Titel: | Ueber Zusammensezung und Bereitung des Kalk-Chlorides, oder oxygenirt salzsauren Kalkes (des sogenannten Bleichpulvers), und über das atomische Gewicht des Braunsteines. Von Andr. Ure, M. D. F. R. S. Professor an dem Anderson'schen Institute zu Glasgow etc. |
Fundstelle: | Band 8, Jahrgang 1822, Nr. LVIII., S. 451 |
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LVIII.
Ueber Zusammensezung und Bereitung des Kalk-Chlorides, oder oxygenirt salzsauren Kalkes (des sogenannten Bleichpulvers), und
über das atomische Gewicht des Braunsteines. Von Andr. Ure, M. D. F. R. S. Professor an dem Anderson'schen Institute zu Glasgow etc.
Aus dem Quarterly Journal of Science, Literature et the Arts. Im Repertory of Arts, Manufactures et Agriculture. N. CCXLI. Junius 1822. S. 39. Juli-Heft S. 105, und August-Heft S. 168.
Mit einer Abbildung auf Tab. VII.
Ure über Zusammensezung und Bereitung des Kalk-Chlorides.
Der pulverige oxygenirt-salzsaure Kalk, oder das
Kalk-Chlorid, eine fuͤr die Wissenschaft eben so interessante als
fuͤr die Kuͤnste wichtige Verbindung, wurde zuerst von Charles Tennand, Esqu., einem sehr geistreichen und großen
chemischen Fabrikanten zu Glasgow, erfunden. Er erhielt im Jahr 1799 ein Patent,
welches ihm das ausschließliche Recht zur Erzeugung dieses Artikels zusicherte.
Außer der Erklaͤrung seines Verfahrens bei Bereitung dieses Artikels in dem
Patente selbst wurden noch mehrere interessante Aufsaͤze uͤber diesen
Gegenstand geschrieben. Hr. Dalton war der erste, der in
der ersten Nummer der Annals of PhilosophyUebersezt in Schweiggers Journal fuͤr
Chemie und Physik Bd. 10. S. 445, und in Dingler's neuem Journal fuͤr
die Druk-, Faͤrbe- und Bleichkunde, mit Anmerkungen von
Dingler. Bd. 1. S. 291. Man vergl. auch hiemit „Beitrag zur
naͤhern Kenntniß der Eigenschaften der oxydirt-salzsauren
Alkalien, von Prof. Dr. Doͤbereiner in Dinglers angezeigtem
Journal S. 307. D., und spaͤter in dem zweiten
Bande derselben, diesen
Gegenstand wissenschaftlich behandelte. Sein erster Aufsaz beschaͤftigt sich
mit einem Muster von Bleichpulver von Herrn Tennant
selbst, welches aber wahrscheinlich auf seinem Transporte nach Manchester, und durch
die Art, wie dasselbe aufbewahrt wurde, etwas litt. Im zweiten AufsazeAus den Annals of
philos. Juli 1813 uͤbersezt in Schweigger's Journal
fuͤr Chemie und Physik Bd. 11. S. 36. D. untersucht er
einen oxygenirt-salzsauren Kalk, den Dr.
Henry frisch, und dadurch bereitete, daß er Chlorin
uͤber Proto-Hydrat von Kalk so lang hinziehen ließ, bis dasselbe mit
diesem Gas vollkommen gesaͤttigt war. Hr. Dalton
fand, daß 100 Theile dieses Chlorides aus 23 Theilen oxygenirt-salzsaurem
Kalke, 38 Theilen Kalk und 39 Theilen Wasser bestanden. „Fuͤhrt man
dieß“ sagt dieser geistreiche Philosoph, „auf das
atomistische System zuruͤk, um eine klare Ansicht uͤber diese
Verbindungen der orygenirten Salzsaͤure mit Kalk zu haben, so erhellt,
daß der trokene oxygenirt-salzsaure Kalk, oder, wie er eigentlich heißen
sollte, hyperoxygenirt-salzsaure Kalk aus
einem Atom Saͤure, zwei Atomen Kalk, und sechs Atomen Wasser besteht,
naͤmlich:
Ein Atom oxygenirte Salzsaͤure
29 oder 23,2
Zwei Atome Kalk
48 – 38,4
Sechs Atome Wasser
48 – 38,4
––––––––––––
125 – 100,0.
Wenn das Salz in Wasser aufgeloͤst wird, so wird die Haͤlfte des
Kalkes niedergeschlagen, und die Fluͤßigkeit enthaͤlt eine
Aufloͤsung von oxygenirt-salzsaurem Kalke. Die
Verhaͤltnisse der Elemente der Saͤure und der Basis sind dann:
Ein Atom Saͤure
29 oder 54,7
Ein Atom Kalk
24 – 45,3
–––––––––––
53 – 100,0.“
Diese atomischen Zahlen des Hrn. Dalton lassen sich, wenn
sie durch 7 getheilt werden, auf die Oxygen-Wurzel
zuruͤkfuͤhren. Die Mittel, deren sich Hr. Dalton bei seiner Analyst vorzuͤglich bediente, waren eine
Aufloͤsung von gruͤnem schwefelsauren Eisen, welchem er ein gewißes
Gewicht von oxygenirt-salzsaurem Kalke so lang zusezte, als man noch durch
den Geruch Chlorin wahrnehmen konnte, oder, bis alle Kraft der Chlorine in
Umwandlung des Protoxydes des Eisens in Peroxyd erschoͤpft war.
„Wenn zu wenig schwefelsaures Eisen da ist“ sagt er
„so riecht die Mischung sehr stark nach oxygenirter Salzsaͤure;
es muß daher noch mehr und so lang schwefelsaures Eisen zugesezt werden, bis,
unter gehoͤrigem Ruͤtteln, die Mischung keine Daͤmpfe von
oxygenirter Salzsaͤure mehr ausstoͤßt; sollte zu viel
schwefelsaures Eisen zugesezt worden seyn, so muß mehr von der sauren
Fluͤßigkeit“ (der oxygenirt-salzsauren
Kalk-Aufloͤsung) „zugegossen werden, bis der derselben
eigenthuͤmliche Geruch sich entwikelt.“ Dr. Thomson sagt, daß er dieses Reagens versuchte, daß er
aber dasselbe unzulaͤnglich gefunden habe. Auch ich versuchte dasselbe, und
fand es nicht bloß unzulaͤnglich, sondern zugleich auch hoͤchst
ungesund, indem das Beriechen dieser Mischung, wenn man sich von der vollkommenen
Neutralisation derselben uͤberzeugen will, ohne Einathmen der Chlorin nicht
moͤglich istDurch vielen Umgang
mit diesem Gase, gewoͤhnt man sich nach und nach daran.
D.. Im Verfolge dieser Abhandlung raͤth Hr. Dalton dem Bleicher ein Tri-Hydrat von Kalk anzuwenden, d.i., eine
Mischung von beinahe gleichen Theilen von Kalk und Wasser, statt des
Protohydrates.
Dieß wird indessen im Großen, wie ich glaube, schwerlich ausfuͤhrbar seyn,
indem die Oberflaͤche des Kalkes dadurch etwas zusammenhaͤngend
werden, und das Innere desselben hindern wuͤrde, die gehoͤrige Dosis von
Chlorin mit Leichtigkeit aufzunehmen, wenn man anders nicht die Arbeit bis auf einen
bedeutenden Grad von Muͤhe erhoͤhen will. Ein weit entfernt wohnender
Bleicher wird ferner nicht gar zu gern fuͤr ein solches Extra-Wasser Fuhrlohn bezahlen. Hr. Dalton bemerkt ferner, daß „der oxygenirt kochsalzsaure
Kalk“ (so wie er im Handel vorkommt) „in jeder Form mit
einem Theile kochsalzsauren Kalk verbunden ist, und daß dieser Theil mit dem
Alter des oxygenirten kochsalzsauren Kalkes zunimmt, und auf dessen Kosten
entsteht. Es ist daher Hauptsache, bei der Analyse zu bestimmen, wie viel in
irgend einem gegebenen Muster kochsalzsaurer, und wie viel
oxygenirt-kochsalzsaurer Kalk enthalten ist, indem der erstere zu dem
Zweke, den man mit dieser Mischung vor hat, durchaus nichts taugt.“
Das Resultat seiner mit Hrn. Tennant's Bleichsalze
angestellten Analyse druͤkt er mit folgenden Worten aus: „wir
koͤnnen hieraus schließen, daß dieß die Saͤttigung ist, welche
durch das Verfahren bei Erzeugung des trokenen oxygenirt-kochsalzsauren
Kalkes hervorgebracht wird, wenn naͤmlich Ein Atom Saͤure mit zwei
Atomen Kalk verbunden wird: so daß man dieses Salz einen basischen
oxygenirt-salzsauren Kalk (sub-Oxymuriate
of lime) nennen kann. Wenn man dasselbe in Wasser aufloͤset,
schlaͤgt sich die Haͤlfte des Kalkes nieder, und man
erhaͤlt eine Aufloͤsung von einfachem
oxygenirt-kochsalzsaurem Kalke.“
In dem zweiten Aufsaze, uͤber Dr. Henry's oxygenirt
kochsalzsauren Kalk, wo er zeigt, daß der kochsalzsaure Kalk ein zufaͤlliger
und nicht wesentlicher Begleiter des Anderen ist, finden wir eine andere
Analysir-Methode vorgeschlagen. „Man loͤse eine gegebene
Menge oxygenirt-salzsauren Kalkes in einer geringen Menge Wassers auf,
stelle die Aufloͤsung in einer graduirten Roͤhre uͤber
Queksilber, und entwikle das Gas durch eine Saͤure; auf diese Weise kann
man dasselbe messen, und die von der Fluͤßigkeit zuruͤckgehaltene Menge kann
beilaͤufig auf das Doppelte des Umfanges der Fluͤßigkeit
geschaͤzt werden. Das Gas kann, wie ich sehe, unter diesen
Umstaͤnden eine Woche lang aufbewahrt werden, ohne daß es von 150 Theilen
seines Umfanges mehr als 40 oder 50 Theile verloͤre, so daß es sich also,
wenn es nicht geruͤttelt wird, nur langsam mit Queksilber verbindet.
Indessen ziehe ich im Ganzen doch das gruͤne schwefelsaure Eisen als
Pruͤfungsmittel in Hinsicht auf Genauigkeit vor.“ Allein,
oxygenirter salzsaurer Kalk ist eine im Wasser nicht leicht aufloͤsbare
Mischung, und wird daher „von einer geringen Menge Wassers“
nicht leicht aufgenommen werden. Die Idee, die Chlorin durch eine Saͤure
auszuscheiden, ist indessen gut, und, wenn sie gehoͤrig, und so
ausgefuͤhrt wird, wie ich weiter unten zeigen werde, gibt sie die beßte und
leichteste Methode zur Analyse. Wenn er dem Eisen-Vitriole, als
Pruͤfungs-Mittel, den Vorzug gibt, so muͤßen seine
Geruchsnerven mehr ertragen koͤnnen, als die meinigen. Im Ganzen genommen
muͤßen wir seine beiden Aufsaͤze als hoͤchst ruhmvoll
fuͤr diesen beruͤhmten Chemiker betrachten. Seine
Untersuchungs-Methoden zeigen von dem ihm eigenen Scharfsinne, und seine
Schluͤsse sind von der Art, daß spaͤtere Untersucher sich damit
begnuͤgten, sie als ihre eigenen zu wiederholen.
