Titel: | Bericht über einige Versuche über Biegsamkeit und Stärke der Steine. Von Hrn. Thom. Tredgold. Aus einem Schreiben an Hrn. Tilloch. |
Fundstelle: | Band 4, Jahrgang 1821, Nr. X., S. 96 |
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X.
Bericht über einige Versuche über Biegsamkeit und Stärke der Steine. Von Hrn. Thom. Tredgold. Aus einem Schreiben an Hrn. Tilloch.
(Aus Tilloch's Philosophical Magazine et Journal. October 1820. N. 220. S. 290.)
Thom. Tredgold's Versuche über Biegsamkeit und Stärke der Steine.
Bei diesen Versuchen ward das zu pruͤfende
Stuͤck an seinen beiden Enden von eisernen Stuͤzen getragen; die
Schale zur Aufnahme des Gewichtes hing in der Mitte zwischen diesen beiden
Stuͤzen, und eine in der Mitte befestigte seidene Schnur bewegte einen
Zeiger, der die Niederdruͤckung so sehr multiplicirte, daß auch ein sehr
kleiner Grad derselben dadurch sichtbar wurde.
Die Wagschale und der ganze dazu gehoͤrige Apparat wog zehn Pfunde; die
Gewichte, deren ich mich bediene, sind kubische Stuͤcke Eisens, die eigens
dazu gegossen wurden, und deren jedes 10 Pf. wog. Solche Gewichte passen sehr gut
aufeinander in der Wagschale, und bei dem Zaͤhlen derselben ist man weniger
der Gefahr einer Irrung ausgesezt, als bei den gewoͤhnlichen Gewichten.
Das Gewicht in der Wagschale wurde jedes mal um 10 Pf. auf ein mal vermehrt, so
sachte als moͤglich aufgelegt, und dem Zeiger wurde immer Zeit gelassen in
vollkommene Ruhe zu kommen, ehe ein neues Gewicht aufgelegt wurde. Die Zeit, welche verfloß,
ehe der Zeiger in Ruhe kam, wurde nicht beobachtet; sie nahm indessen gegen das Ende
des Versuches immer merklich zu. Ich hatte den Vortheil, daß mein Bruder mir bei
meinen Versuchen, wo die Biegung gemessen wurde, Beistand leistete.
Detail der Versuche.
1. Ein Stuͤck weißen Bildhauer Marmors (statuary
marble) von sehr regelmaͤßigem Gefuͤge, frei von Adern und
anderen auffallenden Fehlern, wurde in drei verschiedenen Laͤngen versucht;
die kuͤrzeren Stuͤcke waren Bruchstuͤcke des laͤngeren.
Das Stuͤck war nicht ganz vollkommen gleich breit und dick; die Dimensionen
an den Stellen des Bruches sind jedoch angegeben.
Textabbildung Bd. 4, S. 97
Entfernung zwischen den Stützen; Dicke; Breite
Der erste Versuch mit 30 Zoll Entfernung gibt das genaueste Maß der elastischen
Kraft; allein er mißt nicht eben so genau die Cohaͤsionskraft, weil der Stein
offenbar durch das Moment, welches das Gewicht durch die lezten 10 Pf. erhielt,
gebrochen wurde. Die Entfernung von 14 Zoll Laͤnge trug das Gewicht einige
Zeit, ehe der Stein brach.
Die specifische Schwere war 2·706, und der Stein verschlang 1/1300 seines
Gewichtes an Wasser.
Ich bemerkte, daß die Bruͤche alle einander genau aͤhnlich waren, und
fand daß die Flache des Bruches immer beinahe denselben Winkel mit der Achse des
Stuͤckes bildete. Dieser Winkel ist ungefaͤhr 83°. An keinem
anderen Steine fand ich eine aͤhnliche Regelmaͤßigkeit, und dieß ist
entweder ein merkwuͤrdiges Zusammentreffen, oder die Wirkung der Structur
dieser Steinart.
