Titel: | Ueber die Ursache, welche das sogenannte Schmer (graisse) im Weine erzeugt, und über die Mittel, demselben vorzubeugen und dasselbe verschwinden zu machen. Von Hrn. François, Apotheker zu Chalons-sur-Marne. |
Fundstelle: | Band 36, Jahrgang 1830, Nr. LXVIII., S. 289 |
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LXVIII.
Ueber die Ursache, welche das sogenannte Schmer (graisse)Der Leser wird im Verlaufe dieser Abhandlung sehr bald wahrnehmen, daß es sich
hier vorzuͤglich um Bereitung des Champagners handelt. Das, was den Champagner hindert, gehoͤrig zu
schaͤumen, nennt man in der Champagne das Schmer, und dieses Schmer ist es auch, was diejenigen, die nicht
wissen, wie man den Most waͤhrend der Gaͤhrung behandeln muß, wenn
er Champagner geben soll, hindert, aus unseren deutschen Weinen Champagner zu
bereiten. Wenn die armen, aber guten, Einwohner der Champagne ihren Most so behandelten, wie die Einwohner Burgunds ihren Burgunder Most, oder die Bewohner
Languedocs ihren Lunel und Frontignan etc., so wuͤrden sie sicher keinen Tropfen.
Champagner außer ihren Doͤrfern verkaufen. Der nicht schaͤumende
Champagner (champagne non mousseux) ist ein elendes
Ding, das wohl, wie Asmus sagt, „sieht aus
wie Wein; ist's aber nicht“ etc., und das in Deutschland keinen
Liebhaber finden wuͤrde, wenn nicht der Name Champagner das Ohr auf Kosten der Zunge betaͤubte. Die
Bereitung des Weines, aus welchem Champagner werden soll, und werden kann, (und
dieser kann aus jedem schlechten, leichten, wenig Zuker als Most, und folglich
wenig Alkohol als Wein haltenden Traubensafte werden) ist so leicht und einfach,
daß es unbegreiflich ist, wie unser gutes deutsches Vaterland dem Auslande so lang zinsbar
fuͤr ein Getraͤnk bleiben konnte, das auf seinem Boden eben so
gut, vielleicht noch besser gedeiht, als auf dm kalten, duͤrren,
kreideweißen Boden der lausigen Champagne (Champagne
pouilleuse). Wer die Traube in der Champagne gekostet hat, aus welcher
der beruͤhmte vin d'Aï, der
koͤstliche Epernay gekeltert wird, wird sie
nicht suͤßer und nicht schmakhafter gefunden haben, als die Traube am
Rheine oder am Maine. Man muß nicht vergessen, daß die Champagne die
noͤrdliche Graͤnze der Rebe im oͤstlichen Frankreich ist,
uͤber welche hinaus keine Traube mehr reif wird; daß das Klima der
Champagne, welche gegen Norden an die Ardennen graͤnzt, weit rauher und
der Rebe weit weniger guͤnstig ist, als das am Rheine und am Maine, daß
die Champagne noͤrdlicher liegt, als das suͤdliche Elsaß, dessen
Weine wohl kein Weinkenner unter die guten Weine rechnen wird; daß die
eigentliche Graͤnzlinie der besseren und der guten franzoͤsischen
Weine von Epernay nach Bourdeaux laͤuft, so daß alle Weine, die westlich
von dieser Graͤnze liegen, nur sehr geringe schlechte Weine sind, was von
der Nachbarschaft des Oceans herruͤhrt, der, wenn er auch den Winter in
jenen Gegenden milder macht, doch die Sommer in eben dem Verhaͤltnisse
kuͤhler und feuchter laͤßt, so daß keine Traube gehoͤrig
ausreifen kannWenn auch der Winter in England, ungeachtet seiner noͤrdlichen
Lage (uͤber 51° N. B.) so mild ist, daß man daselbst
Jasmin, Bignonien, Corchorus an den Waͤnden der Haͤuser
ziehen kann, so vermag doch keine Traube dort zu reifen, und das beste
Obst ist waͤsserig. Feines Obst und Trauben muͤssen in
England unter Glas gezogen werden, wenn sie ausreifen sollen. A. d.
