung mit Salzsaͤure geroͤthet und man
brachte dann in die saure Fluͤssigkeit einige
Stuͤke Zink. Sobald sich Wasserstoffgas zu entwikeln
anfing, wurde die rothe Farbe blaͤsser und verschwand
bald gaͤnzlich. Der entstandene weiße Schaum nahm an der
Luft eine rothe Farbe an. Die entfaͤrbte
Aufloͤsung erhielt an der Luft auch schnell wieder ihre
rothe Farbe und noch schneller durch ein wenig Chlor.
Nach diesen merkwuͤrdigen Erscheinungen kann man nicht
mehr zweifeln, daß der Farbstoff des Lakmus schon bei seiner
Bereitung eine Veraͤnderung erlitten hat. Die Pflanze,
welche uns das Lakmus liefert, ist weder roth noch blau; diese
Farbe ist das Resultat der durch ein Alkali erleichterten
Einwirkung der Luft; man begreift daher, daß
bei der Bereitung des Lakmus allem Anscheine nach derselbe
Proceß vorgeht, wie bei der Bereitung des Indigos, welcher sie
ganz analog ist.
Der Farbstoff ist in den krautartigen Theilen des Indigos wie im
croton tinctorium farblos. So
lange die Pflanze ihre Organisation beibehaͤlt,
veraͤndert er seine Farbe nicht: er kann auch, ohne
dieses zu thun, in Faͤulniß uͤbergehen, wenn die
Pflanze sich nicht in Umstaͤnden befindet, welche die
Ausscheidung des Farbstoffes beguͤnstigen; wenn aber der
durch eine Gaͤhrung veraͤnderte Saft in Gegenwart
eines Alkalis der Luft ausgesezt ist, so oxydirt sich der
Farbstoff und schlaͤgt sich dann entweder nieder, wenn er
in diesem Zustande in Wasser unaufloͤslich ist, wie der
Indigo, oder bleibt in Verbindung mit einem Alkali, wie das
Lakmus. Es ist moͤglich, daß sich die Erscheinungen der
Faͤrbung ohne irgend eine andere Beihuͤlfe als den
Sauerstoff entwikeln koͤnnen; diese Oxydation der
anfaͤnglichen Farbe findet aber noch viel schneller unter
dem Einflusse eines Alkalis Statt.
Ich habe bei diesen Untersuchungen oft bemerkt, daß die
entfaͤrbten Fluͤssigkeiten bei Gegenwart eines
Alkalis den Sauerstoff absorbirten und sich dadurch schneller
faͤrbten, als durch irgend ein anderes Mittel; damit sich
das desoxydirte Lakmus faͤrbt, braucht man nur die
Flasche, welche die entfaͤrbte Fluͤssigkeit
enthaͤlt, zu oͤffnen. Aus den Versuchen des Hrn.
Robiquet uͤber die variolaria deal-bata und die
Eigenschaften des Orcins ließ sich leicht vorhersehen, daß der
Farbstoff der Orseille durch die desoxydirenden Koͤrper
auf aͤhnliche Art veraͤndert wird, wie das Lakmus,
da er auch nach einem analogen Verfahren bereitet wird.
E. Schuͤttelt man einen
Orseilleabsud in einem verschlossenen Gefaͤße mit
Eisenoxydul, so verliert er nach und nach seine carmesinrothe
Farbe und wird gelb. Diese Aufloͤsung verschlukt die Luft
außerordentlich schnell und sie nimmt dann ihre
anfaͤngliche Farbe wieder an. Wenn man in derselben
Wasserstoffgas durch Zink entwikelt oder sie mit
schwefelwasserstoffsaurem Ammoniak vermischt, so
veraͤndert sie sich auf aͤhnliche Art wie das
Lakmus. Ein wenig Chlor stellt die Farbe wieder her,
uͤberschuͤssiges zerstoͤrt sie.
Diese Resultate erhielt ich mit den Farbstoffen, der krautartigen
Pflanzen und sie lassen uns uͤber die Entstehung dieser
Farbstoffe bei ihrer Bereitung und uͤber die Natur des
Farbstoffes in der Pflanze nicht mehr im Zweifel. So
merkwuͤrdig diese Resultate jedoch sind, so
haͤtten sie doch keinen großen Einfluß auf die Theorie
der Farben im Allgemeinen, wenn sie auf die Farbstoffe
beschraͤnkt waͤren, welche man nach einem analogen
Verfahren darstellt. Folgende Versuche
wurden in der Absicht angestellt, um zu erfahren, ob meiner
Theorie der Faͤrbung auch auf andere Farbstoffe anwendbar
ist.