Zunaͤchst wurde hierauf, so viel mir bekannt ist, das Kalk-Chlorid in
den Annales de Chimie et de Physique, im
April-Stuͤke 1818 in einem in praktischer Hinsicht gut geschriebenen
Aufsaze von J. J. Welter behandelt. Seine Verfahrungsart
bestand darin, zu versuchen, wie viel verduͤnnte
Indigo-Aufloͤsung in Schwefelsaͤure durch eine gewisse Menge
gesaͤttigten Kalk-Chlorides (dem Gewichte nach) entfaͤrbt
werden kann. Da er diese Menge von Kalk-Chlorid durch vorlaͤufige
Versuche bereits kannte, konnte er hiernach auf die Menge von Chlorin schließen, die
sich in dem Kalkhydrate befand. Aus diesen Versuchen, welche mit so vieler Genauigkeit, als die
Entfaͤrbungs-Methode gestattet, durchgefuͤhrt worden zu seyn
scheinen, schließt er, daß die gesaͤttigte Verbindung des Kalkes mit Chlorin
ein Halb-Chlorid ist; d.i. eine Verbindung von 46,78 (Ein Atom von
Kalk-Hydrat) + 44,1/2 = 22,05 (halbes Verhaͤltniß der Chlorin). Aus
eben diesen Gruͤnden schließt er, daß, wenn Kalk oder Pottasche dem mit einer
bestimmten Menge Chlorin geschwaͤngerten Wasser zugesezt wird, das daraus
hervorgehende Chlorid von Chlorsaͤure frei wird, indem eben so viel von dem
Faͤrbestoffe des Indigo dadurch zerstoͤrt ist, als die freie Chlorin
zu zerstoͤren vermochte. „Wenn man“ sagt Hr. Welter
„Wasser auf obiges Halb-Chlorid gießt, so hat eine Zersezung Statt;
das Wasser loͤst alle Chlorin zugleich mit einigem Kalke auf, und was
uͤbrig bleibt, ist Kalk-Hydrat. Es ist hoͤchst
wahrscheinlich, daß die aufloͤsliche Verbindung ein neutrales Chlorid
ist, das nur die Haͤlfte des Kalkes des Halb-Chlorides
enthaͤlt.“ Hrn. Welter's Anleitung,
den Indigo als Pruͤfungs-Mittel auf das Bleichpulver anzuwenden, ist
sehr sinnreich, und wird in der Folge beruͤksichtigt werden. Uebrigens glaube
ich an die Richtigkeit jener atomistischen Theilung, welche Hr. Welter nach Hrn. Dalton hier
wiederholt, nicht. Ich finde, daß Ein Theil im Handel vorkommenden
Kalk-Chlorides, wenn er mit 19 Theilen Wassers gut abgerieben wird, eine
bedeutende Menge von Chlorin in dem unaufgeloͤsten Theile zuruͤk
laͤßt, waͤhrend die Aufloͤsung nicht aus einer atomischen
Chloride besteht.
Spaͤter noch hat Hr. Thomson zwei Aufsaͤze
uͤber Kalk-Chlorid mitgetheilt. Der erste scheint so ziemlich in Eile
geschrieben, und scheint nur wegen der Anwendung von salpetersaurem Silber bei der
Analyse eines im Handel vorkommenden Salzes merkwuͤrdig, welches bekanntlich
aus Kalk-Chlorid und Calcium-Chlorid besteht, und wo es sich
vorzuͤglich darum
handelt, die Verhaͤltnisse beider zu bestimmen. Da nun
Calcium-Chlorid, welches der Bleicher gar nicht brauchen kann, mit
salpetersaurem Silber einen haͤufigeren Niederschlag gibt, als
Kalk-Chlorid, so ist es offenbar, daß, je schlechter das Bleichsalz wird,
desto besser es, nach Dr. Thomson's
Pruͤfungs-Mittel, zu seyn scheinen muͤße. In derselben
Abhandlung sagt Dr. Thomson: „wahrscheinlich
koͤnnte man ungeloͤschten Kalk mit Chlorin verbinden, wenn man
denselben in einer niedrigen Temperatur halten koͤnnte.“ Nun
heißt es aber in einem Aufsaze, welchen ich in seinen Annals im
September-Hefte 1815 einruͤken ließ: es ist ausgemacht, daß, wenn
kohlensaures Gas und Chlorin dem trokenen ungeloͤschten Kalke bei der
gewoͤhnlichen Temperatur ausgesezt werden, keine Verbindung Statt hat; daß
aber beide sich sehr leicht mit Kalk-Hydrat verbinden. Und wirklich, wenn
Chlorin zu Hydrat gebracht wird, erhoͤht sich die Temperatur; es entsteht
aber keine Hize, wenn sie auf trokenen Kalk wirkt, weil keine chemische Einwirkung
auf denselben Statt hat.
Der zweite Aufsaz des Drs. Thomson ist weit mehr
ausgearbeitet, biethet gesuͤndere Grundsaͤze zur Analyse dar, und
zeigt auch von achtenswerther Geschiklichkeit im Experimentiren. Der Gegenstand der
Untersuchung ist hier ein Muster von Bleichpulver, das zu Belfast fabricirt wurde,
und das, wie er glaubte, auf dem Transporte gelitten hat. „Ich
bin“ sagt er „geneigt zu glauben, daß dieser Ueberschuß von
Wasser irgend einem zufaͤlligen Naßwerden auf dem Transporte von Belfast,
(wo es verfertigt wurde) nach Glasgow zuzuschreiben istGut bereiteter Chlorin-Kalk ist
sehr hycroskoptisch, daher wahrscheinlich die Feuchtigkeit.
D., wo ich dasselbe analysirte.“ Seine neue
Analysir-Methode, welche schon im vorigen Aufsaze angedeutet war, bestand darin, daß er das
Bleichpulver in einer glaͤsernen Retorte in einem Sandbade hizte. Er
verwandelte auf diese Weise das Kalk-Chlorid in ein Calcium-Chlorid,
und entwikelt den Sauerstoff. Dieses Gas, welches in graduirten glaͤsernen
Gefaͤßen aufgefangen wurde, die, mit Wasser gefuͤllt, auf der
pneumatischen Wanne standen, zeigte durch seinen Umfang die Menge Chlorin an, welche
zu seiner Entwikelung verwendet wurde: denn ein Maß Sauerstoff war, in diesem Falle,
gleich zwei Maßen Chlorin. Hieraus wurde nun, den Umfang der vorhandenen Chlorin
gleich gesezt dem doppelten Umfange des entwikelten Sauerstoffes, und diesen im
Verhaͤltnisse von 100 Kubik-Zollen zu 76 1/4 Granen in Gewicht
verwandelt, das Verhaͤltniß der mit dem Kalkhydrate verbundenen Chlorin
bekannt. Ueber dieses Verfahren bemerkt Hr. Gay-Lussac, daß, wenn Kalk-Chlorid auf irgend eine Weise in
chlorsauren und kochsalzsauren Kalk uͤbergeht, noch immer derselbe Umfang von
Sauerstoff erhalten wird, obschon jezt das Bleichpulver seine bleichende Kraft
gaͤnzlich verloren haben muß. Es ist indessen noch zweifelhaft ob auf diese
Weise irgend ein chlorsaurer Kalk gebildet werden kann, obschon gemeiner salzsaurer
Kalk, wie Dalton richtig bemerkte, allmaͤhlich
gebildet wird. Der Ruͤkstand in der Retorte besteht aus lebendigem Kalke und
Calcium Chlorid, wovon lezteres, da es sich durch seine große Aufloͤsbarkeit
im Wasser abscheidet, bis zur Trokenheit abgeraucht und gewogen wird. Das Resultat
seiner Analyse ist folgendes: „Die wahre Mischung des Bleichpulvers ist,
in 100 Theilen,
Kalk-Subbichlorid (basischer oxygenirtsalzsaurer Kalk des Hrn. Dalton)
51,91
20,31 Chlorin.31,60 Kalk.
Salzsaurer Kalk
15,46
Wasser
27,86
Unverbundener Kalk
4,77
––––––––
100,00
so, daß also mehr als die Haͤlfte des Bleichpulvers
aus reinem Kalk-Subbichlorid besteht, waͤhrend aller
uͤbrige in demselben auf das Bleichen keinen Einfluß hat.“ Er
haͤlt das von ihm auf diese Weise untersuchte Pulver fuͤr ganz
außerordentlich kraͤftig und gut zur Bleiche, und glaubt, daß seine
Staͤrke „hoͤchst wahrscheinlich davon herruͤhrt, daß
es von der Oberflaͤche des, in dem Boden der Vorlage vorgeschlagenen,
Kalkes hergenommen wurde, welcher immer dem Saͤttigungspunkte viel
naͤher kommt, als jeder andere Theil desselben.“
„Ich habe aber auch“ faͤhrt er fort, „einen
Theil Bleichpulver der Analyse unterzogen, welches, wie ich glaube, ein ziemlich
gutes Muster von Bleichpulver mittlerer Staͤrke ist, so wie es
naͤmlich gewoͤhnlich im Handel vorkommt. Es bestand aus
(14,29 Chlorin.
Kalk-Subbichlorid
36,52,
(22,23 Kalk.
Kochsalzsauren Kalk
18,50,
Wasser
16,93,
Unverbundenen Kalk
28,05.
––––––––
100,00“
Herrn Dalton's erstes, im Handel vorkommendes,
Bleichpulver, bestand aus
(14,5 oxygen. Salzsaͤure.
Basischem oxygenirt salzsauren Kalk
44,5
(30,0 Kalk.
Salzsauren Kalk
13,5
Wasser
42,3So heißt es im Originale. Es sollte
wahrscheinlich 0 statt 3 seyn. A. d. Ueb.
––––––––
100,0
Sein zweites, von Dr. Henry bereitetes, enthielt, wie er
sagt, keinen salzsauren Kalk. Es bestand, wie fruͤher angegeben wurde,
aus
oxygenirter Salzsaͤure
23,2
Kalk
38,4
Wasser
38,4
–––––––
100,0
Nun muͤßen nothwendig Hrn. Dalton's eigene Atome
mit einander uͤbereinstimmen, oder die Mischung, die er eine basische
oxygenirt-salzsaure Verbindung (sub oxymuriate)
nennt, muß ein bestimmtes Verhaͤltniß seyn. Allein, seine erste und zweite
oxygenirt-salzsaure Verbindung (abgesehen von Salzsaͤure und Wasser)
scheinen so ziemlich abweichend: denn 23, 2: 38, 4:: 14,5: 24, und nicht wie 30, wie
er es angegeben hat. Dr. Thomson richtete seine Zahlen
nach dem atomistischen Systeme ein, und warf, in dieser Hinsicht, die passende Menge
von „unverbundenem Kalke“ weg. Der Hauptfehler bei allen diesen
Angaben ist, nach meiner Ansicht, durch die ultra-atomistischen Ideen der
Auctoren entstanden. Sie beweisen durchaus nicht, daß, wenn Chlorin dem
gepuͤlverten geloͤschten Kalke dargebothen wird, 22,23 Theile dieser
alkolischen Basis sich mit 14,29 Theilen Chlorin verbinden, um 36,52 Theile eines
Subbi-Chlorides zu bilden, waͤhrend in derselben Mischung 28,05 Theile
Kalk, die doch eben so gierig nach Chlorin sind, neben ihren Gefaͤhrten
gaͤnzlich dieses kraftvollen Elementes beraubt bleiben. Dr. Thomson's lezte Angabe ist indessen auf diese
Gruͤnde gebaut. Ich glaube im Gegentheile, und ich hoffe, daß ich es sogleich
erweisen werde, daß alle Theile des Kalk-Hydrates sich eine gewiße Menge von
Chlorin aneignen, und zwar in dem Verhaͤltnisse, als die Menge und der Druk
des auf sie wirkenden Gases groß ist, aufsteigend bis zu ihrem
Saͤttigungs-Punkte, welcher Ein Atom Chlorin auf Ein Atom
Tri-Hydrat von Kalk zu seyn scheint, und daß es folglich keine Mischung von
atomischem Kalk-Subbichlorid und freiem Kalke in diesem Pulver gibt.