Ue.. Wenn eine Compagnie Franzosen zu London aus englischem Aepfelmost
Champagner fabricirt, der allgemeinen Beifall findet (vergl. Polytechn. Journal
XXXIV. Bd. S. 241.), so wird man doch
auch aus dem Traubenmoste am Rheine und Maine Champagner fabriciren
koͤnnen, wenn man anders die Gaͤhrung zu leiten versteht. Einige
Koͤrbe Champagner aus Rhein-, Mosel- und Mainwein
wuͤrden dem Winzer vielleicht eben so viel tragen, als jezt ein ganzes
Fuder dieses Gurkensaftes, den nur die Schnappsbruͤder und die
Biertrinker die immer ganze Flaschen geleert haben muͤssen, wenn sie
getrunken haben wollen, fuͤr Wein erklaͤren koͤnnen, nie
aber diejenigen, die gewohnt sind hoͤchstens mit Einem Glase edlen Weines
ihren Magen zu warmen und zu staͤrken, und ihr Herz zu erfreuen. Der
Rhein- und Mainwein, der jezt so ungesund ist, und seine Freunde und
Goͤnner mit Gicht und Sand und Stein, mit Unverdaulichkeit und
Leberkrankheiten und Unterleibsbeschwerden aller Art, auch mit Kupfernasen und
Flechten aller Art so reichlich beschert; der ein halbes Jahrhundert liegen muß,
bis er seinen Weinstein dem Fasse oder der Flasche geschenkt hat; wuͤrde,
als Champagner behandelt, und frisch weggetrunken, ein gesunder und angenehmer
Trank seyn, Auch die oͤsterreichischen Weine (mit Ausnahme des einzigen
Pfaffstetters vielleicht bei Gumpoldskirchen, der Burgunderrebe ist, und in der
Nahe von Baden beinahe das Klima von Lyon hat) ließen sich alle recht gut als
Champagner behandeln; vorzuͤglich die in Oesterreich sogenannten rescheren Weine, der Brunner, Maurer, Grinzinger,
selbst noch der Kremser. Der sel. Oberst-Justizhofrath v. Froidvaux zu Wien hat schon vor 40 Jahren aus seinen
Trauben zu Grinzing und in der Gegend Champagner gekeltert, und wenn sein
geistreicher Sohn, der vor dem Vater in das Grab stieg, noch lebte, so
wuͤrde Wien vielleicht auf den Weinhuͤgeln, die es umgeben, Statt
seiner Kratzer Champagner keltern. Man machte auch in Oberungarn, wo die Weine
noch leicht sind, und wenig Alkohol enthalten, gluͤckliche Versuche mit
ChampagnerbereitungDie Versuche, welche Hr. G. C. Keßler, ein geborner Wuͤrtemberger, im J.
1826 in Eßlingen mit Trauben aus der bekannten Weingegend des Remsthales
auf mussirenden Wein machte, sind sehr gut ausgefallen. Hr. Kessler war
lange Zeit in Rheims und zulezt Mitinteressent eines mit mussirendem
Weine handelnden Hauses. Er ließ die Trauben sorgfaͤltig
auslesen, auf die in der Champagne uͤbliche Weise keltern und bis zum
Verlaufe des Weines auch ganz die dort bei der Bereitung des mussirenden
Weines stattfindende Behandlungsart anwenden. Im J. 1827 wurden an
30,000 und im J. 1828 an 50,000 Flaschen mussirender Wein gezogen, und
in der Folge sollen jaͤhrlich an 60 bis 70,000 Flaschen gezogen
werden. Vergl. Correspondenzblatt des wuͤrtembergischen
landwirthschaftlichen Vereins Bd. XV. Januar 1829. S. 26.A. d. R.. Es fehlte nur an Flaschen, die den inneren Druk des kohlensauren
Gases auszuhalten vermochten: wo man sich nicht mit Flaschen versehen kann, die,
wie die Champagner Flaschen, den Druk von ein paar Atmosphaͤren
aushalten, hat es mit der Champagnerbereitung schon vor dem ersten Anfange ein
Ende. Unsere Glashuͤtten muͤßten hier, zugleich mit unseren
Kellern, eine Reforme erleiden. Was die Champagnerbereitung aus unseren
leichten, an Weinstein- und Aepfelsaͤure reichen, an Alkohol armen
Weinen erschwert, ist die leidige Glaiadine, das Schmer, (la graisse) wie es die Bauern in der Champagne nennen: dasselbe liebe
Ding, das sich den guten Freunden und hohen Goͤnnern der Rhein-
und Mainweine so traulich auf die Zunge legt, wenn sie eine Flasche dieser edlen
Weine in sich hineingeschuͤttet haben, daß sie dasselbe am folgenden
Morgen nicht einmal mit Huͤlfe eines Walisisches (dem Fischbeine) von
ihrer Zunge loskriegen koͤnnen, wenn sie dieselbe auch noch so weit
herausstreken und noch so tief in ihr akern; dasselbe liebliche Ding, das im
Rheinweine bald wie Juften und altes Leder, bald wie eine Maus riecht. Mit
diesem Kobolt hat auch der arme Bauer in der Champagne zu kaͤmpfen, und
der Herr Apotheker François versucht hier denselben beschwoͤren zu
helfen.A. d. Ue. im Weine erzeugt, und uͤber die Mittel, demselben vorzubeugen und
dasselbe verschwinden zu machen. Von Hrn. François, Apotheker zu
Chalons-sur-Marne.
