Titel: | Etwas über die Veredlung der Schafe in Frankreich, von Herrn G. Ternaux, der Aeltere. |
Fundstelle: | Band 30, Jahrgang 1828, Nr. LXXVIII., S. 304 |
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LXXVIII.
Etwas uͤber die Veredlung der Schafe in
Frankreich, von Herrn G.
Ternaux, der Aeltere.
Aus dem Recueil Industriel. N. 14. S. 128. N. 15. S.
297. N. 16. S. 21.
(Fortsetzung)
Ternaux, uͤber die Veredlung der Schafe in
Frankreich.
VIII. Kapitel.
Ueber Verwendung der Wolle.
Die Wolle wird meistens zu Tuͤchern verwendet, welche eine Art gewobenen Filzes sind. Diese
Tuͤcher fordern eine vorlaͤufige Bearbeitung der Wolle mit der
Kardaͤtsche, damit jene gesponnen werden kann; sie fordern sehr feine, weiche
und selbst kurze Wolle, indem die Wollenfaser sich nur mittelst ihrer Enden in
einander legen und unter einander verwikeln, und also, je mehr von denselben
vorhanden sind, desto groͤßere Geneigtheit zur Filzbildung auf der Walke,
desto wollenreicheres Tuch hervorgeht, indem mehr Haͤrchen vorhanden sind,
die sich aneinander legen; auf diese Weise entsteht ein feines, weiches, markiges,
glaͤnzendes Tuch, das aussieht, als wenn es geglaͤttet waͤre.
Dieß ist der Grund, warum die Hutmacher zu ihren Filzen lieber Laͤmmerwolle,
kurze und glaͤnzende Wolle, Vigogner Wolle, Kaschemirwolle nehmen, die sich
mehr dem Bieberhaare, dem Hasen- und Kaninchenhaare naͤhert. Der
Fabrikant gefilzter oder gewalzter Stoffe muß daher, vorzuͤglich wenn er Tuch
von besonderer Guͤte machen will, die Feinheit der Wolle jeder anderen
Eigenschaft derselben vorziehen, weil er auf diese Weise eine weit groͤßere
Menge Spizen in einen engen Raum zusammenbringt, und die Oberflaͤche seines
Tuches schneller und reichlicher bekleiden kann. Es ist dann nicht mehr
noͤthig, die Karden zu vervielfaͤltigen, um das Tuch zu bekleiden und
demselben dadurch Sanftheit und Glanz zu geben; man darf nicht mehr die Tuchfasern
bei dem Scheren so lang stehen lassen: beides ist aber bei grober Wolle
unerlaͤßlich, wenn man dem Tuche Feinheit geben will, und durch beides
erhaͤlt man nur auf Kosten der Staͤrke und mit Verlust des Stoffes des
Tuches selbst ein schoͤnes Tuch; die große Menge von Appreturmitteln, die man
anwenden muß, vertheuert dann dasselbe noch um ein Bedeutendes. Da die Notwendigkeit
des Wolfes und der Kardaͤtschen zum Brechen der Wolle erwiesen ist, so
laͤßt sich schließen, daß kurze Wolle zu Tuͤchern weit besser taugt
als lange; und erst seit man diese Wahrheit richtiger und allgemeiner erkannte, hat
die Tuchmacherkunst sich vervollkommnet. Es waͤre uͤberfluͤssig
noch beizufuͤgen, daß man nur aus feiner Wolle feines Tuch verfertigen kann,
und daß man folglich feine Wolle immer suchen wird, so lang man feines Tuch
braucht.