2. An dem Portlandsteine, den man zu London braucht, zeigt sich einiger Unterschied;
der beste und staͤrkste dieser Art ist von einer mehr braunen Farbe. Das
Stuͤck, mit welchem wir unseren Versuch anstellten, war von der braunen
Abart, und von regelmaͤßigem Gefuͤge ohne scheinbaren Fehler. Die
Laͤnge zwischen den Stuͤzen war 24 Zoll, die Breite zwei Zoll, und die
Dicke 1,45 Zoll.
Gewicht 10 Pf.
Niederdruͤckung ·01 Zoll.
Gewicht 20 Pf.
Niederdruͤckung ·015 Zoll.
Gewicht 30 Pf.
Niederdruͤckung ·02 Zoll.
Gewicht 40 Pf.
Niederdruͤckung ·022 Zoll.
Gewicht 50 Pf.
Niederdruͤckung ·025 Zoll.
Gewicht 60 Pf.
Niederdruͤckung ·0275 Zoll.
Gewicht 70 Pf.
Niederdruͤckung ·03 Zoll.
Gewicht 80 Pf.
Niederdruͤckung ·032 Zoll.
Gewicht 90 Pf.
Niederdruͤckung ·035 Zoll.
Gewicht 100 Pf.
Niederdruͤckung ·037 Zoll und gebrochen.
Dieser Versuch war sehr gut, da wir schon durch mehrere vorausgegangene
Pruͤfungen das Gewicht beinahe wußten, was er zu tragen vermag, und daher
gegen das Ende die Gewichte mit mehr Vorsicht auflegten.
Die specifische Schwere des Stuͤckes war 2,113, und er verschlingt 1/10 seines
Gewichtes an Wasser.
3. Unser naͤchste Versuch ward mit einem Stuͤcke weißen kieselhaltigen
Sandsteines aus Lord Keith's Steinbruche zu Long-annet naͤchst
Kincardine Tullyallan, an der Nordseite von Forth gemacht. Die specifische Schwere
dieses Steines ist 2,212, und er verschlingt 1/267 seines Gewichtes Wasser. Das
Gefuͤge ist regelmaͤßig, mit kleinen eingesprengten
Glimmerblaͤttchen. Die Entfernung war 18 Zoll, die Breite 1,45, die Dicke
1,525 Zoll.
Gewicht 20 Pf.
Niederdruͤckung ·015 Zoll.
Gewicht 30 Pf.
Niederdruͤckung ·02 Zoll.
Gewicht 40 Pf.
Niederdruͤckung ·022 Zoll.
Gewicht 50 Pf.
Niederdruͤckung ·025 Zoll.
Gewicht 60 Pf.
Niederdruͤckung ·03 Zoll.
Gewicht 70 Pf.
Niederdruͤckung ·038 Zoll.
Gewicht 80 Pf.
Niederdruͤckung ·045 Zoll.
Gewicht 90 Pf.
Niederdruͤckung ·05 Zoll.
Gewicht 92 Pf.
Niederdruͤckung gebrochen.
Dieser Stein ist mehr biegsam, als irgend ein anderer vorhergehender, obschon ich
seinem Aussehen nach ein verschiedenes Resultat erwartete.
4. Folgende Tabelle enthaͤlt die Resultate einiger Experimente, bei welchen
die Biegung nicht bestimmt wurde; sie wurden unternommen um Data zu erhalten, nach
welchen man die Seitenstaͤrke der Steine berechnen koͤnnte.
Diese Stuͤcke, mit Ausnahme eines von Long-annet, wurden mit ihrem
natuͤrlichen Lager horizontal gelegt.
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Arten des Steines; Entfernung zwischen den Stützen; Dicke; Breite; Gewicht
Der Dundeestein ist vom Mylne-field Steinbruche bei Dundee; das untersuchte
Stuͤck ist von hoͤherer Guͤte, als die gewoͤhnlichen
Steine aus diesem Steinbruche, sowohl in Hinsicht der Feinheit der Textur als der
Dichtigkeit. Seine specifische Schwere ist 2,621, und er verschlingt nur 1/111
seines Gewichtes Wasser.