Ehe ich aber meine eigenen Versuche anfuͤhre, muß ich, auf einen Augenblik,
auf Hrn. Grouvelle's
„Untersuchungen uͤber die Verbindungen mit Oxiden von Chlorin,
Jodin, und Cyanogen „in den Annales de Chimie
et de Physique“
Mai 1821 aufmerksam
machen, in welchen dieser Herr behauptet, daß Hr. Welter,
so viel er weiß, der erste ist, der sich mit Analyse des Kalk-Chlorides
beschaͤftigte. Wir haben oben gezeigt, daß Hrn. Welter's Untersuchungen 5 Jahre spaͤter kamen, als jene Dalton's, der zugleich auch allen atomistischen
Schluͤssen der franzoͤsischen Chemiker zuvor gekommen ist. Hrn. Grouvelle's Verfahren bei Untersuchung des
Kalk-Chlorides scheint mir ganz ausgezeichnet unschiklich, und kann mit der
lezten Verfahrungs-Weise des Drs. Thomson, auf
welche er gar nicht Ruͤksicht nimmt, obschon er die erstere anfuͤhrt,
durchaus nicht verglichen werden. „Ich behandelte“ sagt er
„das Kalk-Chlorid bei gelinder Hize mit reinem, mittelst
Alkohol bereiteten, Kali. Ich rauchte es ab, und calcinirte das erhaltene Salz,
um das Chlorat zu zersezen, und schlug mit salpetersaurem Silber die Chlorin des
Kali-Chlorides nieder. Der Kalk wurde in schwefelsauren Kalk verwandelt.
In einem anderen Versuche calcinirte ich das Kalk-Chlorid unmittelbar,
und schlug es mit salpetersaurem Silber nieder. Es entwikelte sich nur eine
geringe Menge von Chlorin waͤhrend der Calcination. Die erhaltenen
Resultate gaben, als Bestandtheile des Kalk-Subbichlorides,
Kalk-Hydrat,
1 Atom
936,22,
67,914
Chlorin,
1 Atom
442,65,
32,086
––––––––
––––––––
1379,57,
100,000.
Und als Bestandtheile des aufgeloͤsten neutralen Chlorides:
Kalk-Hydrat,
1 Atom
51,416
Chlorin –
2 Atome
48,584
––––––––
100,000.“
Ein Verfahren, wie dieses, beleuchten zu wollen, waͤre hoͤchst
uͤberfluͤßig. Aus dem ferneren Verlaufe seiner Abhandlung scheint zu
erhellen, daß er nicht weiß, daß Kalk-Chlorid-Aufloͤsung durch langes Sieden,
durch Sieden bis zur Trokenheit, wie er hier vornahm, in salzsauren und kohlensauren
Kalk uͤbergeht.
Bei den Untersuchungen, welche ich zu mehreren verschiedenen Malen uͤber die
Natur des Kalk-Chlorides anstellte, suchte ich immer die Resultate der
Synthesis mit jenen der Analysis zu verbinden, d.h., ich verwandelte zuerst eine
gegebene Menge von Kalk-Hydrat in Bleichpulver, und unterzog dasselbe hierauf
der Analyse. Unter den Resultaten meiner Versuche finde ich in meinem
Notaten-Buche vom Jahr 1815 folgendes: 500 Grane ungeloͤschten Kalk,
aus Carrara-Marmor fein gepuͤlvert, wurden in einer glaͤsernen
Kugel einem starken Strome von Chlorin (welche vorher durch etwas kaltes Wasser
ging) vier Tage lang ausgesezt. Die Zunahme an Gewicht wurde von Zeit zu Zeit
aufgezeichnet, und betrug, am Ende des Versuches, nur 30 Grane: diese
Gewichts-Zunahme ruͤhrte, wie die hieruͤber angestellte
Untersuchung zeigte, von etwas Hydrat-Chlorid her: die wenigen zur Bildung
desselben noͤthigen Grane Wassers ließen sich aus der großen Menge des
ungetrokneten Gases herleiten, welches man durchstroͤmen ließ. Im Mai 1817
hatte ich einen Versuch aufgezeichnet, in welchem 400 Grane
Carrara-Kalk-Hydrat, als Aequivalent von 291,28 Gran trokenen Kalkes,
zwei Tage lang einem Strome von Chlorin ausgesezt wurden, welche in Wasser von
50° Fahrenheit gewaschen ward. Als kein Gas mehr aufgenommen wurde, fand man
eine Gewichts-Zunahme von 270,5 Granen. Nimmt man an, daß diese
Gewichts-Zunahme Chlorin ist, so haͤtten wir, durch Synthese folgende
Bestandtheile des Bleichpulvers:
Chlorin
40,34.
Trokenen Kalk
43,46)
Hydrat
59,66.
Wasser
16,20)
–––––––
100,00
Dieses Pulver wurde nun in einem birnenfoͤrmigen Glase mit verduͤnnter
Salzsaͤure analysirt. Man sorgte dafuͤr, daß die ganze entwikelte
Chlorine beseitigt wurde, ohne daß man irgend eine Fluͤßigkeit entweichen
ließ. Der Kalk wurde, mittelst kohlensauren Ammoniums, in kohlensauren Kalk
verwandelt. Folgendes ist das Resultat zweier, nach obigen Grundsaͤzen
angestellter, analytischer Versuche:
I. Versuch.
II. Versuch.
Entwikelte Chlorin
40,60
39,40
Kalk
42,27
42,22
Wasser
17,13
18,38
––––––
––––––
100,00
100,00
Ich habe Grund zu vermuthen, daß der zweite Versuch genauer ist, als der erste, und,
wenn man das Resultat der Synthese damit vergleicht, so wird man sich zu dem
Schlusse geneigt finden, daß die große Menge ungetrokneten Chlorines, welche
uͤber den Kalk stroͤmte, 2 p. C. Wasser absezte. Ich habe mich auch
durch andere Versuche uͤberzeugt, daß verduͤnnte Kochsalzsaͤure
nichts als reines Chlorin ausscheidet; denn das ganze entwikelte Gas wurde durch
Schuͤtteln mit Queksilber eingesogen. Es scheint nicht moͤglich, obige
Chloride mit irgend einer bestimmten atomistischen Zusammensezung zu vereinigen.
Folgende Versuche wurden im vorigen Fruͤhlinge mit vieler Sorgfalt
angestellt.
200 Grane atomischer Proto-Hydrates des reinsten Kalkes wurden in eine
glaͤserne Kugel gethan, welche durch Einsenkung in Wasser von 50°
Fahrenh.= + 8° Reaum.
A. d. Ueb. kuͤhl erhalten wurde. Ein Strom von Chlorine,
welche in Wasser von derselben Temperatur in einer anderen glaͤsernen Kugel
vorlaͤufig gewaschen wurde, die mittelst einer engen glaͤsernen
Roͤhre mit der vorigen Kugel in Verbindung stand, wurde uͤber das
Kalk-Hydrat geleitet. Die Kugel mit dem Kalke wurde von dem uͤbrigen Apparate von Zeit
zu Zeit abgenommen, damit der Proceß unterbrochen werden konnte, sobald die Zunahme
an Gewicht aufhoͤrte. Dieses geschah, sobald 200 Grane Hydrat, welche 151,9
Kalk enthielten, 130 Grane Chlorine verschlukt hatten. Bei einem analytischen
Versuche ergab es sich, daß verduͤnnte Kochsalzsaͤure aus 50 Granen
des Chlorides 20 Grane Chlorine; oder 40 p. C. ausschied, und bei einem anderen
erhilt man aus 40 Granen 16,25 Gas, welches 40,6 p. C. gibt. Aus dem
Ruͤkstande des ersteren erhielt man durch kohlensaures Ammonium 39,7 Grane
kohlensauren Kalk; aus dem des zweiten 36,6 gegluͤhten kochsalzsauren Kalk.
Die Resultate sind also im Ganzen folgende:
Synthesis.
I. Analysis.
II. Analysis.
Mittel.
Chlorine
39,39
40,00
40,62
40,31
Kalk
46,00
44,74
46,07
45,40
Wasser
14,60
15,26
13,31
14,28
––––––
––––––
––––––
––––––
100,00
100,00
100,00
100,00
Obschon die durch die Einwirkung der verduͤnnten Saͤure erzeugte Hize
bei den analytischen Versuchen einen geringen Antheil von Feuchtigkeit mit der
Chlorine zugleich entfuͤhrte, so stimmen diese Versuche doch mit dem
synthetischen hinlaͤnglich genau, um als Bestaͤtigung der allgemeinen
Resultate zu dienen. Obiges Pulver scheint ein reines Chlorid, ohne irgend eine
Beimischung von Salzsaͤure, gewesen zu seyn: allein es gewaͤhrt keine
atomische Constitution in seinen Verhaͤltnissen.
Zu 200 Granen dieses Kalk-Hydrates wurden 30 Grane Wasser zugesezt, und das
Pulver einem Strome von Chlorine auf obige Weise so lang ausgesezt, bis
Saͤttigung Statt hatte. Die Gewichts-Zunahme betrug 150 Grane. Man muß
hier bemerken, daß bei diesem und bei dem vorhergehenden Versuche kein bedeutender
pneumatischer Druk angewendet wurde, um die Verdichtung der Chlorine zu
beguͤnstigen. Wir sehen in diesem lezten Falle, daß die 30 Grane Wasser den
Kalk in den Stand sezten, 20 Grane Chlorine mehr zu verschlingen; eine Menge Gases,
die beinahe jener des trokenen Kalkes gleich kommt. Es scheint also ein Atom Kalk
mit sieben Neuntel Atom von Chlorine verbunden, was die Analyse durch
Kochsalzsaͤure bestaͤtigte. Sie gab:
Chlorine
39,5 = 51,8 Kubik-Zoll.
Kalk
39,9
Wasser
20,6
–––––
100,0.