Aus dem Journal de Pharmacie. Mars 1830. S.
354.
François, uͤber die Ursache des Schmers im
Weine.
Hr. Francois stellte in einer
Abhandlung, welche er am 16. November 1828 vor der Société d'Agriculture et du Departement de Marne vorlas, als
Thatsachen auf:
1) daß das Schmer (graisse) im Weine von der Glaiadine
herruͤhrt!
2) daß er die Gegenwart dieses Grundstoffes mittelst verschiedenes chemischer
Reagentien im Weine gefunden hat;
3) daß der Wein mehr oder minder dem Schwere ausgesezt ist, je nachdem derselbe mehr
oder minder Gerbestoff enthaͤlt: eine Substanz, die in den weißen Weinen in
geringer Menge vorkommt, indem sie nicht lang auf den Kaͤmmen liegen bleiben ;
4) daß man dieser Krankheit am Weine vorbeugen, und sie mittelst Gerbestoffes heilen
koͤnnte;
5) daß der Gerbestoff in den Weinen, welche anfangen zu spinnen (vins filans) einen Niederschlag veranlaͤßt,
welche eine Verbindung des Gerbestoffes und der Glaiadine ist;
6) daß, um das Ankleben dieses Niederschlages an der Flasche zu verhindern, man
zugleich mit dem Gerbestoffe Hausenblase anwenden muͤsse, und zwar im
Verhaͤltnisse von Einem Quentchen bis zu drei auf tausend Flaschen Wein;
7) daß die Hausenblase nicht bloß den Wein klaͤrt, sondern auch den
Faͤrbestoff, der durch den Gerbestoff in denselben gebracht wird,
niederschlagen hilft;
8) daß der Gerbestoff einzeln angewendet werden muß, damit die Hausenblase denselben
nicht niederschlaͤgt, ehe er sich mit der Glaiadine verbunden hat;
9) daß die rothen Weine nicht am Schmere leiden, indem sie
waͤhrend der Gaͤhrung auf den Kaͤmmen lagenDiese Bemerkung machte auch Hofrath v. Froidvaux schon vor 40 Jahren bei
seinem Wiener Champagner.A. d. Ue., und folglich mehr Gerbestoff enthalten, als die weißen;
10) daß man bei fettem Weine 20 Gran (3 Unzen und eine halbe auf 100 Flaschen)
noͤthig hat; daß man aber diese Dosis nur dann anwenden darf, wann der Niederschlag
bereits herausgeschafft ist; denn wenn man dieselbe fruͤher zusezte,
muͤßte man mehr Gerbestoff nehmen. (Hr. François bereitet seinen Gerbestoff,
indem er die Gallaͤpfelabkochung mit basisch kohlensaurem Kali niederschlagt,
ein Verfahren, das in allen Lehrbuͤchern der Chemie beschrieben ist.)
Dieser Abhandlung, die gedrukt wurde, hat Hr. François folgende Bemerkungen und
Anweisungen beigefuͤgt.
Wenn ich den Stoff, der das Schmer im Weine veranlaͤßt, Glaiadine nenne, so
bin ich weit entfernt zu glauben, daß er in diesem Zustande schon in dem Most
vorhanden ist, so wie dieser aus der Traube kommt; ich stelle mir diesen Stoff als
Kleber enthaltend vor, welcher bekanntlich allgemein im Pflanzenreiche verbreitet
ist, wo man auch den Zukerstoff findet. Allein, so wie der Weinstein sich im
Traubensafte entwikelt, so bemaͤchtigt sich die uͤberschuͤssige
Saͤure des aufloͤslichen Theiles des Klebers (den Taddei Glaiadine nannte, so wie er den in dieser
Saͤure und in Alkohol unaufloͤslichen Theil desselben Zymom nennt), und der unaufloͤsbare Theil
desselben schlagt sich auf den Boden des Fasses nieder. Diesen lezteren betrachte
ich, mit Taddei, als die Ursache der verschiedenen
Gaͤhrungen, waͤhrend der andere Theil, der im Weine aufgeloͤst
bleibt (die Glaiadine naͤmlich), die Zersezung des Zukerstoffes hindert und
aufhaͤlt, wenn sie in demselben vorherrschend ist. Die ganze Welt weiß, daß
Weine, die eine Neigung zum Schmer haben, wenig oder gar nicht aufsteigen.
