Titel: | Etwas über die Veredlung der Schafe in Frankreich; von Hrn. G. L. Ternaux, d. ält. |
Fundstelle: | Band 30, Jahrgang 1828, Nr. LVII., S. 205 |
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LVII.
Etwas uͤber die Veredlung der Schafe in
Frankreich; von Hrn. G. L.
Ternaux, d. aͤlt.
Aus dem Recueil industriel, N. 14. S. 128, N. 15. S.
297. N 16. S. 21.
Ternaux, uͤber die Veredlung der Schafe in
Frankreich.
Unter allen Spinnmaterialien ist Wolle das aͤlteste und das allgemeinste.
Baumwolle ist zwar heut zu Tage beinahe eben so wichtig; allein Wolle hat vor
derselben sowohl als vor dem Flachs und der Seide den Vorzug, man mag die daraus
verfertigten Zeuge in Hinsicht auf Qualitaͤt, Waͤrme, Dauer, oder in
Hinsicht auf die Menge Arme betrachten, die sich mit derselben
beschaͤftigen;107) sie bietet die groͤßte Mannigfaltigkeit von Stoffen zu Kleidern fuͤr beide
Geschlechter fuͤr jede Jahreszeit dar, und wetteifert mit den uͤbrigen
selbst in Anwendung auf Moͤbeln.
Sie nimmt besser wie jedes andere Spinnmaterial die mannigfaltigsten Farben an, und
behaͤlt sie laͤnger; sie ist nicht selten eben so schoͤn, wie
die uͤbrigen Stoffe, aber stets bequemer und nuͤzlicher, nicht bloß in
Bezug auf ihre Dauerhaftigkeit, sondern auch in Bezug auf Gesundheit; denn sie
schuͤzt besser, als jedes andere Spinnmaterial gegen den Wechsel der
Witterung und die Einfluͤsse der Jahreszeiten. Wollenstoffe werden daher von
dem Bewohner des Suͤdens, wie von dem Einwohner des Nordens gesucht.
Wenn sie zu Tuch verarbeitet wird, ist sie der beste Stoff zu Mannskleidern, und zu
Zeugen verarbeitet, sie moͤgen glatt oder gekreuzt seyn, gibt sie leichte
Stoffe zu Frauenzimmerkleidern, zu Maͤnteln, Roͤken, Schahls, sie
liefert die sogenannten Merinos, und kluge Frauen kleiden sich in Wolle, weil sie
laͤnger dauert. Wer immer den Werth der Gesundheit zu schaͤzen weiß,
und allenfalls im Stande ist, eine etwas groͤßere Auslage zu machen, wird
Wolle jedem anderen Stoffe vorziehen; und selbst der hoͤhere Preis der
Wollentuͤcher und Zeuge faͤllt taͤglich mehr und mehr in dem
Verhaͤltnisse, als Industrie und Akerbau steigen, der in dem Duͤnger,
welchen er durch die Schafe erhaͤlt, wieder neuen Aufschwung gewinnt.
Betrachtungen uͤber den großen und allgemeinen Nuzen dieses Gegenstandes
veranlaßten mich, mit Umgehung alles Anspruches auf Autorschaft und einzig und
allein dem Wunsche huldigend, zur Foͤrderung unseres Akerbaues und unserer
Industrie etwas beitragen zu koͤnnen, einige Beobachtungen bekannt zu machen,
welche vierzigjaͤhrige Erfahrung uͤber Wollenerzeugung und
Wollenbearbeitung mich lehne. Der Aufsaz, den ich hier mittheile, darf nicht als
eine vollendete Abhandlung uͤber Schafzucht und Wollenmanufactur betrachtet
werden, obschon er ziemlich lang ist; denn er wuͤrde in dieser Hinficht unter
beiden Beziehungen hoͤchst mangelhaft seyn.
Wenn ich dem franzoͤsischen Landwirthe die Vortheile zeige, die er durch
Verbesserung seiner Wolle erlangen kann, wenn ich ihm erklaͤre, wozu man
dieselbe verwenden kann, wenn ich ihm die Klippen zeige, an welchen diejenigen
scheiterten, die einen falschen Weg eingeschlagen haben, wenn ich anderen
aͤhnliche Gefahren ersparen kann, wenn meine Beobachtungen andere veranlassen
koͤnnen, die Vortheile eines schlecht verstandenen und verderblichen
Schlendrians abzuschuͤtteln, wenn ich endlich so gluͤklich bin, ein Mittel zur
Foͤrderung des Wohlstandes des Landmannes einzufuͤhren, dessen
Vortheile sich in mehreren Departementen unseres schoͤnen Frankreichs (das
aber noch immer mehr verschoͤnert werden kann) auf eine so deutliche und
segensvolle Weise zeigten; dann bin ich hinlaͤnglich belohnt.
