Titel: | Bericht der HHrn. Moignon, Godart, Desmarest und Dagonet über den praktischen Theil der Abhandlung des Hrn. François, betreffend das Schmer der Weine. |
Fundstelle: | Band 41, Jahrgang 1831, Nr. LXX., S. 283 |
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LXX.
Bericht der HHrn. Moignon, Godart, Desmarest und Dagonet uͤber den praktischen Theil der
Abhandlung des Hrn. François, betreffend das Schmer der Weine.
Der Société d'Agriculture
du département de la Marne erstattet. Aus dem Agriculteur-Manufacturier Bd.i. S. 298.
François, uͤber das Entschmeren der
Weine.
Die Commission, welche mit einer Untersuchung der Abhandlung des Hrn. François uͤber die
Ursache des Schmers im Weine und uͤber ein Mittel demselben vorzubeugen oder
es zu zerstoͤren,Wir haben sie im polyt. Journ. Bd. XXXVI.
S. 289. mitgetheilt. A. d. R. beauftragt war, konnte ihre Aufgabe in dem ersten Berichte, welchen sie am
2. Jan. 1831 erstattete, nur unvollstaͤndig loͤsen. Diese Krankheit
der Weine, welche man das Schmer nennt, muß einer Substanz zugeschrieben werden, die
in dem Alkohol, wo nicht vollkommen aufgeloͤst, doch suspendirt ist, und
daraus leicht durch einen Pflanzenstoff gefaͤllt wird, welcher sich reichlich
in den rindenartigen Theilen der Pflanzen, besonders der Trauben und
vorzuͤglich der schwarzen Trauben vorfindet; da dieser Pflanzenstoff sich von
Natur in dem Weine befindet, so kann seine Anwendung durchaus keine nachtheiligen
Folgen haben, zu
welcher Zeit man ihn auch bei den Manipulationen benuzen mag, welche unsere
mussirenden Weine erheischen. Wir erklaͤrten uns ganz einverstanden mit den
theoretischen Ansichten des Hrn. François und mit dem Erfolg, welchen er sich von der
Anwendung des Gerbestoffs bei Behandlung der Weine im Großen verspricht, verhehlten
aber der Gesellschaft keineswegs, daß sich unsere Ansicht bloß auf Versuche, welche
im Kleinen angestellt wurden, stuͤzt. Entscheidende Folgerungen kann man
jedoch bloß aus solchen Versuchen, welche in großem Maßstabe vorgenommen und
haͤufig wiederholt werden, ableiten.
Die Commission stellte daher einen Versuch im Großen an, um spinnende Weine (vins filans) wieder herzustellen. Unter
fuͤnfzehnhundert Flaschen, welche diese Krankheit zeigten, waͤhlte man
hundert aus. Dieser Wein war seit einem Jahre bearbeitet worden und einer der
spinnendsten, welche uns je vorkamen. Die hundert Flaschen wurden den 20. Januar auf
die Tafel gestellt und den 5. Februar geoͤffnet; an diesem Tage brachte man
in fuͤnfzig derselben (in jede) ein Hundertel (ein Procent)
Gerbestoffaufloͤsung, nach dem Verfahren des Hrn. François bereitet und in die
fuͤnfzig uͤbrigen anderthalb Hundertel. Unmittelbar darauf goß man
noch in jede Flasche ein halbes Hundertel Fischleimaufloͤsung; dieses halbe
Hundertel enthielt einen Viertels Gran Fischleim, wovon also vierundzwanzig Gran auf
die hundert Flaschen verwandt wurden. Jede Flasche wurde hierauf
zugestoͤpselt, gebunden und gelegt, nachdem sie stark geschuͤttelt
worden war, um den Leim vollkommen zu vermischen, welcher ohne diese Vorsicht beim
Schoͤnen in den Flaschen sich in Klumpen vereinigt und die Klaͤrung
nicht vollstaͤndig bewirkt. Der Wein kam den 25. Februar wieder auf die
Tafel: den 8 Maͤrz war er in solchem Zustande, daß er wieder geoͤffnet
werden konnte. Von den fuͤnfzig Flaschen, welche man mit einem Hundertel
Gerbestoffaufloͤsung versezt hatte, waren nur zehn nicht vollkommen
entschmert; unter den fuͤnfzig Flaschen hingegen, welche mit anderthalb
Hundertel versezt wurden, fanden sich nur drei, worin der Wein noch schwer (pesant) war. Jene dreizehn Flaschen wurden mit einer
neuen Quantitaͤt (einem halben Hundertel) Gerbestoff behandelt. Als man sie
nach fuͤnfzehn Tagen untersuchte, waren sie eben so vollkommen entschmert wie
diejenigen, welche auf den ersten Zusaz hergestellt waren.