Der Craigleithstein ist ein schoͤnes Stuͤck aus dem Steinbruche dieses
Nahmens bei Edinburgh. Specifische Schwere 2,362, und verschlingt 1/63 seines
Gewichtes Wasser.
Der Halles Stein ist auch naͤhe bei Edinburgh, und auf demselben Lager mit dem
Craigleith, unterscheidet sich aber dadurch von demselben, daß er mehr
blaͤttrig ist.
Der Long-annet ist auch beinahe von derselben Art mit dem Craigleith; das 7
Zoll lange Stuͤck war eine Abart von groͤberem Gefuͤge; das
andere ein Stuͤck desjenigen, dessen Biegsamkeit gemessen wurde.
Die Stuͤcke von Bach- und Portlandstein waren in ihrer Art gut, und so
wie man sie gewoͤhnlich zu London braucht.
5. Um die Resultate dieser Experimente zu vergleichen, werde ich mich folgender
Formen bedienen, in welchen w das Gewicht ist, welches
eine Biegung δ hervorbringt, und W das Gewicht, welches das Stuͤck brach; Δ die Niederdruͤckung zur Zeit des
Bruches; l die halbe Laͤnge; b die Breite; d die
Dicke.
²l³w/bd³δ = dem
Gewichte des Modulus der Elasticitaͤt, oder das Maß der elastischen
KraftDr. Young's Nat. Phil. II. art.
326..
3dΔ/2l²= der
Ausdehnung zur Zeit des Bruches.
lW/bd² = die
Cohaͤsionskraft des Materiales unter der Voraussezung, daß der Widerstand
gegen die Spannung gleich ist dem Widerstande gegen den Druck.
Da die elastische Kraft einer Substanz abzunehmen scheint, wenn die Spannung
ungefaͤhr die Haͤlfte der Cohaͤsionskraft viel
uͤbersteigt, muß in der Berechnung der elastischen Kraft jenes Gewicht w genommen werden, welches der Haͤlfte des
Gewichtes, wodurch das Gewicht gebrochen wurde, am naͤchsten ist.
Die Haͤrte wurde durch das Rizen eines Stuͤckes jeder Steinart mit
demselben Stuͤcke Stahles, auf dieselbe Art, und, soviel ich beurtheilen
kann, mit derselben Starke unternommen, bestimmt und verglichen. Wenn ich die zu
dieser Bestimmung noͤthigen Apparate gehabt haͤtte, wuͤrde ich
mich jenes des Perronet bedient haben. Die lezte Spalte der folgenden Tabelle zeigt
die Ordnung der Haͤrte der Steine, den weichsten gleich I gesezt.
Tabelle uͤber die Eigenschaften einiger Arten
Steine.
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Steinarten; Cohäsionskraft; Höhe des Modulus der Elastizität; Zolles; Fuß; Ausdehnbarkeit; Ordnung nach der Härte
In der Theorie nimmt man an, daß die Koͤrper vollkommen homogen sind; in
unseren Versuchen fanden wir aber, daß die Groͤße einer
Krystallflaͤche oder die Lage eines Glimmerblaͤttchens eine merkliche
Wirkung auf das Resultat an einem kleinen Stucke aͤußert; um also die Starke
zu bestimmen, sollte das Stuͤck die Laͤnge von ungefaͤhr 18
Zoll bei einem Durchschnitte von 1 1/2 □ Zoll nicht uͤbersteigen. Wenn
ein Stuͤck lang ist, so ist es schwer neues Gewicht aufzulegen ohne demselben
einen bedeutenden Grad von Moment zu geben. Um die Elasticitaͤt zu bestimmen,
sollte das Stuͤck in Verhaͤltniß zu seiner Dicke lang seyn, und es ist
besser, wenn die Breite nicht kleiner ist als die doppelte Dicke; denn da dadurch
sowohl die Biegung als das Gewicht, welches dasselbe hervorbringt, groͤßer
wird, kann man die Elasticitaͤt auf diese Weise genauer bestimmen. Bei kurzen
Stuͤcken hat ein bedeutender Grad von Eingreifung an den gestuͤzten
Enden statt.