Die Wolle wird auch, obschon weniger haͤufig und allgemein, zur Verfertigung
der sogenannten Wollenzeuge (étoffes de laine
rase) verarbeitet, zu den sogenannten Burats, Etamines, Bouracans, Marocs
zu Rokfutter, zu Schleier der Nonnen, Popelines, Bombasins, gestreiften Zeugen zu
Gilets, Flanell und Schahls (sogenannten Merinos); zu
dieser lezteren Art von Geweben muß die Wolle aber besondere Zurichtung erhalten. Um
schoͤne, wollige Zeuge zu, verfertigen, muß man die Verwiklung oder Filzung
der Endspizen der Wolle
eben so sorgfaͤltig zu vermeiden suchen, als man sie am Tuche hervorzurufen
suchen muß: Ersteres geschieht dadurch, daß man die Wolle sorgfaͤltig
kaͤmmt. Durch dieses Kaͤmmen werden die Wollenfasern parallel neben
einander gelegt, indem man sie mit langen heißen Kaͤmmen auszieht.160) Durch die Electricitaͤt, welche die Hize ihnen mittheilt, macht man
sie steifer, gerader, und mehr geneigt, alle jene kurzen Theile abzusondern, die man
unter dem Nahmen Kaͤmmlinge (peignons ou blouze) kennt.161) Diese Abfalle taugen in der Folge sehr gut fuͤr die
Kardaͤtsche, d.h. fuͤr Stoffe, die sich mit Filz bedeken
muͤssen; auch war der Zwek des Kaͤmmens kein anderer, als die langen
und nervigen Theile der Wolle von den kurzen zu sondern, damit sie, sich
wechselseitig unterstuͤzend, sich desto leichter spinnen lassen, und dem Auge
ein mehr feinkoͤrniges und mehr gedraͤngtes Gewebe darbieten. Die
Landwirthe werden hiernach leicht einsehen, daß je hoͤher die Wolle am Schafe
steht,162) desto mehr sie gesucht ist, indem es bei Wollenzeugen nicht sowohl auf die
Feinheit der Faser, als auf die Laͤnge derselben ankommt. Hieraus
laͤßt sich schließen, daß diejenigen, die Schafe mit feiner und kurzer Wolle
mit Schafen von langer und grober Wolle kreuzen wuͤrden, d.h. die
saͤchsische oder franzoͤsische Merinosraße mit den englischen Raßen,
eine schlechte Verbindung treffen wuͤrden.163) Es gibt jedoch, eine Ausnahme von dieser Regel, wie wir oben bemerkten, hinsichtlich der
sogenannten Merinos, oder Ternauxzeuge,164) wie man sie jezt allgemein nennt. Diese Art von Zeugen ist jezt ein sehr
wichtiger Artikel geworden, und wird am schoͤnsten aus Wolle, die
Laͤnge mit einem gewissen Grade von Feinheit vereint; sie ist aber auch die
einzige unter allen
uͤbrigen, die die Vereinigung dieser beiden Bedingungen erfordert, und da
diese Ausnahme den Landwirthen und allen denjenigen, die nicht in die
Wollenmanufacturen eingeweiht sind, als etwas Außerordentliches erscheinen muß, so
wollen wir die Ursachen hiervon angeben.
Um dieses Gewebe markig und fest zu machen, muß die Kette, die sehr weich ist, mit
dem Eintrage Einen Koͤrper bilden, und sich mit demselben filzen, statt sich
durch Reibung, durch den Gebrauch und durch das Waschen abzuschneiden, wie dieß
geschehen muß, wenn die Kette hart ist, oder aus einem anderen Faden, z.B. Seide,
besteht. Aber dann muß der Weber auch das Opfer bringen, sich mehr Muͤhe zu
geben, und sich zu begnuͤgen waͤhrend derselben Zeit, waͤhrend
er sonst Ein Meter oder anderthalb Meter des Tages verfertigt, nur ein Drittel oder
nur ein halbes Meter zu verfertigen, weil, indem er den Eintrag auf der zarten Kette
schlaͤgt, die Faden wohl vier Mal so oft reißen werden, und dann erst,
obschon er ein Gewebe lieferte, das viel theurer zu stehen kommt, ein Gewebe
erhaͤlt, das weit weniger scheinbar ist, als ein anderes aus fester Kette,
das um die Haͤlfte weniger kostete. Die Arbeit ist also die Hauptsache bei
dieser Art von Gewebe; Niemand wird aber 20 Franken fuͤr ein Gewebe bezahlen,
das weit weniger schoͤn aussieht, als ein anderes, das nur 16 oder 18 Franken
kostet. Man ist also mit Gewalt gezwungen, die Idee aufzugeben, diesen Zeug, der
unserer Industrie so viel Uebergewicht verschaffte, gut und vollkommen zu
verfertigen: es ist das einzige Wollengewebe, das wir mit Vortheil nach England
ausfuͤhren, und dabei zugleich den durch die neue Bill geforderten Zoll
bezahlen koͤnnen.165)
Eben diese
ungluͤkselige Neigung, die wir haben, eine wohlfeile und auf den Schein
gearbeitete Waare einer theuereren und besseren, dauerhafteren Waare vorzuziehen,
richtet auch gegenwaͤrtig unsere Kaschemirfabrication zu Grunde, in welcher
wir aller Welt den Rang streitig machen.166) Die Kaufleute lassen mit großer Gefaͤlligkeit die Damen die unendliche Anzahl von
Kreuzungen der Faden zaͤhlen, die sich in einem Viertelzoll dieses Gewebes
befinden, indem sie glauben, dadurch die Guͤte der Waare zu beweisen, und
dieselbe leichter und theurer an Mann zu bringen. Getaͤuscht durch diesen
Schein, in welchem uͤbrigens die Kraͤmer, die diese Waare im Einzelnen
verkaufen, wie ich gern glaube, nicht taͤuschen, ziehen die Damen diese
Gewebe vor, ohne zu bemerken, daß sie weniger langen, indem, da der Eintrag feiner
ist, als die Kette, und auf dieser hingleitet, das Gewebe weit fruͤher sich
abtragen (wie man im Oberdeutschen sagt, schuͤtter) wird, und weniger dauern
wird. Sie wissen nicht, daß das, was sie gewoͤhnlich als eine Vollkommenheit
an dieser Waare betrachten, nicht nur keine ist, sondern im Gegentheile eine
Verschlechterung, die durch den geringeren Preis entsteht, um welchen sie dem
Fabrikanten zu stehen koͤmmt. Wenn man an Kaschemiren und Merinos die Zahl
der Kreuzungen am Eintrage oder Einschlage zahlt, so sollte man sie auch an der
Kette zahlen; dann wuͤrde der Kaͤufer sich uͤberzeugen
koͤnnen, daß die festesten und dauerhaftesten Gewebe diejenigen sind, an
welchen die Kette dem Eintrage sowohl in Hinsicht auf Identitaͤt des Stoffes,
als in Bezug auf Feinheit und Drehung des Fadens aͤhnlich sind.
