Titel: Practisches Resultat von Versuchen über die Dichtheit, Gleichartigkeit, Elasticität, Schmiedbarkeit und Stärke des gewalzten und geschmiedeten Stabeisens, von Peter Lagerhielm, Mitglied der königl. Acad. d. Wissensch. und Assessor im Bergcollegium zu Stockholm.
Fundstelle: Band 30, Jahrgang 1828, Nr. XXXI., S. 97
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XXXI. Practisches Resultat von Versuchen uͤber die Dichtheit, Gleichartigkeit, Elasticitaͤt, Schmiedbarkeit und Staͤrke des gewalzten und geschmiedeten Stabeisens, von Peter Lagerhielm, Mitglied der koͤnigl. Acad. d. Wissensch. und Assessor im Bergcollegium zu Stockholm.41) Lagerhielm, Practisches Resultat von Versuchen uͤber die Dichtheit etc. Nachdem wir nun jede Pruͤfungsart fuͤr sich durchgegangen, welche zur Entscheidung des verschiedenen Einflusses des Schmiedens und Walzens auf die Spannkraft, Verschiebbarkeit und Cohaͤsion des Eisens angestellt worden sind, so ist es nun uͤbrig, mit einem gesammelten Blik die Wirkung dieser verschiedenen Strekungsarten im Ganzen zu uͤbersehen. Angekommen auf diesem Punct, in welchem alle Unternehmungen fuͤr die Anwendung des Eisens im Großen in ihren Richtungen zusammentreffen, wissen wir wohl, daß das Gewicht des Gegenstandes eine vollstaͤndigere Behandlung fordert, als in unserer Macht ist. Dieß Gefuͤhl verhindert uns gleichwohl nicht, ehrlich unsere Ansicht vorzulegen, um so mehr, als wir diese Arbeit in solcher Anordnung zu liefern gesucht haben, daß der Leser von unserem Urtheil unabhaͤngig bleiben kann. Wir nehmen nun die Frage wieder auf: Welche Eigenschaften werden dem Eisen beigebracht durch die Art, dasselbe in eine fuͤr den Handel taugliche Form zu streken, naͤmlich durch Schmieden oder Walzen; dieß war die Frage, welche uns zu dieser Arbeit Veranlassung gab. Dieselbe veranlaßte eine zweite: welches sind die hauptsaͤchlichsten Eigenschaften des Stangeneisens? Auf diese Frage haben wir geantwortet, durch die Eintheilung derselben in absolute und relative, wovon die ersteren die Dichtigkeit und Gleichheit in sich fassen, und die lezteren die zaͤhe und unzaͤhe Haͤrte, zaͤhe und unzaͤhe Weichheit und die Spannkraft.42) In Beziehung auf den Ursprung dieser lezteren Eigenschaften, glaubten wir dieselbe aus dreien herleiten zu koͤnnen, naͤmlich der Spannkraft, der Verschiebbarkeit und der Cohaͤsion. Denn Zaͤhheit, sie mag nun hart oder weich seyn, beruht auf der Verschiebbarkeit, und unzaͤhe Haͤrte und unzaͤhe Weiche beruhen auf Cohaͤsion. Die Hauptfrage hat uns demnach zur Untersuchung des Einflusses der Bereitungsart auf die Dichtheit (Freiheit von Blaͤttern, Bruͤchen), Gleichheit, Spannkraft, Verschiebbarkeit und Cohaͤsion des Eisens gefuͤhrt. Die Resultate, welche wir in Hinsicht dieser Eigenschaften fanden, wollen wir nun zuruͤkrufen. 1) Das Walzen gibt allezeit ein dichtes Eisen; das Schmieden gibt ein unsicheres, oft undichtes, bisweilen blaͤtteriges Eisen. 2) Das Walzen gibt ein bedeutend gleicheres Eisen als das Schmieden; jenes dreht nie Fasern, welches bisweilen beim Schmieden sich trifft, weßwegen ein auf der einen Seite hartes, auf der anderen weiches Eisen, durch Walzen bedeutend gleichgemacht und gestrekt wird, ohne Verruͤkung der Lage der Eisensorten, welches beim Schmieden unsicher ist. 3) Walzen und Schmieden geben dasselbe Maß fuͤr die Intensitaͤt der Spannkraft. Aber in Beziehung auf die Grenze der Spannkraft haben die Versuche den geschmiedeten ungegaͤrbten einen hoͤheren Grad zuschreiben wollen, als den gewalzten, ungegaͤrbten Stangen. Wahrscheinlich beruht dieß auf dem Kalthammern, und kann demnach leicht dem gewalzten mitgetheilt werden. Der Unterschied zwischen gewalztem und geschmiedetem scheint nicht bedeutend zu seyn. Bei gegaͤrbtem schwedischen Eisen ist in dieser Hinsicht kein Unterschied zwischen gewalztem und geschmiedetem Eisen, aber gegaͤrbtes Eisen hat eine viel hoͤhere Spannkraftsgrenze, als das ungegaͤrbte. 4) Das Walzen macht das Eisen bedeutend mehr verschiebbar als das Schmieden. 