Titel: Ueber die wahre Methode der Bereitung des Sauerteiges zu dem berühmten Debrecziner Weizenbrote.
Autor: Georg Karl Rumy
Fundstelle: Band 36, Jahrgang 1830, Nr. XCIV., S. 465
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XCIV. Ueber die wahre Methode der Bereitung des Sauerteiges zu dem beruͤhmten Debrecziner Weizenbrote.271) Eingesendet von Dr. Georg Karl Rumy, Rumy, uͤber Bereitung des Debrecziner Sauerteiges. Professor der ungarischen Rechte und Custos der Primatial-Bibliothek zu Gran in Ungarn, ehemals Professor der Oekonomie, Guͤterverwaltungslehre, Technologie, Chemie, Physiologie und oͤkonomisch-technologischen Naturgeschichte in dem landwirthschaftlichen Institute Georgikon zu Keßthely in Ungarn. An den Herausgeber des polytechnischen Journales. Ew. Wohlgeboren wuͤnschen in Ihrem, auch in meinem Vaterlande nach Verdienst geschaͤzten, wahrhaft gemeinnuͤzigen polytechnischem Journal, Januar 1830. S. 66., bei Gelegenheit der Mittheilung uͤber die Bereitung des ganz eigenthuͤmlichen Ferments zu dem beruͤhmten Debrecziner Weizenbrote aus dem Industriel belge, dem Journal des connaissances usuelles und dem Bulletin des sciences technologiques (Ihre Mittheilung wurde auch in ungarische Zeitschriften, namentlich in die Ofner gemeinnuͤzigen Blaͤtter, in die Ofner Handlungszeitung fuͤr Ungarn Nr. 15. und in die Pesther Biene Nr. 13., und zwar mit Angabe der Quelle, aufgenommen), „daß irgend ein achtbarer Buͤrger des ungarischen Athen (fuͤr welches Debreczin mit Recht gilt, denn es sind und waren an dem dortigen Lyceum272) immer ausgezeichnete Gelehrte) eine bessere und die wahre Methode angeben moͤchte, nach welcher der Sauerteig zu dem koͤstlichen Debrecziner Brote bereitet wird,“ und fuͤgen sehr schmeichelhaft273) (aber zugleich mit vollem Rechte) fuͤr mein Vaterland und meine Landsleute hinzu: „die europaͤische Industrie koͤnnte noch manches aus der ungarischen lernen, die man, so wie das edle ungarische Volk selbst, in Europa noch zu wenig kennt, und nicht nach voller Wuͤrde zu schaͤzen weiß.“ (Leider!)274) – Ich hoffte bisher, daß einer der Buͤrger dieses „ungarischen Athens“ 276), namentlich ein Professor des dasigen reformirten Collegiums (vor allen der Professor der Mathematik und Physik, Paul Sárvári, oder der Professor der Naturgeschichte, Chemie und Technologie, Franz Kerekes, oder der Professor der Statistik, Politik und Philosophie, Daniel Ertsei, saͤmmtlich gruͤndliche Gelehrte und von mir geschaͤzte Freunde), Ihrem Wunsch und Ihrer Aufforderung entsprechen wuͤrde, zumal da Ihre Aufforderung in drei ungarischen Zeitschriften abgedrukt wurde, wenn auch vielleicht das polytechnische Journal nicht in Debreczin gelesen werden sollte: da jedoch bisher aus Debreczin keine Antwort weder im polytechnischen Journale, noch in einer ungarischen Zeitschrift erfolgte, so habe ich mich entschlossen, Ihren gerechten Wunsch zu erfuͤllen, und glaube dazu berufen zu seyn, indem ich zwar kein Buͤrger des „ungarischen Athen's“ bin, wohl aber vor 30 Jahren, in dem Schuljahre 1799/1800 in dem beruͤhmten und bluͤhenden Debrecziner Athenaͤum, dem dasigen reformirten Collegium, ehe ich mich auf die Goͤttinger Universitaͤt verfuͤgte, die griechische, roͤmische, hebraͤische, franzoͤsische und magyarische Philologie und Literatur studierte,279) uͤber neun Monate taͤglich Debrecziner Weizenbrot aß, auch mich an Ort und Stelle um die Art der Bereitung des Debrecziner Ferments zu dem schoͤnen