Ich sezte hierauf etwas von diesem Pulver der Hize in einer kleinen glaͤsernen
Retorte aus, und verband diese mit dem hydro-pneumatischen Apparate. Bei
einer Temperatur, die noch weit unter der Gluͤhhize war, entwikelte sich Gas
sehr haͤufig. Von dem ersten bei der Temperatur des siedenden Wassers
entwikelten, und aufgesammelten Gase wurden 100 Maße mit Wasser in einer Temperatur
von 50° Fahrenh. geschuͤttelt, 63 Maße wurden verschlungen, und die
uͤbrigen 37 waren beinahe reiner Sauerstoff. Der Geruch des zuerst
entwikelten Gases war noch Chlorine; hierauf kam aber Geruch von Euchlorine, und
endlich, wie das Produkt Sauerstoffgas ward, verschwand der Geruch beinahe
gaͤnzlich. Nachdem ich auf diese Weise die Produkte im Allgemeinen
dargestellt hatte, unterzog ich jezt 100 Grane desselben zulezt beschriebenen
Pulvers in einem schiklichen Apparate derselben Behandlung. 30 Kubik-Zolle
Gas wurden aus demselben erhalten, und in einer Reihe von Glaͤsern, die
uͤber Wasser von 50° Fahrenh. standen, aufbewahrt. Das zuerst
erhaltene Gas war Chlorine, beinahe in reinem Zustande; gegen das Ende aber, als die
Hize der Gluͤhehize nahe kam, oder wirklich solche war, war Sauerstoff das
Haupt-Produkt. Der zuruͤkgebliebene feste Ruͤkstand gab, mit Wasser, eine
Aufloͤsung von kochsalzsaurem Kalke, welche 30 Grane trokenen Salzes
enthielt, was beinahe 15 Granen Kalkes gleich kommt. Das Chlorid schien aber sowohl
bei der Synthese als bei der Analyse in 100 Granen 51,8 Kubik-Zoll Chlorine
(was mit 25,9 Sauerstoff correspondirt) und 39,9 Kalk zu enthalten. Die Menge des
entwikelten Gases beweiset, abgesehen von allen anderen Betrachtungen, daß eine
bedeutende Menge von Chlorine ohne Trennung des Sauerstoffes vom Calcium
uͤberging; und da man bei spaͤteren Versuchen fand, daß diese Mengen
des Gases nach der verschiedenen Staͤrke des Pulvers, und nach den
verschiedenen Graden von Hize sehr verschieden waren, so ward diese ganze
Analysir-Methode zur taͤuschenden Taͤndelei. Die Richtigkeit
dieses Schlusses wird noch mehr erhellen, wenn man bedenkt, daß eine unbestimmbare
Menge von Chlorine in dem Wasser der Wanne des pneumatischen Apparates verdichtet
wird, und daß wahrscheinlich waͤhrend der Periode, wo das gasfoͤrmige
Produkt von dem Zustande der Chlorine in jenen des Sauerstoffes uͤbergeht,
etwas Euchlorine sich bildet. So scheinen von den 39,9 Granen des in dem Chloride
enthaltenen Kalkes kaum 24,9 ihre Chlorine verlassen zu haben, waͤhrend die
uͤbrigen 15 ihren Sauerstoff verloren, der 12 2/3 Kubik-Zoll oder 4,3
Gran gleich kommt, und die uͤbrigen 10,7 Calcium, verbunden mit 19,3
Chlorine, 30 Grane gegluͤhten kochsalzsauren Kalk geben. Nun bilden aber 19,3
Gran Chlorine 25,3 Kubik-Zolle; folglich ist 51,8 – 25,3 = 26,5, das
Volumen der durch das Feuer entwikelten Chlorine, und wenn wir diesem 12 2/3
Kubik-Zoll Sauerstoffgas zusezen, die Summe 39,16 der ganze Umfang des Gases,
welchen man haͤtte erhalten sollen. Der Abgang von 9,16 Kubik-Zoll ist
der Einsaugung von Chlorine (und vielleicht von Euchlorine) zuzuschreiben, die in
dem Wasser der pneumatischen Wanne Statt hatte. Im obigen Falle kam ungefaͤhr
die Haͤlfte der ganzen Chlorine in Gasgestalt heruͤber, und die andere
Haͤlfte mit der Basis des Kalkes und im Ausschluͤsse des Sauerstoffes.
Ich habe bemerkt, daß das Verhaͤltniß der Chlorine zu jenem des durch die
Hize freigewordenen Sauerstoffes so, wie man sich natuͤrlicher Weise die
Sache vorstellen kann, zunimmt; naͤmlich nach der Staͤrke des
Bleichpulvers. Wenn dieses nur schwach mit Chlorine geschwaͤngert ist, wie es
bei mehreren solchen kaͤuflichen Pulvern der Fall ist, dann besteht das
entwikelte Gas aus einer großen Menge von Sauerstoff.
Bevor ich die Bereitung des uͤbersauren kochsalzsauren Kalkes im Großen
beschreibe, und die mittlere Guͤte dieses Produktes, so wie es im Handel
vorkommt, nebst den bequemsten Mitteln, die Bleichkraft desselben zu pruͤfen,
angebe, wird man mir erlauben, einige theoretische Bemerkungen uͤber den
Zustand der chemischen Verbindung zwischen dem Kalke und der Chlorine an obigem
Bleichpulver zu machen. Wir haben gesehen, daß das atomische Kalk-Hydrat bei
einem leichten pneumatischen Druke in dem ersten Versuche 33 Theile Chlorine bis
35,5, = dem ersten Kalk-Aequivalente, verschlang. In dem zweiten Versuche
verschlang es, ohne Druk, 30,4; in dem dritten, mit Beihuͤlfe von 13 p. C.
Wasser mehr in dem Hydrate, 35,2 Chlorine. Wenn wir aber so viel Wasser zu dem Kalke
zusezen, daß ein Trihydrat daraus wird, das ist, auf 100 Theile Kalk 95 Theile
Wasser, und dieses Hydrat bei einer Temperatur von 50° F. einem Strome von
Chlorine aussezen, so koͤnnen wir ohne Schwierigkeit an 35,5 Kalk 45 Chlorine
verdichten, und selbst noch etwas mehr. Dieses Verhaͤltniß sollte nun den
wahren Zustand atomischer Saͤttigung und Ruhe zu bilden scheinen; denn es ist
gerade so viel Chlorine vorhanden, als noͤthig ist, um allen Sauerstoff aus
dem Calcium zu
verbannen, und das Bleichpulver ganz in kochsalzsauren Kalk zu verwandeln. Die
innige Vereinigung, welche zwischen Sauerstoff und Calcium Statt hat, und die daraus
folgende innige Beruͤhrung ihrer Molekuͤln muß indessen dem ersteren
dieser beiden Elemente, wenn man so sagen darf, einen chemischen Vortheil
uͤber die mehr entfernt stehenden Molekuͤln der Chlorine
gewaͤhren, welche, bei den vereinten Verwandtschaften des Wassers und des
Kalkes nur sehr lose um das Hydrat zusammengehaͤuft sind. Der
Schwaͤche dieser losen Verbindung, welche mit jedem Grade der
Schwaͤngerung zunimmt, ist es zuzuschreiben, daß die geringste Hize sodann im
Stande ist, der angehafteten Chlorine, wie wir gesehen
haben, wieder Elasticitaͤt zu geben. Indessen, in dem Verhaͤltnisse
als die Masse des Hydrates in Hinsicht auf die Chlorine zunimmt, uͤbt sie
eine groͤßere Anziehungs-Kraft aus, zieht die Chlorine in eine
scheinbar engere Verbindung, wodurch die Adhaͤsion des Sauerstoffes
geschwaͤcht wird. Damit nun die Atome eine neue bestimmte Stellung nach Zerstoͤrung der bereits vorhandenen
annehmen koͤnnen, wird eine gewiße Staͤrke von Anziehungs-Kraft
erfodert, und dieser Staͤrke scheint in dem gegenwaͤrtigen Falle durch
die Abstossungs-Kraft zwischen zwei Glas-elektrischen Elementen,
Sauerstoff und Chlorine, entgegengearbeitet zu werden, waͤhrend die
schwaͤchere Verwandtschaft des ersteren mit Calcium durch Naͤhe der
Beruͤhrung ersezt, und derselbe dadurch in den Stand gesezt wird, bei
niedriger Temperatur auf seiner Stelle zu bleiben. Hize erhoͤht die
Verwandtschaft zwischen Calcium und Chlorine, und gibt zu gleicher Zeit dem
Sauerstoffe Elasticitaͤt. Diese Schwaͤche von Verwandtschaft zwischen
den Bestandtheilen des Kalk Chlorides ist es, die die Mengen beider unbestimmt
laͤßt, und sie vielmehr einer Mischung (oder hoͤchstens einer
Salz-Aufloͤsung) aͤhnlicher macht, als einer wahren atomischen
Zusammensezung. Sie ist wirklich in ihren Verhaͤltnissen eben so unbestimmt,
als unbestaͤndig in ihrem Gleichgewichte.
Ueber Verfertigung des Bleich-Pulvers im Großen.
Man hat nach und nach eine Menge von Apparaten ausgedacht, um die Verbindung der
Chlorine mit gebranntem Kalke zur Handelswaare zu beguͤnstigen. Eine der
sinnreichsten Formen war die eines Cylinders oder eines Fasses, das innenwendig mit
schmalen hoͤlzernen Stellchen versehen ist, und an einer hohlen Achse
haͤngt, durch welche die Chlorine in dasselbe geleitet wurde, und um welche
das Gefaͤß sich dreht. Durch dieses Drehen wurde dem Kalkstaube die
moͤglich groͤßte Oberflaͤche gegeben, und derselbe schnell im
gehoͤrigen Grade mit dem Gase geschwaͤngert. Diese Vorrichtung sah ich
bei den Hrn. Overkampf und Widmer in ihrer beruͤhmten Fabrik von gedrukten
Zeugen (fabrique des toiles peintes) zu Jouy bei
Versaille im Jahr 1816. Allein diese verfeinerte Vorrichtung ist kostbar, und taugt
fuͤr die groͤßeren englischen Fabriken nicht. Die einfachste, und nach
meiner Ansicht beßte, Vorrichtung um Kalk-Staub der Einwirkung der Chlorine
auszusezen, ist eine acht oder neun Fuß hohe Stube aus Kiesel-Sandstein,
welche mit einem Moͤrtel aus gleichen Theilen Pech, Harz und trokenem Gypse
aufgemauert ist. An einem Ende dieser Stube ist eine Thuͤre angebracht,
welche mittelst Streifen von Tuch und Thon-Beschlag luftdicht geschlossen
werden kann. Ein Fenster zu jeder Seite laͤßt den Fabrikanten durch die Farbe
der Luft in dieser Stube beurtheilen, wie es mit der Schwaͤngerung des Kalkes
voran geht, und gibt zugleich Licht, um vor dem Beginnen des Prozesses die
noͤthigen Anstalten in derselben zu treffen. Da Wasser-Kitt ohne
Vergleich besser ist, als jeder andere, wo immer der pneumatische Druk gering ist,
so wuͤrde ich eine große Klappe oder eine Thuͤre vorschlagen, die, nach diesem
Grundsaze, an der Deke angebracht werden koͤnnte, und zwei Kufen von
bedeutender Weite unten an jeder Seite der Mauer. Die drei Dekel koͤnnten auf
einmal durch Seile gehoben werden, die uͤber eine Rolle laufen, ohne daß der
Arbeiter noͤthig haͤtte, sich dem toͤdtlichen Gase zu
naͤhern, wenn die Stube geoͤffnet werden muß. Eine große Menge
hoͤlzerner Stellen, oder vielmehr Mulden, acht oder zehn Fuß lang, zwei Fuß
breit, und einen Zoll tief, sind zur Aufnahme des durchgesiebten geloͤschten
Kalkes vorgerichtet und enthalten ungefaͤhr zwei Atome Kalk auf drei Atome
Wasser. Diese Stellen sind in der Stube eine uͤber der anderen fuͤnf
bis sechs Fuß hoch aufgeschlagen, und durch Quer-Latten ungefaͤhr
einen Zoll weit von einander entfernt, so daß das Gas freien Spielraum findet, um
uͤber das Kalk-Hydrat oder den ungeloͤschten Kalk
hinzuspielen.
