Titel: | Ueber die Runkelrüben-Zukerfabrikation; von Hrn. Friedr. Kuhlmann. |
Fundstelle: | Band 52, Jahrgang 1834, Nr. XV., S. 68 |
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XV.
Ueber die
Runkelruͤben-Zukerfabrikation; von Hrn. Friedr.
Kuhlmann.
Aus den Annales de Chimie et
de Physique. November 1833, S. 323Wir erhielten dieses Heft mit directer Post den 4. April
1834. A. d. R..
Ueber die
Runkelruͤben-Zukerfabrikation.
Die folgenden Bemerkungen sind das Resultat zahlreicher Versuche,
welche ich im Jahre 1833 uͤber die chemische
Zusammensezung der Runkelruͤbe und uͤber die
Processe, welche bei der Fabrikation des Zukers daraus Statt
finden, anstellte.
Nach analytischen Resultaten glaube ich, daß das Parenchym oder
der feste Theil der Runkelruͤbe großen Theils, wenn nicht
ganz, aus gallertsaurem Kalk besteht.
Der Runkelruͤbensaft enthaͤlt eine stikstoffhaltige
Substanz (Pflanzeneiweiß), die sich in Beruͤhrung mit
Luft oder Sauerstoff schwarz faͤrbt und abzusondern
strebt, wodurch sich die schnelle Veraͤnderung des Saftes
vor seiner Laͤuterung erklaͤrt. Ich habe gefunden,
daß diese Faͤrbung durch die Beruͤhrung
desoxydirender Koͤrper zerstoͤrt wird. Durch
Erhizen gerinnt die eiweißartige Substanz nur
unvollstaͤndig; auch benuzt man immer den Kalk, um ihre
Abscheidung zu erleichtern. In der Kaͤlte wirkt der Kalk
kaum; beim Erhizen aber entsteht leicht eine Gerinnung durch die
Verbindung der eiweißartigen Substanz mit diesem Alkali. Der
Schaum und der Saz in den Laͤuterungskesseln bestehen
fast ganz aus dieser, mit freiem Kalk vermengten Verbindung. Ich
sage, fast ganz, denn der Runkelruͤbensaft
enthaͤlt eine freie Saͤure, von welcher vielleicht
ein unaufloͤsliches Salz in dem Saz vorkommt.
Wenn die Laͤuterung gehoͤrig geleitet wurde, ist
alle stikstoffhaltige Substanz niedergeschlagen, so daß sich der
Saft an der Luft nicht mehr faͤrbt und lange Zeit
aufbewahrt werden kann: ich habe davon eine Flasche, die mit
einem Korkstoͤpsel verschlossen war, uͤber sechs
Monate aufbewahrt, ohne daß er eine Veraͤnderung zeigte;
Geruch, Farbe und Geschmak desselben blieben sich ganz
gleich.
Da die stikstoffhaltige Substanz, welche durch die
Laͤuterung aus dem Runkelruͤbensaft abgeschieden
wird, in Alkohol unaufloͤslich ist und durch denselben
zum Gerinnen gebracht wird, so koͤnnte man glauben, daß
sich diese Eigenschaft desselben benuzen ließe, um sich zu
uͤberzeugen, ob die Laͤuterung vollstaͤndig
bewirkt wurde, indem man naͤmlich den gelaͤuterten
Saft mit einer hinreichenden Menge Alkohol vermischen
wuͤrde, um zu sehen, ob noch ein Niederschlag darin
entsteht; diese Reaction waͤre aber truͤgerisch,
denn der Alkohol verursacht auch in vollstaͤndig
gelaͤutertem Safte noch einen Niederschlag, weil derselbe
immer eine gewisse Menge milchsauren Kalk enthaͤlt, der
in Alkohol ebenfalls unaufloͤslich ist. Man kann jedoch
leicht erfahren, ob die Laͤuterung gut bewerkstelligt
wurde, denn der Niederschlag faͤrbt sich, wenn er noch
eiweißartige Substanz enthaͤlt, an der Luft braun oder
gruͤnlichschwarz, waͤhrend er farblos bleibt, wenn
er nur milchsauren Kalk enthaͤlt; auch liefert dieser
Niederschlag, wenn er Eiweiß enthaͤlt, in einer
Glasroͤhre mit Aezkalk gegluͤht, Ammoniak.
So sorgfaͤltig man auch bei der Laͤuterung
verfahren mag, so verbindet sich doch immer ein Theil des Zukers
mit dem Kalk. Diese Verbindung bildet sich in groͤßerer
oder geringerer Menge, je nach der Dauer der Beruͤhrung
und des Siedens des Saftes mit dem Kalk; diese Dauer muß daher
so viel als moͤglich beschraͤnkt werden. Die
klebrige Verbindung von Zuker mit Kalk ist bei den folgenden
Operationen sehr schaͤdlich, besonders bei dem Verkochen.
Hr. Daniel glaubte, daß in dieser
Verbindung der Zuker veraͤndert ist und sich in derselben
kohlensaurer Kalk auf Kosten der Bestandtheile des Zukers
bildet, aber diese Meinung, welche unlaͤngst von Hrn. Pelouze bestritten wurde, ist heut zu
Tage nicht mehr zulaͤssig.
Da das Auskrystallisiren von kohlensaurem Kalk nur in
Beruͤhrung mit der Luft und durch die Absorption von
Kohlensaͤure Statt findet, so kann man
gelaͤuterten Runkelruͤbensaft lange Zeit in
verschlossenen Gefaͤßen aufbewahren, ohne daß darin
kohlensaurer Kalk krystallisirt. Wird hingegen dieser Saft nur
24 Stunden lang in kleinen Portionen der Luft ausgesezt, so
scheidet sich der groͤßte Theil des Kalkes daraus ab.