F. Ein Campescheholzabsud wurde mit
Salzsaͤure vermischt und in Beruͤhrung mit Zink
gebracht: der sich entwikelnde Wasserstoff veraͤnderte
die rothe Farbe bald; die Fluͤssigkeit wurde zuerst
braun, und dann gelb; es sezte sich daraus eine große Menge
kleiner graulichweißer und glaͤnzender Krystalle ab, die
an der Luft braunroth wurden. Die gelbe Fluͤssigkeit
verschlukte allmaͤhlich den Sauerstoff der Luft, wurde
wieder roth und sezte dann eine carmesinrothe krystallinische
Substanz ab. Diese carmesinrothe Substanz scheint, abgesehen von
der Oxydation, der weißen anfangs erhaltenen Substanz analog zu
seyn. Da ich diese Substanz zum Gegenstand einer besonderen
Untersuchung zu machen beabsichtige, so will ich hier in keine
neuen Details eingeben und beschraͤnke mich darauf die
Thatsache mitzutheilen, daß der Campescheholzabsud durch
Wasserstoff und auch durch Eisenoxydul, Schwefelwasserstoff,
uͤberhaupt durch desoxydirende Koͤrper
entfaͤrbt wird.
Der Campescheholzabsud wurde in Beruͤhrung mit Eisenoxydul
(welches man durch Vermischung von Eisenvitriol mit
uͤberschuͤssigem Aezkali erhaͤlt)
gaͤnzlich entfaͤrbt, ohne daß es moͤglich
gewesen waͤre seine Farbe durch Oxydation an der Luft
oder mittelst Chlor wieder herzustellen. Es bildete sich unter
diesen Umstaͤnden kein Lak, denn die Salzsaͤure
faͤrbte sich in Beruͤhrung mit dem Eisenoxyd,
welches zur Entfaͤrbung gedient hatte, nicht roth, wie
dieses mit dem blauen Lak geschieht, den man erhaͤlt,
wenn man aus einem mit Eisenaufloͤsung vermischten
Campescheholzabsud das Eisenoxydul niederschlaͤgt.
Ich glaube, daß auch der Schwefelwasserstoff durch Desoxydation
wirkt. Hr. Chevreul spricht in seiner
Abhandlung uͤber den Farbstoff des Campescheholzes von
der Veraͤnderung, welche derselbe durch
Schwefelwasserstoff erleidet, schreibt aber die
Entfaͤrbung einer Modification des Farbstoffes durch die
Gegenwart der Saͤure zu und nicht einer Desoxydation. Es
findet hier keine Desoxydation Statt, sagt dieser Chemiker, denn
wenn man Kalium in eine seit mehreren Tagen mit
Schwefelwasserstoff gesaͤttigte Aufloͤsung von
Haͤmatin bringt, so bildet sich sogleich Kali, welches
die Farbe des Haͤmatins in Blau umaͤndert. Ich
habe diesen Versuch mit gleichem Resultate wiederholt. Als ich
in eine durch ein Alkali geblaͤute Aufloͤsung von
Haͤmatin Schwefelwasserstoff in Ueberschuß streichen
ließ, wurde die blaue Farbe zerstoͤrt, erschien aber
wieder, als man den Schwefelwasserstoff durch Kochen der
Fluͤssigkeit verjagte.
Wenn man den durch Schwefelwasserstoff entfaͤrbten
Campescheholzabsud ebenfalls focht, aber ohne Luftzutritt, so
erscheint die Farbe zum Theil wieder, ohne jedoch ihre
anfaͤngliche Intensitaͤt wieder zu erhalten.
Wenn man annimmt, daß der Farbstoff des Campescheholzes durch den
Schwefelwasserstoff desoxydirt wird, so scheint aus obigen
Thatsachen zu folgen, daß der desoxydirte Farbstoff selbst eine
blaue Verbindung mit dem Kali bildet. Wahrscheinlich muß man
diesem Zustande von Suboxydation die Eigenschaft des
Haͤmatins zuschreiben, in Verbindung mit einem Alkali den
Sauerstoff begierig aus der Luft anzuziehen; in diesem Falle
wird die Tendenz des Farbstoffes sich zu oxydiren, durch die
Gegenwart eines Alkalis gerade so erhoͤht, wie bei dem
weißen Indigotin, dem Orcin und dem desoxydirten Farbstoff des
Lakmus.