Die Retorten zur Erzeugung der Chlorine, die gewoͤhnlich kugelfoͤrmig
sind, sind in einigen Faͤllen ganz aus Blei, in anderen bestehen sie aus zwei
in ihrer Mitte vereinigten Halbkugeln, wovon die untere aus Gußeisen, die obere aus
Blei ist. Die erste Art derselben ist bis auf zwei Drittel von ihrem Boden weg in
einem bleiernen oder eisernen Gehaͤuse eingeschlossen, und der Zwischenraum
zwischen diesen beiden Gefaͤßen ist zur Aufnahme des Dampfes aus einem nahe
stehenden Kessel bestimmt. Diejenigen Retorten, welche unten aus Gußeisen sind,
werden mit dem Untertheile unmittelbar einem maͤßigen Feuer ausgesezt: rings
um die aͤußere Kante der eisernen Hemisphaͤre ist eine Vertiefung
gegossen, in welche die untere Kante der bleiernen Hemisphaͤre einsizt: die
Verbindung selbst wird mit roͤmischen oder mit Patent-Kitt luftdicht
gemachtEine Mischung aus
Thon, Kalk und Eisenoxid, wovon jedes besonders calcinirt und fein
gepuͤlvert wird. Man muß diesen Kitt in verschlossenen
Gefaͤßen aufbewahren, und bei dem Gebrauche mit einer
gehoͤrigen Menge Wasser mischen. A. d. Ueb.. An dieser
bleiernen Kuppel
befinden sich vier Oeffnungen, deren jede mit Wasserkitt verstrichen ist. Die erste
derselben hat ungefaͤhr zehn oder zwoͤlf Zoll im Gevierte, und ist mit
einer bleiernen Klappe geschlossen, deren Kanten eingebogen sind, und in der
Wasserfurche am Rande der Oeffnung sizen. Sie dient dazu, um, wenn irgend eine
Stoͤrung an dem Umdrehungs-Apparate eintreten sollte, oder wenn die
harten salzartigen Concretionen von dem Boden abgestoßen werden muͤßen, dem
Arbeiter den noͤthigen Zugang zu verschaffen. Die zweite Oeffnung befindet
sich in dem Mittelpunkte der obersten Woͤlbung. Es ist daselbst eine bleierne
Roͤhre angebracht, die beinahe bis auf den Boden hinabsteigt, und durch
welche die verticale Achse laͤuft, an deren unterem Ende Querstangen von
Eisen oder von Holz, mit Blei uͤberzogen, befestigt sind, und durch deren
Umdrehung die Materialien gehoͤrig umgeruͤhrt werden koͤnnen,
so daß der dichte Braunstein sich mit der Schwefelsaͤure und dem Kochsalze
gehoͤrig vermengen kann. Diese Achse kann entweder dadurch in Bewegung gesezt
werden, daß der Arbeiter von Zeit zu Zeit eine oben angebrachte Kurbel mit der Hand
dreht, oder daß man die Achse mit einem Raͤderwerke verbindet, welches vom
Wasser oder durch eine Dampf-Maschine getrieben wird. Die dritte Oeffnung ist
zur Aufnahme eines hebelfoͤrmigen Trichters bestimmt, durch welchen die
Schwefelsaͤure zugegossen wird, und die vierte ist fuͤr die
Abzugs-Roͤhre bestimmtDiese
Vorrichtung ist mit vielen Beschwerden fuͤr die Arbeiter verbunden,
daher dieß vorbeschriebene Verfahren der Hrn. Oberkampf und Wittmer in Jouy,
das in fast allen franzoͤsischen Kattundruk-Manufakturen zur
Gewinnung des fluͤßigen Chlorin-Kalks angewendet wird, den
Vorzug verdient. Am beßten scheint mir noch immer das von mir
vorgeschlagene Verfahren, der Chlorine in Toͤpfe die mit zerfallenem
Kalk gefuͤllt sind, zu leiten; ein Verfahren bei dem die Arbeiter
ihre Gesundheit nicht aufopfern, und wodurch man den moͤglichst beßt
gesaͤttigten, und daher beinahe ganz aufloͤslichen
Chlorin-Kalk erhaͤlt. Dieses Verfahren findet man in Dingler's
neuem Journal fuͤr die Druk-, Faͤrbe- und
Bleichkunde 1 Bd. S. 330 so wie im
3 Bd. S. 408 dieses
polytechnischen Journals, nebst Abbildung des Apparates, beschrieben. Zur
Vermeidung der Erwaͤrmung muß man die Toͤpfe in kaltes Wasser
stellen. D..
Das Verhaͤltniß der Materialien zur Erzeugung der Chlorine ist in
verschiedenen Fabriken sehr verschieden. Gewoͤhnlich nimmt man, dem Gewichte
nach, 1000 Theile Salz, und mengt sie mit 1000 oder 1400 Theilen Braunstein, und
sezt dieser Mischung, nachdem man sie in die Retorte eingetragen hat, 12–14
Schwefelsaͤure in kleinen Mengen nach und nach zu. Diese
Schwefelsaͤure (Vitriol-Oel) muß vorher so mit Wasser verduͤnnt
werden, daß die specifische Schwere derselben ungefaͤhr 1,5 wird. Diese
Verduͤnnung geschieht indessen wirklich nur selten, indem die meisten
Bleichpulver-Fabrikanten sich die zu ihrem Pulver noͤthige
Schwefelsaͤure selbst bereiten, und, in dieser Hinsicht, dieselbe nie
hoͤher in ihren Blei-Apparaten, als bis auf, 1,65 concentriren, was,
nach meiner Tabelle uͤber Schwefelsaͤure, ein Viertel ihres Gewichtes
an Wasser anzeigt, weßwegen auch von dieser Saͤure ein Drittel mehr
angewendet werden muß.
Die vierte Oeffnung ist, wie ich gesagt habe, fuͤr die
Abzugs-Roͤhren bestimmt. Diese Roͤhre wird in einen bleiernen
Kasten oder Cylinder geleitet, in welchem sich alle uͤbrigen
Abzugs-Roͤhren gleichfalls enden. Sie werden alle bloß mit Wasserkitt
mit demselben verbunden, indem sie nur zwei bis drei Zoll hydrostatischen Druk
erleiden. In diesem allgemeinen Behaͤlter wird die Chlorine von der ihr noch
anhaͤngenden Kochsalzsaͤure abgewaschen, indem sie durch etwas weniges
Wasser
laͤuft, in welches jede Roͤhre getaucht ist, und aus diesem
Behaͤlter wird das Gas durch eine ziemlich weite bleierne Roͤhre in
die Verbindungs-Kammer gefuͤhrt.
Gewoͤhnlich tritt sie in diese oben an der Deke ein, und stroͤmt von
dort aus ihr schweres Gas nach allen Seiten umher aus.
Nach der gewoͤhnlichen Rechnung sind vier Tage erfoderlich, um gutes kaufbares
Bleichpulver zu verfertigen. Eine schnellere Bereitung wuͤrde die Gefahr
einer Erhoͤhung der Temperatur herbeifuͤhren, wodurch auf Kosten der
Bleichkraft nur kochsalzsaurer Kalk entstuͤnde. Geschikte Fabrikanten
bedienen sich indessen hier eines abwechselnden Verfahrens. Sie stellen, vor allem
und zuerst, die hoͤlzernen Mulden nur in abwechselnden Stellen an jeder
Saͤule auf. Nach zwei Tagen wird die Destillation unterbrochen, und die
Verbindungs-Kammer geoͤffnet. Zwei Stunden darauf geht der Arbeiter in
dieselbe, um in die leer gebliebenen Stellen Mulden mit frischem Kalkhydrate zu
stellen, und zugleich das bereits halb gebildete Chlorid in den fruͤher
daselbst eingesezten Mulden umzukehren. Hierauf wird die Thuͤre wieder
zugekittet, und die Verbindungs-Kammer, nachdem sie wieder zwei Tage lang mit
Chlorine gefuͤllt wurde, neuerdings geoͤffnet, um die zuerst
eingesezten Mulden herauszunehmen, und andere mit frischem Kalk-Hydrate
gefuͤllte an die Stelle derselben einzusezen. Auf diese Weise wird der Proceß
abwechselnd fortgesetzt, nach meiner Erfahrung ganz vortreffliches Bleichpulver
erzeugt, und die Chlorine stets in einem ziemlich gleichfoͤrmigen Strome
zugelassen. Da aber, so wie die Schwaͤngerung des Kalk-Hydrates
zunimmt, die Einsaugungs-Faͤhigkeit derselben abnimmt, so ist es bei
diesem sehr verstaͤndig angelegten Plane noͤthig, auch die Entbindung
der Chlorine allmaͤhlich zu vermindern, denn sonst muͤßte man den
Ueberschuß derselben entweder zu großem Verluste des Fabrikanten, oder, was noch verderblicher
waͤre, zum hoͤchsten Schaden der Gesundheit des Arbeiters, entweichen
lassen.
Der Fabrikant rechnet, bei obigem Verfahren, gewoͤhnlich auf anderthalb Tonnen
guten Bleichpulvers aus einer Tonne Kochsalz. Folgende Analyse des Verfahrens wird
aber beweisen, daß er eigentlich zwei Tonnen erhalten sollte.
Die Wissenschaft hat ihre Schuldigkeit nur zur Haͤlfte gethan, wenn sie den
beßten Apparat, und das beßte Verfahren bei einem Prozesse beschreibt. Sie muß
zeigen, wie der Fabrikant, der den hoͤchsten Grad von Vollkommenheit
erreichen will, mit dem geringsten Aufwande oder mit dem Minimum von Zeit, Arbeit und Materialien die hoͤchste Menge, oder
das Maximum des Produktes zu erzielen vermag. In dieser
Hinsicht habe ich folgende Untersuchungen angestellt. Ich untersuchte zuerst Muster
von frisch bereitetem kaͤuflichen Bleichpulver; 100 Grane desselben gaben von
28 bis 22 Gran Chlorine. Zwischen diese beiden Extreme fielen alle uͤbrigen
Resultate, und diese Extreme stehen, ohne Zweifel, weit genug von einander ab; denn
das Erstere verhaͤlt sich zu dem Lezteren, wie 100: 78,6. Ersteres gab, mit
Kochsalzsaͤure gesaͤttigt, 82 Gran Calcium-Chlorid, was
ungefaͤhr 41 Kalk gleich kommt, und enthielt noch uͤberdieß 26 p. C.
Wasser, und etwas leicht gebildete gemeine Salzsaͤure in sehr geringer Menge.