Warum hat man die Wollenschahls, die man anfangs mit Kette aus Baumwolle, dann aus
Seide und endlich aus Flokseide verfertigte, aufgegeben? Nicht weil Schahls aus
bloßer Wolle oder aus bloßem Kaschemir schoͤner sind, sondern weil sie besser
sind, und weil sie, obschon theuerer im Ankaufe, am Ende doch weit wohlfeiler zu stehen kommen. Dieß
waͤre nicht der Fall, wo die Fabrikanten sich auf Baumwolle bei dem
Broschiren der Palmen beschraͤnkten, indem hier, ohne
Beeintraͤchtigung des Effectes, der Festigkeit und der Dauer, eine große
Ersparung im Fabrikpreise hervorgeht; aber dann muͤssen auch die Fabrikanten
und Kaufleute so ehrlich seyn und den Kaͤufer hiervon in Kenntniß sezen, und
ihre Schahls desto wohlfeiler geben.
IX. Kapitel.
Ueber den Verkauf der Wolle.
Man kennt das Steigen und Fallen der Wollenpreise, und weiß, daß dasselbe daher
ruͤhrt, daß bald mehr Wolle erzeugt als verarbeitet wird, bald das Gegentheil
geschieht. Im lezteren Falle faͤllt der Preis der Wollenwaaren, und obschon,
durch die Natur der Sache und nach dem allgemeinen Interesse, das Gleichgewicht sich
bald wieder herstellt, kann sowohl Akerbau als Industrie durch zu große
Thaͤtigkeit leiden. Da aber diese Bemerkung in die Staatswirthschaft
gehoͤrt, so verweise ich diejenigen, welchen meine Behauptung nicht klar
genug ist, auf die Schriften des Hrn. J.
B. Say,167) und bemerke hier nur noch, daß wenn auch in den beiden lezt verflossenen
Jahren der Preis der feinen Wolle tiefer als jemahls gefallen ist, der Preis der
sehr schoͤnen und superfeinen Wolle sich noch immer gehalten hat, und daß im
Januar und Februar des Jahres 1827 das Kilogramm kalt gewaschener Electoralwolle,
die 35 p. C. beim Abfetten verliert, um 22 Franken verkauft wurde, waͤhrend
man fuͤr die schoͤnste franzoͤsische warm gewaschene Wolle, die
nur 6 bis 7 p. C. verliert, nur 16 Franken erhalten konnte: ein Unterschied, der,
wie man sieht, beinahe die Haͤlfte betraͤgt. Man muß ferner noch
bemerken, daß die feinste spanische Wolle nicht zu 9 Franken das Kilogramm verkauft
werden konnte. Man kann die Preiscurrente der Wollenmaͤrkte seit 20 Jahren
nachsehen, und man wird finden, daß ein immer zunehmendes Steigen der Preise Statt
hatte, obschon die feine Wolle immer haͤufiger wurde. Ich habe vor vierzig
Jahren die spanische Wolle sich immer auf dem hoͤchsten Preise halten
gesehen, obschon sie in den Augen der Kenner durch die Kreuzung der
saͤchsischen Raßen und jener zu Rambouillet den ersten Rang verloren hatte;
allein erst vom J. 1796 bis 1804 wurde dieser Unterschied recht merklich, und nahm
bis zum J. 1827 immer mehr und mehr zu, so daß, da im J. 1810 die
saͤchsische, franzoͤsische und spanische Merinoswolle gleich rein
gewaschen in den Wollenmanufacturen zu Sedan, Louviers etc. beinahe gleich im Preise
standen, in der Folge
der Preis derselben gewaltige Unterschiede darbot, wie man aus folgender Uebersicht
entnehmen kann.