5) Die Cohaͤsion scheint auf's Genaueste unabhaͤngig von der Strekungsweise zu seyn, daher die absolute Staͤrke hauptsaͤchlich auf der Verschiebbarkeit beruht. Wenn man die Haͤlfte der ungegaͤrbten geschmiedeten Stangen, die in Blaͤtter zerrissen, ausnimmt, so zeigen die uͤbrigen eine groͤßere absolute Staͤrke, als die ungegaͤrbten, gewalzten: Dieß gilt jedoch nicht von den in London und Eskilstuna angestellten Versuchen; denn da fand sich das gewalzte Eisen als das staͤrkste, wie es auch der Fall war mit dem gegaͤrbten. Die Bestimmung der Eigenschaften des gewalzten und geschmiedeten Stangeneisens scheint uns denn die Antwort auf die Frage zu enthalten, uͤber den Vorzug des Walzens und Schmiedens bei und fuͤr die Bereitung des Stangen-, Zain- und Fabrikeisens. Denn zuerst und vor allem wird bei jeder Anwendung erfordert, daß das Metall dicht sey (frei von Blaͤttern, Bruͤchen), diese Bedingung ist in solchem Grade wesentlich, daß wir keine, Anwendung kennen, wobei das Eisen nicht dicht seyn muͤßte. Sodann wird zu mannigfaltigem Behuf, als zum Schrauben, Feilen, Bohren, Drechseln, Plattwalzen, Drahtziehen u.a. erfordert, daß das Metall gleich sey, und vor allem frei von stahlartigen Ungleichheiten, welche unglaublich der Geraͤtschaft und den Maschinen schaden, Verschwaͤchung mit sich fuͤhren, und alles Unheil uͤber Steifheit', Festheit u.a. zu einem betruͤglichen Narrenwerk machen. Was endlich die relativen Eigenschaften der Metalle, Spannkraft, Verschiebbarkeit und Cohaͤsion betrifft, so sind wir der Ansicht, daß man die Verschiebbarkeit als das Kennzeichen einer Eisenart ansehen kann, besonders wenn man sich erinnert, daß bei der Anwendung des Metalls im Allgemeinen nur diejenige Staͤrke in Berechnung kommt, wobei das Eisen belastet werden kann, ohne seine Gestalt zu verlieren. Wie wichtig es ist, mit Sicherheit diese Eigenschaft bestimmen zu koͤnnen, um darnach zu unterscheiden, zu welchem Behuf die eine oder die andere Eisenstange angewandt werden muß, uͤberlassen wir dem Unheil jedes Sachkundigen.43) Hier muͤssen wir gleichwohl bemerken, daß, wenn Walzen ein bedeutend verschiebbareres Eisen geben kann, als das Schmieden, diese Strekungsart tauglicher als das Schmieden. Zu all dem Behuf, wo Verschiebbarkeit (welche man sammt der Cohaͤsion zaͤhe Weichheit nennen koͤnnte) die wesentliche Eigenschaft ausmacht. Dieser Bedarf tritt ein, wo die Leichtigkeit der Arbeit, oder des Werkzeuges, oder der Maschinenbestand von hoͤherem Werth ist, als ein hoͤherer Grad von Spannkraft, wie beim Feilen, Winden, Nieten, Nagelspindelschmieden, Platt- und Bandeisenwalzen u.a. Die Bemerkung, die wir machten, daß der Waͤrmegrad, wobei das Eisen gestrekt wird, seine Verschiebbarkeit bestimme, legt noch ein groͤßeres Gewicht auf die Anwendung des Walzens; denn zum Auswalzen des Eisens kann man im Allgemeinen die gehoͤrige Hize waͤhlen, aber beim Schmieden des Eisens hat dieß nur fuͤr gewisse Arbeiten und innerhalb viel weniger verschiedener Grenzen statt. Weil nun dieß der Grund ist, daß die hoͤhere Federung, welche gewisse Arbeiten erfordern, im hinreichenden Grad durch Schmieden nicht gewonnen werden kann, sondern diese Eigenschaft erst nachher durch Hammern in einem tauglichen Waͤrmegrad besonders im Eisen erregt werden muß, auch ein solches Hammern deutlich sich eben so gut bei gewalztem als geschmiedetem Eisen bewerkstelligen laͤßt; so scheint die