Ich will hier meine Erfahrungen umstaͤndlicher entwikeln, als es in meiner
Abhandlung nicht geschehen ist. In der Ansicht, daß es erwiesen ist, daß Glaiadine
in den Weinen vorkommt, in welchen Schmer enthalten ist, ließ ich vier Flaschen
spinnenden Weines bis zur Honigdike abrauchen. Ich troknete das erhaltene Extract in
einem Trokenofen vollkommen aus, indem ich dasselbe auf einem Teller
ausbreitete.
Auf dieses Extract ließ ich, kalt, ungefaͤhr ein Pfund Alkohol von 36°
so lang einwirken (40graͤdiger waͤre besser), bis er sich ganz
entwikelt hatte. Ich filtrirte hierauf, um alle unaufloͤsbaren Stoffe in
dieser Fluͤssigkeit abzuscheiden, unter welchen man leicht die Gegenwart des
Weinsteines und des Schleimzukers der Traube erkannte.
Die Fluͤssigkeit darf sich nicht mehr truͤben, wenn man neuerdings
Alkohol zusezt; wenn dieß geschaͤhe, muͤßte man neuerdings
filtriren.
Die vollkommen klare Fluͤssigkeit, welche blaue Pflanzenfarben
roͤthete, und dadurch anzeigte, daß sie Weinsteinsaͤure enthielt,
wurde in drei gleiche Theile getheilt.
1) In den ersten Theil goß ich ungefaͤhr zwei Quentchen
Gerbestoffaufloͤsung in Alkohol, welche einen Augenblik ehe, als sie
zugegossen wurde, filtrirt wurde. Eine Unze Alkohol von 36° loͤst nur
einige Gran mittelst des
Wassers, welches sie enthaͤlt, von demselben auf. Der Gerbestoff des Catechu
(succus Catechu, Cachou) hat allein die Eigenschaft,
in Wasser und in Alkohol aufloͤsbar zu seyn; allein dieser Gerbestoff kann
bloß schon aus diesem Grunde nicht angewendet werden, weil er die Weine sehr stark
faͤrbt.
2) In den zweiten Theil gab ich einige Tropfen Aufloͤsung von basisch
kohlensaurem Kali (1 Quentchen Salz und Eine Unze destillirten Wassers) mit der
Vorsicht spaͤter noch Wasser zuzusezen, um die basisch kohlensaure Verbindung
wieder aufzuloͤsen, die der Alkohol niederschlaͤgt.
3) durch den dritten Theil ließ ich einen Strom kohlensauren Gases durchziehen.
Auf der anderen Seite verschaffte ich mir Glaiadine aus Weizenkleber nach der hierzu
noͤthigen Verfahrungsweise, und loͤste diesen Stoff in Alkohol
auf.
Ich theilte diese Aufloͤsung der Glaiadine in Alkohol in 6 gleiche Theile, und
sezte zu drei derselben Weinstein zu. So milchicht sie auch waren, so wurden sie
durch Einwirkung dieser Saͤuren vollkommen wasserhell, und befanden sich
folglich in demselben Zustande, wie jene, die von dem Ruͤkstande, den man aus
den vier Flaschen schmierigen Weines erhielt, herruͤhrten.
Die auf die beschriebene Weise bereitete Glaiadineaufloͤsung in Alkohol wurde
dem Einfluͤsse der Reagentien ausgesezt, und die nach vier und zwanzig
Stunden erhaltenen Resultate waren, wie folgt:
Die Niederschlaͤge aus der Aufloͤsung des schmierigen Weines in
Alkohol, und jene aus der Aufloͤsung der aus Kleber bereiteten Glaiadine in
Alkohol, gesaͤuert und nicht gesaͤuert, waren, nach Einwirkung des
Gerbestoffes und des basisch-kohlensauren Kali, alle aͤhnlich; mit der
reinen Kohlensaͤure war aber der Niederschlag in der einfachen nicht
gesaͤuerten Glaiadineaufloͤsung haͤufig, und in jener, in
welcher Weinsteinsaͤure enthalten war, ward die Durchscheinenheit etwas
getruͤbt, und der Niederschlag, welcher sich bildete, war weniger bedeutend.
Eben dieß war auch der Fall bei der Aufloͤsung des Ruͤkstandes des
schmierigen Weines.
Als ich in der Folge die verschiedenen durch das kohlensaure Gas erzeugten
Niederschlaͤge, die nichts anderes als kohlensaure Glaiadine sind, sowohl
jene aus dem schmierigen Weine, als die aus dem Kleber, in kochenden Alkohol gab,
konnte ich es nicht dahin bringen, daß sie sich aufloͤsten. Wenn man einige
Tropfen aufgeloͤste Weinsteinsaͤure zusezte (die Aufloͤsung
enthielt nur wenig von dieser Saͤure), so verschwanden die
Niederschlaͤge augenbliklich, und der Alkohol ward vollkommen klar. Wenn man
ferner diesem Alkohol, der weinsteinsaure Glaiadine aufgeloͤst enthaͤlt, nur einige
Tropfen Gerbestoff in Alkohol aufgeloͤst zusezt, so erhaͤlt man
beinahe augenbliklich einen sandigen Niederschlag.