G. Ein Fernambukholzabsud zeigte in
Beruͤhrung mit Eisenoxydul oder mit frei werdendem
Wasserstoffe dasselbe Verhalten, wie die
Campescheholzaufloͤsung: durch den Wasserstoff fand eine
sehr schnelle Entfaͤrbung Statt; die entfaͤrbte
Fluͤssigkeit sezte an der Luft ein lebhaft rothes Pulver
ab.
In dem Campescheholz, wie in dem Fernambukholz, ist der Farbstoff
gewiß im Zustande von Suboxydation, denn diese Hoͤlzer
faͤrben sich an der Luft stark; sie faͤrben sich
auch durch eine schwache Chloraufloͤsung. Durch ein wenig
Chlor kann man einem frischen Absude dieser
Faͤrbehoͤlzer eine viel dunklere Farbe
ertheilen.
H. Wenn man eine Infusion von rothem
Kohl, deren Farbe durch ein Alkali in Gruͤn
uͤbergefuͤhrt wurde, mit schwefelwasserstoffsaurem
Ammoniak oder mit Eisenoxydul in Beruͤhrung bringt, so
wird die gruͤne Farbe ebenfalls zerstoͤrt.
I. Saft von rothen
Runkelruͤben, mit Salzsaͤure behandelt,
erhaͤlt eine carmesinrothe Farbe. Bringt man nun in
dieses Gemisch Zinkstuͤke, so entfaͤrbt es sich
sehr schnell. Auch durch schwefelwasserstoffsaures Ammoniak wird
der Runkelruͤbensaft entfaͤrbt; aber in keinem
dieser beiden Faͤlle stellt sich die Farbe an der Luft
wieder her.
K. Ich stellte auch noch mit einem
Cochenilleabsud einen Versuch an, um zu erfahren, ob ein
animalischer Farbstoff in Beruͤhrung mit desoxydirenden
Koͤrpern ebenfalls Sauerstoff verliert und dadurch
entfaͤrbt wird. Dieß fand auch Statt; er konnte auf
dieselbe Art wie die vegetabilischen entfaͤrbt werden und
nahm in Beruͤhrung mit Luft seine fruͤhere Farbe
wieder an. Durch Wasserstoff wurde er am schnellsten
desoxydirt.
Aus diesen Thatsachen ergibt sich als allgemeines Gesez, daß der
Sauerstoff das Hauptagens der Faͤrbung ist und daß jeder
Koͤrper, welcher den gefaͤrbten organischen
Substanzen Sauerstoff entziehen kann, durch seine
Beruͤhrung ihre Farbe zerstoͤren muß. Auch kann
man aus meinen Versuchen den Schluß ziehen,
daß, nachdem die desoxydirende Wirkung aufgehoͤrt hat,
die Luft meistens hinreicht, um durch ihren Sauerstoff die
anfaͤngliche Farbe wieder herzustellen.
Unter vielen Umstaͤnden hat die Desoxydation jedoch auch
die Zerstoͤrung der Farbe zur Folge und oft haben die
Versuche, welche man anstellte, um durch Desoxydation gewisse
Farbstoffe zu entfaͤrben, besonders gelbe und
gruͤne, kein Resultat gegeben. Die Farbe des Chlorophylls
widersteht hartnaͤkig. Am merkwuͤrdigsten ist die
desoxydirende Wirkung bei den rothen und blauen Farben. Diese
beiden Farben haben uͤbrigens unter einander sehr große
Aehnlichkeit: sie verwandeln sich meistens die eine in die
andere, indem sie sich mit Metalloxyden verbinden. Es gibt fast
kein Beispiel, daß ein rother Farbstoff unter einigen
Umstaͤnden nicht blau werden koͤnnte und die
meisten blauen Farbstoffe koͤnnen auch in
Beruͤhrung mit gewissen Agentien roth oder purpurroth
werden.
Meine Meinung uͤber die Ursache der Faͤrbung der
meisten organischen Producte stimmt vollkommen mit den Ansichten
uͤberein, welche Hr. Pelletier
in seiner Abhandlung uͤber die Zusammensezung mehrerer
organischer Substanzen (Ann. de chim. et
de phys. Bd. LI. S. 193) entwikelte. Dieser Chemiker
aͤußert sich uͤber den Farbstoff des Sandelholzes
folgender Maßen:
„In Aether loͤst sich das Sandelroth nicht
augenbliklich, sondern nur bei laͤngerer
Beruͤhrung auf; die Aufloͤsung ist nicht wie
die in Alkohol, roth, sondern orangefarbig, und wenn sie
ohne Luftzutritt bereitet wurde, sogar gelb. Durch
freiwillige Verdunstung des Aethers an freier Luft
erhaͤlt man den Farbstoff schoͤn roth.