Ich habe so eben gezeigt, daß Wolle ein Artikel ist, der immer gesucht wird. Die
Landwirthe koͤnnen leicht begreifen, daß, abgesehen von den Vortheilen,
welche ihnen die Schafzucht in Hinsicht auf Duͤnger und Fleisch
gewaͤhrt, sie nicht den Muth verlieren duͤrfen, auch durch die Wolle
hoͤheren Gewinn zu erlangen. Wenn einige schlechte Jahre sie um einen Theil
jenes Ertrages bringen, welchen der hoͤhere Werth ihrer Wolle sie mit Recht
erwarten ließ, so muͤssen sie ihre Aufmerksamkeit verdoppeln, um
dafuͤr Entschaͤdigung zu erhalten Sie duͤrfen daher nicht
vergessen, daß es hier auf zwei wesentliche Bedingungen ankommt: Gewicht und Qualitaͤt
der Wolle; sie werden diese leztere Bedingung richtiger zu wuͤrdigen
verstehen, wenn sie wissen, daß man die Wolle zu zwei ganz verschiedenen Zweken in
den Wollenmanufacturen verwendet, die einander ganz und gar entgegengesezt sind, wie
ich im VIII. Capitel zeigen werde.
Ehe ich zu dem Einzelnen uͤbergehe, finde ich es noͤthig, einige
allgemeine Bemerkungen uͤber die Schafzucht vorauszuschiken.
Im Akerbaue, wie im Fabrikwesen, ist die erste unerlaͤßliche Bedingung,
welcher man sich, man mag entweder den gewoͤhnlichen Gang gehen oder ein
neues System ergreifen (wo sie noch dringender wird) mit der vollsten Hingebung
unterziehen muß, diese Ausgaben und Einnahmen genau zu berechnen.
Es waͤre uͤberfluͤssig, hier diesen Grundsaz, der so alt ist als
die Civilisation selbst, wieder aufzustellen, wenn man nicht taͤglich so
viele Maͤnner, und selbst diejenigen, die denselben am meisten im Munde
fuͤhren und von seinem großen Nuzen sprechen, in der Anwendung denselben
gaͤnzlich vernachlaͤssigen saͤhe. Mag nun die Schwierigkeit,
die sich bei Feststellung einer genauen Basis der Rechnung zeigt, gegen welche die
Schwierigkeit des Rechnens selbst nichts ist, mag Leichtsinn oder mag der Umstand,
daß man sich so leicht hinreißen laͤßt, von seinen Ideen und zur
Ausfuͤhrung schreitet, ohne das wahrscheinliche oder unsichere Resultat
seiner Projecte und Neuerungen vorlaͤufig gepruͤft zu haben, die nur
in dem Verhaͤltnisse einfach erschienen, als man in seine Ideen mehr verliebt
ist, oder mag was immer Ursache seyn; ich fand mein ganzes Leben uͤber diese
erste unerlaͤßliche Bedingung, von welcher Leben und Tod einer jeden
Unternehmung abhaͤngt, so sehr vernachlaͤssigt und vergessen, daß ich
glaube, daran erinnern zu muͤssen, wo ich von der Schafzucht spreche.
Wie viele Landwirthe haben sich, vorzuͤglich in Frankreich, in dieser Hinsicht
seit dreißig Jahren groͤblich getaͤuscht! Wie viele Auslagen haben sie
nicht zur Veredlung ihrer Herden gemacht, ohne dadurch etwas gewonnen, ja selbst
dadurch sogar nur verloren zu haben! Wie viele andere, die dieser Verlust
erschrekte, haben, ohne den Ursachen desselben nachzuspuͤren, aus Furcht, aus
Faulheit, aus Gefaͤlligkeit fuͤr den alten Schlendrian, aus Vorurtheil
oder aas Eigensinn, alle Verbesserungen vernachlaͤssigt, und widersezen sich
jezt sogar noch dem Versuche, die Raßen zu kreuzen, wodurch sie und der Akerbau und
die Industrie zugleich gewaͤnnen. Die Veredlung der Schafraßen in Frankreich
ist allerdings sehr sichtbar; sie ist aber noch viel zu gering in Vergleichung mit
demjenigen, was sie seyn koͤnnte. Wie nothwendig. ist es also, auf die
Ursachen aufmerksam zu machen, die diese Vervollkommnung hindern, und die Mittel zu
zeigen, die sie befoͤrdern! Dieß will ich im folgenden Kapitel zu entwikeln
versuchen.
I. Kapitel.Bemerkungen uͤber die Wahl des Bodens, der zur
Schafzucht geeignet ist.