1804
1810
1816
1820
1823
1824
1827
superfeine
spanische Wolle das Kilogramm
24
20
16
12
10
10
9
franzoͤsische
18
22
22
24
15
18
20
saͤchsische Electoralwolle
16
20
23
25
21
29
34
Und selbst heute zu Tage, wo die franzoͤsische Merinoswolle von der
schoͤnsten Qualitaͤt nicht mehr um den Preis des vorigen Jahres
verkauft werden kann, wird die saͤchsische Electoralwolle alle von den
Englaͤndern zu noch hoͤheren Preisen aufgekauft, als im Jahre 1826.
Wenn die franzoͤsischen Fabrikanten solche Wolle kaufen wollen, so
muͤssen sie, wie dieses Jahr, nachdem alle feinste Wolle in Frankreich
aufgearbeitet ist, sich nach Sachsen wenden, und dort jene Wolle zu ungeheuerem
Preise kaufen, die die Englaͤnder als Ausschußwaare ihnen
zuruͤkließen. Sie muͤssen ferner noch 33 p. C. Einfuhrzoll bezahlen,
und wenn sie dieß nicht wollen, die Erzeugung superfeiner Tuͤcher
gaͤnzlich aufgeben. Diese Tuͤcher werden in Folge der falschen
Maßregeln, die das Ministerium ergriff,168) nun fortan in den Niederlanden und in England erzeugt werden, mit Ausnahme
derjenigen, die fuͤr den Bedarf Frankreichs unerlaͤßlich sind, und die
noch immer so viel betragen, daß man einen Theil dieser feinen Wolle hierzu brauchen
wird. Wenn wir nun aber auch unseres Absazes in das Ausland beraubt wurden, so
muͤssen doch unsere Landwirthe, weit entfernt, den Muth zu verlieren, ihre
Wolle durch Kreuzung mit superfeinen Raßen zu verbessern, ihren Eifer verdoppeln,
und dieß zwar ihres eigenen Bestens willen, so wie wegen des Wohles Frankreichs
selbst.
Die vervielfaͤltigten Anstrengungen des Auslandes, vorzuͤglich der
Deutschen, ihre Raßen zu verbessern, muß sie von dieser Nothwendigkeit
uͤberzeugen. Wenn einst Polen, Rußland, die Krimm, das ungeheuere Festland
America's mit Merinos bedekt seyn wird, und die Maͤrkte Europens mit einer
ungeheueren Menge halbfeiner Wolle uͤberschwemmt seyn werden,169) was werden dann unsere Landwirthe sagen, wenn sie den Preis ihrer Wolle, die sie fuͤr
superfein halten, und die eigentlich nur mittelfein ist, auch noch durch Concurrenz
herabgesezt sehen? Sie werden die Klagen erneuern, die sie seit 10 Jahren
anstimmen;170) man wird die Einfuhr fremder Wolle verbieten; man wird aber auch dann zugleich unsere
Wollenmanufacturen, unsere Industrie selbst verbieten, und zwar noch mehr, als man
es gegenwaͤrtig thut; und indem man den Preis unserer Tuͤcher
fuͤr das Ausland hinauftreibt, das dieselben nicht mehr kaufen wird, wird man
unsere inlaͤndischen Maͤrkte gleichfalls dadurch verderben, daß man
den Verbrauch derselben schmaͤlert, und das Schwaͤrzen englischer und
niederlaͤndischer Tuͤcher beguͤnstigt, deren im
Verhaͤltnisse zu den unsrigen niedrige Preise hierzu auffordern. Wir werden
dann auch die Schafzucht aufgeben; es wird anfangen an Fleisch zu fehlen; wir werden
keinen Duͤnger mehr haben,171) und Elend statt Wohlstand wird das Loos von Frankreich seyn.
Wenn man sich aber an die Veredlung durch saͤchsische Raße haͤlt, wird
man dem Uebel abhelfen, das sich jedes Jahr erneuert; die Wolle wird den verlangten
Grad von Feinheit erhalten; sie wird desto theurer verkauft werden koͤnnen,
je seltener sie dann seyn wird;172) die Fabrikanten, die nicht mehr gezwungen seyn werden, im Auslande ihre
Wolle zu suchen, die sie fortan in Frankreich finden koͤnnen, werden den
Preis der lezteren steigern, und die Besizer von Herden werden so fuͤr ihre
Vorschuͤsse entschaͤdigt seyn. Ist es nicht besser durch
wohlverstandene Berechnung, durch anhaltenden Fleiß und großmuͤthige
Anstrengung sich dem Untergange entziehen, der unserem Akerbaue und unseren Fabriken
zugleich droht?
(Der Beschluß folgt im
naͤchsten Heft.)