Titel: | Sind alle in England erbauten Dampfmaschinen untadelhaft? Von Dr. Ernst Alban. |
Autor: | Dr. Ernst Alban [GND] |
Fundstelle: | Band 29, Jahrgang 1828, Nr. XVII., S. 81 |
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XVII.
Sind alle in England erbauten Dampfmaschinen
untadelhaft? Von Dr. Ernst
Alban.
Alban uͤber Dampfmaschinen.
Ich hatte Gelegenheit bei meiner Anwesenheit in London, und
zwar im vorlezten Sommer, 3 der nach Griechenland bestimmten und fuͤr Lord
Cochrane gebauten Dampfschiffe zu sehen. Alle waren
mit Maschinen von dem Londoner beruͤhmten Maschinenbaumeister Alexander Gallowaj
Hrn. Gallowaj's Maschinenbauwerkstaͤtte
(West street, Shmidtfields) ist nach der von
Maudsley wohl die groͤßte in London.
Es werden darin alle moͤglichen Maschinen und Maschinentheile, von
den groͤßten bis zu den kleinsten, fabricirt, so daß man selbst die
unbedeutendsten Haͤhne darin erhalten kann. Hr. Gallowaj liefert vorzuͤglich viel Werkzeug zur
Maschinenfabrikation, und soll einer der billigsten Maschinenbauer seyn.
Seine Dampfmaschinen haben ihm immer nicht gerathen wollen. versehen worden. Das erste, was mir kurz vor seinem Abgange nach
Griechenland zu Gesichte kam, und, wenn ich nicht irre, Perseverence hieß, hatte 2
Maschinen mit niederem Druke. Man war gerade mit einer Pruͤfung derselben
beschaͤftigt, als ich es bestieg. Die Maschinen arbeiteten sehr langsam und
so ohne alle Kraft, daß die Wasserraͤder kaum 10 Umgaͤnge in der
Minute machten, und statt des gewoͤhnlichen starken Rauschens kraͤftig
betriebener Raͤder nur ein sanftes kaum vernehmbares Plaͤtschern im
Wasser verursachten. Das Schiff konnte mit der Stroͤmung kaum 3 englische
Meilen in der Stunde machen. Die Maschinen arbeiteten klapprig und sehr wankend,
obgleich sie ein sehr zierliches Ansehen hatten und theilweise gut gearbeitet waren.
Ich bemerkte eine zu große Schwaͤche mancher Theile, z.B. der Kurbeln, die
bei Seemaschinen vorzuͤglich gefaͤhrlich ist. Die Zuͤge im
Kessel waren so schlecht angeordnet, daß die Flamme und die Hize vorne bei den
Heizthuͤren fortwaͤhrend herausschlug, und dadurch den inneren
Maschinenraum und das dem Kessel nahe liegende Schiffsholz so erhizte, daß lezteres
dampfte, und auf dem ganzen Schiffe einen brenzlichen Kiengeruch verbreitete Mir
wurde auf diesem Dampfschiffe ganz bange und wehe um's Herz, und obgleich ich sonst
den Gefahren der Dampfmaschinen ohne Furcht die Spize biete, und keinesweges
aͤngstlich dabei bin, so fuͤrchtete ich doch dermaßen das Aufbrennen
des ganzen Schiffs, daß ich nicht unterlassen konnte, dem mich begleitenden
Maschinisten Clegg aus Liverpool meine Besorgniß
mitzutheilen. Dieser war aber von gleicher Furcht ergriffen und stimmte gerne zur
Abfahrt. Das Schiff ist
wirklich bei Lord Cochrane angekommen, und wenn dieser
nicht bessere Resultate davon erhalten hat, als die Themse waͤhrend mehreren
Versuchen damit sahe, so bedauere ich die armen Griechen von ganzem Herzen.
Dieß indessen sind noch ertraͤgliche Resultate gegen die, die die beiden
anderen, mit Hochdrukmaschinen versehenen Schiffe geliefert haben. Wenn Hr.