Wenn irgendwo Kenntniß des Bodens, den man zu einer gewissen Art von Ertrag bestimmt
hat, eine der wichtigsten Bedingungen ist; wenn diese bei der Cultur jeder Art von
Gewachsen, die man aus Samen zieht, oder dahin verpflanzt, vor Allem die
Aufmerksamkeit des Landwirthes in Anspruch nehmen muß; so gilt dieß nicht minder von
der Schafzucht, in welcher man wissen muß, welche Art von Schafen fuͤr diesen
oder jenen Boden taugt.108) Wir haben die schoͤnsten Herden dort zu Grunde gehen gesehen, wo
andere trefflich gedeihen wuͤrden, und wir sehen dieß noch
taͤglich.
Mancher Landwirth koͤnnte seine Einnahme bedeutend vermehren, wenn er eine
andere Raße halten wuͤrde, waͤhrend ein anderer, wenn er diesem
Beispiele folgte, dieselbe bedeutend vermindern wuͤrde: in beiden
Faͤllen liegt die Ursache darin, daß man den Boden nicht gehoͤrig oder
gar nicht kannte. Dieser Unterschied zwischen Raßen und Raßen und Boden und Boden
muß desto genauer bestimmt und gekannt seyn, als es in Frankreich auch nicht eine
einzige Herde von der einheimischen Raße gibt, welche man nicht auf eine sehr
vortheilhafte Weise
durch Kreuzung entweder mit langwolligen oder mit feinwolligen Schafen veredeln
koͤnnte: Alles haͤngt hier von einer solchen Auswahl ab, daß die Raße
der Natur des Bodens und dem Futter, das derselbe erzeugt, angemessen ist, wie ich
anderswo erwiesen habe.109)
Kein Guͤterbesizer und kein Paͤchter kann fuͤr sich oder
fuͤr den Staat Gewinn erhalten, wenn er nicht eine der beiden großen
Abtheilungen, in welche die Schafe zerfallen, veredelt, und nicht eine solche Auswahl trifft, daß beide
Abtheilungen rein von einander geschieden sind. Er muß entweder Merinos zu bekommen
suchen, die die feinste Wolle (sogenannte superfeine Wolle) zu Tuͤchern
liefern, und die spanischer Abkunft sind, deren schoͤnste Musterraße Sachsen
gegenwaͤrtig auf den hoͤchsten Grad von Vollkommenheit gebracht hat;
oder er muß die starke langwollige Raße waͤhlen, aus deren Wolle man
Wollenzeuge verfertigt, und die wahrscheinlich abyssinischen oder afrikanischen
Ursprunges ist, und von welcher die vollendetste Musterraße sich gegenwaͤrtig
in England befindet.
Man weiß heute zu Tage, daß, um Merinos von der feinsten Wolle leicht und mit
Vortheil zu ziehen, man dieselben auf trokenem, etwas mageren Boden ziehen muß, wo
sich feine gewuͤrzhafte Kraͤuter auf kuͤnstlichen Wiesen110) finden; daß man sie in der schlechten Jahreszeit und bei anhaltendem Regen
im Stalle halten muß. Es ist sehr zu zweifeln, daß man die langwolligen Schafe auf
dieselbe Weise halten kann, wie die Merinos, obschon Daubenton,111) dessen Ausspruͤche stets alle Achtung verdienen, dieser Meinung ist.
Die langwolligen Schafe haben Luft und Freiheit noͤthig;112) sie brauchen staͤrkeres Futter, reichlichere Nahrung, selbst wenn sie
etwas waͤsserig ist, wie Runkelruͤben und Turneps.113) Diese Raße gewoͤhnt sich selbst an niedrige Wiesen in der Nahe des
Strandes am Meere, an Fluͤssen und Waͤldern, wo diese Weiden, ohne gerade sumpfig zu seyn,
doch immer nothwendig etwas feucht sind.114) In England, wo diese langwollige Raße nie in den Stall kommt, irrt sie frei
auf den großen mit Heken durchschnittenen Weiden umher; frißt, wann und wie es ihr
beliebt,115) und da sie nie von Schaͤfern oder Hunden genekt wird, so leitet sie
ihr Instinct ihre Nahrung dann zu sich zu nehmen, wann die Zeit guͤnstig und
das Futter troken ist, waͤhrend die Merinos, die der Schaͤfer auf die
Weide treibt, von welchem sie bald langer bald kuͤrzer auf derselben gelassen
werden, in der Furcht bald wieder davon gejagt zu werden, anfangen zu fressen, auch
wenn das Gras noch ganz vom Thaue naß ist. Wehe der Herde, die der Schaͤfer
auf die Weide treibt, ehe der Thau vergangen ist, oder die er so lang auf derselben
laͤßt, bis Abends wieder frischer Thau faͤllt.116)
Wenn ein Landwirth, ohne seine Lage und seine Weiden zu kennen und
hinlaͤnglich zu studiren, statt der einheimischen Raste Merinos mit
superfeiner Wolle nimmt, und seine Gruͤnde sind nur etwas feucht und seine
Weiden fett, so wird auch seine Herde sehr bald fett, und von der Kachesie oder
Faͤulung und von aͤhnlichen Krankheiten angegriffen werden; er wird
sie verlieren, und mit ihr den ganzen Aufwand, den er auf dieselbe gemacht hat;
waͤhrend er, wenn er, unter gleichen Verhaͤltnissen, die starke
langwollige Raße gewaͤhlt hat, entweder die einheimische, oder noch besser die
englische aus Leicester, Norfolk, Glocester oder Lincolnshire, diese Herde gedeihen,
und ihm alle Vortheile gewaͤhren wird, die er sich von derselben versprach.