Aus diesen Versuchen geht deutlich hervor, daß der Stoff, welcher das Schmer in dem
Weine erzeugt, nichts anderes, als der aufloͤsbare Theil des Klebers ist, den
man Glaiadine nennt, und welcher, so wie er aus Weizenkleber erhalten wird, folgende
charakteristische Eigenschaften besizt.
1) Er ist in Alkohol aufloͤsbar.
2) Er ist in einer Aufloͤsung von Weinsteinsaͤure vollkommen
aufloͤsbar.
3) Er wird aus beiden oben erwaͤhnten Aufloͤsungen durch Gerbestoff und
durch basische kohlensaure Potasche vollkommen niedergeschlagen: im ersten Falle
erhaͤlt man weinsteinsaure, im zweiten kohlensaure Glaiadine.
4) Er wird gleichfalls durch kohlensaures Gas niedergeschlagen, obschon
haͤufiger aus einer Glaiadineaufloͤsung, als aus einer solchen welche
Weinsteinsaͤure enthaͤlt.
Nachdem es nun erwiesen zu seyn scheint, daß das Daseyn der Glaiadine im Weine die
unmittelbare Ursache des Schweres desselben ist, so wollen wir einen Blik auf
dasjenige werfen, was in dem Wein waͤhrend der sechs bis acht Monate vorgeht,
waͤhrend welcher man denselben im Fasse haͤlt, ehe er in Flaschen
abgezogen wird.
Waͤhrend der Wein im Fasse ist, reinigt er sich von allen fremdartigen
Koͤrpern, die er enthaͤlt, und die ihn truͤben; man eilt ihn
mittelst Hausenblase zu klaͤren, welche mehr oder minder schnell wirkt, je
nachdem mehr oder weniger Gerbestoff in der Fluͤssigkeit enthalten ist.
Waͤhrend dieser ganzen Zeit befindet der Wein sich auf seinem
natuͤrlichen Gaͤhrungsstoffe, dem Zymome, welcher, wie ich bereits
sagte, in Weinsteinsaͤure unaufloͤsbar ist, und den untersten Theil
des Fasses einnimmt.
Wenn nun dieser Wein, ehe er abgezogen wird, eine hinlaͤngliche Menge
Gerbestoff enthaͤlt, so wird dieser Stoff sich mit der Glaiadine verbinden,
indem es erwiesen ist, daß diese leztere mehr Verwandtschaft zu demselben besizt,
als zur Weinsteinsaͤure; und dann schlaͤgt sie sich nieder. Es ist gut
diesen Niederschlag durch Anwendung von Hausenblase zu beschleunigen.
Unter solchen Umstaͤnden wird der Wein von der Glaiadine, welche er enthielt,
vollkommen befreit, und wie man sagt troken (sec), so zwar, daß er selbst dann sehr schaͤumend
(très-mousseux) wird, wenn er auch
wenig Zuker enthaͤlt, wo er anders durch die gehoͤrige Temperatur
beguͤnstigt wird. Die Weine, welche in Jahren gekellert werden, in welchen der Sommer regnerisch
und kalt war, liefern uns den besten Beweis dafuͤr. Es ist in solchen Weinen,
so lang sie noch gruͤn (verts) sind, sehr viel
Gerbestoff, und das Klaren mittelst Haufenblase geht immer, wenigstens großen
Theiles, sehr schnell von Statten.
Wenn aber, im Gegentheile, bei dem weißen Weine, nur wenig Gerbestoff vorhanden ist,
so daß nicht alle Glaiadine oder aller aufloͤsbarer Kleber, der durch die
Weinsteinsaͤure in Aufloͤsung erhalten wird, durch diesen
adstringirenden Stoff ausgeschieden werden konnte, so wird dieser Wein, nachdem er
einen Monat oder zwei Monate lang in der Flasche abgezogen war, wenn er auch bei dem
Abziehen sehr klar gewesen waͤre, mehr oder weniger nebelicht, und mehr oder
weniger spinnend.