Alexander Gallowaj sich nicht besser auf die Fabrikation
der Hochdrukmaschinen versteht, als er es bei der Anordnung dieser lezteren bewiesen
hat, so duͤrfte ihm kuͤnftig so leicht kein Fabrikant und keine bei
Verfertigung von solchen Dampfmaschinen ferner in die Haͤnde fallen. Doch man
lasse mich von diesen Schiffsmaschinen etwas umstaͤndlicher reden.
Jedes der beiden Schiffe enthielt 2 Maschinen, wovon jede die Kraft von 50 Pferden
haben sollte, nachher aber nicht die von 4 Pferden wirklich leistete. Der
beabsichtigte Druk der Daͤmpfe auf den Quadratzoll ging nach der in England
beliebten Weise nicht uͤber 30 Pfund, also nicht uͤber den von 3
Atmosphaͤren. Fuͤr diesen Druk hatte Hr. Gallowaj, mirabile dictu, den Durchmesser der
Cylinder, bei 3 1/2 Fuß Kolbenhub, auf nicht welliger als 32 Zoll im Lichten
berechnet, denselben also nur um einige wenige Zolle enger, als den einer
gewoͤhnlichen Maschine mit niederem Druke von derselben Kraft eingerichtet.
Der Kessel zu 2 solchen Cylindern, der aus vier neben einander liegenden großen
ungefaͤhr 4 Fuß weiten Roͤhren von Halbzolligeln Eisenbleche mit
inwendiger Feurung und ovalen Zuͤgen bestand, hielt nach meiner Berechnung
nur 400 Quadratfuß Feuerberuͤhrungsflaͤche, und war so schlecht
genietet, daß er in allen Fugen auswendig und inwendig in den Zuͤgen lekte
oder vielmehr triefte. Alle vier Zuͤge vereinigten sich hinten in einem
großen eisernen Behaͤlter (smok box), der ganz
frei im Schiffsraume lag, und von welchem der eiserne Schornstein aufstieg. Beide
Kolbenstangen der Cylinder hatten oben einen Querbaum, von dem 2 Leitstangen
herunter hingen, die unten am Gestelle 2 Kurbeln Umtrieben. Die 2 und 2 Kurbeln der
beiden Cylinder waren durch eine mittlere Verbindungswelle so vereinigt, daß sie im
rechten Winkel gegen einander standen. Die Bewegung der Haupttriebwelle wurde durch
zwei große gußeiserne gezahnte Raͤder, an den inneren Waͤnden des
Schiffes, zwei anderen kleineren au der Wasserradwelle angebrachten
Zahnraͤdern mitgetheilt. Der Umtrieb. der Wasserradwelle wurde auf diese
Weise etwas (ungefaͤhr um 1/2) beschleunigt. Die Wasserraͤder hatten
hoͤchstens nur 12 Fuß Durchmesser, und tauchten bis uͤber die
Haͤlfte ihres Halbmessers in's Wasser. Die Steurung war mit einfachen
Schiebventilen (singles slides) versehen, die
Speisepumpen aber wurden durch ein kuͤnstliches Raͤderwerk und Gestaͤnge von der
mittleren Verbindungswelle aus bearbeitet. Die Exhaustion geschah durch kupferne
Roͤhren in die Raͤderkasten hinein und machte so ein sonderbares und
starkes Getoͤse, daß man glauben sollte, Hr. Gallowaj habe zur Besiegung der Tuͤrken durch diese Dampfschiffe
mehr auf dieses furchtbare und schrekende Getoͤse, als auf die Kunst und
Kraft seiner Maschine gerechnet. Dieses Getoͤse war aber auch alles, was sich
von seinen Maschinen Merkwuͤrdiges sagen laͤßt, wenn man nicht die
unerklaͤrbaren Fehler in calculo ausnehmen will,
die, als von einem so beruͤhmten Mechaniker Londons und Englands gemacht,
wirklich das hoͤchste Erstaunen erregen. Hatten die Maschinen an der
Perseverence kaum 10 Umgaͤnge in der Minute gemacht, so vollendeten diese
außerordentlichen Hochdrukmaschinen nicht drei derselben. Beim zweiten Versuche
wurde einer der ovalen Zuͤge der Kessel schon zusammen gedruͤkt,
vermuthlich weil man etwas Ersprießliches von einer Steigerung der Dampfspannung vor
dem Versuche zu erstreben gedacht hatte. Die Schaufelraͤder
plaͤtscherten nicht einmahl im Wasser, sondern ruͤhrten nur darin ohne
alle Kraft herum, und das Schiff wurde gar nicht von der Stelle gebracht. Und solch
ein erbarmungswuͤrdiges Resultat gaben die Maschinen beider Schiffe; denn sie
waren beide nach einem Leisten fabricirt.