Durch Erhizung in einem glaͤsernen Apparate gab dieses Pulver zuerst etwas
weniges Chlorine, dann ziemlich reinen Sauerstoff. Der Umfang der Chlorine betrug
nicht uͤber ein Zehntel des ganzen gasartigen Produktes. Frisch bereitetes
Pulver eines anderen Fabrikanten entwikelte durch Aufloͤsung in Saͤure
aus 100 Granen 23 Gran Chlorine, und nach dem Abdampfen und maͤßigen
Gluͤhen blieben 92 Grane kochsalzsaurer Kalk, was ungefaͤhr 46 Kalk
gleich kommt. Nehmen wir an, daß dieses Pulver beinahe frei vom Muriate war (und die Fabrikanten geben
sich alle Muͤhe, dem Zerfließen, das dadurch entstehen wuͤrde,
vorzubeugen), so erhalten wir, als seine Bestandtheile:
Chlorine
23
– – –
3,5
Kalk
46
ein Atom 3.5 × 2 =
7,0
Wasser
31
––––
100
Dieses Pulver, mit verschiedenen Mengen von Wasser zu 60° F. gehoͤrig
abgerieben, gab, filtrirt, bei derselben Temperatur, Aufloͤsungen von
folgender Dichtigkeit:
Bleichpulver.
Specifische Schwere.
95 Wasser
+ 5
1,0245
90 –
+ 10
1,0470
80 –
+ 20
1,0840
Das auf dem Filtrum zuruͤkgelassene Pulver enthielt, selbst im zweiten
Versuche, eine bedeutende Menge von Chlorine, so, daß das Chlorid sich nur wenig
aufloͤsbar in Wasser zeigt; ich konnte auch nie jene von dem Wasser bewirkte
Absonderung der Elemente dieses Pulvers beobachten, von welcher Hr. Dalton und Hr. Welter
sprechen. Von der Aufloͤsung 80 + 20 entwikelten 500 Grane, die
wahrscheinlich 100 Granen des Pulvers gleich kommen, durch Saͤttigung mit
Kochsalzsaͤure, 19 Grane Chlorine, und die Fluͤßigkeit gab, nach dem
Abrauchen und Ausgluͤhen, 41,8 Grane Calcium-Chlorid, was
ungefaͤhr 21 Granen Kalk gleich kommt. Es scheinen hier 4 p. C. Chlorine
unaufgeloͤst in dem Kalkpulver zuruͤk geblieben zu seyn, welches, bei
genauerer Untersuchung, auch wirklich diese Menge ungefaͤhr gegeben hat. Das
aufgeloͤste Kalk-Chlorid bestand aber aus 19 Theilen Chlorine auf 21
Theile Kalk; oder aus 4,5 Atomen des Ersteren auf beinahe vollkommen 5 Atome des
Lezteren, was kein atomisches Verhaͤltniß ist. Die zwei Drittel Gran Kalk,
welche in dem Kalkwasser in der 500 Grane betragenden Aufloͤsung waren,
koͤnnen keine wesentliche Veraͤnderung in dieser Angabe hervorbringen.
Obiges Bleichpulver muß sehr wenig kochsalzsauren Kalk enthalten haben, denn es
zerfloß nicht.
Nachdem ich mich auf diese Weise uͤberzeugte, daß sowohl durch Pruͤfung
des reinen von mir selbst bereiteten, als des kaͤuflichen Chlorides keine
atomischen Verhaͤltniße in der Konstitution wahrzunehmen waren, und dieß zwar
aus den oben angegebenen Gruͤnden, so gab ich alle weiteren Untersuchungen in
dieser Hinsicht auf. Wenn wir das Verhaͤltniß zwischen Chlorid und
essigsaurem Kalke im Bleichpulver genau kennen lernen wollen, so koͤnnen wir
reinen Essig als die saͤttigende Saͤure anwenden. Nachdem wir auf
diese Weise die Chlorine ausgeschieden haben, rauchen wir bis zur Trokenheit ab,
gluͤhen aus, und verwandeln auf diese Weise den essigsauren Kalk in
kohlensauren, welcher sich von dem urspruͤnglichen kochsalzsauren durch
Aufloͤsen und Filtriren abscheiden laͤßt. Sollte man fuͤrchten,
daß durch die Einwirkung der Chlorine auf die wasser-kohlenstoffige Basis der
Essigsaͤure etwas Kochsalzsaͤure erzeugt wuͤrde, so kann man
kohlensaures Gas statt derselben anwenden. Man fuͤllt in dieser Hinsicht eine
große glaͤserne Flasche mit dieser gasartigen Saͤure, und bringt 20
bis 50 Gran Bleichpulver in dieselbe, schuͤttelt dieses in dem Gase
gehoͤrig, und man wird finden, daß 10 Gran Kalk 17,2 Kubik-Zoll
kohlensaures Gas, oder 8 Grane dem Gewichte nach aufnehmen. Wenn also in 50 Granen
des Chlorid-Theiles des Bleichpulvers (mit Ausschluß des kochsalzsauren) 20
Grane Kalk vorhanden sind, so werden sie 86 Kubik-Zoll, oder, dem Maße nach,
drei Wein Pinten kohlensauren Gas fordern. Oder es wird eben so bequem seyn, in das,
in etwas Wasser verbreitete, Pulver eine Glasroͤhre einzusenken, welche aus
einer anderen mit kohlensaurem Kalk und verduͤnnter Schwefelsaͤure
gefuͤllten Flasche kohlensaures Gas zufuͤhrt. Wird das Bleichpulver und das Wasser
etwas warm in einer kleinen glaͤsernen Kugel gehalten, in welche die
Roͤhre eintaucht, so wird der Augenblik, wo das Chlorid zersezt, und der Kalk
kohlensauer geworden ist, dadurch bezeichnet, daß die Fluͤßigkeit
aufhoͤrt, irgend eine dauerhafte Wirkung auf das Lakmus-Papier
hervorzubringen. Der kochsalzsaure Kalk wird durch Aufloͤsung im Wasser
entzogen. Nun muß das Gewicht des kochsalzsauren Kalkes mit jenem der, durch
verduͤnnte Kochsalzsaͤure aus einer anderen gleich großen Menge dieses
Pulvers entwikelten, Chlorine verglichen werden. Die Menge des in dem Pulver
enthaltenen Wassers kann endlich durch Destillation aus einer Retorte gefunden
werden. Auf diese Weise wird die Analyse mit wenig Muͤhe und ohne alle Irrung
vollbrachtIch fand bei der
Anwendung dieses Verfahren mit Kohlensaͤure außerordentlich langsam
und ungenuͤgend. Nachdem ich einen Strom von diesem Gase einen ganzen
Tag lang durch das in lauem Wasser verbreitete Chlorid durchziehen ließ, sah
ich die Fluͤßigkeit noch immer im Stande, die Farbe des
Lakmus-Papieres mit Leichtigkeit zu veraͤndern. Die Lehre der
Aequivalente liefert aber an der Essigsaͤure ein sehr elegantes
Theorem, von dessen Brauchbarkeit und Genauigkeit bei der Anwendung ich mich
durch Erfahrung uͤberzeugte. So wird ein scheinbar verwikeltes und
sehr wichtiges Problem der praktischen Chemie in den Bereich des
gewoͤhnlichen Fabrikanten gebracht! Da die Geseze erlauben, daß
gemeiner gegohrener Essig eine gewisse Menge von Schwefelsaͤure
enthalten darf, die der Kraͤmer jedoch, vom Geize verfuͤhrt,
oft zusehr vergroͤßert, so koͤnnen wir denselben hier nicht
gebrauchen. Starker Essig aber, aus brenzeliger Holzsaͤure bereitet,
so wie jener, mit welchem die Hrn. Turnbull und
Ramsay lange Zeit uͤber den Markt zu
London versahen, taugt hierzu sehr gut, da er von Schwefelsaͤure
vollkommen frei ist. Mit solcher in einer taxirten Flasche enthaltenen
Saͤure saͤttige man ein gegebenes Gewicht (z.B. 100 Gran)
Bleichpulvers in einer kleinen glaͤsernen Retorte vollkommen, wende
am Ende noch etwas Hize dabei an, und neige das Gefaͤß,
damit die anhaͤngende Chlorine hinaus kann. Man schreibe die durch
die Entweichung des Gases entstehende Gewichts-Verminderung auf. Wenn
man vermuthet, daß Kohlensaͤure gegenwaͤrtig waͤre,
kann man das Gas auf oben beschriebene Weise uͤber Queksilber
auffangen. Die Aufloͤsung, welche aus essigsaurem und aus
kochsalzsaurem Kalke besteht, rauche man bei gehoͤrig unterhaltener
Hize bis zur Trokenheit ab, und bemerke das Gewicht dieses
Salz-Gemenges. Man calcinire hierauf dasselbe bei gelinder
Rothgluͤhhize, bis alle Essigsaͤure zersezt ist, und schreibe
den Verlust am Gewichte auf. Hierdurch sind nun alle zur Bestimmung des
Verhaͤltnisses der Bestandtheile erfoderlichen Daten gegeben, ohne
daß irgend ein Aufloͤsen, Filtrieren, oder Niederschlagen durch
Reagentien noͤthig gewesen waͤre.I. Aufgabe. Man soll den urspruͤnglich mit
Chlorine, oder wenigstens nicht mit Kochsalzsaͤure verbundenen, und
daher in essigsauren Kalk verwandelten, Kalk finden. – Aufloͤsung. Man ziehe von obigem Verluste
am Gewichte den zwanzigsten Theil desselben ab; der Rest ist die von dem
Essige aufgenommene Menge Kalkes.II. Aufgabe. Man soll die im Bleichpulver
vorhandene Menge kochsalzsauren Kalkes finden. Aufloͤsung. Man multiplicire obigen