Wenn er aber im eutgegengesezten Falle diese langwolligen Schafe auf trokene
Gruͤnde stellte, wo das Futter spaͤrlich, das Gras duͤnn und
fein ist, wird seine Herde sichtbar abmagern, und er wird sie nicht unterhalten
koͤnnen. Statt daß er also bei seinem Wechsel gewonnen hat, wird er Schaden
und Nachtheil gefunden haben. Wenn er Schafe von der feinen Raße waͤhlt, wird
er dieselben, da sie bei ihm ihre gehoͤrige Nahrung finden, mit Vortheil
aufziehen, und sowohl an der Schwere, als an der Qualitaͤt der Wolle, sehr
bedeutenden Vortheil erhalten.117)
II. Kapitel.
Ueber die Quantitaͤt und Qualitaͤt der
Nahrung.
Nachdem der Landwirth nach der Natur des Bodens, je nachdem dieser troken oder
feucht, etwas mager oder fruchtbar ist, die Raße gewaͤhlt hat, die er mit dem
hoͤchsten Vortheile unterhalten kann, muß er dafuͤr sorgen, die Raße,
die er gewaͤhlt hat, mit den moͤglichst geringsten Kosten mit
hinlaͤnglicher Nahrung zu versehen, nicht bloß dadurch, daß er seine Felder
so eintheilt, daß er die Zeit der Weide verlaͤngern kann, ohne seinen
uͤbrigen Ernten zu schaden, sondern auch dann noch die Nahrung oder das
Futter vermehren kann, wann seine Felder, mit Schnee oder mit Ernten bedekt, seine
Schafe nicht mehr auf denselben weiden lassen118) , oder mit einem
Worte, wann man genoͤthigt ist, die Schafe im Stalle oder unter Dach zu
halten.
Es scheint mir uͤberfluͤssig, die verschiedenen Futterkraͤuter
fuͤr die Schafe hier aufzufuͤhren; die Paͤchter kennen sie
hinlaͤnglich;119) ich lade sie aber ein, in dieser Hinsicht etwas mehr als sie
gewoͤhnlich zu thun Pflegen, jene Schriften zu Rache zu ziehen, die diesen
Gegenstande, wie man zu sagen pflegt, vom Grunde aus behandeln120) und durch praktische Erfahrung jenes Futter kennen zu lernen, das
verhaͤltnißmaͤßig zum Umfange des Bodens, und zur Menge und Art dieses oder
jenes Duͤngers am meisten Vortheil gewaͤhrt.
Waͤhrend Stroh, Heu, Grummet etc. waͤhrend des Winters fuͤr
feinwollige Schafe hinlaͤngliche und gute Nahrung gibt, taugen fuͤr
die langwolligen Schafe Turneps, Runkelruͤben, Erdaͤpfel und anderes
starkes, fettes und etwas waͤsseriges Futter.121)
Diejenigen Nahrungsmittel also, bei welchen die feinwolligen Schafe kachektisch oder
faul wuͤrden, taugen sehr gut fuͤr die langwolligen, und das Futter
der ersteren; waͤre fuͤr leztere zu mager.
III. Kapitel.
Ueber die verhaͤltnißmaͤßige Menge Schafe, die
man halten kann.
Ex nihilo nihil. Aus Nichts wird Nichts; ich will noch
hinzusezen, daß aus der Betrachtung der Zersezung und Bildung der Koͤrper so
viel hervorgeht, daß aus Etwas immer Etwas wird.