Man erlaube mir jezt noch einige Worte zur Untersuchung der Gallowaj'schen Calculation dieser Hochdrukmaschinen hinzuzufuͤgen,
um die gaͤnzliche Unwissenheit eines solchen Mechanikers mit dem
Hochdrukmaschinenprincip zu beweisen.
Wenn der Durchmesser der Dampfcylinder zu 32 Zoll calculirt war, so enthielt jeder
ihrer Kolbenoberflaͤchen 803,84 Zoll, und diese Summe mit dem Druke von 30
Pfund per Quadratzoll multiplicirt, gibt 24115,20 Pfund Druk auf den Kolben jedes
derselben. Rechne ich die Geschwindigkeit der Kolben per Secunde 3 Fuß, so ist ihre
Geschwindigkeit in der Minute 180 Fuß, und daraus ergibt sich das Kraftmoment jeder
der Maschinen zu
24115,20 × 180 = 4340736 Pfund,
dieses dividirt durch das Kraftmoment eines Pferdes nach Watt, d.h. mit 33000 oder vielmehr mit 44000,Watt rechnet praktisch beim Bau seiner Maschinen
44000. Man lese hieruͤber nach: Brunton
compedium of mechanics.
gibt die Kraft von 98,6 Pferden. Rechnet man nun ein Drittel dieser Kraft,
oder etwas mehr, fuͤr die nothwendigen Verluste durch Friktion etc. ab, so
bleiben ungefaͤhr im Ganzen 60 Pferdekraͤfte.
Hiernach faͤllt also die Kraft der Maschinen, von denen jede nur auf 50
Pferdekraͤften calculirt war, zu hoch aus.
Jezt ist aber zu untersuchen, was die Maschinen in der Wirklichkeit leisten werden,
wenn der zur Hervorbringung der berechneten Kraft noͤthige Dampfconsum in den
Cylindern mit der moͤglichen Dampfproduction der fuͤr dieselben
bestehenden Kessel verglichen wird.
Um den Dampfconsum der Cylinder in Cubikzollen fuͤr die Minute zu finden, ist
die Kolbenoberflaͤche derselben mit dem ganzen Lauf ihres Kolben in Zollen
waͤhrend dieser Minute zu multipliciren; er ist also fuͤr jeden
Cylinder
803,84 × (180 × 12) = 1735294,40 Kubikzoll = 1004
Kubikfuß
und fuͤr die beiden aus einem Kessel versorgten
Cylinder jedes Schiffs
1004 × 2 = 2008 Kubikfuß.
Da dieser Dampf aber beinahe die dreifache Dichtigkeit der Atmosphaͤre haben
soll, so muͤssen jene 2008 Kubikfuß noch mit der Anzahl der
Atmosphaͤren multiplicirt werden, um den wahren Verbrauch von einfachem
Dampfe zu finden. Es ergeben sich dann
2008 × 3 = 6024 Kubikfuß
einfachen Dampfes.