Gewichts-Verlust mit 1,7; das Produkt ist die Menge kohlensauren
Kalkes in dem calcinirten Pulver: diese, von dem gesammten Gewichte des
Ruͤkstandes abgezogen, gibt als Rest, den kochsalzsauren Kalk. Wir
kennen nun das Verhaͤltniß des chlorsauren und kochsalzsauren Kalkes
in hundert Theilen: das, was hieran noch abgeht, ist das im Bleichpulver
enthaltene Wasser. Ich fand z.B. daß 100 Grane kaͤuflichen Chlorides
21 Grane Chlorin durch Aufloͤsung in Essigsaͤure abgaben. Die
Aufloͤsung ward zur Trokenheit abgeraucht, und ich erhielt 125,6 Gran
Salz-Masse, welche, calcinirt, 84,3 gab, also 41,3 Gran verlor. 41. 3
– 41.3/25 = 39,65 = dem vorhandenen mit Kochsalzsaͤure nicht
verbundenen Kalke. Und 41,3 × 1,7 = 70,2 = dem kohlensauren Kalke in
dem Ruͤkstande von 84,3 Gran calcinirter Salz-Masse, also 84
– 3 – 70,2 = 14,1 kochsalzsaurer Kalk. Nun erhielt ich aber
durch Aufloͤsung des kochsalzsauren Kalkes, und Abdampfen desselben
14 Gran, und der ruͤkstaͤndige kohlensaure Kalk war 70,3 Gran.
Dieses Pulver bestand demnach aus 21 Theilen Chlorine; 39,65 Kalk; 14
kochsalzsauren Kalk; 25,35 Wasser = 100. A. d. O.. In Hinsicht auf Handel und Gewerbe
wird indessen folgendes noch einfacheres Verfahren im Allgemeinen hinreichen. Man
nehme eine Glasroͤhre von ungefaͤhr fuͤnf Kubik-Zoll
Inhalt, die, wie in Fig. 50 Tab. VII. gestaltet, und in Kubik-Zolle und deren Zehntel
abgetheilt ist. Sie muß oben mit einer Schrauben-Kappe von Messing, und unten
mit einem guten Korke geschlossen seyn. Bei der oberen Oeffnung gieße man Queksilber
ein, bis die Roͤhre beinahe voll, und kaum noch Raum ist, um 10 Gran
Bleichpulver zu fassen, das mit einem Tropfen Wasser zu einem Kuͤchelchen
geformt wird. Man schraube den Kappen-Pfropf ein, und mache denselben mit
Leder luftdicht, nehme hierauf den Kork von dem unteren gleichfalls mit Queksilber
vollgefuͤllten Ende ab, und erseze etwas von dem fluͤßigen Metalle mit
verduͤnnter Kochsalzsaͤure (sp. Schw. 1, 1). Neigt man nun die Roͤhre
geschikt, so fließt die Saͤure durch das Queksilber hinauf. In dem
Augenblike, als die Saͤure mit dem Kuͤchelchen in Beruͤhrung
kommt, entwikelt sich die Chlorine, und das Queksilber fließt in eine zur Aufnahme
desselben in Bereitschaft stehende Schale, waͤhrend das aus dem
kochsalzsauren Kalke entstehende Haͤutchen die Oberflaͤche des
Metalles gegen das Gas beinahe vollkommen schuͤzt. Mit einem Apparate dieser
Art, (dessen ich mich auch lange Zeit uͤber bei der Analyse von Kalksteinen
und Mergelarten bediente, siehe den Artikel Carbonate in
meinem Chemical Dictionary) erhielt ich ziemlich genau
mit dem Verluste des Gewichtes uͤbereinstimmende Resultate, den dieselbe
Quantitaͤt Chlorides erlitt, wenn sie in verduͤnnter
Kochsalzsaͤure aufgeloͤst wurde. Da ein Kubik-Zoll Chlorine in
runden Zahlen auf drei Viertel Gran geschaͤzt werden kann, so koͤnnen wir annehmen,
daß 10 Gran Bleichpulver drei bis vier Kubikzoll dieses Gases entwikeln, oder, dem
Gewichte nach, 20 bis 30 p. C.; ein weiter Spielraum fuͤr die Kraft des
Bleichpulvers, deren genauere Bestimmung allerdings die Zeit werth ist, die der
Bleicher oder Papier-Macher darauf verwendet. Vermuthet man das Daseyn von
kohlensaurem Gase, so darf man bloß das Queksilber durch das Gas schuͤtteln,
und von Zeit zu Zeit, so wie dasselbe verschlukt wird, etwas Queksilber nachgießen.
Die Kohlensaͤure wird oben unverdichtet zuruͤk bleiben, und kann auf
die gewoͤhnliche Weise geschaͤzt werden.
Schwefelsaurer Indigo, reichlich mit Wasser verduͤnnt, wurde seit langer Zeit
zur Schaͤzung der Bleichkraft des chlorsauren Kalkes angewendet, und gibt
allerdings ein gutes Vergleichungs-Mittel, nicht aber, da der Indigo zu sehr
verschieden ist, einen absoluten unwandelbaren Maßstab. So fand ich, daß drei Theile
ostindischen Indigos eben so viel Bleichpulver saͤttigten, als vier Theile
guten spanischen Indigos.
Hrn. Welter's Methode ist folgende. Er bereitete eine
Indigo-Aufloͤsung in Schwefelsaͤure, welche er so
verduͤnnte, daß der Indigo 1/1600 der ganzen Fluͤßigkeit bildete. Er
uͤberzeugte sich durch Versuche, daß 14 Litres (854,4 Kubik-Zoll oder
3,7 Wein-Gallonen, engl. Maßes) Chlorine, welche 651 1/2 Gran engl. Gewichtes
wiegen, die Farbe von 164 Litres obiger blauer Aufloͤsung zerstoͤren.
Er bemerkt sehr richtig, daß Chlorine diese blaue Tinctur mehr oder minder
entfaͤrbt, je nachdem man auf verschiedene Weise damit verfaͤhrt, daß
ist, je nachdem man die Tinctur auf die waͤsserige Chlorine gießt, und je
nachdem man zu verschiedenen Zeiten in großen Zwischenraͤumen arbeitet. Wenn
die waͤsserige Chlorine oder die Chlorid-Aufloͤsung sehr
concentrirt ist, so hat die Entfaͤrbung im Minimum- und wenn sie sehr schwach ist, im Maximum Statt. Er sagt, daß eine Indigo-Aufloͤsung, welche
1/1600 Indigo enthaͤlt, unwandelbare Resultate bis auf 1/40 gibt, und daß
diese noch genauer ausfallen, wenn man die Chlorin-Aufloͤsung so
verduͤnnt, daß sie beinahe die Haͤlfte des Volumens der blauen Tinctur
bildet, welche sie zu entfaͤrben vermag; wenn man die Vorsicht hat, die
Chlorin-Aufloͤsung und die Tinctur in zwei besonderen Gefaͤßen
aufzubewahren, und wenn man endlich beide in einem dritten Gefaͤße zusammen
gießt. Zu gleicher Zeit muß ein Versuch an einem anderen Muster von Chlorine gemacht
werden, dessen Staͤrke bekannt ist, um mit Praͤcision uͤber die
Farbe urtheilen zu koͤnnen. Er glaubt, im Allgemeinen, daß vierzehn Maß
Chlorin-Gas 164 Maß der obigen Indigo-Aufloͤsung zu
entfaͤrben vermoͤgen: ein Verhaͤltniß von ungefaͤhr Eins
zu Zwoͤlf. Der Vortheil, welcher bei einer sehr verduͤnnten
Aufloͤsung Statt hat, besteht offenbar darin, daß der Ueberschuß von Wasser
die durch Schwefelsaͤure abgeschiedene Chlorine verdichtet, und die ganze
Kraft derselben auf die Fluͤßigkeit beschrankt, waͤhrend von
concentrirten Aufloͤsungen Vieles in die Luft entweicht. Obschon ich viele
Versuche mit der Indigo-Aufloͤsung als Pruͤfungs-Mittel
machte, war es mir doch niemals moͤglich, solche Staͤtigkeit in den
Resultaten zu erhalten, wie Hr. Welter dieselben
beschreibt. Wenn die blaue Farbe anfaͤngt zu verschwinden, erscheint ein
gruͤner Ton, der durch unmerkliche Schattirungen allmaͤhlich in ein
Braungelb uͤbergeht. Man muß daher auf einen Fehler von 1/20, und selbst noch
mehr rechnen, wo gewoͤhnliche Beobachter mit dieser Sache sich befassen.
Es bleibt nun nichts mehr uͤbrig, als den mittleren Zustand und das
aͤquivalente Gewicht des Braunstein-Peroxides zu bestimmen, so daß der
Bleichpulver-Fabrikant in den Stand gesezt wird, seine Ingredienzen in
gehoͤrigem Verhaͤltniße zu mischen. Meine ersten Versuche waren in
dieser Hinsicht darauf berechnet, die Menge von Chlorine zu zeigen, welche aus einer gewißen
Quantitaͤt von gutem im Handel vorkommenden Braunstein durch einen Ueberschuß
von fluͤßiger Kochsalzsaͤure entwikelt werden kann. Man ließ das
Chlorin-Gas in die Luft entweichen, nachdem es zuerst durch etwas Wasser, und
dann durch eine mit trokenem kochsalzsauren Kalke gefuͤllte Roͤhre
ging. Ich fand daß 30 Gran Braunstein, auf diese Weise behandelt, bei einem Versuche
einen Gewichts-Verlust an dem Apparate von 17,8 Granen Chlorine, in einem
anderen von 17,5 gaben. 100 Gran Braunstein waͤren demnach ungefaͤhr
59 Chlorine gleich. Spaͤter fand ich bei einer unvollkommenen Analyse, daß
100 Grane desselben Braunsteines 10 Grane Kieselerde, 4 Grane Wasser, und etwas
weniges Eisen enthielten, in allem wahrscheinlich 16 Grane, weil 84 Grane
Braunstein-Oxid uͤbrig blieben. Auf diese Weise wuͤrden
wahrscheinlich 100 Grane reines Braunstein-Peroxid 70 Grane Chlorine mit
Kochsalzsaͤure geben. Wir werden aber alsogleich sehen, daß, bei einem
anderen und genaueren Verfahren, 100 Grane Braunstein nicht weniger als 81,80
Chlorine gleich kommen. Ist dieser Unterschied dem Umstaͤnde zuzuschreiben,
daß das natuͤrliche Braunstein-Oxid einen Theil Protoxides oder irgend
etwas anderes erhielt, was dasselbe verschlechterte, und worauf ich keine
Ruͤksicht nahm? Ich werde mich bemuͤhen, diese Frage durch
kuͤnftige Versuche zu loͤsen, und lasse sie einstweilen dahin gestellt
seyn. So viel ist gewiß, daß wir obige 59 Gran Chlorine erhielten, deren Umfang 77
1/3 Kubik-Zoll betrug. 100 Grane von diesem Braunsteine gaben demnach 19,526
Gran-Maße. Hr. Welter sagt, daß er 61 Gramme
seines Braunstein-Oxides noͤthig hatte, um 14 Litres, oder 14,000
Grammen-Maße Chlorine zu erhalten, was ein Verhaͤltniß von 100 zu
22,900 gibt. Sein Braunstein muß daher viel besser gewesen seyn, als der meinige.
Das reine Peroxid
gibt aus 100 Granen 27,090 Gran-Maße.
Sowohl aus schwefelsaurem, wie aus kochsalzsaurem Braunsteine, der nach Hrn. Hatchett's eleganter Methode gereinigt ward, erhielt ich
durch eine Aufloͤsung krystallisirter Soda Proto-kohlensauren
Braunstein. Dieser wurde gehoͤrig gewaschen, und in einem Dampfbade von
190° Fahr. getroknet. Die Menge von Kohlensaͤure, welche dieses Salz
enthielt, wurde durch den Gewichts-Verlust bestimmt, der bei der
Aufloͤsung desselben in verduͤnnter Schwefelsaͤure Statt hatte,
und auch dadurch, daß man das waͤhrend des Rothgluͤhens aus demselben
entweichende Gas uͤber Queksilber auffing. Man fand auf diese Weise, daß 100
Grane 35,4 Kohlensaͤure enthielten. Aus anderen 100 Granen dieses
kohlensauren Braunsteines erhielt ich durch Destillation in einer glaͤsernen
Retorte 7,3 Grane Wasser, und 92,7 Grane blieben als trokener
proto-kohlensaurer Braunstein zuruͤk, und enthielten 35,4
Kohlensaͤure und 57,3 Braunstein-Protoxid. Nun ist aber 35,4: 57,3::
2,75: 4,42; welches die Zahl ist, die das erste Aequivalent des
Braunstein-Protoxides fuͤr 2,75 Kohlensaͤure darstellt. Wir
werden indessen nach einem anderen auf Richter's Grundsaze der wechselseitigen
Salz-Saͤttigung, den Dr. Thomson neulich wieder aufleben machte,
beruhenden Versuche sehen, daß 4,5 die wahre Zahl ist, welche mit der lezten
atomistischen Bestimmung dieses Chemikers in genauestem Einklange steht. Wir
haͤtten also statt 35,4 Gran Kohlensaͤure 35,2 erhalten sollen; ein
Fehler, der noch im Bereiche eines sorgfaͤltigen Experimentators liegt. Das
oben gebildete proto-kohlensaure Braunstein-Oxid besteht demnach
aus
Kohlensaͤure
2,75
35,2
Braunstein-Protoxid
4,50
57,6
Wasser 1 Atom auf
2 Atome Kohlensaͤure
7,2
––––––
100,0
Schwefelsaurer Braunstein, bei einer Hize von 212° Fahrenh. getroknet, besteht
aus einem Atom Wasser, und aus einem Atome schwefelsauren Braunstein. Von diesem,
einer maͤßigen Gluͤhung ausgesezten Salze nahm ich neun und einen
halben Gran (= 5 Saͤure + 4,5 Oxid), loͤste dasselbe in Wasser auf,
und goß zu dieser Aufloͤsung eine andere von 13,25 kochsalzsaurer Schwererde
(= 45 Chlorine + 8,75 Barium). Nachdem die schwefelsaure Schwererde sich zu Boden
gesezt hatte, zeigte die daruͤber stehende Aufloͤsung von salzsaurem
Braunsteine keine Spur mehr weder von Schwefelsaͤure, noch von Schwererde. Es
sind demnach 5 Theile Schwefelsaͤure aͤquivalent fuͤr 4,5
Braunstein-Protoxid; und folglich, 2,75 Kohlensaͤure fuͤr
dasselbe Gewicht des Oxides.