Die Schafe liefern drei sehr verschiedene Producte: Duͤnger,122)
Fleisch und Wolle. Ich
spreche nicht von Haut und Knochen, indem der Ertrag derselben so unbedeutend ist,
daß ich glaube, denselben fuͤglich uͤbergehen zu koͤnnen: wenn
uͤbrigens das Fell der englischen Schafe mehr Werth hat, weil es großer ist,
so gilt dieß, verhaͤltnißmaͤßig zur Nahrung, welche diese Schafe und
die Merinos noͤthig haben, noch mehr von der groͤßeren Menge der Felle
der lezteren; und in dieser Hinsicht kann man das Fell unter die Kategorie der
beiden ersten Producte bringen. Ich betrachte auch die jungen Widder und Schafe
nicht als Product; denn sie gehoͤren zu dem Thiere selbst, und sind in dieser
Hinsicht wichtig genug, um den Gegenstand eines eigenen Kapitels zu bilden.
Man kann nicht laͤugnen, daß ein englisches Schaf, oder ein Schaf von der
großen Raße, mehr Duͤnger und Fleisch gibt, als ein saͤchsisches, oder
ein Merinos von der kleineren; allein gibt jenes auch mehr oder nur eben so viel als
dieses im Verhaͤltnisse zur Menge der Nahrung, die es braucht?123) Dieß ist die wichtige Frage, die. man loͤsen muß, und die fuͤr
viele practische und theoretische Landwirthe bereits geloͤste zu seyn
scheint, indem sie alle darin uͤbereinkommen, daß die große Raße mehr Futter
braucht,124) und die meisten
noch behaupten, daß dieses selbst in einem weit groͤßeren
Verhaͤltnisse Statt hat; d.h., wenn man um zwei hundert Schafe von der
groͤßeren Raße eine bestimmte Zeit uͤber zu naͤhren, 300 Ztr.
Stroh oder Heu braucht, so wird man mit dieser Menge Futters waͤhrend
derselben Zeit 3 bis 400 Merinos oder saͤchsische Schafe von der kleinen Raße
fuͤttern koͤnnen, und diese 3 bis 400 Stuͤke werden eben so
viel und noch mehr Fleisch dem Gewichte nach, eben so viel und noch mehr
Duͤnger geben, als die 200 Stuͤke von der groͤßeren Raße. Man
muß bei solchen Rechnungen von einer gemeinschaftlichen Basis ausgehen; denn es geht
mit Schafen, wie mit Menschen; zuweilen essen kleine, immer magere125) Leute viel mehr als andere große und dike; es ist aber allgemeine Erfahrung,
daß ein großes und starkes Individuum126) mehr ißt, als ein anderes von derselben Art, das kleiner ist. Wenn wir
indessen annehmen, daß das Fleisch, ohne Hinsicht auf die Anzahl der Individuen im
Verhaͤltnisse zu der Menge des Futters steht, so haben vergleichende
Berechnungen erwiesen, daß dasselbe 2 1/2 pC. betraͤgt; d.h., wenn das Thier
100 Pfund wiegt, wird es 2 1/2 Pfund Nahrung brauchen; wenn es 150 Pfund wiegt, wird es 3 3/4 Pf.
brauchen, und wenn es nur 80 Pf. wiegt, wird es nur 2 Pf. beduͤrfen. Diese
Rechnung, die jeder Paͤchter bestaͤtigen kann, ist bei der Wahl der
Raße, die man ziehen will, aͤußerst wichtig, indem es erwiesen ist, daß das
Fleisch weniger von der Menge der Nahrung, als von der Art des Thieres
abhaͤngt, welches dasselbe erzeugt, und daß die Menge Talges, welche das
Thier verwendet, um fette lange Wolle zu liefern, eben so groß ist, als wenn
dasselbe kurze feine krause Wolle erzeugt.
Hier ist nun der Ort zu untersuchen, ob es, wie einige Paͤchter behaupten,
wahr ist, daß Merinos von der Raße mit superfeiner Wolle mehr Futter fordern, als
inlaͤndische Schafe. Ich finde dieß nicht.127) Wenn einige behaupten, daß sie mehr brauchen, so versichern andere das
Gegentheil, und unter den widersprechenden Behauptungen stimmen die meisten
uͤberein, daß kein besonderer Ueberschuß nothwendig ist, und daß beide
gleichviel brauchen. Um die Sache gehoͤrig zu beurtheilen, wollen wir sehen,
woher dieses Vorurtheil entstand.