Obgleich diese Versuche keinen Zweifel mehr uͤbrig lassen, daß man durch
Gerbestoff die Weine entschmeren kann (was auch durch die Resultate
bestaͤtigt wird, welche sehr angesehene Kaufleute bei Anwendung des
Verfahrens des Hrn. François erhielten), so bleiben doch noch mehrere
Einwuͤrfe zu untersuchen uͤbrig. Die Gaͤhrung, welche in den Flaschen
fortfaͤhrt, wird durch mehrere Umstaͤnde modificirt; alle kann man
nicht leicht auffinden, einige aber haͤngen von dem Augenblike ab, wo man den
Wein in die Flaschen bringt, von der Dike des Glases, welches die
Fluͤssigkeit aufnimmt, von der Stelle, wo der Wein im Keller aufbewahrt wird,
und von der Richtung des Luftstromes, welcher manche Flasche fruͤher als
andere treffen kann; endlich vielleicht auch von einem Unterschied im specifischen
Gewicht des Weines in dem Augenblike, wo man ihn aus dem Fasse abzieht, so daß
derjenige, welcher den oberen Theil des Fasses einnahm, von gewissen Producten der
Gaͤhrung weniger enthaͤlt als derjenige vom unteren Theil des Fasses.
Wegen dieser Umstaͤnde und weil in den Flaschen selbst wieder eine
Gaͤhrung Statt findet, koͤnnen sie nicht alle eine gleich große
Quantitaͤt Glaiadin enthalten, welcher Substanz das Schmer der Weine
zugeschrieben werden muß; es werden folglich auch verschiedene Quantitaͤten
von Gerbestoff erforderlich seyn, um das Glaiadin niederzuschlagen. Wendet man nicht
genug Gerbestoff an, so muß noch Glaiadin in dem Wein zuruͤkbleiben; dieses
laͤßt sich aber, wie wir bei obigem Versuche sahen, durch einen weiteren
Zusaz von Gerbestoff leicht beseitigen; wird hingegen uͤberschuͤssiger
Gerbestoff zugesezt, so erhaͤlt der Wein einen unangenehmen Geschmak. Es
muͤßte daher ein Mittel ausfindig gemacht werden, um allen
zuruͤkgebliebenen Gerbestoff niederzuschlagen, nachdem der Wein wieder troken
geworden ist. Hr. François hielft sich hiebei auf eine sehr einfache Weise,
indem er nach dem Zusaz der geeigneten Menge Gerbestoff noch etwas Fischleim
beisezt. Die Gallerte, welche der Hauptbestandtheil des Fischleimes ist,
schlaͤgt den Gerbestoff nieder, hat jedoch weniger Verwandtschaft zu
demselben als das Glaiadin. Wir besorgten Anfangs, daß der Leim, wenn man ihn
zugleich mit dem Gerbestoff zusezt, die Wirkung dieses lezteren auf das Schmer
verhindern moͤchte; unsere Besorgnisse waren jedoch ungegruͤndet,
indem die Operation bei obigem Versuche allen nur wuͤnschbaren Erfolg
hatte.
Wir duͤrfen indessen nicht verhehlen, daß beim ersten Oeffnen der Flaschen der
Wein, obgleich vollkommen entschmert, nicht diejenige Klarheit besaß, welche
erforderlich ist, wenn man ihn versenden und als Kaufmannsgut betrachten soll. Die
angewandte Gerbestoffaufloͤsung hatte ihm außerdem eine braͤunliche
Farbe ertheilt. Wir sezten daher jeder Flasche noch einen Viertels Gran Leim zu und
legten den Wein nach diesem zweiten Schoͤnen um. Nach Verlauf eines Monates
wurde er wieder auf die Tafel gebracht und acht Tage lang geschuͤttelt;
hiedurch war jedoch der groͤßere Theil noch nicht hinreichend klar geworden.
Wir mußten daher durch einige Proben die Quantitaͤt Leim ausmitteln, welche
definitiv erforderlich ist. Man nahm zwei Flaschen und filtrirte den Wein, welchen sie
enthielten; er war nun ganz klar; man sezte dem Weine von jeder Flasche einen halben
Gran Leim zu: er truͤbte sich bald; nach vierundzwanzig Stunden war er wieder
klar und es hatte sich ein betraͤchtlicher sehr rother Niederschlag gebildet.
Man filtrirte neuerdings und sezte noch einen halben Gran Leim auf die Flasche zu:
das Resultat war dasselbe wie am vorhergehenden Tage, aber der Niederschlag bei
weitem nicht so betraͤchtlich: eine neue Dosis Leim machte ihn nicht mehr
truͤber. Er wurde nun zum dritten Mal filtrirt; es zeigte sich jedoch nach
mehreren Tagen kein bemerklicher Niederschlag, woraus wir schließen duͤrfen,
daß der uͤberschuͤssige Gerbestoff, welcher allein die Truͤbung
des Weins verursachte, durch den Fischleim vollkommen ausgefaͤllt wurde.