Verdampft man den Aether schnell im luftleeren Raume, so ist
die Farbe weniger intensiv und oft sogar ganz gelb. Man
bemerkt auch, daß wenn der Aether noch so gut von Wasser
befreit und das Sandelroth vollkommen ausgetroknet war, nach
dem Verdunsten der Tinctur immer Wasser zuruͤkbleibt;
oft erhaͤlt man sogar Eis, wenn der Aether unter der
Gloke der Luftpumpe schnell verdampft wurde. Wie
laͤßt sich nun diese Erscheinung erklaͤren?
Man sollte glauben, daß das Sandelroth beim Aufloͤsen
in Aether einen Theil seines Sauerstoffes verliert und sich
auf Kosten des Wasserstoffes des Aethers Wasser bildet,
worauf das Sandelroth in Beruͤhrung mit der Luft
Sauerstoff aufnimmt und wieder seine fruͤhere
intensive Farbe erhaͤlt. Uebrigens muͤßte
diese Erklaͤrung noch durch andere Thatsachen
unterstuͤzt werden, wenn sie Zutrauen verdienen
sollte.“
Der Sauerstoff, durch welchen, wie wir gesehen haben, eine große
Anzahl von Pflanzensaͤften mannigfaltige Farben erlangt,
wird auch, wenn er sich zu sehr anhaͤuft, fuͤr
diese Farben ein Zerstoͤrungsmittel, denn das
Chlor wirkt allem Anscheine nach beim Bleichen auf die Art, daß
es den farbigen Substanzen uͤberschuͤssigen
Sauerstoff beibringt, sey es nun, daß das Wasser zersezt wird,
oder daß es sich mit dem Wasserstoff der organischen Substanz
verbindet. Die erste Hypothese scheint die wahrscheinlichste zu
seyn, wenn man die Wirkung des Chlors auf die Farbstoffe, welche
keinen Sauerstoff enthalten, beruͤksichtigt. Wir sehen
also, daß das faͤrbende Princip, welches in der
organischen Substanz oft beinahe farblos ist, sich faͤrbt
und dann wieder entfaͤrbt, wenn es mit einer
hinreichenden Menge Sauerstoff unter guͤnstigen
Umstaͤnden in Beruͤhrung kommt. Man sollte hienach
glauben, daß das allmaͤhliche Verbleichen der Farben an
der Luft hauptsaͤchlich durch den Sauerstoff verursacht
wird, welcher eine chemische Wirkung ausuͤbt und daß die
Waͤrme und das Licht dabei nur den Proceß einleiten oder
beschleunigen.
Bei den Operationen des Bleichens hat das Auslegen auf die Wiese
gewiß eine chemische Wirkung zum Zwek. Ich bin um so mehr zu
dieser Meinung geneigt, weil der Gebrauch die Zeuge zu begießen
(nezen) allgemein beibehalten wurde; das Wasser scheint hier den
Sauerstoff der Luft in einem geeigneten (oder in
aufgeloͤstem) Zustande auf die zu bleichenden Gewebe zu
uͤbertragen.
Außer dem Chlor und der Luft wird auch noch ein anderer
Koͤrper oft zum Bleichen des Garnes und der Gewebe
angewandt: naͤmlich die schwefelige Saͤure. Wir
wollen nun sehen, wie die Entfaͤrbung durch schwefelige
Saͤure erklaͤrt werden kann. Sie kann nicht, wie
das Chlor, Brom und Jod auf die Art wirken, daß sie den
Sauerstoff vorwaltend macht; wenn also die schwefelige
Saͤure, wie man heut zu Tage allgemein glaubt, die Farben
so wie das Chlor gaͤnzlich zerstoͤren und auch
nicht wie die desoxydirenden Koͤrper wirken
wuͤrde, so waͤre dieß eine wahre Anomalie.
Ich stellte daher Versuche in der Absicht an, um zu erfahren, ob
die Farbstoffe durch die schwefelige Saͤure wirklich
zerstoͤrt oder nur veraͤndert werden.