Dreißig Grane proto-kohlensauren Braunsteines, welche, wie oben, 17,31
Protoxid enthielten, gaben durch Ausgluͤhen in einem Platinna-Tiegel
21 schwarzen Peroxides. Aber 17,31 : 4,5 :: 21 : 5,46; eine Zahl, welche deutlich
5,5 als das atomistische Gewicht dieser Substanz andeutet, welche demnach ein
Deuteroxid ist. Das erste Aequivalent des Metalles ist folglich 3,5; das mittlere
Oxid, von welchem Dr. Forschammer spricht, scheint mir
das Resultat einer Verbindung der beiden obigen zu seyn, oder es steht in demselben
Verhaͤltniße wie Minium zur Bleiglaͤtte oder zu dem
puͤcefarbenen Blei-Oxide.
Wir koͤnnen nun schließen, daß 5,5 Theile reinen
Braunstein-Deuteroxides, wenn Kochsalzsaͤure darauf wirkt, 4,5
Chlorin-Gas geben; oder 100 Grane des ersteren geben 81,8 Grane des Lezteren,
was einem Volumen von 107,28 Kubik-Zollen gleich kommt. Um diese Menge von
Chlorine zu liefern, muͤßen zwei Atome Kochsalzsaͤure auf ein Atom
Peroxid wirken: ein Atom Wasserstoff verlaͤßt die Kochsalzsaͤure, um
sich mit einem Atome Sauerstoff in dem Oxide zu verbinden, und bildet ein Atom
Wasser; das correspondirende Atom Chlorine wird entwikelt, waͤhrend das dadurch
entstehende Atom metallischen Protoxides das zweite Atom Kochsalzsaͤure
anzieht und neutralisirt. Oder, in Zahlen ausgedruͤkt. 5,5 Theile
Braunstein-Peroxid nehmen 4,625 × 2 = 9,250 kochsalzsaures Gas auf,
welche, nach obiger Tabelle in 100 Granen saurer Fluͤßigkeit von 1,045 spec.
Schwere gegenwaͤrtig sind. So fodern also 10 Grane Braunstein-Peroxid
16,8 kochsalzsaures Gas, was 100 Granen saurer Fluͤßigkeit von 1,082
gleichkommt.
Wenn eine Mischung von Schwefelsaͤure, gemeinem Kochsalze und schwarzem
Braunstein-Oxide, wie bei der Bleichpulver-Bereitung
gewoͤhnlich der Fall ist, gebraucht wird, so sind die absoluten
Verhaͤltniße der Bestandtheile derselben
1 Atom kochsalzsaure Soda
7,5
29,70
100,0
1 Atom Braunstein-Peroxid
5,5
21,78
73,3
2 Atome Vitrioloͤl von 1,846
12,25
48,52
163,3
–––––
––––––
25,25
100,00
Und die erhaltenen Produkte muͤßen seyn:
Entwikelte Chlorine
1 Atom,
4,5
17,82
Schwefelsaure Soda
1 Atom,
9,0
35,64
Proto-schwefelsaurer Braunstein
1 Atom,
9,5
37,62
Wasser
2 Atome
2,5
8,92
–––––
––––––
25,25
100,00
Diese Verhaͤltnisse weichen indessen gar sehr von denjenigen ab, welche von
vielen, ja ich glaube sogar von allen, Bleichpulver-Fabrikanten angewendet
werden; ja sie muͤßen sogar abweichen, wegen der Unreinheit ihres
Braunstein-Oxides. Wenn wir sie aber auch in dieser Hinsicht entschuldigen,
so fuͤrchte ich doch noch, daß mehrere von ihnen große Fehler in Hinsicht auf
die relativen Mengen ihrer Materialien begehen. So sagt mir ein achtbarer Fabrikant,
daß er 10 Theile Salz, 12 Theile Schwefelsaͤure von 1,846 spec. Schw. (oder
vielmehr das Aequivalent in verduͤnnter Schwefelsaͤure, 1,65) und 14 Theile Braunstein
nimmt. Andere nehmen noch viel weniger Braunstein; ungefaͤhr 70 oder 80 auf
100 Salz. Es ist indessen sehr leicht, durch Annaͤherung gute und fuͤr
die Praxis brauchbare Verhaͤltnisse zu finden. Meine Versuche uͤber
die Menge Chlorine, welche man aus einer gewißen Menge guten englischen Braunsteines
erhalten kann, gaben 59 Grane der Ersteren auf 100 Grane des Lezteren. Nun sind aber
59 Theile Chlorine aͤquivalent fuͤr 98 1/3 gemeinen
Kuͤchen-Salzes; folglich wuͤrden, in runden Zahlen, 100 Theile
solchen Braunsteines 100 Theile gemeinen Kuͤchensalzes erfodert haben. Das
gehoͤrige Verhaͤltniß wird also hier 100 Theile gemeinen
Kuͤchensalzes, 100 Theile Braunstein, 81 2/3 Vitrioloͤl zur
Saͤttigung der Soda im Kochsalze, und 95 3/4 Vitrioloͤl zur
Saͤttigung von 86 Theilen Metall-Oxid in 100 Theilen
Braunstein-Erz, was 177,4 Theile fluͤßige Saͤure auf 100 Theile
von jedem der anderen Artikel betraͤgt. Da Eisen-Oxid, welches so oft
mit Braunstein gemengt ist, beinahe dasselbe erste Aequivalent hat, so brachten wir
seine Saͤttigungs-Kraft in obiger Rechnung als beinahe eben so hoch in
Anschlag. Mehr Kochsalz, als das Aequivalent von Braunstein und Vitrioloͤl,
zusezen wollen, ist unklug; es nimmt seinen Plaz in der Retorte umsonst ein, und
hindert die wechselseitigen Einwirkungen des Braunsteines und der
Kochsalzsaͤure auf einander. Und wenn das Vitrioloͤl nicht im Stande
ist, aus dem Salze so viel Kochsalz-Saͤure auszuscheiden, als der
vorhandene Braunstein in Chlorine zu verwandeln vermag, so ist das Verfahren
unverstaͤndig und verschwenderisch. Die Menge des bei der Verfertigung des
Bleichpulvers noͤthigen Braunsteines laͤßt sich,
annaͤherungsweise, leicht durch die oben beschriebene, zur Analyse bestimmte,
krumme Roͤhre findenFuͤr den
Chemiker duͤrfte es eine der verdienstlichsten Untersuchungen seyn, das
richtigste Verhaͤltniß von Schwefelsaͤure, Braunstein und
Kochsalz zur Gewinnung der groͤßtmoͤglichsten Menge Chlorine
auszumitteln. Dabei waͤre auf eine, in gehoͤriger Menge zu
beziehenden Sorte Braunstein vorzuͤglich Ruͤksicht zu nehmen.
Eben so auf reine Schwefelsaͤure, denn ich habe gefunden, daß mit
schwefelsaurem Kali verunreinigter Schwefelsaͤure, die leider so
haͤufig im Handel vorkoͤmmt! die zu erwartende Menge Chlorine
nicht gewonnen werden kann. D.. Das Haͤutchen von dichtem kochsalzsauren
Braunsteine, welches sich schnell erzeugt, schuͤzt das Queksilber; oder man
kann auch die aus 100 Granen mit Kochsalzsaͤure in einer Retorte
uͤbergossenen Braunstein erhaltene Chlorine mittelst einer glaͤsernen
Roͤhre in eine verduͤnnte Aufloͤsung eines bekannten
schwefelsauren Indigo leiten.
Aus obigen Rechnungen erhellt, daß eine Tonne Kochsalz mit einer Tonne obigen
natuͤrlichen Braunstein-Oxides, gehoͤrig behandelt, 0,59 Tonne
Chlorin geben muͤße, welche hinreicht, um 1,41 Tonne geloͤschten
Kalkes zu schwaͤngern, und zwei Tonnen Bleichpulver zu erzeugen, das
staͤrker ist, als die Mittel-Sorte des im Handel vorkommenden
Bleichpulvers; oder, um auch etwas fuͤr den hier unvermeidlichen Verlust
abzuschlagen, zwei Tonnen gewoͤhnliches ordinaͤres Bleichpulver mit
etwas mehr geloͤschtem Kalke.
Seit ich Obiges schrieb, bereitete ich kohlensauren Braunstein dadurch, daß ich
kohlensaure Soda dem schwefelsauren Braunsteine zusezte, und nach vollkommener
Aussuͤßung, den Niederschlag in einem luftleeren Recipienten, der
uͤber Schwefel-Saͤure stand, austroknete. Es besteht genau aus
zwei Atomen kohlensaurem Braunstein + einem Atom Wasser, wie oben angegeben
wurde.
Am Ende muß ich noch bemerken, daß einige Fabrikanten die Chlorine zur Verfertigung
des oxigenirt kochsalzsauren Kalkes dadurch bereiten, daß sie einen Strom von
kochsalzsaurem Gase, das
sich aus Kochsalz und Vitrioloͤl entwikelte, uͤber eine Menge von
Braunstein hinziehen ließen. Auf diese Weise wird die entstehende schwefelsaure Soda
nicht mit schwefelsaurem Eisen und schwefelsaurem Braunsteine verunreinigt, wie dieß
bei der gewoͤhnlichen Methode der Fall istWenn man das schwefelsaure Natron rein
erhalten will, so wird es immer besser seyn, die Kochsalzsaͤure aus
der Mengung von Schwefelsaͤure und Kochsalz rein darzustellen, und
diese Saͤure dann uͤber das gehoͤrige Quantum
Braunstein zu gießen, um die Chlorine daraus zu entbinden. Das
Durchstroͤmen der Kochsalzsaͤure durch Braunsteinpulver kann
nie reine, sondern stets mit Kochsalzsaͤure vermegte Chlorine geben.
D..
Glasgow den 7. Dezember 1821.