Der außerordentlich hohe Preis der Merinos, vorzuͤglich bei den ersten
Versuchen, die man damit anstellte, veranlaßte die Besizer derselben, diese Thiere
reichlicher und besser zu fuͤttern, als die einheimischen Schafe. Die Menge
Futters, die man ihnen mehr gegeben hat, hing auf der einen Seite von dem
hoͤheren Werthe ab, den man auf dieselben legte, und von dem Bestreben sie
desto sicherer gesund zu erhalten; auf der anderen Seite aber von dem Wunsche mehr
Wolle zu erlangen, ohne daß man sich uͤbrigens durch Erfahrung
uͤberzeugt haͤtte, ob dieses Mittel auch wirklich nothwendig,
nuͤzlich und vortheilhaft ist. Erst nach einer langen Reihe von Beobachtungen
und Versuchen gelangte man zu der Ueberzeugung, daß in jenen Jahren, wo die Herden
sich nur schlecht naͤhren konnten, die Wolle feiner und leichter zu spinnen
war, als in denjenigen, wo ein milder Winter und fettere Weiden denselben
reichlichere Nahrung gaben. Man weiß ferner, daß ein krankes Schaf eine weit
schlechtere Wolle liefert;128) daß aber diese Wolle feiner und leichter zu verarbeiten ist, als die Wolle
von demselben Thiere, so lang es gesund war: als Fabrikant hatte ich Gelegenheit,
mich von der
Wahrheit dieser Thatsache zu uͤberzeugen, und sie zu bestaͤtigen.
Eine zweite Ursache, aus welcher man ohne allen Grund glauben konnte, daß die Merinos
eine reichlichere Nahrung als die einheimischen Schafe fordern, war diese, daß
viele, ja beinahe alle Schafwirthe die Kreuzungen ihrer Merinos so anlegten, daß sie
Thiere von dem staͤrksten und groͤßten Schlage dadurch erhielten, ohne
zu bedenken oder auch nur zu ahnen, daß die Feinheit der Wolle bis auf einen
gewissen Grad mit der Staͤrke des Wuchses des Thieres unvereinbar ist.129) Ich koͤnnte zwanzig Herden in den Departements der Oise und der Seine
und Marne anfuͤhren, deren Wolle bei mir als Wolle erster Classe galt, die 2
Franken das Pfund im Fette bezahlt wurde, und die nach einigen Jahren in die dritte
Classe kam, und nur mehr 1 Franken 50 Cent, oder 25 pC. weniger gegolten hat. Das
Fleisch war in der That reichlicher, wog aber nur 25 pC. mehr. Hieraus folgt, daß
die Schafwirthe besser gethan haͤtten, wenn sie, statt auf hoͤhere
Thiere zu sehen, gesucht haͤtten zu bestimmen, wie viel sie Schafe
moͤglicher Weise halten koͤnnen. Sie haͤtten dieselbe Menge
Duͤngers und Fleisches fuͤr dieselbe aͤquivalente Menge Futters
erzielt, und dabei viel feinere Wolle von einem weit hoͤheren Preise
erhalten.
Man muß auch dafuͤr sorgen, daß die Schafe nur eine solche Nahrung erhalten,
die ihren Dauungskraͤften angemessen ist, und dieses leztere mehr als die
Menge derselben beruͤcksichtigen: das Thier ist kein Vielfraß wie der Mensch,
und frißt nur so viel, als es noͤthig hat; wenn ihm eine Art von Nahrung
fehlt, ist es gezwungen, eine andere zu suchen, von der es weniger Vortheil zieht,
und die ihm schaͤdlich seyn kann.
IV. Kapitel.
Ueber die Bildung und Eigenschaft der Wolle.
Man weiß aus der Theorie, daß, um Knochen zu bilden, den dichtesten und festesten Theil
des thierischen Koͤrpers, mehr Zeit und mehr Masse von Nahrungsstoff
nothwendig ist, als um Fleisch und Fett zu erzeugen. Man hat hier ein
Verhaͤltniß von 1 zu 100 aufgestellt: ich uͤberlasse es aber der
Physiologie und der Osteologie, dieses Verhaͤltniß weiter zu commentiren. Es
genuͤgt auf eine Thatsache aufmerksam zu machen, die unwandelbar zu seyn
scheint, und diese ist, daß Hornbildung ein Anfang und Verknoͤcherung ist.
Hieraus folgt, daß mehr Talg noͤthig ist, um eine Faser grober Wolle zu
bilden, an welcher die Hornmasse oder Roͤhre diker ist, als um zwei oder
vielleicht drei solche duͤnnere und feinere Roͤhren zu bilden. Wenn
man eine Wollenfaser mit dem Mikroskope untersucht,130) so sieht man sehr bald, daß sie eine Roͤhre bildet, in welche die
Ausduͤnstung oder der Talg des Thieres einsikert;131) daß dieser Talg durch die Waͤrme an das Ende der Roͤhre
getrieben wird, und daß er aus dem fluͤssigen Zustande in einen festen oder
beinartigen uͤbergeht, wann er mit der Luft in Beruͤhrung kommt.
Hieraus laͤßt sich schließen, daß die Wolle desto mehr Staͤrke,
Elasticitaͤt und Festigkeit bekommt, je mehr das Thier der freien Luft
ausgesezt ist, wie bei den englischen Raßen, so wie sie im Gegentheile weicher,
feiner und markiger wird, wenn man das Thier wie die saͤchsischen Merinos im
Stalle fuͤttert.