Man lasse mich null untersuchen, wie viel Kubikfuß Dampf der Kessel in der Minute zu
liefern im Stande sey.
Wenn es allgemein bekannter Erfahrungssaz ist, daß 20 Quadratfuß
Feuerberuͤhrungsflaͤche an einem Siedekessel, die inwendig vom Wasser
bespuͤlt werden, bei mittlerer Feurung Eilt Kubikfuß Dampf fuͤr die
Secunde produciren, so wird die Production der Gallowaj'schen Kessel von 400 Quadratfuß Feuerberuͤhrungsflaͤche
fuͤr die Minute betragen
(400 × 60)/20 = 1200 Kubikfuß einfachen Dampfes.
Diese Dampfproduction bestreitet also nur ungefaͤhr den fuͤnften Theil
derjenigen, die noͤthig ist, um die Maschinen mit der oben berechneten Kraft
in Bewegung zu sezen,Sollten die Maschinen bei diesem Dampfquantum mit regelmaͤßiger
Geschwindigkeit in Gang gesezt werden, so wuͤrde sich ein Minus im
Dampfdruke auf den Kolben ergeben, indem dieser Dampfdruk dann dem Druke der
der Wirkung der Maschinen entgegenstrebenden Atmosphaͤre noch nicht
gleich kaͤme. Auf diese Weise werden Hrn. Gallowaj's Hochdrukmaschinen ohne alle Nuzlast es noch lange nicht
bis zur regelmaͤßigen Geschwindigkeit bringen koͤnnen. Man
sieht hier, was es in England auch zum Theil fuͤr Engineers gibt. ihr Kraftmoment kann daher auch nur hoͤchstens auf den
fuͤnften Theil, d.h. auf das von 24 Pferdekraͤften angeschlagen
werden. Und wenn aus dem Gange der Maschinen, aus ihrer unvergleichlich langsamen
und voͤllig kraftlosen wirklichen Bewegung zu ersehen ist, daß sie auch diese
Kraft bei weitem noch nicht hervorgebracht haben, so ist man gezwungen anzunehmen,
daß noch bedeutende Fehler in ihrer inneren Construction Statt gefunden haben
muͤssen, die ihre gaͤnzliche Entfernung aus den Schiffen wohl eben als
keine unbillige und gewaltsame Forderung von Seiten des Griechenvereins an Hrn. Gallowaj charakterisiren.
Diese Herausnahme der Maschinen aus den Schiffen geschah noch bei meiner Anwesenheit
in London, und zwar bald nach dem ungluͤklichen Experimente damit. Erst
diesen Herbst fand sich die Nachricht von dem Gelingen spaͤterer Versuche mit
einem fuͤr die Griechen bestimmten Schiffe auf der Themse in den englischen
Zeitungen. Die Freude aller Griechenfreunde daruͤber wurde aber bald durch
eine zweite Nachricht von dem Aufbrennen dieses Schiffes auf eine hoͤchst
unangenehme Weise gestoͤrt. Da ich vermuthen muß, daß dieß eines jener
Schiffe war, die leider der Unschiklichkeit und Unwissenheit des Hrn. Alex. Gallowaj halber beinahe 1 1/2 Jahre lang auf der Themse
aufgehalten und so den armen Griechen auf eine unverantwortliche Weise entzogen
sind, so wird man aus dieser Nachricht ersehen, daß meine Furcht auf der
Perseverence, mit derselben in Brand zu gerathen, nicht grundlos war. Das Aufbrennen
jenes Schiffes ist aber um so weniger zu verwundern, wenn Hr. Gallowaj den Bau der Maschinen dafuͤr in Haͤnden behalten
und bei seiner sogenannten Rauchbuͤchse (smok
box) am Kessel geblieben ist, die ihrer Gefaͤhrlichkeit in einem
hoͤlzernen Schiffsraume wegen besser gleich Feuerbuͤchse getauft
werden koͤnnte.
Geschrieben in Stubbendorf im Monate Decbr. 1827.