Da man durch die Anwendung einer sehr großen Quantitaͤt
Kohle bei der Zukerfabrikation den Kalk abzuscheiden
beabsichtigt, so glaubte ich, daß sich die Arbeiten in den
Runkelruͤben-Zukerfabriken betraͤchtlich
beschleunigen ließen, wenn man den Kalk durch ein schneller zum
Ziele fuͤhrendes und dabei wohlfeileres Verfahren
beseitigen koͤnnte.
Durch einen Gallapfelabsud kann man den Kalk sehr gut abscheiden;
der entstehende Niederschlag ist aber sehr voluminoͤs und
uͤberschuͤssiges Gallaͤpfelextract
loͤst einen Theil desselben wieder auf; alsdann bleibt
die Fluͤssigkeit truͤb und faͤrbt sich
blau.
Kleesaures Ammoniak wuͤrde den Kalk vollstaͤndig
niederschlagen, wenn es ungeachtet seines hohen Preises
vortheilhaft angewandt werden koͤnnte; da ich aber von
demselben fuͤr die Praxis kein vortheilhaftes Resultat zu
erhalten hoffte, so stellte ich mit Kohlensaͤure Versuche
im Kleinen an, nach welchen man allerdings glauben sollte, daß
sie bei der Zukerfabrikation eine nuͤzliche Anwendung
zuließe.
Wenn man kohlensaures Gas durch gelaͤuterten
Runkelruͤbensaft stroͤmen laͤßt, so zeigt
sich in der Kaͤlte keine auffallende Wirkung, in der
Waͤrme aber bildet sich sogleich ein reichlicher
Niederschlag von kohlensaurem Kalk. Durch kohlensaures Gas kann
man den Kalk zwar nicht so genau wie durch kleesaures Ammoniak
abscheiden, ich glaube aber, daß die Quantitaͤt Kalk,
welche nach der Einwirkung der Kohlensaͤure in dem Saft
noch zuruͤkbleibt, bei den folgenden Arbeiten keinen
Einfluß mehr hat und daß man dann zur Entfaͤrbung des
Zukers keine so große Menge thierischer Kohle wie
gewoͤhnlich, mehr anzuwenden braucht. Ich bin
uͤberzeugt, daß wenn man im Großen Versuche anstellte, um
nach diesem Verfahren den Kalk aus dem Runkelruͤbensaft,
wenn er aus dem Laͤuterungskessel kommt, abzuscheiden,
dieselben von gluͤklichen Resultaten gekroͤnt
wuͤrden. Die Kohlensaͤure koͤnnte
uͤbrigens auf verschiedene Art mit dem Saft in
Beruͤhrung gebracht werden.
Wollte man die Kohlensaͤure durch Zersezung der Kreide
bereiten; so koͤnnte man das Gas, nachdem es durch ein
kohlensaures Alkali von jeder fremdartigen Saͤure
gereinigt wurde, in einen kleinen Gasometer, wie sie zum
Leuchtgas angewandt werden, und von diesem aus mittelst einer
Roͤhre, die mit einem Hahn und an ihrem Ende mit kleinen
Loͤchern versehen ist, durch den noch heißen
gelaͤuterten Saft leiten; der bloße Druk, welchem das Gas
in dem Gasometer ausgesezt ist, wuͤrde hinreichen, es
durch den Saft zu treiben. Das Ende der durchloͤcherten
Roͤhre koͤnnte, um das Gas mehr zu zertheilen,
nach Art der Taylor'schen Roͤste eingerichtet seyn; die
Loͤcher wuͤrden dann auf der unteren
Flaͤche des Rostes angebracht.
Wollte man das kohlensaure Gas durch Verbrennung der Holzkohle
bereiten, so waͤre es am wohlfeilsten, dasselbe mit der
Fluͤssigkeit in Beruͤhrung zu bringen,
waͤhrend dieselbe in einen absorbirenden Wasserfall
zertheilt ist. Wenn die localen Verhaͤltnisse dieses Verfahren nicht gestatteten, oder dasselbe nicht als
zwekmaͤßig erachtet wuͤrde, koͤnnte man
sich des Apparates bedienen, womit man in einigen Fabriken die
Luft in den Syrup waͤhrend des Verkochens desselben
einblaͤst; das durch Verbrennung der Holzkohle bereitete
Gas wuͤrde sich vom Herde aus in einen Behaͤlter
und von da aus durch wollene Saͤke begeben, die fein
genug seyn muͤßten, um die Asche und alle fremdartigen
Substanzen aufzuhalten; endlich wuͤrde es mittelst eines
Geblaͤses in den Kessel geleitet. Bei dieser Methode
wuͤrde nicht nur der Kalk abgeschieden, sondern auch das
Abdampfen beschleunigt werden, besonders wenn man das Gas durch
erhizte Roͤhren circuliren ließe, ehe es in den Kessel
dringt und uͤbrigens die Einrichtungen beibehielte,
welche zum Einblasen der Luft in den verkochenden Syrup von Hrn.
Peuvion getroffen wurden.Wir werden in einem der naͤchsten Hefte eine
Beschreibung und Abbildung eines solchen Apparates
mittheilen. A. d. R.
Diese Verfahrungsarten scheinen mir keine großen Schwierigkeiten
darzubieten, da ich aber noch nicht Gelegenheit hatte, sie in
Fabriken im Großen zu versuchen, so bin ich nicht im Stande
einen tauglichen Apparat mit allen Einzelnheiten anzugeben.
Uebrigens glaubte ich die Aufmerksamkeit der Zukerfabrikanten
ohne Verzug auf eine Frage lenken zu muͤssen, welche
fuͤr ihren Industriezweig die wichtigsten Resultate
herbeifuͤhren kann.