Außer dem Unterschiede, der sich in dieser Hinsicht zwischen den langwolligen
englischen Raßen und den feinwolligen Merinos zeigt, hat bei lezteren noch ein anderer
sehr deutlicher Unterschied Statt. Obschon von gleicher Abkunft, hat die spanische
Wolle eben so viel Staͤrke und Elasticitaͤt als die saͤchsische
Zartheit und Weichheit, was wahrscheinlich davon herkommt, daß, abgesehen, daß die
spanischen Merinos in freier Luft gezogen werden, die Hize des Tages unter dem
brennenden spanischen Himmel mit der Kuͤhle der Nacht sehr stark und schnell
wechselt; folglich die Verknoͤcherung, oder wenn man so sagen darf, die
Verhornung sich schneller durch den raschen Uebergang von der Kaͤlte zur
Waͤrme ausbildet, die Kettenglieder, aus welchen die Wollenfaser besteht,
gedraͤngter und mehr elastisch werden, als bei der Electoralraße, die in
ihrem Stalle immer dieselbe Temperatur genießt. Ich muß noch bemerken, daß die
Wollenfaser an der weichen Wolle der noͤrdlichen Merinos sich immer in eine
feinere Spize endet, als an der elastischen Wolle der Merinos des
Suͤdens.
V. Kapitel.
Von der Wohnung der Schafe.
Wenn der Schafstall in unserem Klima bei rauhen Wintern nuͤzlich und
nothwendig ist, sowohl wegen der Sicherheit, als wegen der Erhaltung der zarteren
Schafe mit feiner Wolle; so taugt er fuͤr die langwolligen Schafe von der
englischen Raße durchaus nicht, die bestaͤndig in freier Luft gehalten,
dadurch nur desto starker und kraͤftiger werden, und desto bessere Kammwolle
geben. Es ist eine bleibende Thatsache, daß der Schafstall der Guͤte der
langen Wolle schadet, nicht bloß dadurch, daß er ihr Weiße und Glanz benimmt,
sondern auch dadurch, daß er sie weich und muͤrbe macht, und ihr einen Theil
ihres Glanzes benimmt. Um der langen Wolle diese Eigenschaften zu erhalten, muß man
die Schafe, die sie tragen, entweder bloß unter Schuppen halten, oder wie man es in
England thut,132) Tag und Nacht das ganze Jahr uͤber unter freiem Himmel lassen,
wodurch man nicht bloß die Schafstalle erspart, sondern auch den Hirten, der
gewoͤhnlich 3 Franken fuͤr das Stuͤk kostet, und eine der
staͤrksten Ausgaben ist, die man bei der Schafzucht hat. Ein anderer
Vortheil, der dadurch
entsteht, daß man diese Thiere auf Weiden, die mit Heken eingeschlossen sind,133) haͤlt, besteht darin, daß man nichts von ihrem kostbaren
Duͤnger verliert. Man darf nicht vergessen, daß das Schaf seinen Mist
gewoͤhnlich beim Austreiben aus dem Stalle und beim Eintreiben also auf dem
Wege fallen laͤßt, wo er gaͤnzlich verloren ist. Man kann ferner nie
genug empfehlen, den Schafstallen eben in der Hoͤhe so viel Luft, als
moͤglich zu geben. Eine Oeffnung von 6 Zoll Breite im ganzen Umfange des
Stalles scheint mir die beste Vorrichtung in dieser Absicht zu seyn; man erspart
dadurch die Fenster, die Fensterlaͤden, und ich befinde mich in meinen
Stallen, die ich vor 9 Jahren zu St. Oven auf diese Weise bauen ließ, sehr gut.134) Fremde und Landwirthe, die diese Staͤlle sahen, waren erstaunt, die
Schafe in denselben nicht mehr eingesperrt zu sehen. Man darf ferner nicht
vergessen, daß ein solcher Stall, dessen Bau sehr wohlfeil ist, bei sehr strengen
Wintern noch immer erlaubt, diese Oeffnung mit grober Leinwand oder mit Matten, oder
selbst mit Strohbuͤndeln, die man in der Folge in die Raufe hinabwerfen kann,
zu verschließen. Allein, wenn der Stall auch noch so gut ist, so wird es immer
besser seyn, so bald und so lang es nur immer die Witterung erlaubt, die Schafe im
Freien zu halten, zu pferchen. Ich bin uͤberzeugt, daß die Englaͤnder dadurch den
groͤßten Vortheil erhalten, daß sie ihre Schafe auf einer geschlossenen Weide
sich selbst uͤberlassen.