Ich habe bemerkt, daß man in neueren Zeiten steinerne Stiegen, Balcons, Gaͤnge
u. dgl. mit immer weniger und weniger Materials erbaut, und daß noch keine Aussicht
vorhanden ist, daß dieser uͤbelverstandenen Oekonomie ein Ziel gesezt werden
wird, bis nicht irgend ein trauriger Unfall sich ereignet. Was fuͤr ein
grauliches Schauspiel wuͤrde nicht ein Balcon geben, der, mit einer Menge
Menschen auf demselben, bricht und einstuͤrzt! Und wer kann sagen, welcher
Balcon, wenn er mit so vielen Leuten uͤberladen ist, als darauf Plaz haben,
nicht brechen muß? diese Balcons sollten so gebaut und berechnet werden, daß sie
auch das moͤglich groͤßte Gewicht mit Sicherheit tragen
koͤnnten. Meine Versuche liefern die noͤthigen Daten, in sofern es die
Staͤrke des Steines betrifft. Sie zeigen auch, welcher Stein hierzu am
tauglichsten ist. Der Dundeestein ist entschieden der staͤrkste unter
allen, welche ich in dieser Hinsicht versuchte. Ich bin etc.Dem Uebersezer sind ausser der von unserem Aventin so umstaͤndlich erzaͤhlten
Geschichte, wie Kaiser Konrad sammt dem Bischofe zu Bamberg, der sich die
Rippen entzwei brach, und seinen gesalbten Geist aufgab, und sammt der
Graͤfin Richlinde und anderen Herren in dem Schlosse zu
Boͤsenburg an der Donau in Unter-Baiern (dem heutigen
Oesterreich) aus dem Sale, in welchem die Eigenthuͤmerin des
Schlosses ihn und seine Ritter empfing, in die Badstuben hinab durchsiel;
ausser jenem sonderbaren Falle in Oberoͤsterreich, auf dem Schlosse
des Baron v. Strein 120 Personen bei der Hochzeit-Tafel zwei
Stockwerke tief durchfielen, ohne daß, ausser einem Bedienten, ein einziger
Gast sein Leben dabei eingebuͤßt haͤtte; ausser dem Unfalle,
der einem noch lebenden Fuͤrsten gleichfalls in
Oberoͤsterreich, begegnete, unter welchem der Balcon brach, auf den
er hinaustrat, mehrere Faͤlle bekannt, in welchen, aus uͤbel
verstandener Oekonomie des Baumeisters, die Leute Arm und Bein, wohl auch
den Hals sich brachen. Hr. Tredgold hat sich durch seine Versuche und durch
die dieselbe begleitende Warnung den Dank der Menschheit erworben, welcher
in dieser Hinsicht nun nichts zu wuͤnschen uͤbrig bleibt, als
daß die Baumeister aller Laͤnder die Festigkeit und Biegsamkeit ihrer
Steine auf aͤhnliche Weise pruͤfen, und ihre Gebaͤude
darnach berechnen moͤchten. Es ist vergebene Muͤhe, daß die
Baumeister sich befleißen wollen, uns lebendig zu begraben; unsere Aerzte
aus der R – Schule sorgen schon dafuͤr, daß dieß nach unserem
Tode durch unsere Herrn Pfarrer nach den Regeln der Kunst und der Kirche
fuͤr baares Geld geschehe. 17. Oct. 1820. 2, Grove
Terrace, Lisson Grove.
Thom. Tredgold.