Man hat bemerkt, daß Weine, welche von Natur aus mehr Zukerstoff enthalten,
gewoͤhnlich mehr dem Schmere ausgesezt sind, als jene, welche weniger davon
mit sich fuͤhren. Einige Individuen, welche einer entgegengesezten Ansicht
waren, und daher weißen Zuker in Wein aufgeloͤst in die Weine thaten, die
anfingen schmierig zu werden, in der Hoffnung, daß der Zuker seinen Einfluß auf das
Schmer aͤußern und dieses zerstoͤren wuͤrde, erhielten als
Resultat ihrer Zuthat einen nicht schaͤumenden Wein (vin non mousseux), der eben so fett war, als wenn nichts zu demselben
zugesezt worden waͤre. Ließ beweist, daß ein Wein, der reich an Zukerstoff
ist, an Gerbestoff nicht reich ist. Das Jahr 1825 dient als Beweis desjenigen, was
ich hier vorgetragen habe; denn zwei Drittel wenigstens der Weine dieses Jahres
waren schmierig und schaͤumten sehr wenigMan sieht hieraus die Richtigkeit unserer Behauptung in der Anmerkung Nr.
567., daß, je herber der Wein, desto leichter Champagner aus demselben zu
machen ist; daß der Champagner unter allen franzoͤsischen Weinen nur
deßwegen Champagner wird, weil er der leichteste und zukerarmste und unseren
herben deutschen Weinen am aͤhnlichsten ist. Wenn die
Champagnertraube in warmen Sommern suͤß wird, gibt sie keinen guten
Champagner.A. d. Ue..
Es scheint mir, daß das beste Mittel, welches man in warmen und troknen Jahren
anwenden kann, um den Weinen so viel Gerbestoff als moͤglich zu geben, darin
besteht, daß man einige Tage fruͤher Weinlese haͤlt, als die Trauben
vollkommen reif sind. Dann ist noch nicht aller Gerbestoff vollkommen verschwunden;
denn man weiß, daß in dem Maße, als die Traube vollkommen ausreift, der Zukerstoff
in derselben haͤufiger wird, und sie zugleich ihre Herbheit und ihr
zusammenziehendes Wesen „(ihren Gerbestoff)“ verliert. In jedem
Falle kann man vor jedem anderen Mittel zum Gerbestoffe seine Zuflucht nehmen, wenn
man der Entwikelung des Schweres vorbeugen will, indem dieser nur auf die Glaiadine
wirkt, und diese faͤllt, waͤhrend andere Mittel, welche gleichfalls die
Eigenschaften besizen, das Schmer zu fallen oder dasselbe aufzuloͤsen, irgend
eine Veraͤnderung im dem Weine erzeugen koͤnnen. Es gibt ein einfaches
und leicht anwendbares Mittel, um zu sehen, wann der Gerbestoff in der
Fluͤssigkeit in dem gehoͤrigen Grade von Reinheit vorhanden ist, um
den Wein gehoͤrig arbeiten zu machen. Wenn man eine sehr geringe Menge davon
in ein Glas gewoͤhnlichen Wassers gießt, so faͤrbt es dasselbe
augenbliklich braͤunlich, ohne einen Niederschlag zu bilden; wenn aber dieser
Gerbestoff einige Salze enthaͤlt, so wird das Wasser alsogleich durch die
Beimischung desselben milchicht, und wird nach 24 Stunden einen bedeutenden
Niederschlag bilden; ein Niederschlag, der nichts anderes, als schwefelsaurer Kalk,
(Gyps) ist. Derselbe Gerbestoff bildet auch in trokenen Weinen gleichfalls einen
ungeheueren Niederschlag, wahrscheinlich weil der weinsteinsaure Kalk dieser Weine
zersezt und in Gyps verwandelt wird. Man kann annehmen, daß in diesem Falle der Wein
in einem seiner Bestandtheile veraͤndert wird. Man muß also bei Bereitung des
Gerbestoffes nicht zur Schwefelsaͤure seine Zuflucht nehmen; dieß
wuͤrde denselben Nachtheil erzeugen, wie wenn der Gerbestoff ein
schwefelsaures Salz enthielte.
Aus dem Vorhergehenden erhellt nun, daß der Gerbestoff das beste, und, wie es mir
scheint, das natuͤrlichste Mittel ist theils das Schmer im Weine zu
zerstoͤren, theils demselben vorzubeugen. Ich denke, daß es nun den
Weinhaͤndlern zukommt zu entscheiden, ob das Mittel, welches ich ihnen
darbot, noch jener Verbesserungen faͤhig ist, welche die Erfahrung allein
ihnen an die Hand geben kann.
Unterricht uͤber die Weise, wie man sich der
Aufloͤsung des Gerbestoffes zu bedienen hat, um dem Schmere in dem Weine
vorzubeugen, und dasselbe zu zerstoͤren.