In Sachsen, wo die feine Wolle sehr gesucht ist, sorgt man im Gegentheile eben so
sehr dafuͤr, die Schafe so lang als moͤglich im Stalle zu halten, wie
man in England dafuͤr sorgt, sie das ganze Jahr uͤber im Freien zu
haben. Man befolgt in Frankreich ein Mittelsystem, das seine Vortheile und seine
Nachtheile hat; die Folgen hiervon muͤssen nach den Verhaͤltnissen des
Ortes, den man bewohnt, und nach der Art der Schafe, die man zieht, abgewogen
werden. Ich muß indessen hier bemerken, daß anstekende Krankheiten unter den Schafen
im Freien weit weniger Verheerungen anrichten als im Stalle, vorzuͤglich die
Raude.135)
VI. Kapitel.
Ueber den Ertrag der Schafe in Hinsicht auf ihren
Nachwuchs.
Man mag das Fließ eines Schafes mit feiner saͤchsischer Wolle oder eines
Schafes mit langer englischer Wolle als Haupt- oder Nebenertrag neben jenem des Fleisches und
Duͤngers betrachten, so bleibt immer so viel gewiß, daß der Ertrag, den man
durch die Vermehrung der Schafe, durch den Nachwuchs erhaͤlt, welchen man in
einem Lande verkaufen kann, wo noch alles zu veredeln ist, hoͤchst bedeutend
seyn muß, unbedeutend aber, wenn man ihn in einem Lande verkaufen muß, wo die
meisten Herden schon einen solchen Grad von Vollkommenheit erreicht haben, daß wenig
Hoffnung uͤbrig bleibt, auserlesene Stuͤke an Mann bringen zu
koͤnnen; diese muͤssen also gemastet und den Weg alles Fleisches zu
dem Mezger nehmen. Hieraus folgt, daß jene Landwirthe, die die ersten in Veredlung
ihrer Herden136) in Laͤndern oder Gegenden sind, wo noch keine Verbesserung an den
Herden Statt hatte, einen weit groͤßeren Vortheil von ihren Schafen ziehen,
indem sie ihren Nachwuchs besser verkaufen koͤnnen. Eigennuz siegt mit
Huͤlfe der Zeit uͤber alle Vorurtheile. Der Bauer, uͤber
welchen die trefflichsten Schriften, die schoͤnsten Worte nichts
vermoͤgen, faͤngt am Ende doch an, die Augen aufzuthun, wenn er sieht,
daß sein Nachbar, der sich in gleicher Lage mit ihm befindet, mehr Ertrag von seiner
Wirthschaft hat, als er, und daß er diesen Ertrag sich auch verschaffen
koͤnnte.137) Das Beispiel wirkt unter solchen Umstaͤnden auf eine hoͤchst entscheidende Weise;
es ist so zu sagen das Einzige, das etwas zu wirken vermag. Der Bauer wird endlich
einsehen, daß er fuͤr feine Wolle mehr erhaͤlt, als fuͤr grobe,
wie wir im folgenden Kapitel zeigen werden.
VII. Kapitel.
Ueber den Ertrag des Fließes oder der Wolle der
Schafe.
Mit Ausnahme des Fließes der englischen Schafe, die eine eigene Kategorie bilden, ist
so viel gewiß, daß ein Fließ von einer reinen Raße immer mehr gilt als ein Fließ von
einer gewoͤhnlichen, schon wegen der Schwere allein, die immer groͤßer
seyn wird. Um sich hiervon zu uͤberzeugen, darf man nur bedenken, daß ein
Fließ von der gemeinen franzoͤsischen Raße nie mehr als 5 Pf. oder 2 1/2
Kilogramm wiegt, daß viele nur 3 Pf., ja selbst nur 1 Kilogramm und noch weniger
wiegen, waͤhrend im Gegentheile es keinen Blendling gibt, der nicht schon
nach der ersten Kreuzung 6 Pf. oder 3 Kilogramme lieferte, und daß weit
haͤufiger noch das Fließ 8 Pf. oder 4 Kilogramm wiegt. Diese Beobachtung habe
ich waͤhrend mehrerer Jahre an mehr als 30 oder 40,000 Fließen jeder Raße
gemacht, die bei mir zu St. Oven gewaschen wurden.
Aus dieser Thatsache erhellt demnach, daß wenn der Preiß der feinen Wolle nicht schon
an und fuͤr sich hoͤher waͤre, als jener der gemeinen, man
schon in Hinsicht auf das Gewicht allein einen bedeutenden Vortheil bei Veredlung
der Raße haben wuͤrde. Nun ist es aber gewiß, daß feine Wolle immer theurer
verkauft wird, als die gemeine grobe, und zwar im Verhaͤltnisse ihrer
Feinheit.
(Die Fortsezung folgt.)