Eine Rose, welche in eine Flasche, die schwefelige Saͤure
enthielt, getaucht war, wurde in wenigen Augenbliken gebleicht.
An der Luft behielt sie ihre weiße Farbe bei, als man sie aber
in Chlorgas brachte, erhielt sie augenbliklich wieder ihre
fruͤhere Farbe ohne alle Veraͤnderung, welche bei
laͤngerer Beruͤhrung mit dieser Gasart dann
fuͤr immer verschwand.
Versuche, die mit den chinesischen Sternblumen, wohlriechenden
Plattererbsen, verschieden gefaͤrbter Dahlien etc.
angestellt wurden, gaben aͤhnliche Resultate, nur wurden
die blauen oder violetten Farben durch die Schwefelsaͤure
und Salzsaͤure, welche sich unter diesen
Umstaͤnden bildeten, in Roth umgeaͤndert;
oft wurde auch die Farbe, ehe sie gaͤnzlich wieder
erschien, stellenweise wieder hergestellt, so daß
zufaͤllig sehr mannigfaltige Marmorirungen entstanden.
Die gelben Blumen und der gruͤne Theil der
Blaͤtter widerstanden der Wirkung der schwefeligen
Saͤure und des Chlors am besten.
Wenn also die durch schwefelige Saͤure entfaͤrbten
Substanzen an der Luft ihre fruͤhere Farbe nicht wieder
erhalten, so ruͤhrt dieses daher, daß der Sauerstoff der
Luft die schwefelige Saͤure nicht unmittelbar in
Schwefelsaͤure verwandelt, was durch Chlor geschieht.
Vielleicht wird auch durch die schwefelige Saͤure eine
groͤßere Veraͤnderung der organischen Substanz
bewirkt, als durch die anderen Desoxydationsmittel. Leztere
koͤnnen uͤbrigens auch, wie oben schon bemerkt
wurde, gewisse Farben zerstoͤren, ohne daß es
moͤglich waͤre, sie wieder herzustellen.
Ich muß hier noch einer Thatsache erwaͤhnen, welche mit
den in dieser Abhandlung enthaltenen Resultaten in Widerspruch
zu stehen scheint, naͤmlich der Veraͤnderung,
welche der Saft der Purpurschneke (buccinum capillus) an der Luft oder vielmehr am Licht
zu erleiden scheint. Der Saft dieses Weichthieres, welchen Lolé, Reaumur, Duhamel,
Stroems und Bancroft
untersuchten, ist im Thiere ganz farblos und wird an der Luft,
indem er die verschiedenen Abstufungen von Gruͤn
durchgeht, purpurroth. Bancroft
schreibt diese Farbenveraͤnderungen ausschließlich dem
Lichte zu. Er sagt sie erfolgten bei starkem Lichte schneller
als bei schwachem, und schneller durch die desoxydirenden
Strahlen als den rothen Strahl, auch besser im Wasserstoff als
im Sauerstoff.Bancroft's neues englisches
Faͤrbebuch; herausgegeben und mit Zusaͤzen
versehen von Dingler und Kurrer (Nuͤrnberg
1817, bei J. L. Schrag), Bd.
I. S. 202. A. d. R. Es scheint jedoch auch, daß das Chlor diese
Faͤrbung beschleunigt. Jedenfalls waͤre die
purpurrothe Farbe nach Bancroft die
Folge einer Desoxydation des weißen Saftes. Es ist daher
wuͤnschenswerth, daß uͤber die Entstehung dieser
purpurrothen Farbe neue Versuche angestellt werden.
Ungeachtet zahlreiche Thatsachen dafuͤr sprechen, daß bei
der Faͤrbung der organischen Producte eine und dieselbe
Ursache zu Grunde liegt, so duͤrfen wir uns doch nicht
voreilig einer auch noch so ansprechenden Theorie
uͤberlassen; auch habe ich durch die zahlreisachen in
dieser Abhandlung mitgetheilten Beobachtungen nur ThatsachenThatchen sammeln wollen, um sie unter einander zu vergleichen.
Aus meinen Versuchen geht wenigstens so viel hervor, daß der
Sauerstoff bei der Faͤrbung eine sehr wichtige Rolle
spielt; wir muͤssen daher seinen
Einfluß mehr studiren, wenn wir zu einer vollstaͤndigen
Theorie uͤber die Wirkung der Beizmittel und der
Erscheinungen beim Faͤrben gelangen wollen.