Wenn man dem Schmere in dem Weine vorbeugen und den Stoff dieser Krankheit im weißen
Weine (er mag mit altem Weine gemischt seyn oder nicht) zerstoͤren will, wenn
er in Flaschen abgezogen werden soll, so nimmt man auf jedes Stuͤk von 2
HektoliterEin Hektoliter ist kaum ein Seitel mehr als 72 Wiener Maß.A. d. Ue. zwei Bouteillen Gerbestoffaufloͤsung, unmittelbar nach dem Abziehen
uͤber die erste Schoͤnung. Man macht auf der Stelle eine zweite
Schoͤnung mit zwei Quentchen Hausenblase, und zieht den Wein darauf ab, oder
fuͤllt ihn in Flaschen.
Wenn man schmierigen Wein troken machen will, der bereits in Flaschen ist, und ihn
zugleich will gaͤhren lassen, so befolgt man folgendes Verfahren:
Die Flaschen werden auf eine Tafel gestellt, und taͤglich ein oder zwei Mal
geruͤttelt, damit Alles, was sich zu Boden sezte, oder wenigstens der
groͤßte Theil, bis zum Pfropfen hinaufgelangt.
Diese Arbeit fordert, wo sie gehoͤrig geschehen soll, wenigstens 14 Tage.
Man macht dann die Flaschen auf, um den Bodensaz aus denselben zu schaffen, und gießt
alsogleich zuerst die Gerbestoffaufloͤsung in jede derselben.
Ein Hundertel in die spinnenden Weine (vins filans), was
so viel ist als 20 Gran trokenen Gerbestoff.
Ein halbes Hundertel in die schweren Weine (vins pesans),
was so viel ist als 10 Gran trokenen Gerbestoff.
Hierauf die Weinschoͤne (liqueur à vin),
der man Hausenblase zugesezt hat (1 Quentchen auf 300 Flaschen).
Die auf diese Weise zubereitete Flasche muß alsogleich zugestoͤpselt,
gebunden, hierauf geschuͤttelt und dann gelegt werden.
Nachdem die Flasche 20 Tage lang lag, wird sie wieder auf die Tafel gestellt, und
zehn Tage lang werden die Flaschen ein Mal des Tages geschuͤttelt: der
Bodensaz wird dann an den Pfropfen hinaufgestiegen seyn.
Nun ist es ein Monat, daß der Wein mit dem Gerbestoffe in Beruͤhrung lag. Jezt
macht man den Wein zum ersten Male auf, und benuͤzt diese Oeffnung, um jenen
Flaschen, die man noch schwer (pesantes) finden sollte
(der groͤßte Theil des Weines wird sein Schmer vollkommen verloren haben),
noch ein halbes Hundertel Gerbestoffaufloͤsung zuzusezen, so daß man also 30
Gran trokenen Gerbestoff brauchen wird, um allen Gerbestoff aus diesen Flaschen zu
schaffen.
Man wird auch allen diesen Flaschen ohne Unterschied noch eine Schoͤnung
geben, und zwar in derselben Dosis (1 Quentchen Hausenblase auf 300 Flaschen); man
schuͤttelt sie stark, sobald die Hausenblase in dieselben gethan wurde, und
legt sie hierauf wieder auf Einen Monat lang nieder.
Diese zweite Schoͤnung mittelst Hausenblase hat den Zwek, sich des
uͤberschuͤssigen Gerbestoffes zu bemaͤchtigen, und dem Weine
die schwache Bernsteinfarbe zu benehmen (la petite teinte
d'ambre nennt man sie in der Champagne), die man gewoͤhnlich das
Repphuhnauge (oeil de perdrix) heißt, und die es durch
den Gerbestoff erhaͤlt: man bemerkt auch, daß der Niederschlag, der sich
neuerdings bildet, sehr braun ist.
Nachdem die Flaschen wieder einen Monat lang gelegen sind, kommen sie neuerdings auf
die Tafel, und nach vierzehn Tagen laͤngstens wird der ganze Bodensaz oben am
Pfropfen seyn. Man oͤffnet sie jezt zum zweiten und zum lezten Male.
Auf diese Weise kann der Wein, wenn er auch noch so schmierig ist, er mag alt oder
jung seyn, binnen drei Monaten zum Kaufmannsgute werden. Wenn man mit dem Weine so
verfaͤhrt, wird man keinen kranken Wein haben; er wird so klar seyn, daß man
ihn nicht klarer wuͤnschen kann.
Die trokenen Weine kann man auf dem Bodensaze behandeln; vorausgesezt, daß dieser
nicht schmierig ist; dann sezt man der Schoͤne, die auf 500 Flaschen Wein
berechnet ist. Eine Flasche Gerbestoffaufloͤsung zu.