Nach diesem Versuche brachten wir in jede der achtundneunzig Flaschen einen Gran Leim
und legten sie acht Tage lang um; obgleich streng genommen, ein Monat zur
vollstaͤndigen Klaͤrung erforderlich gewesen waͤre, so hatte
sich doch schon nach Verlauf einer Woche eine reichliche Menge eines rothen,
schweren Niederschlages gebildet; als man nun die Flaschen zum lezten Mal
oͤffnete, war der Wein so klar wie man es nur wuͤnschen konnte.
Es ist also unmoͤglich, genau die Quantitaͤt Gerbestoff zu bestimmen,
welche erforderlich ist, um einen mehr oder weniger kranken Wein zu entschmeren.
Nachdem man den Wein auf gewoͤhnliche Weise von seinem Saz abgesondert und
vorgerichtet hat, gießt man in jede Flasche ein Hundertel
Gerbestoffaufloͤsung, welche nach dem Verfahren des Hrn. François bereitet ist; jede
FlascheDie Flaschen, von welchen hier die Rede ist, fassen zwei Pfund Wasser. A. d.
R. von der Aufloͤsung muß drei Unzen Gerbestoff enthalten. Um die
Operationen nicht zu vervielfaͤltigen, kann man zugleich auch die
Weinschoͤne (Leimanfloͤsung) zusezen; man nimmt ein Quentchen Leim auf
hundert und funfzig Flaschen. Nachdem die Flaschen verkorkt und gebunden sind,
schuͤttelt man sie oͤfters stark und legt sie dann nieder. Einen Monat
spaͤter wird der Wein in solchem Zustande seyn, daß man die Flaschen wieder
oͤffnen kann. Diejenigen Flaschen, welche sich schwer zeigen, erhalten ein
halbes Hundertel Gerbestoffaufloͤsung; alle aber bekommen nochmals eine
Schoͤnung, wozu man ein Quentchen Leim auf fuͤnfundsiebenzig Flaschen
nimmt.
Durch diese zweite Schoͤnung wird nicht nur der allenfalls vorhandene
uͤberschuͤssige Gerbestoff beseitigt, sondern der Wein wird auch
außerordentlich klar und verliert die schwache braͤunliche Farbe,
woruͤber sich
mehrere Kellner beklagten, als sie das Verfahren des Hrn. François, so wie es Anfangs von ihm
angegeben wurde, befolgten. Seitdem gelang es Hrn. François diesen Uebelstand dadurch zu
beseitigen, daß er den Gerbestoff, welcher aus einer kalten Infusion von
Gallaͤpfeln mit kohlensaurem Kali niedergeschlagen wird, oͤfters
aussuͤßte; jedenfalls thut man aber gut zwei Mal Fischleim anzuwenden, weil
man in diesem Falle ganz sicher ist, daß der Wein nicht braͤunlich
gefaͤrbt bleibt.
Es entging Hrn. François
nicht, daß die gewoͤhnliche Methode den Fischleim in kaltem Wasser
aufzuloͤsen, mangelhaft ist. Da die Gallerte in kaltem Wasser wenig
aufloͤslich ist, so geht bei dem besten Fischleim fast die Haͤlfte
verloren und selbst in der Masse, welche durch das Sieb getrieben wurde, ist ein
Theil des Leims nur suspendirt. Viel einfacher und zwekmaͤßiger ist es, den
Leim in der Waͤrme aufzuloͤsen; man verfaͤhrt dabei folgender
Maßen. Man weicht den Fischleim, welchen man anwenden will, in der bestimmten
Quantitaͤt Wasser ein, und zwar in kaltem, wenn er in Blaͤttern, in
warmem, wenn er in langen Buͤgeln genommen wird. Nachdem er ungefaͤhr
fuͤnf Stunden lang eingetaucht war, wird er so weich seyn, daß man ihn leicht
mit einer Schere verschneiden kann; man kocht ihn dann in der angewandten
Fluͤssigkeit fuͤnf bis sechs Minuten lang und seiht sie hierauf durch
feine Leinewand: das auf der Leinewand Zuruͤkbleibende wird noch in halb so
viel Wasser als man Anfangs anwandte, gekocht. Die Fluͤssigkeit wird
neuerdings durchgeseiht und sodann die beiden Aufloͤsungen zusammengegossen;
soll die Aufloͤsung vor ihrer Anwendung laͤngere Zeit aufbewahrt
werden, so sezt man ihr die noͤthige Menge Wein zu.