großen Weizenbrote erkundigte, aus welcher meines Wissens die Debrecziner Hausfrauen und Baͤkerinnen (denn das große schoͤne Debrecziner Weizenbrot wird nur von weiblichen Haͤnden, nicht von Baͤkern gebaken) kein Geheimniß machen.280) Die mir bekannt gewordene wahre Methode, das Debrecziner Ferment zu bereiten, die in manchen, zum Theil wesentlichen Stuͤken von der in den franzoͤsischen Journalen und in dem polytechnischen Journal angegebenen Methode abweicht, ist folgende. Man nimmt 1/4 Preßburger Mezen281) Weizenkleien (buzakorpa) und vermischt sie wohl mit einer Pinte (einem Maaß, oder zwei ungarischen Halben, ieze) Hopfen (Komló).283) Dann loͤst man eine kleine Quantitaͤt gewoͤhnlichen Sauerteig (Kovász)284) warmem Wasser auf, gießt diese Aufloͤsung uͤber die mit dem Hopfen gemischten Weizenkleien und knetet diese Masse so, wie der Brotteig geknetet wird. Die geknetete Masse laͤßt man an einem temperirten Orte zwei Stunden lang285) stehen, waͤhrend welcher Zeit sie in Waͤhrung uͤbergeht. Dann bildet man aus dieser fermentirten Masse Kugeln oder Kloͤse (gombócz), welche man in frischen Kleien umherwaͤlzt, damit sie nicht an einander haͤngen,286) und legt sie dann uͤber ein Sieb oder uͤber eine ausgespannte Leinwand,287) um sie im Sommer in der warmen Luft im Freien, im Winter in der Nahe des warmen Ofens zu troknen.288) Wenn die Ferment-Kugeln oder Kloͤse von außen genug getroknet sind, so zerbricht man sie in 4 bis 6 Fragmente, damit sie auch inwendig ganz austroknen.289) Nachdem sie vollkommen getroknet sind, legt man sie in Saͤkchen290) und haͤngt diese an einem trokenen Orte auf, wo man sie ein ganzes Jahr lang291) zum Gebrauch aufbewahren kann. Die Anwendung dieses Sauerteiges zu den großen Debrecziner Brotlaiben von 1 1/2 Kubikfuß und daruͤber ist in den franzoͤsischen Journalen und im polytechnischen Journal richtig und umstaͤndlich genug angegeben: nur haͤtte bemerkt werden sollen, daß man zu Debreczin die Bakoͤfen nicht mit Holz (woran Debreczin bekanntlich Mangel leidet), sondern mit Stroh, Rohr oder getroknetem Rindermist (nach orientalischer Weise) heizt, wodurch ohne Zweifel sicherer der noͤthige gleichfoͤrmige Waͤrmegrad erreicht wird, als wenn man mit Holz heizen wuͤrde. Uebrigens wird in Ungarn nicht bloß zu Debreczin mit einem solchen Ferment so schoͤnes großes Weizenbrot gebaken, sondern auch zu Mischkolcz, Rimaszombat, Komorn, Raab, und zu Scharnowitz (Zsarnova, Žarnovicza)292) in dem Barscher Comitat.293) Ich zweifle nicht, daß man auch in Deutschland und Frankreich mit Ferment nach Debrecziner Art und durch gleiche Anwendung desselben beim Baken, eben so schoͤnes und schmakhaftes Weizenbrot baten konnte, wenn man (dieß ist conditio sine qua non) eben so guten Weizen, wie der ungarische (besonders der Banaler) ist, dazu nehmen wuͤrde, welchen man ja, im Nothfall, leicht aus Ungarn beziehen koͤnnte. Das weiche Wasser zu Debreczin scheint keinen besondern Einfluß auf die gute Qualitaͤt des Weizenbrotes zu haben, da es auch an andern Orten, da wo hartes Wasser ist, eben so gut geraͤth. Die unzuͤnftigen Baͤkerinnen zu Debreczin, Mischkolcz u.s.w. verdienen aber nicht bloß wegen der Schmakhaftigkeit ihres schoͤnen Brotes belobt zu werden, sondern auch deßwegen, weil sie ihre großen Brotlaibe von 1 1/2 Kubikfuß und daruͤber durchaus gehoͤrig und vollkommen auszuhaken verstehen, was den zuͤnftigen Baͤkern so oft bei kleinen Brotlaiben mißlingt.294) Gran, am 22. Mai 1830.