Diese Aufloͤsung wird mit dem groͤßten Vortheile bei der Arbeit der
trokenen Weine angewendet, nicht bloß um die Manipulation mit denselben so viel
moͤglich zu erleichtern, sondern auch um einen mehr oder minder bedeutenden
Theil des Schweres noch zu zerstoͤren, der das sogenannte Weiß (le blanc) in demselben
erzeugt, welches man in vielen Flaschen findet. Dieses Weiß stellt sich nur zu oft
als ein spinnengewebeartiger Bodensaz dar, nachdem der Wein bereits expedirt wurde,
wenn auch der Kellner alle moͤgliche Aufmerksamkeit an, gewendet hat, um ihn
zu schoͤnem Kaufmannsgute zu machen.
Wenn man die Hausenblase nicht zugleich mit dem Gerbestoffe einwirken laͤßt,
so werden die Weine erst nach zwei oder drei Monaten klar. Der Niederschlag, der
sich dann bildet, ist sandig, und haͤngt etwas an den Waͤnden der
Flaschen an, von welchen er sich jedoch durch ein leichtes Schuͤtteln leicht
los loͤst. Es ist dann noch wendig, um den Wein schnell zu klaren, und um zu
hindern, daß der Niederschlag sich nicht an das Glas anlegt, die Hausenblase, und
zwar im Verhaͤltnisse von Einem Quentchen auf 300 Flaschen, anzuwenden.
Man bereitet die Hausenblase auf folgende Weise. Die Hausenblase (z.B. ein Quentchen)
wird auf irgend eine Art, die man zwekmaͤßig erachtet, aufgeloͤst, und
mit einer hinlaͤnglichen Menge Weines verduͤnnt, um anderthalb
Bouteillen Schoͤne zu erhalten. Eine Bouteille dieser Schoͤne reicht
fuͤr 200 Bouteillen Wein hin, oder ein zwei Hundertel auf Eine Bouteille. Man
gießt die Gerbestoffaufloͤsung immer allein in den Wein, vor oder nach der
Hausenblase, oder auch mit Wein vermischt.
Wenn man bei dem Oeffnen der Flaschen, welchen man das Schmer genommen hat, einige
derselben findet, die noch schwer sind, so gibt man ihnen auf der Stelle ein halbes
Hundertel (d.h. ein Zweihundertel) Gerbestoffaufloͤsung, und eben so viel
Hausenblase.
Ehe man die Aufloͤsung des Gerbestoffes anwendet, muß man die Flasche oder das Faß
schuͤtteln, in welchem dieselbe enthalten ist, indem sie sich, wenn sie
einige Tage ruhig gestanden ist, zu Boden sezt.
Schmierige Weine, die man auf obige Weise behandelt, werden zuweilen in weniger als
vierzehn Tagen, hoͤchstens in einem Monate gut.
Die Gerbestoffaufloͤsung gibt dem Weine weder eine bestimmte Farbe noch einen
Geruch; sie theilt demselben auch keinen fremdartigen Geschmak mit, und
foͤrdert das Schaͤumen auf eine bedeutende Leise, wenn man sie vor dem
Abziehen anwendet. Die Weine leiten durch Anwendung derselben durchaus nicht. Man
erhaͤlt durch sie gluͤklichere und wohlthaͤtigere Resultate,
als man bisher durch die gewoͤhnlich befolgten Verfahrungsarten nicht
erhielt.
Die Erfahrung hat bisher gezeigt, daß Weine, welchen auf obige Art ihr Schmer ein Mal
genommen wurde, nie wieder an demselben krank geworden sind.
Die Gerbestoffaufloͤsung laͤßt sich unverdorben aufbewahren, wenn man
sie in vollen und gut gestoͤpselten Flaschen haͤlt. Man muß sie gegen
Kaͤlte sichernDie Behandlung des Mostes von der Presse her weicht in der Champagne nicht
sehr von dem deutschen Verfahren ab; nur mostet man dort, wie wir sahen, an
der Presse, und nicht im Weingarten, und laͤßt nicht, wie in einigen
Gegenden Deutschlandes, den Wein in Gaͤhrung gerathen, ehe er in die
Presse kommt. Daß der Champagner ehe in die Flasche gezogen wird, ehe er
ausgegohren hat, darf wohl nicht erwaͤhnt werden; indessen haben die
Winzer in der Champagne allerlei Gebrauche bei ihrem Weine, die es der
Muͤhe werth ist, bei ihnen selbst kennen zu lernen, und zu studiren,
ehe man ein Buch uͤber Champagnerbereitung schreiben will. Wir rathen
jedem, der die Sache mit wahrem Erfolge im Großen treiben will, es so zu
machen, wie der sel. Hofrath von
Froidvaux; dieser große Oenolog unternahm noch im 60sten
Jahre seines schoͤnen Lebens eine oͤnologische Reife, um zu
sehen, wie man den Wein macht, den er nachmachen wollte. Il faut voir, sagte der ehrwuͤrdige
Greis; l'oreille ne vois pas.A. d. Ue..