In Faͤssern kann man die spinnenden Weine noch viel leichter als in Flaschen
behandeln. Man braucht bloß in ein Faß Wein, welches schmerig geworden oder geneigt
ist schmerig zu werden, zwei Flaschen Gerbestoffaufloͤsung zu gießen,
unmittelbar nach dem Abziehen uͤber die erste Schoͤnung. Man macht auf
der Stelle eine zweite Schoͤnung mit drei Quentchen Fischleim und zieht den
Wein nach fuͤnfzehn Tagen in Flaschen ab.
Daß man durch Gerbestoff dem Schmer im Weine vorbeugen kann, beweisen folgende
Thatsachen, welche uns Hr. François mittheilte. Fuͤnftausend Flaschen wurden im
Keller im Fruͤhling von 1828 abgezogen, zeigten im Junius eine auffallende
Neigung schmerig zu werden und mussirten nur sehr schwach. Viertausend davon
behandelte man mit Gerbestoff, Leim und ein wenig Zuker; der Wein wurde mussirend
und schnell troken. Die tausend Flaschen, in welche kein Gerbestoff gebracht wurde,
blieben schwer und mussirten nicht.
Im Jahre 1830 brachte man diese tausend Flaschen mit dreitausend anderen von 1825,
welche ebenfalls schwer blieben, und einem Drittel Wein von 1829 auf Faͤsser.
Ehe man ihn abzog, erhielt jedes Faß anderthalb Flaschen Gerbestoffaufloͤsung
nebst der gehoͤrigen Menge Leim: nur ein Faß wurde der Vergleichung wegen
ohne vorlaͤufige Behandlung mit Gerbestoff und Leim besonders auf Flaschen
abgezogen. Der Wein von allen Faͤssern mit Ausnahme des lezteren, welches
auffallend schmerigen Wein enthielt, war gut.
Aus dem Vorhergehenden ersieht man, daß die Kaufleute und Oekonomen aus der Anwendung
des Gerbestoffes beim Zugutmachen der schmerigen Weine große Vortheile ziehen
koͤnnen. Diese Veraͤnderung des Weins stellt sich jedoch nur
zufaͤlliger Weise ein und unsere Kellner wissen die Fluͤssigkeit,
welche sie behandeln, besonders hinsichtlich ihrer aͤußeren Eigenschaften
(unter denen die Klarheit die wichtigste ist), durch einige Operationen, welche sie
vor dem Abziehen vornehmen, so zu reinigen, daß der Wein in den meisten
Faͤllen, besonders wenn er keine sehr große Anlage zum Schmerigwerden hat,
von dieser Krankheit verschont bleibt. Aber jene Klarheit, die schaͤzbarste
Eigenschaft, ist auch sehr schwer zu erlangen; der Wein bleibt in den Flaschen oft
ein wenig undurchsichtig, was unsere Kellner das Weiß
nennen und alle ihre Bemuͤhungen die Substanz, welche dasselbe verursacht, in
den Bodensaz zu ziehen, sind vergeblich. Nach Hrn. François ist diese Substanz etwas
Glaiadin, welches entweder in freiem Zustande vorhanden oder mit Kohlensaͤure
verbunden ist, und er empfiehlt den Gerbestoff als ein sicheres
Klaͤrungsmittel bei der gewoͤhnlichen Behandlung der mussirenden
Weine; die Commission hat in dieser Hinsicht selbst keine Versuche angestellt, aber
die Mittheilungen, welche ihr mehrere Kaufleute machten, sind der Meinung des Hrn.
François sehr
guͤnstig.
Mit den troknen Weinen, welche sehr schwer zu behandeln sind, verfaͤhrt man
auf folgende Art. Eine Flasche Gerbestoffaufloͤsung wird der
Fluͤssigkeit zugesezt, welche erforderlich ist, um fuͤnfhundert
Flaschen zu schoͤnen: dem mit Gerbestoff versezten Wein wird sodann noch ein
halbes Hundertel Fischleim beigemischt, welcher auf angegebene Weise
aufgeloͤst wurde; bei dieser Operation werden also nur drei und ein halber
Gran Gerbestoff auf die Flasche kommen. Ein halber Gran Leim wird hinreichen, um die
Klaͤrung des Weins zu vollenden und den Gerbestoff auszufaͤllen,
welcher durch das Weiß nicht neutralisirt worden ist.
Viele Kellner sezen den Weinen, die sich sehr schwer klaͤren lassen, außer
Fischleim noch andere Substanzen zu, welche sie am besten durch Gerbestoff ersezen
koͤnnen; es ist um so mehr zu wuͤnschen, daß sie dieses thun, da die
meisten dieser Substanzen der Gesundheit nachtheilig sind; unter die
schaͤdlichsten gehoͤrt der Alaun, welcher in der That die
Klaͤrung des Weins sehr gut zu bewirken scheint und daher leider! oft
angewandt wird.