bis jezt bestehende Weise, durch Schmieden das Eisen zu verarbeiten, fruͤher oder spaͤter mit dem Walzen vertauscht zu werden, fuͤr allen den Bedarf, wo die Form des Products nicht so ist, daß die Bearbeitung durch Walzen unmoͤglich oder theuer wird. So spricht die von uns gewonnene Erfahrung, wenn die Frage nur ungegaͤrbtes Eisen angeht. Der hoͤhere Grad von Gleichheit, den das Walzen vor dem Schmieden gibt, ist gleichwohl fuͤr seinen Bedarf nicht hinreichend; dann ist des Eisens Gaͤrbung nothwendig. Um Weitlaͤufigkeit zu vermeiden, muͤssen wir uns in dieser Hinsicht auf die schon angefuͤhrte Abhandlung in der Zeitschrift Svea uͤber die schwedische und englische Eisenbereitung, berufen. Versuche haben nun die von uns dort aus physischen Gruͤnden gehegte Vermuthung bestaͤtigt, naͤmlich daß das Walzen das Eisen sicherer schweißt als das. Schmieden. Daß auch das Gaͤrben unter den Walzen minder kostbar ausfaͤllt als unter dem Hammer, scheint so wahrscheinlich zu seyn, daß hierin bei uns kein Zweifel eintritt. Wird diese lezte Vermuthung gleichfalls bewahrheitet, so tritt auch aus dem Gaͤrben des Eisens ein neuer Grund fuͤr den Vorzug, welchen die Versuche mit ungegaͤrbtem Eisen bereits dieser Strekungsweise vor dem Schmieden ertheilt haben, ein. Um zu untersuchen, ob das Walzen die Tauglichkeit des Eisens zu Stahl befoͤrdert oder hindert, wurden zwei Dimensionen von dem in London gewalzten Eisen aus Bofors, naͤmlich 2 Zoll, 1 Zoll platt und 1 Zoll Quadrat, nach dem Werke Nuͤquarn, Herrn Winckler und Ulmgren gehoͤrig, gesendet, welcher geneigt diese Eisenstuͤke zu Stahl brennen ließ. Die Stahlstangen hatten ein gleiches Aussehen, nicht mehr Blasen als gewoͤhnlich, und keine großen. Zwei unbedeutende Langenbruͤche fanden sich in einer Stange; der Bruch war gleichkoͤrnig, wie guten Stahls, und schien haͤrtere Brennung beim quadratischen zu zeigen, obgleich die Oberflaͤche so glatt war, daß man den aus feinen Buchstaben zusammengesezten Staͤmpel von Bofors sehr gut und lesbar erhalten hatte. Bei der zu Eskilstuna vorgenommenen Probeschmiedung fand sich der Stahl von bestimmter guter Schmiedbarkeit, oder wie man sagt, beim Streken saͤttlich, selbst wenn es gewaltsam geschah. Ganz fehlerfreie Spindeln von 1/4 Zoll, von quadratischen und platten, von gleichem Eisen erhielt man. Der Kern oder die sogenannte Rose zeigte sich im Bruch dieses feinen Stahls. Keine Faserigkeit merkte man, eben so wenig Ungleichheit im Bruch, noch weniger Undichtheit. Bei der Verarbeitung zur Staͤhlung der Aexte, Feilen, Federmesserblaͤttern, Federn, fand er sich ganz gut und wie die besseren Stahlarten; doch wurde bemerkt, daß die Haͤrte, die wohl gut, nicht vorzuͤglich war. Politur nahm er in vollem Grade an, und das meistens mit ganz dichter Oberflaͤche. Man fand, daß der Stahl leicht und gut, sowohl beim Streken als im uͤbrigen, verarbeitet werden konnte. Er zeigte sich in diesen, von mehreren Arbeitern und zum Theil auch bei Herrn Heljestrand angestellten Proben, besserem schwedischen Stahl gleich. Stahleisen kann demnach gewalzt werden. Da man aus Erfahrung weiß, daß das zu Bofors aus dem Roheisen von den Erzen zu Darkarlsberg bearbeitete Eisen beim gewoͤhnlichen Brennen einen mittelmaͤßigen Stahl gibt, so folgt hieraus, daß das Walzen keineswegs der Stahlart, die moͤglicher Weise den Erzen zugehoͤrt, schadet, sondern im Gegentheil die Schmiedbarkeit, Gleichheit und Dichte des werdenden Stahls befoͤrdert. Daß im uͤbrigen die Stahlart des Eisens, auf den Erzen beruht, und daß ein bestimmtes Urtheil uͤber den Einfluß des Walzens auf die Dienlichkeit des Stahleisens zu gewissen Arten von Stahl, noch mehr Versuche auf diesem Weg vorausseze, trifft sich von selbst.